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Ausbildungsvergütung (angemessene) durch Ausbildungsträger

Bundesarbeitsgericht

Az: 9 AZR 1091/06

Urteil vom 19.02.2008


In Sachen hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2008 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 7. November 2006 – 5 Sa 159/06 – in der Hauptsache teilweise und im Kostenpunkt insgesamt aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 16. Februar 2006 – 1 Ca 2271 c/05 – wird zurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht die Klage in Höhe der restlichen Ausbildungsvergütung für Oktober 2004 von 229,06 Euro brutto, der Einmalzahlung für das Jahr 2004 von 30,00 Euro brutto und der anteiligen Zuwendung für das Jahr 2004 von 149,71 Euro brutto – jeweils nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage – abgewiesen hat.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 13 %, die Beklagte 87 % zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Angemessenheit der vereinbarten Ausbildungsvergütung.

Die Beklagte wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH als Ausbildungsträgerin gegründet. Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die Kreiskrankenhäuser und Kreissenioreneinrichtungen R. gGmbH (R. gGmbH). Träger der R. gGmbH ist der Landkreis R. Die R. gGmbH ist im Unterschied zur Beklagten durch Verbandsmitgliedschaft tarifgebunden.

Die R. gGmbH schloss vor der Ausgründung jährlich rund 60 Ausbildungsverträge zu tarifvertraglichen Bedingungen. Die Beklagte selbst stellt jährlich etwa 50 Auszubildende ein, mit denen sie eine geringere als die tarifliche Ausbildungsvergütung vereinbart. Zwischen der Beklagten und der R. gGmbH besteht ein Kooperationsvertrag. Danach stellt die R. gGmbH die nach den gesetzlichen Vorschriften erforderliche theoretische und praktische Ausbildung der Auszubildenden sicher. Sie wird bei der Auswahl der Auszubildenden beteiligt. Ihre Abteilungsleiter sind gegenüber den Auszubildenden weisungsbefugt. Die R. gGmbH leistet an die Beklagte für jeden Auszubildenden monatlich einen bestimmten Betrag.

Die Klägerin wurde von der Beklagten auf Grund eines Ausbildungsvertrags vom 29. September 2004 zur Gesundheits- und Krankenpflegerin ausgebildet. Der Vertrag sah eine Ausbildungsdauer vom 1. Oktober 2004 bis 30. September 2007 vor. Das Ausbildungsverhältnis ist inzwischen beendet.

Der Ausbildungsvertrag lautet auszugsweise:

„§ 3 Grundsätzliches über das Rechtsverhältnis Das Ausbildungsverhältnis richtet sich, soweit dieser Ausbildungsvertrag keine speziellen Regelungen enthält, nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes ausgebildet werden, vom 28. Februar 1986 und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.

§ 6 Zahlung und Höhe der Ausbildungsvergütung

1. Die Auszubildende erhält die nachfolgende monatliche Ausbildungsvergütung

im ersten Ausbildungsjahr 500,– Euro,

im zweiten Ausbildungsjahr 550,– Euro,

im dritten Ausbildungsjahr 600,– Euro.

2. Für Nachtdienste wird ein Zeitzuschlag in Höhe von 1,– Euro gezahlt. …

3. Weitergehende Zahlungen erfolgen nicht. …

4. Die Ausbildungsvergütung wird am letzten Tag eines jeden Monats für den laufenden Monat auf ein von der Auszubildenden eingerichtetes Girokonto im Inland gezahlt. Sie ist so rechtzeitig zu überweisen, dass die Auszubildende am Zahltag über sie verfügen kann. Fällt der Zahltag auf einen Samstag oder auf einen Wochenfeiertag, gilt der vorherige Werktag, fällt er auf einen Sonntag, gilt der zweite vorhergehende Werktag als Zahltag. …“

Die tariflichen Bestimmungen sehen höhere monatliche Ausbildungsvergütungen von 729,06 Euro im ersten Ausbildungsjahr, 788,57 Euro im zweiten Ausbildungsjahr und 884,44 Euro im dritten Ausbildungsjahr vor (§ 10 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes oder des Hebammengesetzes ausgebildet werden, vom 28. Februar 1986 idF des Änderungstarifvertrags Nr. 9 vom 31. Januar 2003 [Mantel-TV Schü] iVm. § 3 Abs. 1 des Ausbildungsvergütungstarifvertrags Nr. 12 für Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes ausgebildet werden, vom 11. Februar 2003 [Ausbildungsvergütungstarifvertrag]). Nach dem Ausbildungsvergütungstarifvertrag und dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes oder des Hebammengesetzes ausgebildet werden, vom 21. April 1986 idF des Änderungstarifvertrags vom 31. Januar 2003 (Zuwendungstarifvertrag) kamen für die Jahre 2004 und 2005 Sonderzahlungen hinzu. Für 2004 waren eine Einmalzahlung von 30,00 Euro und eine anteilige Zuwendung von 149,71 Euro vorgesehen, für 2005 ein Urlaubsgeld von 255,65 Euro und eine Einmalzahlung von 100,00 Euro.

In § 24 Mantel-TV Schü ist geregelt:

„Ausschlussfrist

Ansprüche aus dem Ausbildungsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der Schülerin/dem Schüler oder vom Träger der Ausbildung schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist.

…“

Die Klägerin machte die monatlichen Unterschiedsbeträge zu der tariflichen Ausbildungsvergütung am 2. Mai 2005 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend.

Mit ihrer der Beklagten am 10. Oktober 2005 zugestellten Klage verlangt die Klägerin neben den monatlichen Differenzbeträgen für die Zeit von Oktober 2004 bis August 2005 von jeweils 229,06 Euro brutto Leistungen in Höhe der tariflichen Sonderzahlungen für 2004 und 2005. Sie meint, die vereinbarte Ausbildungsvergütung sei nicht angemessen iSv. § 12 Abs. 1 Krankenpflegegesetz (KrPflG). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF sei auf § 12 Abs. 1 KrPflG zu übertragen. Die Besonderheiten des Gesundheitswesens rechtfertigten keine Unterschreitung der tariflichen Vergütung um mehr als 20 %.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.055,02 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht,

die Vergütung der Klägerin sei angemessen iSv. § 12 Abs. 1 KrPflG. Wegen der Besonderheiten des Gesundheitswesens könne die zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF entwickelte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht auf § 12 Abs. 1 KrPflG übertragen werden. Selbst wenn die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu übertragen sei, halte die vereinbarte Vergütung der Angemessenheitskontrolle stand.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Klägerin abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Revision der Beklagten ist nur zum Teil begründet.

I. Die Klage ist zulässig, obwohl das Landesarbeitsgericht nicht aufgeklärt hat, ob ein Schlichtungsausschuss besteht und – wenn das zutrifft – der Klage eine Verhandlung vor dem Ausschuss iSv. § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG vorausging. Das Ausbildungsverhältnis der Parteien endete während des Rechtsstreits. Damit entfielen die Zuständigkeit des möglicherweise gebildeten Schlichtungsausschusses und die Prozessvoraussetzung des § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG. § 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ermöglicht die Bildung eines Schlichtungsausschusses nur zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis. Für das Schlichtungsverfahren gibt es nicht länger einen Grund, wenn das Ausbildungsverhältnis endet, weil es danach nicht mehr mit einem Rechtsstreit belastet werden kann (Senat 22. Januar 2008 – 9 AZR 999/06 -, zu A I der Gründe; 13. März 2007 – 9 AZR 494/06 – Rn. 10, AP BBiG § 14 Nr. 13 = EzA BBiG § 14 Nr. 14).

II. Die Klage ist nur teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Ansprüche der Klägerin in der geltend gemachten Höhe entstanden sind. Ein Teil der Klageforderungen ist jedoch auf Grund der vertraglich in Bezug genommenen Ausschlussfrist des § 24 Abs. 1 Mantel-TV Schü verfallen.

1. Tarifliche Ansprüche der Klägerin bestehen nicht. Die Beklagte ist nicht durch Verbandsmitgliedschaft tarifgebunden (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 1. Alt. TVG). Die maßgeblichen Fassungen des Manteltarifvertrags, des Ausbildungsvergütungstarifvertrags und des Zuwendungstarifvertrags waren nicht für allgemeinverbindlich erklärt (§ 5 TVG). Die Parteien haben auch keine tarifliche Ausbildungsvergütung vereinbart. Der Verweisung auf den Manteltarifvertrag in § 3 des Ausbildungsvertrags kommt nur ergänzende Funktion zu, soweit der Ausbildungsvertrag keine speziellen Regelungen enthält. In § 6 Nrn. 1 bis 3 des Ausbildungsvertrags sind solche Sonderregelungen getroffen.

Dieser Umstand wird besonders deutlich an § 6 Nr. 3 Satz 1 des Ausbildungsvertrags. Danach erfolgen weitergehende Zahlungen – über die in den vorstehenden Nummern genannten Leistungen hinaus – nicht.

2. Die von den Parteien vereinbarte Höhe der Ausbildungsvergütung, die nur knapp 65 % des Tarifniveaus erreicht, ist unangemessen. Nach § 12 Abs. 1 KrPflG idF vom 21. Juli 2004 hat der Träger der Ausbildung der Schülerin und dem Schüler eine angemessene Ausbildungsvergütung zu gewähren. Diese Verpflichtung ist unabdingbar (§ 17 Abs. 1 KrPflG). Da die vereinbarte Ausbildungsvergütung unangemessen gering ist, sind Ansprüche der Klägerin auf Vergütung in angemessener und damit tariflicher Höhe entstanden.

a) § 12 Abs. 1 KrPflG weist deutliche Parallelen zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG in der bis 31. März 2005 geltenden Fassung (aF) und § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG in der am 1. April 2005 in Kraft getretenen Fassung (nF) auf. Zu dem Angemessenheitserfordernis des § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF hat das Bundesarbeitsgericht verschiedene Grundsätze entwickelt, die hier zu berücksichtigen sind.

aa) Danach hat eine Ausbildungsvergütung regelmäßig drei Funktionen.

Sie soll den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang „entlohnen“ (vgl. BT-Drucks. V/4260 S. 9; für die st. Rspr. BAG 15. Dezember 2005 – 6 AZR 224/05 – Rn. 11, AP BBiG § 10 Nr. 15 = EzA BBiG § 10 Nr. 11; 8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – AP BBiG § 10 Nr. 14 = EzA BBiG § 10 Nr. 10, zu II 1 der Gründe).

bb) § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF und § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG nF enthalten nur Rahmenvorschriften und legen den Maßstab für die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung selbst nicht fest (BT-Drucks. V/4260 S. 9).

(1) Bei fehlender Tarifbindung ist es zunächst Aufgabe der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung festzulegen. Sie haben einen Spielraum. Die richterliche Überprüfung erstreckt sich nur darauf, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist. Ob die Parteien den Spielraum gewahrt haben, ist unter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen. Maßgeblich ist die Verkehrsanschauung. Insoweit kommt dem Revisionsgericht ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu (BAG 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – AP BBiG § 10 Nr. 8 = EzA BBiG § 10 Nr. 4, zu II 2 der Gründe; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 258/94 – BAGE 81, 139, zu II 2 der Gründe).

(2) Wichtigster Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung sind die einschlägigen Tarifverträge. Bei ihnen ist anzunehmen, dass das Ergebnis der Tarifverhandlungen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt.

Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, gilt deswegen stets als angemessen (st. Rspr. vgl. BAG 15. Dezember 2005 – 6 AZR 224/05 – Rn. 11 f., AP BBiG § 10 Nr. 15 = EzA BBiG § 10 Nr. 11; 8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – AP BBiG § 10 Nr. 14 = EzA BBiG § 10 Nr. 10, zu II 2 der Gründe). Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht mehr angemessen iSv. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF, § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG nF, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreitet (vgl. nur BAG 8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – aaO).

(3) Die richterrechtliche Regel, nach der eine vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütung nicht mehr angemessen ist, wenn sie nicht mindestens 80 % der tariflichen Vergütung erreicht, gilt allerdings nicht ausnahmslos. Wird die Ausbildung beispielsweise teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert, kann eine Ausbildungsvergütung auch bei deutlichem Unterschreiten dieser Grenze noch angemessen sein (BAG 24. Oktober 2002 – 6 AZR 626/00 – BAGE 103, 171, zu III 3 b aa der Gründe; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 258/94 – BAGE 81, 139, zu II 4 der Gründe; vgl. bei Spendenfinanzierung auch 8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – AP BBiG § 10 Nr. 14 = EzA BBiG § 10 Nr. 10, zu II 4 der Gründe; allgemeiner 25. Juli 2002 – 6 AZR 311/00 – AP BBiG § 10 Nr. 11 = EzA BBiG § 10 Nr. 9, zu I 5 der Gründe).

b) Die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF entwickelt hat, sind entgegen der Auffassung der Revision auf § 12 Abs. 1 KrPflG zu übertragen. Dafür sprechen Wortlaut und Zweck beider Normen sowie die Entstehungsgeschichte des § 12 Abs. 1 KrPflG.

aa) § 12 Abs. 1 KrPflG und § 10 Abs. 1 BBiG aF sehen nahezu wortgleich vor, dass der Ausbildende dem Auszubildenden eine „angemessene“ Ausbildungsvergütung zu gewähren hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Vorschriften trotz ihrer fast identischen Formulierung und ihres übereinstimmenden Regelungsgegenstands inhaltlich unterschiedlich zu verstehen sind.

bb) Die vom Bundesarbeitsgericht für § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF herausgearbeiteten Zwecke der Verpflichtung zur Gewährung einer Vergütung in angemessener Höhe entsprechen den Zwecken des Angemessenheitserfordernisses in § 12 Abs. 1 KrPflG. Ebenso wie bei einer anderen Berufsausbildung bedürfen die sog. Schüler und ihre Eltern bei einer Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger einer finanziellen Unterstützung. Die Vergütung soll zudem Entlohnungscharakter für die erbrachten pflegerischen Dienste haben. Schließlich muss die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften auch in der Krankenpflege gewährleistet werden. In der Zielsetzung beider Gesetze bestehen daher keine Unterschiede.

cc) Für eine Übertragung der zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF ergangenen Rechtsprechung auf § 12 Abs. 1 KrPflG spricht ferner ein historisches Argument. Das Erfordernis der „Angemessenheit“ der Vergütung fand erst in der Gesetzesneufassung vom 16. Juli 2003 Eingang in das Krankenpflegegesetz. In der Vorgängervorschrift des § 16 Abs. 1 KrPflG idF vom 4. Juni 1985 verlangte der Gesetzgeber vom Ausbildenden nur, „eine Ausbildungsvergütung zu gewähren“. Das Bundesarbeitsgericht hatte seine Grundsätze zur Bemessung einer angemessenen Ausbildungsvergütung im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF bereits in einer längeren Rechtstradition entwickelt, als das Angemessenheitserfordernis im Jahr 2003 mit Wirkung vom 1. Januar 2004 in § 12 Abs. 1 KrPflG eingefügt wurde. Der Gesetzgeber des Krankenpflegegesetzes übernahm das Angemessenheitserfordernis demnach in Kenntnis der Rechtsprechung zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF, einer Norm, deren Wortlaut starke Ähnlichkeiten zu § 12 Abs. 1 KrPflG aufwies. Er nahm die Anforderungen der Rechtsprechung in seinen Regelungswillen mit auf.

c) Wichtigster Anhaltspunkt für die Angemessenheit der Vergütung sind nach den zu § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF entwickelten Grundsätzen die einschlägigen Tarifverträge. Entsprechendes gilt für § 12 Abs. 1 KrPflG. Bei Tarifverträgen ist anzunehmen, dass sie als Ergebnis von Tarifverhandlungen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigen (BAG 8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – AP BBiG § 10 Nr. 14 = EzA BBiG § 10 Nr. 10, zu II 2 der Gründe; 24. Oktober 2002 – 6 AZR 626/00 – BAGE 103, 171, zu III 2 der Gründe). Die tarifliche Ausbildungsvergütung bleibt nicht nur ein geeigneter Maßstab, wenn ein nicht tarifgebundener Ausbildender die im eigenen Interesse liegende Ausbildung außerbetrieblich organisiert. Vielmehr sind die tariflichen Sätze auch dann heranzuziehen, wenn sich ein tarifgebundener Ausbildender durch das „Dazwischenschalten“ eines gemeinnützigen, nicht tarifgebundenen Bildungsträgers seiner tarifvertraglichen Pflichten entledigen will (vgl. BAG 8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – aaO, zu II 3 der Gründe; 24. Oktober 2002 – 6 AZR 626/00 – aaO, zu III 3 a der Gründe). Gegen die Anwendung eines anderen Maßstabs spricht schon die sonst zu befürchtende Aushöhlung der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 258/94 – BAGE 81, 139, zu II 4 a der Gründe; vgl. dazu auch 24. Oktober 2002 – 6 AZR 626/00 – aaO, zu III 3 b bb der Gründe).

aa) Die Vergütung, die einem ausgebildeten, bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigten Gesundheits- und Krankenpfleger für die Zeit zu gewähren wäre, in der ein Auszubildender „produktiv“ tätig wird, kann entgegen der Auffassung der Revision nicht als Vergleichsgröße an die Stelle der einschlägigen Tarifverträge treten.

(1) Die Revision ermittelt die tarifliche Stundenvergütung der Auszubildenden, indem sie das monatliche Entgelt durch die Anzahl der monatlich tatsächlich geleisteten praktischen „Arbeitsstunden“ dividiert. Für die nicht tariflich vergütete ausgebildete Kraft setzt die Beklagte ein Bruttomonatseinkommen von 1.500,00 Euro an.

(2) In diesem Zusammenhang ist schon nicht ersichtlich, wie die Beklagte zu ihrer Annahme gelangt, ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber leiste an eine Gesundheits- und Krankenpflegefachkraft idR monatlich 1.500,00 Euro brutto. Entscheidend ist jedoch, dass das Stundenentgelt von ausgebildeten Fachkräften und die Ausbildungsvergütung von Schülern der Gesundheits- und Krankenpflege nicht verglichen werden können. Die Ausbildungsvergütung hat im Unterschied zur Arbeitsvergütung nicht nur den Zweck einer hinreichenden „Entlohnung“ für die erbrachten Leistungen, sondern die weiteren Funktionen des Beitrags zum Lebensunterhalt und der Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses.

(3) Die Aufklärungsrüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht sei nach § 139 ZPO verpflichtet gewesen, darauf hinzuweisen, dass es diesen von der Beklagten vorgenommenen Vergleich für „unzulässig“ halte, wird nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO). Sie genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO).

(a) Wird eine Verletzung der Aufklärungspflicht gerügt, muss im Einzelnen vorgetragen werden, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht dem Revisionskläger auf Grund welcher Tatsachen hätte erteilen müssen und welche weiteren erheblichen Tatsachen der Revisionskläger in der Berufungsinstanz vorgebracht hätte (vgl. nur Senat 6. Januar 2004 – 9 AZR 680/02 -BAGE 109, 145, zu II 3 e aa der Gründe).

(b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten in der Revisionsbegründung nicht. Sie teilt nicht mit, welche erheblichen Tatsachen sie auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte. Soweit die Beklagte ausführt, sie hätte vorgetragen, dass die tarifliche Ausbildungsvergütung schon im ersten Jahr fast die Hälfte der Vergütung einer nicht tarifgebundenen Krankenschwester erreiche, ist dieses Vorbringen unerheblich. Einer Ausbildungsvergütung kommt nicht nur die Funktion der „Entlohnung“ der erbrachten praktischen Leistungen zu. Wegen der weiteren Funktionen der Unterhaltssicherung und der Heranbildung von qualifizierten Nachwuchskräften sind die Vergleichsgrößen der Beklagten – die Vergütungen auszubildender und ausgebildeter Kräfte – für die Angemessenheitskontrolle gesondert betrachtet untauglich.

bb) Die vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütung, die das Tarifniveau um 35,65 % unterschreitet, ist nicht aus anderen Gründen angemessen. Zwar gilt die richterrechtliche Regel der Unangemessenheit einer Ausbildungsvergütung, die die tarifliche Vergütung um mehr als 20 % unterschreitet, nicht ausnahmslos. Die Beklagte hat jedoch keine Tatsachen dargelegt, die eine weitere Unterschreitung der tariflichen Sätze rechtfertigten.

(1) Der Auszubildende trägt als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vereinbarte Vergütung unangemessen ist. Er genügt seiner Darlegungslast regelmäßig damit, dass er sich auf die einschlägige tarifliche Vergütung stützt und vorbringt, seine Ausbildungsvergütung unterschreite diese um mehr als 20 %. Der Ausbildende kann sich dann nicht auf den Vortrag beschränken, die von ihm gezahlte Vergütung sei angemessen. Er hat substantiiert zu begründen, weshalb im Einzelfall ein von den genannten Grundsätzen abweichender Maßstab gelten soll (BAG 25. Juli 2002 – 6 AZR 311/00 – AP BBiG § 10 Nr. 11 = EzA BBiG § 10 Nr. 9, zu I 4 der Gründe; 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – AP BBiG § 10 Nr. 8 = EzA BBiG § 10 Nr. 4, zu II 5 der Gründe).

(2) Die Beklagte hat keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich ergibt, dass die vereinbarte Vergütung trotz der deutlichen Unterschreitung des Tarifniveaus noch angemessen ist.

(a) Die vereinbarte Ausbildungsvergütung ist nicht schon deswegen angemessen, weil die Beklagte und ihre Muttergesellschaft, die R. gGmbH, in Form gemeinnütziger Gesellschaften mit beschränkter Haftung organisiert sind.

(aa) Der steuerrechtlich relevanten Gemeinnützigkeit kommt berufsbildungsrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Organisationsform der Gemeinnützigkeit eines Bildungsträgers rechtfertigt es isoliert betrachtet nicht, bei der Prüfung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung von einer Orientierung an den einschlägigen tariflichen Sätzen abzusehen (vgl. BAG 8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – AP BBiG § 10 Nr. 14 = EzA BBiG § 10 Nr. 10, zu II 3 der Gründe). Das Bundesarbeitsgericht hat die Gemeinnützigkeit in der Angemessenheitskontrolle bisher nur indiziell im Zusammenwirken mit einer Finanzierung durch öffentliche Gelder und Spenden Dritter gewürdigt (8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – aaO, zu II 3, 4 und 5 b bb der Gründe; 24. Oktober 2002 – 6 AZR 626/00 – BAGE 103, 171, zu III 3 b bb der Gründe).

Für die Berechtigung, die tarifliche Ausbildungsvergütung erheblich zu unterschreiten, genügt die Gemeinnützigkeit des Ausbildungsträgers nicht. Entscheidend ist der mit der Ausbildung verfolgte Zweck. Eine Unterschreitung des Tarifniveaus um mehr als 20 % kann gerechtfertigt sein, wenn der Ausbildende den Zweck verfolgt, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen und auch Jugendlichen eine qualifizierte Ausbildung zu vermitteln, die sie ohne Förderung nicht erlangen könnten.

(bb) Eine solche Konstellation ist hier zu verneinen. Der Streitfall ist insbesondere nicht mit den vom Bundesarbeitsgericht beurteilten Sachverhalten zu vergleichen, in denen Ausbildungsplätze durch öffentliche Gelder oder Spenden finanziert wurden.

(aaa) Insoweit kann offenbleiben, ob eine Finanzierung der Ausbildungskosten durch die sog. Sozialleistungsträger (§ 17a Abs. 3 iVm. § 18 Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz, KHG) mit einer Förderung aus öffentlichen Steuermitteln oder einer Finanzierung durch Spenden verglichen werden kann. Bei den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen handelte es sich um Sachverhalte, in denen durch öffentliche Gelder oder Spenden zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen wurden, um Auszubildenden, die sonst keinen Ausbildungsplatz gefunden hätten, eine Ausbildung zu ermöglichen (vgl. 8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – AP BBiG § 10 Nr. 14 = EzA BBiG § 10 Nr. 10, zu II 5 b bb der Gründe; 24. Oktober 2002 – 6 AZR 626/00 – BAGE 103, 171, zu III 3 der Gründe).

(bbb) Hier handelt es sich nicht um zusätzliche Ausbildungsplätze, sondern um Stellen, die dem regulären Ausbildungsmarkt zuzurechnen sind. Mit der Übertragung der Ausbildung von der R. gGmbH auf die Beklagte war insbesondere keine Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze verbunden.

Vielmehr wurde die Anzahl der Ausbildungsplätze von etwa 60 auf ca. 50 Stellen reduziert.

(b) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Ausbildungskosten würden nicht vollständig von den Krankenkassen refinanziert.

(aa) Allein die Tatsache, dass der Ausbildende nur über beschränkte finanzielle Mittel verfügt, rechtfertigt keine Ausnahme von der gesetzlichen Pflicht, eine angemessene Ausbildungsvergütung zu gewähren. Es kommt daher nicht darauf an, dass die R. gGmbH der Beklagten nur begrenzte finanzielle Mittel zuweist. Die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung hat sich nicht am Budget zu orientieren, sondern ist bereits bei der Vereinbarung des Budgets für die vorgesehene Anzahl von Ausbildungsplätzen zu berücksichtigen. Sonst würde der reguläre Ausbildungsmarkt verfälscht. Das darf selbst im Fall staatlich geförderter Ausbildungsplätze nicht geschehen (Senat 22. Januar 2008 – 9 AZR 999/06 -, zu A II 3 b bb (3) (b) der Gründe). Nichts anderes gilt für ein staatlich gelenktes Finanzierungssystem, wie es in § 17a Abs. 8 und 9 KHG vorgesehen ist.

(bb) Die Finanzierungsregeln des § 17a KHG stehen dem nicht entgegen.

Vielmehr tragen sie der Bedarfsorientierung Rechnung. § 17a Abs. 3 Satz 1 KHG verlangt die Vereinbarung eines krankenhausindividuellen Ausbildungsbudgets, mit dem die Ausbildungsstätten und die Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen finanziert werden. Nach § 17a Abs. 3 Satz 2 KHG stellen die Vertragsparteien des § 18 Abs. 2 KHG – der Krankenhausträger und die Sozialleistungsträger – Art und Anzahl der voraussichtlich belegten Ausbildungsplätze sowie die Höhe der zusätzlich zu finanzierenden Mehrkosten für Ausbildungsvergütungen fest. § 17a Abs. 4 Satz 1 KHG sieht vor, dass das Ausbildungsbudget bei ausbildenden Krankenhäusern auf der Grundlage der Kosten der Ausbildungsstätten und der Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen im Vorjahr zu ermitteln und eine Unterdeckung im Folgejahr auszugleichen ist (§ 17a Abs. 4 Satz 4 KHG). Eine Fehlschätzung bei der Budgetvereinbarung für das Jahr 2006 wäre also als Berichtigung des Erlösbudgets 2005 und – mit entsprechender Ausgleichszahlung – für das Jahr 2005 zu berücksichtigen.

(cc) Die weitere Aufklärungsrüge der Revision, mit der sie beanstandet, das Landesarbeitsgericht habe der Beklagten keine Gelegenheit gegeben, zu der erheblichen Belastung der Solidargemeinschaft im Medizinbereich schon auf Grund neuer und teurer Forschungs- und Medizintechnik vorzutragen, greift ebenfalls nicht durch (§ 564 Satz 1 ZPO). Die aufgeworfene Frage ist für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich.

(c) Eine Unterschreitung des Tarifniveaus um 35,65 % rechtfertigt sich schließlich nicht daraus, dass die Beklagte „über Bedarf“ ausbildet. Da nicht jedes Krankenhaus über eine eigene Krankenpflegeschule verfügt oder an eine solche angeschlossen ist, bilden die Ausbildungsbetriebe zwangsläufig „über Bedarf“ aus. Zu den Besonderheiten des Ausbildungsmarkts im Gesundheitswesen gehört es außerdem, dass auch diejenigen Gesundheits- und Krankenpfleger ausgebildet werden müssen, die später nicht in Krankenhäusern (hier der Muttergesellschaft), sondern in Seniorenpflegeeinrichtungen oder ambulanten Pflegediensten arbeiten werden.

3. Die Ansprüche der Klägerin sind auch in Höhe der Klageforderung entstanden.

a) Die Klägerin verlangt zu Recht nicht nur die Zahlung der Differenz zwischen der vereinbarten Ausbildungsvergütung und den tariflichen Monatsvergütungsbeträgen, sondern auch die Gewährung der tariflichen Sonderzahlungen (vgl. BAG 8. Mai 2003 – 6 AZR 191/02 – AP BBiG § 10 Nr. 14 = EzA BBiG § 10 Nr. 10, zu II 5 a der Gründe).

b) Eine geltungserhaltende Reduktion der vertraglichen Vereinbarung bis zur Grenze dessen, was noch als angemessen anzusehen wäre, kommt nicht in Betracht. Sonst käme es zu einer mit dem Schutzzweck des § 12 Abs. 1 KrPflG nicht zu vereinbarenden Begünstigung des Ausbildenden, der eine möglichst geringe, sich weit von den tariflichen Regelungen entfernende Ausbildungsvergütung zahlt (vgl. BAG 25. Juli 2002 – 6 AZR 311/00 – AP BBiG § 10 Nr. 11 = EzA BBiG § 10 Nr. 9, zu I 8 der Gründe).

4. Ein Teil der zunächst entstandenen Ansprüche der Klägerin ist nach § 24 Abs. 1 Mantel-TV Schü verfallen.

a) Die von der allgemeinen Verweisung in § 3 des Ausbildungsvertrags umfasste und nicht durch eine spezielle vertragliche Regelung verdrängte Ausschlussfrist des § 24 Abs. 1 Mantel-TV Schü ist als rechtsvernichtende Einwendung von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BAG 28. September 2006 – 8 AZR 568/05 – Rn. 17, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 5). Der Schuldner muss sich auf die Ausschlussfrist nicht berufen. Jedenfalls für tarifvertragliche Ausschlussfristen gilt das unabhängig davon, ob sie kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit, Allgemeinverbindlicherklärung oder – wie hier – auf Grund einzelvertraglicher Bezugnahme gelten (Weyand Die tariflichen Ausschlussfristen in Arbeitsrechtsstreitigkeiten S. 117; vgl. auch Weyand Ausschlussfristen im Tarifrecht Kapitel 10 Rn. 64). Das Gericht hat eine ihm bekannte Ausschlussfrist in jedem Stadium des Rechtsstreits anzuwenden (vgl. Senat 5. November 2002 – 9 AZR 373/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 256 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 160, zu A I 2 d der Gründe; BAG 9. Juli 1987 – 6 AZR 542/84 -, zu 3 b der Gründe).

b) Die Ausschlussfrist des § 24 Abs. 1 Mantel-TV Schü erfasst alle Ansprüche aus dem Ausbildungsverhältnis. Formulieren Tarifvertragsparteien in der Verfallvorschrift keine Einschränkungen, fallen unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ alle gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien auf Grund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (vgl. nur Senat 21. Februar 1995 – 9 AZR 733/93 -, zu I 1 der Gründe). Für die Formulierung „Ansprüche aus dem Ausbildungsverhältnis“ gilt Entsprechendes.

c) Die Klägerin hat nur die laufenden monatlichen Vergütungsbeträge für die Zeit von November 2004 bis August 2005 in Höhe der Differenzbeträge von jeweils 229,06 Euro und die beiden für das Jahr 2005 geschuldeten Sonderzahlungen des Urlaubsgelds von 255,65 Euro und der Einmalzahlung von 100,00 Euro rechtzeitig schriftlich geltend gemacht. Der Unterschiedsbetrag für Oktober 2004 von 229,06 Euro, die Einmalzahlung 2004 von 30,00 Euro und die anteilige Zuwendung für das Jahr 2004 von 149,71 Euro sind demgegenüber verfallen.

aa) Hinsichtlich der Vergütung für Oktober 2004 ging der Beklagten das Geltendmachungsschreiben vom 2. Mai 2005 nicht früh genug zu, um den Verfall noch abwenden zu können. Nach § 6 Nr. 4 Satz 1 bis 3 des Ausbildungsvertrags wurde die Ausbildungsvergütung für Oktober 2004 am 29. Oktober 2004, einem Freitag, fällig. Die Sechsmonatsfrist endete nach § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 1. Alt. BGB am 29. April 2005, also bereits vor Abfassung des Schreibens vom 2. Mai 2005.

bb) Die Ausbildungsvergütung für November 2004 wurde am 30. November 2004 fällig. Die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 24 Abs. 1 Mantel-TV Schü endete am 30. Mai 2005. Das Geltendmachungsschreiben vom 2. Mai 2005 verhinderte daher den Verfall dieser Vergütung und der späteren Differenzbeträge bis März 2005.

cc) Der für April 2005 geforderte Unterschiedsbetrag wurde am 29. April 2005, einem Freitag, fällig. Die Ausschlussfrist endete am 31. Oktober 2005 (§ 193 BGB). Sie wurde für diese Monatsvergütung und die später fälligen Beträge für Mai bis August 2005 durch die Zustellung der Klage am 10. Oktober 2005 gewahrt. Entsprechendes ist für das Urlaubsgeld 2005 von 255,65 Euro und die Einmalzahlung 2005 von 100,00 Euro anzunehmen. Sie wurden im Juli 2005 fällig.

dd) Das Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom 2. Mai 2005 bezog sich nach ihrem eigenen Vortrag nur auf die laufenden Monatsvergütungen und nicht auf die Sonderzahlungen für das Jahr 2004. Auch die mit der Zustellung der Klage am 10. Oktober 2005 verbundene schriftliche Geltendmachung konnte den Verfall der beiden Sonderzahlungen für das Jahr 2004 nicht mehr abwenden.

(1) Die Einmalzahlung 2004 von 30,00 Euro war nach § 2 Abs. 2 des Ausbildungsvergütungstarifvertrags im November 2004 zu zahlen. Dieser Anspruch wurde gleichzeitig mit der Novembervergütung am 30. November 2004 fällig. Die Sechsmonatsfrist des § 24 Abs. 1 Mantel-TV Schü endete am 30. Mai 2005.

(2) Die anteilige Zuwendung für das Jahr 2004 von 149,71 Euro sollte spätestens am 1. Dezember gezahlt werden (§ 4 Abs. 1 des Zuwendungstarifvertrags). Die sechsmonatige Verfallfrist endete am 1. Juni 2005.

B. Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits im Umfang ihres Unterliegens zu tragen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO).

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