LG Hamburg – Verfügung vom 23.05.2019 – Az.: 309 S 55/18
Gründe
1.
Die Kammer beabsichtigt nach derzeitiger Sach- und Rechtslage, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts Hamburg Blankenese vom 27.6.2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kammer legt dabei zugrunde, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten es unstreitig ist, dass der Streitverkündete zu 2) (nach dem Rubrum ist die Versicherung die Streitverkündete zu 2, im Urteil wird allerdings der Fahrer als Streitverkündete zu 2) genannt) mit angezogener Handbremse vor dem Fahrzeug der Klägerin in die Waschstraße gelangte und sein Fahrzeug stehen blieb mit der Folge, dass nicht nur das klägerische Fahrzeug bis zum Fahrzeug des Streitverkündeten zu 2) geschoben wurde, sondern ein weiteres Fahrzeug hinter dem klägerischen Fahrzeug auf dieses aufgeschoben wurde.
Diesen Sachverhalt hat das Berufungsgericht zugrunde zu legen. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist nicht gestellt worden. Die Berufungsinstanz ist keine Wiederholung der Tatsacheninstanz. Die Klägerin trägt nunmehr mit ihrer Berufungserwiderung vor, dass es nicht unstreitig sei, dass der Streitverkündete zu 2) mit angezogener Handbremse vor dem Fahrzeug der Klägerin in die Waschstraße gelangte. Ist jedoch in Wahrheit streitiges Vorbringen als unstreitig dargestellt, muss eine Tatbestandsberichtigung beantragt werden. Unrichtigkeiten des Tatbestandes sind nämlich einer Korrektur über § 529 ZPO nicht zugänglich. Hier steht allein der gesetzliche Weg des § 320 ZPO offen (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 6). Wird ein Antrag nach § 320 ZPO auf Berichtigung des Tatbestands unterlassen, so muss wegen der Beweiskraft des Tatbestands von der Richtigkeit des dort wiedergegebenen Tatsachenvortrags ausgegangen werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Februar 2003 -12 U 211/02 Rn. 21, juris; BGH NJW 2001,448).
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Streitverkündete das Feststellen der Handbremse verneint hat. Zu Recht hat das Amtsgericht insoweit ausgeführt, dass die Nebenintervenientin der unterstützen Partei nicht widersprechen konnte (vgl. BGH MDR 2007,1442), der Sachvortrag der Partei geht insoweit vor.
Hiernach führt sodann die Rechtsprechung des BGH vom 19.7.2018 (VII ZR 251/17) dazu, dass eine Haftung der Beklagten zu verneinen ist. Danach erfordert der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer es, dass von dem Betreiber einer Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Sind Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden bei der Nutzung der Anlage – zwar selten, aber vorhersehbar – nicht die notwendigen Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren (BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 -VII ZR 251/17 juris). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 -VII ZR 251/17-, Rn. 17 -18, juris).
Dies hat die Beklagte vorliegend getan. Es reicht nämlich aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise – hier der Betreiber von Waschstraßen – für ausreichend halten darf, um andere Personen – hier die Kunden – vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht (BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 -VII ZR 251/17 -, Rn. 18, juris). Die von der Beklagten verwendeten Einfahrtbedingungen (Anlage B 1) und der – nach dem Tatbestand unstreitige – Vortrag der Beklagten, dass am Tag des Vorfalls die Servicemitarbeiter der Beklagten den Kunden fragen bzw. an das Lösen der Handbremse beim Aussteigen erinnern, hält die Kammer für ausreichend. Insbesondere folgt die Kammer nicht der Auffassung des Amtsgerichts, dass noch eine weitere Kontrolle des Lösens der Handbremse erfolgen muss. Es ist der Beklagten nicht zuzumuten, sich quasi in jedes Fahrzeug zu setzen und es selber in die Waschstraße zu fahren, um sicher zu gehen, dass die Handbremse unter keinen Umständen angezogen ist. Eine Nachfrage hält das Gericht für ausreichend. Weder eine ständige Videoüberwachung noch ständige Überwachung des Waschvorganges durch Mitarbeiter, um ein Blockieren der Räder jederzeit zu erkennen, ist nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich. Eine so weitgehende Schutzpflicht würde die berechtigten Verkehrserwartungen überspannen, die anhand der konkreten Umstände, insbesondere der Gefahrgeneigtheit der betriebenen Anlage zu bemessen sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 – VI ZR 294/03, juris Rn. 17 f., NJW-RR 2005, 251). Solche Maßnahmen sind wegen des damit verbundenen technischen und/oder personellen Aufwands nicht zumutbar und unverhältnismäßig. Das gilt insbesondere deshalb, weil Schadensereignisse der vorliegenden Art mit geringen Kollisionsgeschwindigkeiten allenfalls geringe Sachschäden verursachen, deren Vermeidung den notwendigen Personal- und Materialeinsatz nicht rechtfertigt (BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 – VII ZR 251/17 -, Rn. 23, juris). Die Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass die Beklagte sicherstellen muss, dass die Nutzer der Waschstraße die Hinweise lesen und verstehen. Im Hinblick auf die Handbremse – häufige Ursache für Aufschiebevorfälle – werden die Kunden beim Aussteigen darauf hingewiesen (s.o.). Die Nachfrage, ob der jeweilige Nutzer auch die anderen Hinweise gelesen und verstanden habe, hält die Kammer für zu weitgehend. Insbesondere kann einem Waschstraßenbetreiber nicht zugemutet werden, in sämtlichen Sprachen entsprechende Hinweise vorzuhalten, um möglicherweise auch nicht deutsch sprechenden Kunden dann die Hinweise auszuhändigen.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass es ihr nicht zugemutet werden könne, einen Rechtsstreit außerhalb ihres Vertragsverhältnisses zu führen, würde es nach ihrer Auffassung aber in der o.g. Konstellation zu einer Garantiehaftung des Waschstraßenbetreibers führen.
Die Kammer rät daher der Klägerin, ihre Klage zurückzunehmen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesen Hinweisen binnen 3 Wochen.