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Anfechtung eines Erbvertrags, da bei Tod Scheidungsgründe vorlagen

 Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Az.: 3 W 103/00

Beschluss vom 17.08.2000

Vorinstanzen:

Landgericht Frankenthal (Pfalz) – Az.: 1 T 79/00

Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein – Az.: 8 b VI 667/98


Beschluss

In dem Verfahren betreffend die Erteilung eines Erbscheins über den am 3. September 1998 Verstorbenen an dem beteiligt sind:

1. Antragsteller und Antragsgegner, Beschwerdeführer, auch hinsichtlich der weiteren Beschwerde,

2. zu 2) und 3) Antragsgegner und Antragsteller, Beschwerdegegner sowie Gegner der sofortigen weiteren Beschwerde,

3. Anschrift und gesetzliche Vertretung

Beschwerdegegner, auch hinsichtlich der weiteren Beschwerde,

Hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 15. Mai 2000 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. April 2000 ohne mündliche Verhandlung am 17. August 2000 beschlossen:

I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.

II. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf einen Betrag bis zu 400.000,– DM festgesetzt.

G r ü n d e

I.

Nach dem Tod seiner Ehefrau streitet der Beteiligte zu 1) mit seinen Kindern, den Beteiligten zu 2) und 3), um die Ausstellung eines Erbscheins.

Mit Erbvertrag vom 27. Mai 1982 haben sich die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Weiter ist in dem Erbvertrag geregelt, dass nach dem Ableben des letztversterbenden Eheteils das beiderseitige Vermögen an die beiden ehelichen Kinder als Schluss erben fallen soll.

Im November bzw. Dezember 1997 haben der Beteiligte zu 1) und die Erblasserin jeweils die Ehescheidung beantragt. Zum Zeitpunkt des Getrenntlebens haben sie dabei unterschiedliche Angaben gemacht. Weiter stritten sie um den Nachscheidungsunterhalt, insbesondere ob dieser aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen sei. Noch vor Abschluss des Scheidungsverfahrens ist die Erblasserin am 3. September 1998 verstorben.

Sowohl der Beteiligte zu 1) als auch die Beteiligten zu 2) und 3) haben jeweils einen Erbscheinsantrag zu ihren Gunsten gestellt. Der Beteiligte zu l) stützt seinen Antrag auf den Erbvertrag und macht geltend, seine Ehefrau, die Erblasserin, habe nicht ernsthaft die Scheidung der Ehe erreichen wollen.

Zur Frage, ob im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe vorgelegen haben, hat der Nachlassrichter Beweis erhoben und sodann den Antrag des Beteiligten zu l) zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Nach Ansicht des Landgerichts sind die Voraussetzungen für eine unwiderlegbare Vermutung des Scheiterns der Ehe gemäß §1566 Abs. 1 BGB erfüllt. Mit der weiteren Beschwerde macht der Beteiligte zu 1) u.a. geltend, von der Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB könne nicht ausgegangen werden, weil entgegen § 630 Abs. 1 Nr. 3 ZPO der Nachscheidungsunterhalt nicht geregelt gewesen sei.

1. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft und formgerecht eingelegt (§§ 27, 29 Abs. 1 FGG). Die gemäß §§ 29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG erforderliche Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt für die weitere Beschwerde daraus, dass seine Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist (BGHZ 31, 92, 95; BagObLGZ 1982, 236, 238; Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FGG 14. Aufl. S 27 Rdnr. 10 jew. m.w. N.). Im Übrigen ergibt sich die Beschwerdebefugnis aber auch daraus, dass dem Beteiligten zu 1) das Erbrecht, das ihm unter Zugrundelegung seines Rechtsstandpunktes zustehen würde, abgesprochen worden ist (vgl. BGH FamRZ 1974, 645,, 646; BayObLGZ 1982 a-aO und FamRZ 1976, 101, 102 jew. m. w.N.).

2. In der Sache führt die weitere Beschwerde zu einem vorläufigen Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 Satz l FGG) und kann deshalb keinen Bestand haben. Die Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB greift entgegen der Ansicht des Landgerichts nur dann ein, wenn auch die übrigen, in § 630 ZPO normierten Voraussetzungen einer einverständlichen Entscheidung vorliegen. Das ist hier im Hinblick auf die streitige Unterhaltspflicht nicht der Fall, was zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führt.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend haben die Vorinstanzen § 2077 Abs. 1 BGB geprüft, der gemäß § 2279 Abs. 2 BGB auch für Erbverträge Anwendung findet. Da hier die Ehe vor dem Tod der Erblasserin noch nicht aufgelöst war, kommt es nach § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB darauf an, ob zum Zeitpunkt ihres Todes die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und sie die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.

b) Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt auch die Annahme des Landgerichts, dass die Erblasserin selbst die Scheidung der Ehe beantragt und ausweislich der Akten des Familiengerichts diesen Antrag nicht zurückgenommen hat. Dazu nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug.

c) Soweit das Landgericht des Weiteren das Vorliegen der Voraussetzungen einer Konventionalscheidung bejaht hat und von der Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB ausgegangen ist, hält dies einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Allerdings wird die Frage, ob in den Fällen einer einverständlichen Scheidung nach § 1565 i.V.m. § 1566 Abs. 1 BGB eine Einigung über die Folgesachen gemäß § 630 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO vorgelegen haben muss, in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. Während zum Teil die Regelung der Scheidungsfolgensachen für das Ehegattenerbrecht als unerheblich angesehen wird (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 136, 137; Leipold in MünchKomm, BGB 3. Aufl. § 1933 Rdnr. 8; Soergel/Loritz, BGB 12. Aufl.,§ 2077 Rdnr. 8), nimmt die überwiegende Meinung an, dass von der Vermutung des Scheiterns der Ehe im Sinne des § 1566 Abs.1 BGB nur dann ausgegangen werden kann, wenn auch eine Einigung über die Folgesachen gemäß § 630 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegt (vgl. OLG Köln FamRZ 1978,25; OLG Bremen FamRZ 1986, 833, 834; OLG Schleswig NJW 1993, 1082, 1083; OLG Stuttgart OLGZ 1993 263, 264, Dieckmann FamRZ 1979, 389, 396; Soergel/Stein aaO § 19,33 Rdnr. 8; Staudinger/Werner und Otte BGB 13. Aufl. §1933 bzw. § 2077 jew. Rdnrn. 10; Erman/Schlüter, BGB 10. Aufl. § 1933 Rdnr.. 3; Palandt/Edenhofer, BGB 59. Aufl. § 1933 Rdnr. 6). Der zuletzt genannten Auffassung ist auch der 6. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts gefolgt (vgl. FamRZ 1983, 1132). Ohne dass es hierauf für die zu treffende Entscheidung ankam, hat der erkennende Senat 1994 auf die herrschende Meinung hingewiesen, wonach zu den Voraussetzungen einer Konventionalscheidung auch die Einigung über die Folgesachen gemäß § 630 Nr. 2 und 3 ZPO gehört (Beschluss vom 25-. November 1994 – 3 W 165/94 -, veröffentlicht NJW 1995 601, 602). Hieran wird festgehalten.

Richtig ist zwar, dass beim Tod eines Ehepartners sich das Ehescheidungsverfahren erledigt, so dass es keiner Regelung der Scheidungsfolgen mehr bedarf (so OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 136, 137). Für die erbrechtliche Beurteilung kann hierauf aber nicht verzichtet werden. Denn bei der Prognose über den mutmaßlichen Ausgang des Ehescheidungsverfahrens

macht es einen Unterschied, ob die Ehe einverständlich entsprechend § 630 ZPO geschieden worden wäre oder die Folgesachen streitig waren. Wie sich § 630 Abs. 3 ZPO entnehmen lässt, kommt nämlich ohne Einigung über die Folgesachen nach Abs. 1 Nr. 3 ZPO eine Scheidung auf der Grundlage der Zerrüttungsvermutung nach § 1566 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. In diesen Fällen ist dann zu prüfen, ob die Ehe nach der Ausgangsnorm § 1565 Abs. 1 BGB geschieden worden wäre (ebenso OLG Schleswig NJW 1993, 1082, 1083; Dieckmann aaO; Staudinger/Werner aaO). Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Erbrechtsausschluss nach § 1933 Satz 1 BGB, sondern auch, wenn es – wie hier beim Erbvertrag – gemäß § 2279 Abs. 2 BGB um die Anwendung des § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB geht (vgl. OLG Bremen FamRZ 1986 833, 834; OLG Stuttgart OLGZ 1993, 263, 264).

d) Nach den getroffenen Feststellungen fehlte es hier an einer Einigung im Sinne des § 630 Abs. 1 Nr. 3 ZPO über den Nachscheidungsunterhalt. Mithin kann für die Prognose des Ausgangs des Scheidungsverfahrens nicht auf die Zerrüttungsvermutung des § 1566 Abs. 1 abgestellt werden. Die abweichende Ansicht des OLG Frankfurt (aaO) gibt dem Senat keinen Anlass, die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Denn die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist nicht auf weitere Beschwerde im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen (vgl. dazu Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FGG 14. Aufl. § 28 Rdnrn. 23 und 7).

2) Für die zutreffende Entscheidung kommt es danach darauf an, ob die Ehe nach § 1565 Abs.1 BGB geschieden worden wäre. Auch insoweit wird die Dauer des Getrenntlebens der Eheleute zu berücksichtigen sein, soweit sie über die Mindestfrist von einem Jahr hinaus geht. Eine weitergehende Bedeutung im Sinn einer tatsächlichen Vermutung für das Scheitern der Ehe kommt der Trennungszeit jedoch nicht zu (vgl. BGH NJW 1995 1082, 1084). Es bedarf daher weiterer tatsächlicher Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 1565 Abs.1 BGB.

3) Den Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat der Senat nach §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1,, 107 Abs. 2 Satz 1 KostO festgesetzt. Es ist zwar noch kein Nachlassverzeichnis erstellt. Hinreichende Anhaltspunkte für den reinen Nachlass im Zeitpunkt des Erbfalls ergeben sich jedoch aus den Mitteilungen zum Endvermögen im Rahmen des Zugewinnausgleichs.

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