Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OLG Köln Urteil zur faktischen Geschäftsführung bei Anlagebetrug – Ansprüche Geschädigter gestärkt
- Kern des Rechtsstreits: Schadensersatzforderung nach Kapitalanlage in mutmaßliches Schneeballsystem
- Entscheidung des Landgerichts Bonn: Voller Erfolg für die Klägerin in erster Instanz
- Berufung vor dem OLG Köln: Teilerfolg der Beklagten und Präzisierung der Haftung
- Faktische Geschäftsführung im Fokus: Gesamterscheinungsbild des Auftretens entscheidend
- § 826 BGB – Sittenwidrige Schädigung als Anspruchsgrundlage
- Bedeutung für Betroffene von Anlagebetrug und Schneeballsystemen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „faktische Geschäftsführung“ genau und wie unterscheidet sie sich von einer formellen Geschäftsführung?
- Unter welchen Umständen haften faktische Geschäftsführer bei Anlagebetrug und auf welcher Rechtsgrundlage basiert diese Haftung?
- Welche Rolle spielt das „Gesamterscheinungsbild des Auftretens“ bei der Feststellung einer faktischen Geschäftsführung?
- Wie kann ich als Anleger beweisen, dass eine Person als faktischer Geschäftsführer agiert hat und somit für meine Verluste haftbar ist?
- Welche Auswirkungen hat das Urteil des OLG Köln auf meine Chancen, Schadensersatz von Personen zu erhalten, die nicht offiziell als Geschäftsführer eines Unternehmens bestellt waren, aber dennoch maßgeblichen Einfluss auf dessen Geschäftstätigkeit hatten?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Köln
- Datum: 21.12.2023
- Aktenzeichen: I-24 U 45/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Schadensersatzrecht, Anlageberatungsrecht, Deliktsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Macht Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung und sittenwidriger Schädigung geltend.
- Beklagte: Werden von der Klägerin wegen fehlerhafter Anlageberatung und sittenwidriger Schädigung in Anspruch genommen.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin wirft den Beklagten fehlerhafte Anlageberatung und Sittenwidrige Schädigung vor und fordert Schadensersatz.
- Kern des Rechtsstreits: Es geht um die Frage, ob die Beklagten durch ihre Anlageberatung schadensersatzpflichtig geworden sind und ob eine sittenwidrige Schädigung vorliegt.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Urteil des Landgerichts Bonn wurde teilweise abgeändert. Die zuerkannte Verzinsung wurde reduziert und die Haftung der Beklagten wegen vorsätzlich unerlaubter Handlung wurde abgewiesen.
- Begründung: Keine Begründung im Auszug enthalten.
- Folgen: Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden können. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Der Fall vor Gericht
OLG Köln Urteil zur faktischen Geschäftsführung bei Anlagebetrug – Ansprüche Geschädigter gestärkt

In einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Köln (Az.: I-24 U 45/23) vom 21. Dezember 2023 ging es um die Frage der Verantwortlichkeit und Haftung im Zusammenhang mit einer fehlerhaften Anlageberatung und mutmaßlich sittenwidriger Schädigung von Anlegern. Das Gericht befasste sich intensiv mit dem Konzept der faktischen Geschäftsführung und dessen Bedeutung für die Haftung von Personen, die zwar nicht formell als Geschäftsführer bestellt sind, aber dennoch maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ausüben. Das Urteil ist von erheblicher Bedeutung für Anleger, die durch unseriöse Kapitalanlagen Schäden erlitten haben und richtungsweisend für die Beurteilung der Verantwortlichkeit von Personen im Umfeld von Anlagebetrugsfällen.
Kern des Rechtsstreits: Schadensersatzforderung nach Kapitalanlage in mutmaßliches Schneeballsystem
Im Zentrum des Falls stand eine Klägerin, die Schadensersatzansprüche gegen zwei Beklagte geltend machte. Sie warb für eine Kapitalanlage und behauptete, Opfer einer fehlerhaften Anlageberatung und einer sittenwidrigen Schädigung geworden zu sein. Konkret ging es um eine Investition in Anteile an einer Firma namens „K. N. J. T.“, die sich später als Teil eines mutmaßlichen Schneeballsystems herausstellte. Die Klägerin argumentierte, dass die eingeworbenen Gelder nicht wie versprochen angelegt wurden, sondern zur Auszahlung vermeintlicher Gewinne an frühere Anleger dienten, ein typisches Merkmal eines Schneeballsystems.
Entscheidung des Landgerichts Bonn: Voller Erfolg für die Klägerin in erster Instanz
Das Landgericht Bonn hatte in erster Instanz (Az.: 17 O 313/22) der Klage vollumfänglich stattgegeben. Es verurteilte die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 62.400 Euro zuzüglich Zinsen und zur Freistellung von weiteren wirtschaftlichen Nachteilen. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Beklagte zu 1) als faktischer Geschäftsführer der Beklagten zu 2) agierte und die Klägerin vorsätzlich und sittenwidrig im Sinne des § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geschädigt hatte. Das Gericht wertete den Vortrag der Klägerin, der detailliert ein betrügerisches Schneeballsystem beschrieb, als zugestanden, da die Beklagten nicht ausreichend darauf reagiert hatten.
Berufung vor dem OLG Köln: Teilerfolg der Beklagten und Präzisierung der Haftung
Gegen dieses Urteil des Landgerichts Bonn legten die Beklagten Berufung beim Oberlandesgericht Köln ein. Das OLG Köln bestätigte zwar grundsätzlich die Haftung der Beklagten, modifizierte jedoch das Urteil in einigen wesentlichen Punkten. Das OLG wies die Klage ab, soweit das Landgericht die Haftung der Beklagten zu 2) aus vorsätzlich unerlaubter Handlung festgestellt hatte. Zudem korrigierte es die Berechnung der Zinsen zu Gunsten der Beklagten. Im Kern bestätigte das OLG jedoch die grundsätzliche Schadensersatzpflicht der Beklagten.
Faktische Geschäftsführung im Fokus: Gesamterscheinungsbild des Auftretens entscheidend
Ein zentraler Aspekt des Urteils des OLG Köln ist die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Begriff der faktischen Geschäftsführung. Das Gericht stellte klar, dass es für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung nicht auf eine formelle Bestellung oder einen Vertrag ankommt, sondern auf das Gesamterscheinungsbild des Auftretens der betreffenden Person. Entscheidend ist, ob die Person durch ihr Verhalten den Eindruck erweckt, die Geschäfte des Unternehmens maßgeblich zu lenken und zu bestimmen.
Indizien für faktische Geschäftsführung: Weitreichende Befugnisse und prägender Einfluss
Das OLG Köln nannte verschiedene Indizien, die für eine Faktische Geschäftsführung sprechen können. Dazu gehören insbesondere:
- Umfassende Befugnisse: Wenn eine Person über weitreichende Befugnisse verfügt, die über die eines normalen Angestellten hinausgehen.
- Prägender Einfluss: Wenn die Person durch ihr Verhalten die Entscheidungen und das Auftreten des Unternehmens maßgeblich prägt.
- Außenauftritt: Wenn die Person im Außenverhältnis als entscheidungsbefugte Person des Unternehmens auftritt.
Im vorliegenden Fall sah das OLG Köln diese Kriterien als erfüllt an, da der Beklagte zu 1) nach dem Vortrag der Klägerin, der als zugestanden gewertet wurde, zentral in das Geschäftsmodell eingebunden war und maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung und Durchführung des mutmaßlichen Schneeballsystems hatte.
§ 826 BGB – Sittenwidrige Schädigung als Anspruchsgrundlage
Das OLG Köln bestätigte die Auffassung des Landgerichts, dass die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllt sind. § 826 BGB normiert einen Schadensersatzanspruch, wenn jemand einem anderen vorsätzlich und sittenwidrig Schaden zufügt. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Im Kontext von Anlagebetrug und Schneeballsystemen wird dies regelmäßig angenommen, da solche Systeme von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Anleger angelegt sind.
Bedeutung für Betroffene von Anlagebetrug und Schneeballsystemen
Das Urteil des OLG Köln ist von großer Bedeutung für Anleger, die Opfer von Anlagebetrug und Schneeballsystemen geworden sind. Es stärkt ihre Rechte in mehrfacher Hinsicht:
- Erweiterte Haftung: Das Urteil unterstreicht, dass nicht nur formelle Geschäftsführer, sondern auch faktische Geschäftsführer für Schäden haftbar gemacht werden können. Dies erweitert den Kreis der potenziell Verantwortlichen und erhöht die Chancen für Geschädigte, Schadensersatz zu erlangen.
- Beweiserleichterung: Das Urteil zeigt, dass Gerichte den Vortrag von Klägern, der detailliert ein Schneeballsystem und die Rolle der Beteiligten beschreibt, ernst nehmen und bei fehlendem substantiierten Gegenvortrag der Beklagten als zugestanden werten können. Dies kann die Beweislast für Geschädigte erleichtern.
- Signalwirkung: Das Urteil sendet ein deutliches Signal an Personen, die im Umfeld von unseriösen Kapitalanlagen agieren. Es macht deutlich, dass auch Personen, die sich hinter formalen Konstruktionen verstecken und als „Strippenzieher“ im Hintergrund agieren, für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden können.
Geschädigte Anleger sollten sich durch dieses Urteil ermutigt fühlen, ihre Ansprüche konsequent zu verfolgen und dabei auch die Möglichkeit der faktischen Geschäftsführung bei der Identifizierung der Verantwortlichen in Betracht zu ziehen. Eine detaillierte Aufarbeitung des Sachverhalts und eine fundierte rechtliche Beratung sind dabei unerlässlich, um die Erfolgsaussichten einer Schadensersatzklage optimal zu nutzen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Bei Schneeballsystemen können Anleger Schadensersatz nach § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) beanspruchen, ohne alle Details des Betrugsschemas beweisen zu müssen. Das Gericht erkennt an, dass bei solchen Systemen die Betreiber eine Sekundäre Darlegungslast haben und ihre Angebote offenlegen müssen. Geschädigte können sowohl vom Hauptverantwortlichen als auch von beteiligten Unternehmen die vollständige Rückzahlung ihrer Investitionen samt Zinsen verlangen und sind zudem vor steuerlichen Nachteilen aus der Scheininvestition geschützt.
Benötigen Sie Hilfe?
Verantwortung im Kontext von Anlagebetrug und faktischer Geschäftsführung
Anlagebetrug und die Frage der faktischen Geschäftsführung stellen komplexe Herausforderungen dar, bei denen sich die Verantwort nicht immer unmittelbar aus formellen Strukturen ableiten lässt. Gerade wenn sich der Eindruck breitmacht, dass Einzelpersonen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsaktivitäten ausgeübt haben, kann die rechtliche Bewertung insbesondere in Fällen von missbräuchlichem Verhalten und fungierenden Schneeballsystemen erfolgskritisch sein. Eine präzise Betrachtung des Gesamterscheinungsbilds und der damit verbundenen Haftungsfragen ist daher entscheidend, um einen klaren Überblick über die individuellen Rechtsansprüche zu erlangen.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Situation objektiv zu erfassen und die relevanten rechtlichen Fragestellungen fundiert zu analysieren. Unsere Beratung richtet sich an Betroffene, die durch unklare Verantwortungsverhältnisse und mögliche sittenwidrige Schädigungen herausgefordert sind. Mit sachlichen und präzisen Analysen schaffen wir die Grundlage, um zusammen die besten Lösungsansätze zu entwickeln, sodass Sie in Ihrem Fall nicht allein dastehen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „faktische Geschäftsführung“ genau und wie unterscheidet sie sich von einer formellen Geschäftsführung?
Faktische Geschäftsführung bezeichnet eine Situation, in der eine Person die Geschäfte eines Unternehmens wie ein Geschäftsführer leitet, ohne dass sie formell als Geschäftsführer bestellt und im Handelsregister eingetragen ist. Dies kann sowohl vorkommen, wenn es keinen eingetragenen Geschäftsführer gibt, als auch wenn ein eingetragener Geschäftsführer vorhanden ist, aber die tatsächliche Führung durch eine andere Person erfolgt.
Formelle Geschäftsführung hingegen basiert auf einer förmlichen Bestellung durch die Gesellschafterversammlung und einer Eintragung im Handelsregister. Ein formeller Geschäftsführer ist gesetzlicher Vertreter der GmbH und hat die rechtliche Befugnis, das Unternehmen zu vertreten.
Kriterien für eine faktische Geschäftsführung umfassen unter anderem:
- Bestimmung der Unternehmenspolitik
- Unternehmensorganisation
- Einstellung von Mitarbeitern
- Gestaltung der Geschäftsbeziehungen
- Verhandlungen mit Kreditgebern
- Entscheidungen in Steuerangelegenheiten
- Steuerung der Buchhaltung
- Höchste Gehaltsstufe
Mindestens sechs dieser Kriterien müssen erfüllt sein, um von einer faktischen Geschäftsführung zu sprechen.
Haftung: Ein faktischer Geschäftsführer haftet genauso wie ein formeller Geschäftsführer, insbesondere bei zivilrechtlichen und steuerlichen Verpflichtungen. Dies bedeutet, dass er persönlich für die Verbindlichkeiten des Unternehmens verantwortlich gemacht werden kann, auch wenn er nicht offiziell bestellt wurde.
Unter welchen Umständen haften faktische Geschäftsführer bei Anlagebetrug und auf welcher Rechtsgrundlage basiert diese Haftung?
Faktische Geschäftsführer können bei Anlagebetrug in mehrfacher Hinsicht haftbar gemacht werden. Zivilrechtlich haften sie analog § 43 Abs. 2 GmbHG für Schäden, die durch Pflichtverletzungen entstanden sind, wie etwa bei unerlaubten Zahlungen oder der Verletzung von Buchführungs- und Bilanzierungspflichten. Strafrechtlich können sie für Straftaten wie Betrug, Untreue oder Insolvenzverschleppung verantwortlich gemacht werden, insbesondere wenn sie steuerliche Pflichten verletzen oder Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife leisten.
Ein Schneeballsystem, das oft mit Anlagebetrug in Verbindung gebracht wird, kann als sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB angesehen werden. Hierbei wird der Schaden durch die unredliche und unethische Handlung des faktischen Geschäftsführers verursacht. Um eine Haftung nach § 826 BGB zu begründen, müssen Beweise für eine vorsätzliche oder fahrlässige sittenwidrige Handlung erbracht werden, die zu einem Schaden geführt hat. Dazu zählen Dokumente über unredliche Geschäftspraktiken, Zeugenaussagen oder interne Unterlagen, die die Absicht oder das Verschulden belegen.
Die Beweisführung erfordert in der Regel den Nachweis, dass der faktische Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft maßgeblich beeinflusst hat und dabei gegen seine Pflichten verstoßen ist. Dies kann durch interne Dokumente, E-Mails oder Zeugenaussagen belegt werden. Zudem muss der Schaden klar zugeordnet werden können, was oft durch finanzielle Analysen oder Gutachten erfolgt.
Welche Rolle spielt das „Gesamterscheinungsbild des Auftretens“ bei der Feststellung einer faktischen Geschäftsführung?
Das Gesamterscheinungsbild des Auftretens ist ein entscheidender Faktor bei der Feststellung einer faktischen Geschäftsführung. Es geht dabei nicht nur um einzelne Handlungen, sondern um das Gesamtbild, das eine Person nach außen hin vermittelt. Dieses Bild zeigt, ob jemand die Geschicke einer Gesellschaft maßgeblich leitet, obwohl es an einer förmlichen Bestellung fehlt.
Wichtige Indizien für eine faktische Geschäftsführung sind:
- Unterschriftsbefugnis: Wenn jemand berechtigt ist, wichtige Dokumente im Namen der Gesellschaft zu unterzeichnen.
- Weisungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern: Wenn jemand Anweisungen an Mitarbeiter gibt und diese als verbindlich akzeptiert werden.
- Vertretung des Unternehmens nach außen: Wenn jemand regelmäßig mit Banken, Lieferanten oder Kunden im Namen der Gesellschaft kommuniziert und Verhandlungen führt.
- Bestimmung der Unternehmenspolitik: Wenn jemand maßgeblich an strategischen Entscheidungen beteiligt ist.
Diese Indizien zeigen, dass die Person nicht nur intern auf die Geschäftsführung einwirkt, sondern auch nach außen wie ein Geschäftsführer auftritt und die Geschicke der Gesellschaft prägt.
Für die Bewertung ist es nicht erforderlich, dass der faktische Geschäftsführer die gesetzliche Geschäftsführung vollständig verdrängt. Wichtig ist, dass er durch eigenes Handeln im Außenverhältnis die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt.
Wie kann ich als Anleger beweisen, dass eine Person als faktischer Geschäftsführer agiert hat und somit für meine Verluste haftbar ist?
Um zu beweisen, dass eine Person als faktischer Geschäftsführer agiert hat und somit für Ihre Verluste haftbar ist, müssen Sie nachweisen, dass diese Person tatsächlich die Geschäfte des Unternehmens geleitet hat, obwohl sie nicht offiziell als Geschäftsführer bestellt wurde. Hier sind einige praktische Hinweise, wie Sie Ihre Ansprüche untermauern können:
Beweismittel können unter anderem Zeugenaussagen, E-Mails, interne Dokumente und öffentliche Auftritte der Person sein. Diese Beweise müssen zeigen, dass die Person entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen hatte und organtypische Pflichten wahrgenommen hat, wie z.B. die Führung von Verhandlungen, die Entscheidung über Einstellungen oder das Unterzeichnen von Verträgen.
Die Beweislast liegt bei Ihnen als Geschädigtem. Sie müssen daher sorgfältig alle relevanten Informationen sammeln und präsentieren, um im Gerichtsverfahren Ihre Ansprüche erfolgreich durchzusetzen.
Wichtige Kriterien für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung:
- Überragende Stellung: Die Person muss gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnehmen oder zumindest ein deutliches Übergewicht haben.
- Organtypische Pflichten: Sie muss Aufgaben wahrnehmen, die typisch für ein Organ sind, wie z.B. das Auftreten gegenüber Behörden oder das Unterzeichnen von Dokumenten.
- Einverständnis der Gesellschafter: Die faktische Geschäftsführung muss mit Einverständnis der Gesellschafter erfolgen.
Praktische Schritte zur Beweisführung:
- Sammeln von Dokumenten: Sämtliche interne Dokumente, E-Mails und Verträge, die den Einfluss der Person belegen, sammeln.
- Zeugenaussagen: Mitarbeiter oder andere Beteiligte befragen, die bestätigen können, dass die Person faktisch die Geschäfte geleitet hat.
- Öffentliche Auftritte: Nachweisen, dass die Person nach außen hin als Leiter des Unternehmens aufgetreten ist, z.B. bei Verhandlungen oder in der Öffentlichkeit.
Indem Sie diese Beweise sorgfältig präsentieren, können Sie Ihre Ansprüche im Gerichtsverfahren stärken.
Welche Auswirkungen hat das Urteil des OLG Köln auf meine Chancen, Schadensersatz von Personen zu erhalten, die nicht offiziell als Geschäftsführer eines Unternehmens bestellt waren, aber dennoch maßgeblichen Einfluss auf dessen Geschäftstätigkeit hatten?
Das Urteil des OLG Köln präzisiert die Anforderungen an eine faktische Geschäftsführung und hat Auswirkungen auf die Haftung von Personen, die nicht offiziell als Geschäftsführer bestellt sind, aber maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens haben. Hier sind die wichtigsten Punkte:
- Faktische Geschäftsführung: Eine Person wird als faktischer Geschäftsführer betrachtet, wenn sie die Geschicke eines Unternehmens maßgeblich im Außenverhältnis beeinflusst, ohne dass sie offiziell bestellt wurde. Dies kann durch eigenes Handeln geschehen, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt.
- Haftungsrisiken: Faktische Geschäftsführer unterliegen den gleichen Haftungsrisiken wie offiziell bestellte Geschäftsführer. Sie können für Schäden haftbar gemacht werden, die durch ihr Handeln entstanden sind.
- Relevanz für Schadensersatzansprüche: Das Urteil kann Ihre Chancen auf Schadensersatz verbessern, wenn Sie nachweisen können, dass eine Person faktisch wie ein Geschäftsführer gehandelt hat. Jedoch hängt dies stark von den individuellen Umständen des Falls ab.
- Individuelle Betrachtung: Jeder Fall wird individuell beurteilt. Das Urteil bietet eine Orientierungshilfe, aber die spezifischen Details Ihres Falls sind entscheidend für den Ausgang.
Insgesamt bedeutet das Urteil, dass Personen, die faktisch wie Geschäftsführer handeln, ähnliche Verantwortlichkeiten und Haftungsrisiken tragen können wie offiziell bestellte Geschäftsführer. Dies kann Ihre Chancen auf Schadensersatz erhöhen, wenn Sie nachweisen können, dass eine solche Person maßgeblich in die Geschäftstätigkeit eingegriffen hat.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Faktische Geschäftsführung
Bezeichnet eine Person, die ohne formal als Geschäftsführer bestellt zu sein, tatsächlich die Geschäftsführung eines Unternehmens übernimmt und maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik ausübt. Der faktische Geschäftsführer haftet wie ein ordnungsgemäß bestellter Geschäftsführer nach §§ 43, 64 GmbHG und kann auch persönlich für Schäden verantwortlich gemacht werden. Bei Anlagebetrug ist dies besonders relevant, da Hintermänner juristisch zur Verantwortung gezogen werden können, selbst wenn sie nicht offiziell als Geschäftsführer eingetragen sind.
Beispiel: Eine Person trifft alle wichtigen unternehmerischen Entscheidungen für eine Anlagefirma, gibt Weisungen an Mitarbeiter und verhandelt mit Geschäftspartnern, während der formale Geschäftsführer nur als „Strohmann“ fungiert.
Anlagebetrug
Eine Form des Betrugs gemäß § 263 StGB, bei der Täter vorsätzlich falsche Tatsachen über Finanzanlagen vortäuschen, um Anleger zur Investition zu bewegen. Die Täuschung kann sich auf Renditen, Sicherheiten oder die Verwendung der investierten Gelder beziehen. Kennzeichnend ist die gezielte Irreführung der Anleger mit dem Ziel der persönlichen Bereicherung. Die Opfer erleiden dabei einen Vermögensschaden. Zivilrechtlich können Betroffene Schadensersatzansprüche nach §§ 823, 826 BGB geltend machen.
Beispiel: Ein Unternehmen wirbt mit garantierten jährlichen Renditen von 20% für Immobilieninvestitionen, obwohl keine entsprechenden Projekte existieren und die Gelder für private Zwecke verwendet werden.
Schneeballsystem
Eine betrügerische Geschäftspraxis, bei der Auszahlungen an Bestandsanleger nicht aus erwirtschafteten Gewinnen, sondern ausschließlich aus den Einlagen neuer Investoren finanziert werden. Diese Systeme brechen zwangsläufig zusammen, wenn nicht genügend neue Anleger gewonnen werden können. Nach § 16 Abs. 2 KWG sind solche Systeme verboten. Für die Haftung nach § 826 BGB ist entscheidend, dass die Betreiber bewusst ein nicht funktionierendes Geschäftsmodell vermarkten und dabei Anleger vorsätzlich schädigen.
Beispiel: Ein Anlageanbieter verspricht 15% Jahresrendite, zahlt frühe Investoren pünktlich aus frischen Kundengeldern aus und lockt damit weitere Anleger an, bis das System mangels Neukunden zusammenbricht.
Sittenwidrige Schädigung
Ein Tatbestand des § 826 BGB, der die vorsätzliche Schädigung eines anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise unter Schadensersatzpflicht stellt. Eine Handlung ist sittenwidrig, wenn sie nach ihrem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Im Anlagekontext liegt dies besonders bei bewusster Täuschung über wesentliche Umstände der Kapitalanlage vor. Der Geschädigte hat Anspruch auf vollständige Rückabwicklung der Anlage (Naturalrestitution nach § 249 BGB).
Beispiel: Ein Vermittler verschweigt bewusst, dass die angepriesene Anlage bereits kurz vor der Insolvenz steht und lockt gezielt unerfahrene Anleger mit unrealistischen Renditeversprechen.
Sekundäre Darlegungslast
Ein beweisrechtliches Konzept, bei dem die nicht primär beweisbelastete Partei dennoch verpflichtet ist, zu einem Sachverhalt vorzutragen, der in ihrer Sphäre liegt und der anderen Partei nicht zugänglich ist. Bei Anlagebetrugsfällen bedeutet dies, dass die Beklagten detailliert darlegen müssen, wie das Geschäftsmodell funktioniert hat und wohin die Anlegergelder geflossen sind. Die sekundäre Darlegungslast ist nicht gesetzlich kodifiziert, sondern von der Rechtsprechung entwickelt worden (u.a. BGH, Urteil v. 19.12.2006, Az. VI ZR 220/05).
Beispiel: Ein Anleger muss nicht das komplette Betrugsschema beweisen, sondern die Anbieter müssen nachweisen, dass tatsächlich ein funktionierendes Geschäftsmodell existierte.
Gesamtschuldner
Gemäß §§ 421 ff. BGB haften mehrere Schuldner als Gesamtschuldner, wenn jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger die Leistung aber nur einmal fordern kann. Bei Anlagebetrug ist dies von zentraler Bedeutung, da alle Beteiligten (Hauptverantwortliche, Unternehmen, faktische Geschäftsführer) für den gesamten Schaden haften und der Geschädigte frei wählen kann, wen er in Anspruch nimmt. Der leistende Gesamtschuldner kann anschließend gemäß § 426 BGB intern Ausgleich von den anderen Gesamtschuldnern verlangen.
Beispiel: Ein Anleger kann bei einem betrügerischen Anlageangebot sowohl von der Firma, dem offiziellen Geschäftsführer als auch vom faktischen Geschäftsführer den gesamten Schaden ersetzt verlangen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 826 BGB (Sittenwidrige Schädigung): Diese Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches regelt den Schadensersatzanspruch, wenn jemand einem anderen vorsätzlich und in einer Weise Schaden zufügt, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Es erfordert ein Verhalten, das nicht nur rechtswidrig, sondern auch moralisch besonders verwerflich ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Beklagte die Klägerin vorsätzlich im Rahmen eines Schneeballsystems geschädigt hat, was als eine solche sittenwidrige Schädigung gewertet werden kann.
- § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Dieser Paragraph des Bürgerlichen Gesetzbuches begründet einen Schadensersatzanspruch, wenn eine Vertragspartei eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt und dadurch der anderen Partei ein Schaden entsteht. Ein Schuldverhältnis kann durch einen Vertrag, aber auch durch vorvertragliche oder vertragsähnliche Beziehungen entstehen, wie im Falle einer Anlageberatung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die fehlerhafte Anlageberatung durch die Beklagten stellt eine solche Pflichtverletzung dar, da sie aus dem Beratungsvertrag resultierende Pflichten zur ordnungsgemäßen und anlegergerechten Beratung verletzten.
- Beratungshaftung im Kapitalanlagerecht: Diese Rechtsgrundlage umfasst die zivilrechtliche Haftung für Fehler bei der Anlageberatung, insbesondere wenn wesentliche Informationen verschwiegen oder falsche Angaben gemacht werden. Sie basiert auf vertraglichen und vorvertraglichen Pflichten des Anlageberaters, den Kunden umfassend und richtig zu informieren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagten könnten aufgrund der Beratungshaftung für die Verluste der Klägerin verantwortlich sein, wenn sie ihre Pflicht zur umfassenden Aufklärung über die Risiken der Kapitalanlage verletzt haben.
Das vorliegende Urteil
OLG Köln – Az.: I-24 U 45/23 – Urteil vom 21.12.2023
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