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Androhen des Abschleppens eines Fahrzeugs als versuchte Nötigung?

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 5 T 1214/19 – Beschluss vom 12.04.2019

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 07.02.2019, Aktenzeichen 23 C 895/19, wird als unbegründet zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, ist Eigentümerin des Grundstücks mit der Flur-Nr. 229/9, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts N., Buchungsbezirk G. An ihrem Grundstück ist zu Gunsten der Grundstücke der Antragsgegner ein Geh- und Fahrtrecht eingetragen, damit ein gemeinsamer Hof (Flur-Nr. 220/2) von den Antragsgegnern und deren Gästen erreicht werden kann. Die Antragsgegner betreiben auf Nachbargrundstücken einen Beherbergungsbetrieb. Vor dem Amtsgericht begehrten die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit welcher es im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den Antragsgegnern verboten werden sollte, Fahrzeugführern das Abschleppen ihrer Fahrzeuge anzudrohen, wenn diese auf den Grundstücken mit den Flur-Nr. 229/9 oder 220/2 ihre Fahrzeuge abstellten oder gegen derart abgestellte Fahrzeuge Abschlepp- oder Umsetzungsvorgänge einzuleiten. Wegen des genauen Umfangs des begehrten Rechtsschutzes wird auf Seite 3 des amtsgerichtlichen Beschlusses ergänzend Bezug genommen (vgl. Blatt 68 d.A.). Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen, weil kein Verfügungsgrund vorliege. Eine Eilbedürftigkeit sei vorliegend nicht ersichtlich.

Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 22.02.2019, (vgl. Blatt 77 d.A.), der das Amtsgericht mit Beschluss vom 26.02.2019 nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde ist der Auffassung, dass das Amtsgericht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zu Unrecht verneint habe. Das Amtsgericht habe verkannt, dass vorliegend ein Verfügungsgrund bereits deswegen indiziert sei, da es sich bei dem Verhalten der Antragsgegner um strafbares Verhalten, nämlich versuchte Nötigung handele, dieses Verhalten aber jedenfalls verbotene Eigenmacht darstelle. Nach der herrschenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung würde das Anheben eines Scheibenwischers bzw. das Anfassen eines Pkw eine verbotene Eigenmacht darstellen. Es nimmt insoweit Bezug auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts H… (Urteil vom 27.09.1990, Az.: 4 U 179/90). Das Amtsgericht habe zu Unrecht in die Besitzschutzansprüche aus §§ 858, 862 BGB ein subjektives Element bzw. ein Verschuldenselement hineingelesen, welches das Gesetz nicht vorsehe. Im übrigen wird ergänzend auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen.

2.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Androhen des Abschleppens eines Fahrzeugs als versuchte Nötigung?
(Symbolfoto: hedgehog94/Shutterstock.com)

Das Amtsgericht hat den Antrag zurecht wegen Fehlens eines Verfügungsgrundes zurückgewiesen. Wie das Amtsgericht in nicht zu beanstandener Weise zutreffend ausführt, setzt der Erlass einer einstweiligen Verfügung, welche wie vorliegend in der Sache auf eine Befriedigung des zu sichernden Anspruches hinaus läuft, voraus, dass der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist. Dies hat er darzulegen und glaubhaft zu machen. Das Gericht schließt sich der Einschätzung des Amtsgerichts ausdrücklich an, dass die Antragstellerin eine Eilbedürftigkeit vorliegend schon nicht dargelegt werden. Das Gericht macht sich die Ausführungen des Amtsgerichts auf Seite 4 des Beschlusses zu eigen.

a) Soweit die sofortige Beschwerde hiergegen einwendet, dass die Antragstellerin die Unterlassung einer Straftat bzw. von verbotener Eigenmacht begehre, kann dem schon aus den Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Das Androhen des Abschleppens eines Fahrzeuges mit der Behauptung, das Fahrzeug behindere ein Zufahrtsrecht, ist als solches nicht verwerflich i.S.d. § 240 Abs. 2 StGB. Danach ist entscheidend, ob die Androhung des Abschleppens zu dem angestrebten Zweck, vorliegend also der Sicherung der Ausübung eines behaupteten Fahrt- und Wegerechts verwerflich ist. Dies ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung, der sog. Mittelzweckrelation zu beurteilen. Danach ist eine Drohung insbesondere dann verwerflich, wenn ihr ein erhöhter Grad sittlicher Missbilligung innewohnt. Bei dieser Beurteilung stellt die Rechtsprechung auf die Sozialwidrigkeit des Handelns ab. Verwerfliches Verhalten ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn der Handelnde den Vorrang staatlicher Zwangsmittel außer Acht lässt und sich anmaßt die staatliche Gewalt, mit Nötigungsmitteln zu vertreten (vgl. Fischer, in: StGB, 66. Auflage 2019, § 240 Rn. 40-41a). Davon kann vorliegend keine Rede sein. Allein die Androhung des Abschleppens eines geparkten Fahrzeuges mit der Behauptung, es behindere ein Fahrt- und Wegerecht stellt kein sozialwidriges Verhalten dar. Vielmehr ist es unserer Rechtsordnung immanent, dass bestehende Rechte, ggf. unter Anwendung von staatlicher Gewalt, durchgesetzt werden. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn ein Rechteinhaber dies vorher androht. Dies gilt unabhängig davon, ob das behauptete Recht besteht oder nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Form der Mitteilung. Zu der Art und Weise, wie das Abschleppen vollzogen werden soll, werden keine Ausführungen gemacht.

b) Die Beschwerde kann ebenso wenig verfangen, soweit sie darauf abhebt, dass das Anbringen entsprechender Zettel an den Windschutzscheiben bzw. das Anfassen von abgestellten Fahrzeugen eine Besitzstörung darstelle. Eine Besitzstörung liegt vor, wenn die Ausübung des Besitzes anders als durch dessen Entzug beeinträchtigt ist. In Betracht kommen dabei physische Eingriffe, aber auch psychische Einwirkungen oder die Beeinträchtigung durch Immissionen. Für die Auslegung von § 858 Abs. 1 BGB kann dabei im Wesentlichen auf den zu § 1004 BGB entwickelten Störungsbegriff zurückgegriffen werden. Dieser wird im Hinblick auf die Fülle der Lebenserscheinungen begrenzt. Eine Besitzstörung i.S.v. § 858 Abs. 1 BGB liegt daher nicht bei jeder Beeinträchtigung des Besitzes vor, sondern nur bei solchen, die erheblich sind, also insbesondere solchen Beeinträchtigungen, welche eine Relevanz für die Ausübung es Besitzes entfalten. Erforderlich ist dabei stets ein Eingriff, der den Besitzer in dem Bestand seiner tatsächlichen Sachherrschaft beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Sachherrschaft scheidet nach der Verkehrsanschauung regelmäßig dann aus, wenn sie so gering ist, dass die Anwendung des possessorischen Besitzschutzes unangemessen erscheint. Derartige Störungen sind hinzunehmen. So scheiden kurzfristige Störungen des Besitzes regelmäßig aus, wenn sie nur von geringer Dauer und gleichzeitig auch geringer Intensität sind. So liegt es hier:

Durch das Anfassen eines Pkw oder das Anbringen eines Zettels unter dem Scheibenwischer wird die Nutzung des Fahrzeuges kaum beeinträchtigt. Die Intensität der Beeinträchtigung liegt wohl vor allem darin, dass der Fahrer den Zettel entfernen wird müssen, um den Scheibenwischer ohne Einschränkungen betreiben zu können. Dies erfordert nach der Erfahrung des Gerichts einen Handgriff. Es handelt sich daher nur um einen kurzfristigen Eingriff. Die Anwendung possessorischer Besitzschutzansprüche dagegen scheint kaum erforderlich.

Soweit die Beschwerde in dieser Hinsicht auf die obergerichtliche Rechtsprechung und die Anbringung von Werbezetteln hinweist, verkennt sie, dass es sich um dabei um verschiedene Sachverhalte handelt. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Hinweis auf mögliche Abschleppmaßnahmen aufgrund einer konkreten Parksituation. Bei den obergerichtlich entschiedenen Fällen von Werbezetteln handelt es sich dagegen um die Werbung Dritter, also die Ansprache möglicher Kunden, die aufgrund der Masse der betroffenen Pkw’s regelmäßig für die betroffenen Parkplatzinhaber mit einer Verunreinigung ihrer Parkflächen einhergeht. Erfahrungsgemäß werden derartige Werbezettel in der Nähe des geparkten Fahrzeuges entsorgt. Dementsprechend geht auch die obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass in den Verunreinigungen von Parkplätzen durch Werbeprospekte eine Störung i.S.d. § 862 BGB vorliegt. Da die Verteilung von Werbeprospekten im öffentlichen Verkehrsraum erfahrungsgemäß dazu führt, dass ein Teil der Prospekte nicht mitgenommen, sondern alsbald weggeworfen wird, müssen sich die Verteilenden die Verunreinigungen zurechnen lassen. Deswegen wird in diesen Fällen eine Störung bereits im Anbringen unter den Scheibenwischern bejaht, also bereits bei der Verteilung von derartigen Zetteln auf der Parkfläche (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.1996, Az. 2 U 164/95). Mit dem hier vorliegenden Fall ist dies schon im Ansatz nicht vergleichbar. Die Antragstellerin trägt auch nicht vor, dass sie durch die Entsorgung der Androhungszettel in ihrem Besitz beeinträchtigt wird.

3.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

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