OLG Düsseldorf – Az.: 24 U 355/20 – Beschluss vom 23.11.2021
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Der auf den 11. Januar 2022 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 11.786,83 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Berufung der Beklagten hat nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Sache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung; auch erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil des Berufungsgerichts. Schließlich ist nach den Umständen des Falls auch sonst keine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO).
Die Berufung kann gemäß §§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zu Grunde zulegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Solche Umstände zeigt die Berufungsbegründung nicht in verfahrensrechtlich erheblicher Weise auf. Vielmehr hat das Landgericht zutreffend das Versäumnisurteil vom 18. Januar 2019 aufrechterhalten.
1. Das Landgericht Düsseldorf war zur Entscheidung über die von der Klägerin verfolgte Honorarforderung international zuständig. Gemäß dem hier anwendbaren Art. 7 Nr. 1 VO EU 1215/2012 (= Brüssel Ia-VO, gültig seit dem 10. Januar 2015) besteht im Bereich der EU für bestimmte Vertragstypen ein autonomer Gerichtsstand des Vertrages. Für die Erbringung von Dienstleistungen ist der Ort der Dienstleistung maßgebend. Dieser bestimmt den einheitlichen Erfüllungsort für alle sich aus diesen Verträgen ergebenden Ansprüche, auch die aus dem Vertrag erwachsenen Zahlungsansprüche (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. März 2006 – IX ZR 15/05, Rn. 14, jetzt und im Folgenden zitiert nach juris; OLG München, Urteil vom 26. Februar 2020 – 15 U 4202/19, Rn. 41ff.; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Auflage, § 29 Rn. 3; Zöller/Geimer, aaO, Art. 7 EuGVVO Rn. 13). Unter Erfüllungsort ist nach der Rechtsprechung des EuGH der Ort zu verstehen, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht, wobei dies im Allgemeinen der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung sein wird (vgl. nur EuGH, Urteil vom 8. März 2018 – C-64/17, Rn. 44 mwN).
Hier sollte die Klägerin ihre Beratungstätigkeit in Düsseldorf, dem damaligen Kanzleisitz, erbringen, was bei einem Rechtsanwalt auch der Regelfall sein dürfte (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2006 – IX ZR 15/05, Rn. 24; vgl. auch LG Hamburg, Urteil vom 10. November 2017 – 327 O 59/16, Rn. 35 mwN). Vom Kanzleisitz in Düsseldorf aus hielt die Klägerin auch Kontakt zu der Beklagten als Mandantin bzw. zu deren Geschäftsführer und führte die Beratungsleistungen aus. Soweit sie auch auf Leistungen der .. in Rom bzw. Mailand zurückgriff, ändert dies nichts. Denn der Beratungsvertrag war mit der in Düsseldorf ansässigen Klägerin geschlossen worden, welche von dort aus agierte, während die Rechtsanwälte in Rom bzw. Mailand lediglich unterstützend für die Klägerin tätig wurden.
2. Die zwischen den Parteien zustande gekommene Gebührenvereinbarung bezog sich auf Beratungsleistungen nach § 34 RVG, für die eine Vergütung ohne Beachtung der strengen Form des § 3a RVG vereinbart werden kann. Die Leistungen standen auch in keinem Zusammenhang mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit, zudem fehlt eine gesetzlich festgelegte Vergütung für diese Tätigkeit (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Januar 2015 – 19 U 99/14, Rn. 58; BeckOK/RVG/v. Seltmann, Stand: 1. September 2021, § 3a Rn. 13). Infolgedessen war keine Form einzuhalten, worauf auch das Landgericht zutreffend abgestellt hat.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass die „Vergütungsvereinbarung“ von der Beklagten erst am 30. Juli 2017 und damit erst einige Zeit nach Erbringung der Leistungen vom 2.-15. Juni 2017 unterzeichnet worden ist. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass dem Geschäftsführer der Beklagten aus anderen Mandaten ihre Stundensätze bekannt waren. Mit dieser Kenntnis hat die Beklagte somit die hier in Rede stehenden Beratungsleistungen der Klägerin beauftragt. Nachfolgend hat sie die „Vergütungsvereinbarung“ unterzeichnet und damit jedenfalls die Stundensätze genehmigt. Bei den Stundensätzen dürfte es sich im Übrigen um die „übliche Vergütung“ der Klägerin gem. § 612 Abs. 2 letzter Halbsatz BGB handeln.
4. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe des Honorars und die in Ansatz gebrachten Stunden bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
a) Die Klägerin hat unterschiedliche Stundensätze von EUR 625,00 (S; 9,5 Stunden), EUR 710,00 (D, 4:45 Stunden) und EUR 500,00 (T, 0,5 Stunden) berechnet und kommt zu einem Nettohonorarvolumen von EUR 9.760,00 für geleistete 15:05 Tätigkeitsstunden. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der von der Beklagten genannte anwaltliche Stundensatz von EUR 250,00 stellt zwar möglicherweise den „Regelfall“ dar, allerdings können bei besonders ausgewiesenen spezialisierten Anwälten in Angelegenheiten, die für den Mandanten existenziell wichtig sind, auch EUR 1.000,00 angemessen sein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2019 – I-24 U 84/18, Rn. 31, NJW 2019, 1956-1960, NJW 2019, 1956-1960; vom 14. November 2011 – I-24 U 192/10, Rn. 10; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 25. Auflage 2021, § 3a Rn. 28 am Ende). Hier hatte die Klägerin unstreitig Beratungsdienstleistungen in Bezug auf eine geplante mögliche Akquisition der Beklagten bzw. eines von der Beklagten geworbenen Investors bei A sowie bezüglich der dafür erforderlichen Interessenbekundung (sog. „call for expression of interest“) und des Bieterverfahrens (sog. bid documents) zu erbringen. Dies erfordert eine hohe Spezialisierung und Kenntnisse des internationalen Rechts. Bereits dieses Anforderungs- und Tätigkeitsprofil rechtfertigt einen überdurchschnittlichen Stundensatz. Dass die berechneten Stundensätze in sittenwidriger Weise gem. § 138 BGB überhöht gewesen seien, macht die Beklagte nicht geltend. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.
Zudem hängt die Angemessenheit eines Stundensatzes auch nicht nur von der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache, sondern auch von der Kostenstruktur der jeweiligen Anwaltskanzlei ab. Es liegt auf der Hand, dass Einzelkanzleien mit wenig Personal, zum Teil mit Familienangehörigen, in ländlichen und mietpreismäßig günstigen Landesteilen deutlich anders kalkulieren können als international tätige Großkanzleien in Städten mit teuren Mieten und einem großen und kostspieligen Personalbestand (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 14. November 2011 – I-24 U 192/10, Rn. 10 mwN).
Soweit die Beklagte unzulässige, von der Klägerin gestellte AGB vermutet und in diesem Zusammenhang die Höhe der Stundensätze beanstandet, ist dies unbehelflich. Denn der AGBrechtlichen Kontrolle unterliegen nur Klauseln, die die Bedingungen der Leistungserbringungen regeln. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind dagegen per se von einer Inhaltskontrolle ausgenommen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – VII ZR 266/17, Rn. 19 mwN; MünchKomm/BGB/Wurmnest, 8. Auflage 2019, § 307 Rn. 13 und 17 mwN).
b) Auch die Anzahl der berechneten Tätigkeitsstunden von insgesamt 15,05 begegnet keinen Bedenken. Die Klägerin hat durch Vorlage ihrer Rechnung und den zusätzlich erläuternden Angaben substantiiert zum Anfall der Stunden vorgetragen, sie nach den tätigen Rechtsanwälten untergliedert und die ausgeübten Tätigkeiten hinreichend beschrieben. Die Beklagte selbst wünschte die Einbeziehung italienischer Kollegen der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 2. März 2019, S. 3, GA 122), weshalb schon daraus das Erfordernis der Tätigkeit mehrerer Rechtsanwälte ersichtlich ist und im Hinblick auf die Aufgabenstellung auch plausibel erscheint.
Aus den von der Klägerin in der Rechnung beschriebenen Tätigkeiten wird weiter deutlich, dass die Beklagte in nicht unerheblichem Umfang Unterlagen übermittelt hatte, welche durchgesehen und geprüft werden mussten. Hierzu hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen (Anspruchsbegründung vom 14. Mai 2018, S. 3, GA 54). Diese Tätigkeiten fielen, wenn auch vielleicht in unterschiedlichem Ausmaß, bei allen drei Rechtsanwälten an, welche das Anliegen der Beklagten bearbeiteten und was naturgemäß zu einem höheren Stundenaufwand führt als bei einer Bearbeitung nur durch eine Einzelperson. Demgegenüber hat die Beklagte den Stundenaufwand nicht substantiiert bestritten, wovon das Landgericht zutreffend ausging. Ihr ist aus eigener Anschauung bekannt, welche Dokumente sie der Klägerin übermittelte, welche Beratungsleistungen von dieser erbracht wurden und welche E-Mails bzw. Telefonate mit ihr als Mandantin mit welchen Inhalten ausgetauscht wurden. Die Klägerin hat für Rechtsanwalt S u.a. im Stundenaufschrieb „telephone calls and extensive e-mail correspondence with the client“ vermerkt. Ein nur pauschales Bestreiten des Mandanten ist jedoch bei Vorgängen, die er selbst miterlebt hat (z.B. Telefonate) oder kennt (z.B. die übersandten Dokumente und deren Umfang) unerheblich (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 8. Januar 2019 – I-24 U 84/18, Rn. 33 mwN). Demgemäß musste die Klägerin nicht näher zu den von der Beklagten übermittelten Unterlagen vortragen. Des Weiteren hat die Klägerin zum Tag, der Person und dem Zeitaufwand vorgetragen, welcher mit den Telefonaten, die mit Herrn C als einer der für A tätigen Rechtsanwälte geführt worden waren, verbunden war. Damit hat sie den zu stellenden Anforderungen genügt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – IX ZR 18/09, Rn. 79; Beschluss vom 11. Dezember 2014 – IX ZR 177/13, Rn. 2).
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht erforderlich ein Sachverständigengutachten zur Angemessenheit der abgerechneten Honorare einzuholen. Unklar ist bereits, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt dies erforderlich sein soll, denn zum einen waren der Beklagten die Honorarsätze der Klägerin unstreitig bei Mandatserteilung bekannt. Zum anderen behauptet die Beklagte keine sittenwidrige Überhöhung von Honorar gem. § 138 BGB, jedenfalls lässt sich dies ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Eine sachverständige Beratung des Senats ist im Übrigen nicht erforderlich, weil er selbst sachkundig ist. Er ist auf anwaltliches Gebührenrecht spezialisiert und hierfür im Bezirk des OLG Düsseldorf ausschließlich zuständig. Deshalb und unter Anwendung des § 287 ZPO kann er die Angemessenheit des Stundensatzes als auch den abgerechneten zeitlichen Aufwand schätzen, zumal ein Richter in seinem Beruf vergleichbare Arbeit leistet, indem er Informationen rechtlicher Art verarbeitet, Recherchen durchführt, Dokumente erstellt und kommuniziert (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 8. Januar 2019 – I-24 U 84/18, Rn. 36).
d) Soweit die Beklagte erstinstanzlich eingewandt hat, nach § 34 Abs. 1 S. 2 RVG betrage der Höchstsatz für eine Beratungstätigkeit EUR 250,00 (Schriftsatz vom 2. März 2019, S. 2, GA 121), so ist dies bereits deshalb unrichtig, weil es sich bei der Beklagten unzweifelhaft nicht um eine Verbraucherin nach § 13 BGB handelt, was indes eine Voraussetzung für die „Deckelung“ darstellt.
e) Die Beklagte mag des Weiteren berücksichtigen, dass im Falle einer – wie hier nicht – unwirksamen Honorarvereinbarung das gesetzliche Honorar nach dem RVG geschuldet würde (vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – IX ZR 137/12, Rn. 16ff. zu den Folgen einer nichtigen Erfolgshonorarvereinbarung). Da die Klägerin für die Beklagte mit einer nach außen gerichteten Tätigkeit agiert hat (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom – IX ZR 143/20, Rn. 6), würde sie in einem solchen Fall eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 VV-RVG abrechnen können. Bereits bei einem Gegenstandswert von EUR 2.000.000,00 beträgt eine solche 1,3- Gebühr netto EUR 10.026,90 (die Klägerin hat netto eine Vergütung auf Stundensatzbasis von EUR 9.904,90 berechnet). Zwar haben die Parteien nicht angegeben, in welcher Höhe von der Beklagten bzw. ihrem Investor eine Investition bei A ins Auge gefasst worden war. Es dürfte aber auf der Hand liegen, dass eine Beteiligung in einem derartigen Bieterverfahren nur mit sehr hohen und deutlich über diesem Wert liegenden Angeboten möglich gewesen sein wird. Allein der Verkauf der Marke „A“ an die I soll bereits EUR 90.000.000,00 eingebracht haben (…).
II.
Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1 und 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an (OLG Brandenburg, Beschluss vom 18. Juni 2009 – 6 W 88/09; Senat, Beschluss vom 6. März 2013 – I-24 U 204/12, Rz. 19 mwN; KG, Beschluss vom 21. April 2016 – 6 U 141/15, Rz. 18; siehe auch Zöller/Heßler, ZPO, 33. Auflage, § 522 Rn. 45 mwN).
III.
Über die von der Klägerin im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 12. Juli 2021 verfolgte Parteiänderung bzw. die beabsichtigte Umstellung ihres Zahlungsantrags gem. §§ 263, 264 ZPO braucht beim derzeitigen Sach- und Streitstand nicht entschieden zu werden, denn sie werden mit Zurückweisung der Berufung als unbegründet gem. § 522 Abs. 2 ZPO ohnehin wirkungslos (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 23. Juni 2006 – 2 U 759/06, Rn. 49ff.; siehe auch BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 – III ZR 403/12, Rn. 8 und 19ff.). Dies gilt auch, wenn man zugunsten der Klägerin von einer Klageänderung durch rechtzeitige Anschlussberufung ausginge, denn auch diese wird diese gem. § 524 Abs. 4 ZPO mit der Zurückweisung der Berufung wirkungslos.