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Anlageberatung durch eine Bank: Verjährung von Schadenersatzansprüchen

LG Hamburg, Az.: 330 O 600/13, Urteil 26.11.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der … und der … (im Folgenden: Zedentinnen) auf Schadensersatz aufgrund von Beratungsverschulden bei einem Zertifikatetausch am 23.04.2008 ein Anspruch.

Der Ehegatte der Klägerin, …, war 2008 als Geschäftsführer der Unternehmensberatung … tätig und agierte zugleich als geschäftsführender Gesellschafter seiner Vermögensverwaltungsgesellschaften, der beiden Zedentinnen.

Er stand seit September 2003 in dauerhafter Geschäftsbeziehung zur Beklagten.

Anlageberatung durch eine Bank: Verjährung von Schadenersatzansprüchen
Symbolfoto: Von kan_chana /Shutterstock.com

Am 01.12.2004 dokumentierte der Zeuge … nach einem Gespräch mit dem Zeugen … in einem persönlichen Anlagevorschlag (Anlage K 6) die Vorgaben des Zeugen …, dass ein Vermögen in Höhe von € 1.400.000,00 zur langfristigen Kapitalanlage zur Verfügung stehe, eine nach Steuern noch deutlich über der Inflationsrate liegende Zielrendite erwartet werde, Verlustrisiken nahezu ausgeschlossen und der Kapitalerhalt im Vordergrund stehen solle, wobei Kursschwankungen akzeptiert werden.

Der Zeuge … erwarb und veräußerte im Jahr 2005 über die Beklagte u.a. Zertifikate (vgl. Schreiben des Zeugen … vom 20.01.2005, Anlage K7) und eine Anleihe der Emittentin Lehman Brothers, WKN A0DXCF / ISIN XS0210433206 (Übersicht Portfoliotransaktionen, Anlage B 7).

Am 24.10.2005 eröffnete der Zeuge … bei der Beklagten weitere Konten und Depots für die Zedentinnen. Insgesamt bestand am 31.12.2005 bei der Beklagten ein Anlagevolumen von ca. € 1,7 Mio (Portfolioübersicht, Anlage K 8).

Der Zeuge … erwarb in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Gesellschafter der Zedentinnen in deren Namen auf Empfehlung des Zeugen … am 26.10.2006 und 18.12.2007 Anteile an einem Zertifikat der … bank AG (WKN …, ISIN: …). Die … erwarb am 25.10.2006 1.500 Stück zu einem Kurswert von € 151.500,00 und am 18.12.2007 weitere 600 Stück zu einem Kurswert von € 51.273,11 (Wertpapierabrechnungen Anlage K 17). Die … erwarb am 25.10.2006 300 Stück zu einem Kurswert von € 30.300,00 und am 18.12.2007 weitere 600 Stück zu einem Kurswert von € 50.994,00 (Wertpapierabrechnungen Anlage K 17a).

Am 15.02.2008 Unterzeichnete der Zeuge … für die Zedentinnen die als Anlagen K 14 und K 16 eingereichten Bögen gemäß § 31 Abs. 4, 5 WpHG. Bei der Wahl der Risikostrategie wurde jeweils das Kreuz gesetzt bei: „wachstumsorientiert“. Als Anlagedauer wurden „5 bis 10 Jahre“ und als Anlageziel „Vermögenswachstum“ angekreuzt.

Im April 2008 wandte sich der Zeuge … an den Zeugen … mit der Empfehlung, die Zertifikate der … bank AG in Zertifikate der Emittentin L. B. BV, Holland (WKN … / ISIN: …, zugleich WKN … / ISIN …) zu tauschen.

Mit dem als Anlage K 18 eingereichten Schreiben vom 23.04.2008 erläuterte der Zeuge … dem Zeugen … den Tausch, der Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens beim Zeugen … ist streitig.

Am 23.04.2008 führte der Zeuge … den Tausch der Zertifikate durch, ob die Transaktion vorab mit dem Zeugen … abgestimmt war, ist streitig.

Der Zeuge … veräußerte die Zertifikate der … bank AG. Aus dem Bestand der … veräußerte er 1.650 Stück der Zertifikate der … bank AG zum Kurswert von € 118.833,00 (Wertpapierabrechnung vom 23.04.2008, Anlage K 20) und kaufte 165 Stück der Zertifikate der L. B. BV zu einem Kurswert von € 119.295,00 (Wertpapierabrechnung vom 23.04.2008, Anlage K 4). Die … veräußerte 750 Stück der Zertifikate der … bank AG zum Kurswert von € 54.015,00 (Wertpapierabrechnung vom 23.04.2008, Anlage K 19) und erwarb 75 Stück der Zertifikate der L. B. zu einem Kurswert von € 54.225,00 (Wertpapierabrechnung vom 23.04.2008, Anlage K 5).

Vor dem Zertifikatetausch vom 23.04.2008 war in der Wirtschaftspresse wiederholt negativ über L. B. berichtet worden (Anlagen K 27 bis K 36).

Es bestanden Rating-Unterschiede: Die Ratingagentur S… & P. bewertete im April 2008 die L. B. Holding Inc mit „A+“ besser als die … bank AG mit „A“. Die Ratingagentur M. bewertete im April 2008 die … bank AG mit „Aa3“ besser als die L. B. Holding Inc mit „A1“ (Anlagen K 22 bis K 24).

Am 15.9.2008 meldete die Garantin Insolvenz gemäß Kapitel 11 des United States Bankruptcy Code (Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten) an; im Oktober 2008 wurde über das Vermögen der Emittentin das Konkursverfahren nach niederländischem Recht eröffnet. Der Marktwert des bei der Beklagten unterhaltenen Portfolios des Zeugen … und seiner Gesellschaften reduzierte sich von € 2.214.714,70 per 31.12.2007 auf € 1.365.030,90 per 31.12.2008. Wegen der Einzelheiten, der Portfoliostruktur wird auf die Portfolioübersicht nebst Portfolioauszug vom 31.12.2008 (Anlage K9) Bezug genommen.

Der Zeuge … wandte sich am 03.03.2009 mit einer Beschwerde an den Ombudsmann der privaten Banken (Az. 305/09). Sowohl die Beschwerde des Zeugen … vom 03.03.2009 (Anlage B 2) als auch der Schlichtungsspruch vom 13.10.2009 (Anlage B 3) weisen als Beschwerdeführer allein den Zeugen … aus ohne Hinweis auf die Zedentinnen.

Der Zeuge … und die Zedentinnen blieben Kunden der Beklagten. Er bestätigte am 20. September 2011 das primäre Anlageziel „Vermögenswachstum“ und die Risikobereitschaft als „wachstumsorientiert“ für sich und die … (Beratungsprotokoll vom 20.09.2011, Anlage B 16).

Mit den als Anlagen K 1 und K 2 eingereichten Abtretungsverträgen vom 18.12.2013 traten die Zedentinnen der Klägerin sämtliche aus den Zertifikaten hervorgehenden Ansprüche gegen die Beklagte ab.

Die Klägerin wirft der Beklagten mehrere Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Zertifikatetausch vom 23.04.2008 vor.

1.

Die Klägerin behauptet, die Empfehlung des Zertifikatetausches durch die Beklagte habe der konservativen Risikomentalität der Zedentinnen widersprochen. Nach den Vorgaben des Zeugen … gemäß dem persönlichen Anlagevorschlag vom 01.12.2004 (Anlage K 6) und den WpHG-Bögen vom 24.10.2005 habe ein Verlustrisiko nahezu ausgeschlossen sein sollen, der Kapitalerhalt habe im Vordergrund stehen sollen. Soweit die unstreitig vom Zeugen … unterzeichneten WpHG-Bögen vom 15.02.2008 eine abweichend höhere Risikobereitschaft des Zeugen … ausweisen, sei der Zeuge … durch unzutreffende Behauptungen des Zeugen … zur Unterzeichnung veranlasst worden. Der Zeuge … habe erklärt, die Angabe der neuen Kategorie „wachstumsorientiert“ oder „risikobewusst“ ändere nichts an der getroffenen Grundsatzvereinbarung zum Vermögenserhalt; im Fall der Nichtunterzeichnung der WpHG-Bögen durch den Zeugen … müssten Anlagen veräußert werden, was mit großen Verlusten verbunden sei.

Der Zeuge Zeuge … sei durch Zeitdruck zum Tausch der Zertifikate gedrängt worden. Der Zeuge … habe dem Tausch der Zertifikate nicht vorab zugestimmt, sondern im Telefonat vom 25.04.2008 nach Erhalt der Wertpapierabrechnungen (Anlagen K4, K5) gerügt, dass durch den Zertifikatetausch entgegen seinen Vorgaben ein Verlust entstanden und zudem die Vorgabe der Kostenneutralität nicht beachtet worden sei. Der Zeuge … habe mit wortreichen Erklärungen und Versicherungen geantwortet, dass es sich um ein absolut sicheres, vorteilhaftes Geschäft handele. Daraufhin habe es der Zeuge … damit bewenden lassen.

2.

Die Klägerin meint, der Zeuge … habe im Zusammenhang mit dem Zertifikatetausch vom 23.04.2008 Aufklärungspflichten verletzt. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Zeugen … darauf hinzuweisen, dass

a) bei der Ratingsagentur M. das Rating der… bank AG im Vergleich zum Rating der L. B.; besser war;

b) das … bank-Zertifikat hinsichtlich des EuroStoxx50 einen höheren Schutzpuffer als das L.-Zertfikat aufwies;

c) die Wirtschaftspresse im Frühjahr 2008 negativ über L. B. berichtete;

d) ein Totalverlustrisiko aufgrund von Sonderkündigungsrechten der Emittentin bestand;

e) Einschränkungen der Fungibilität des Zertifikates bestanden.

Der Zeuge … habe seine Aufklärungspflichten vorsätzlich verletzt, denn er habe mit System gegenüber mindestens drei weiteren Kunden der Beklagten die Desinformation durch Unterlassen und teilweise durch gezielte Falschangaben betrieben.

Wäre der Zeuge … vollständig und richtig über die negativen Ausstattungsmerkmale des L.-Zertifikates und die negative Presseberichterstattung informiert worden, hätte er dem Tausch für die von ihm vertretenen Gesellschaften nicht zugestimmt.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zur Zahlung von € 133.931,22 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der streitgegenständlichen Zertifikate zu verurteilen. Sie hat den Rechtsstreit hinsichtlich der in den Insolvenzverfahren der Lehman Brothers Inc und der L. B. BV erfolgten Zahlungen an die Zedentinnen in Höhe von € 29.565,35 für teilweise erledigt erklärt und den Zahlungsantrag auf € 104.355,87 reduziert. Die Beklagte hat der Teilerledigungserklärung widersprochen.

Die Klägerin beantragt mit dem Schriftsatz vom 30.09.2015, dem letzten vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 08.10.2015 eingegangenen Schriftsatz,

1.

festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in Höhe der

durch den Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. L. B. Inc New York, USA, am

09.04.2014 an … gezahlter € 3.425,42

09.04.2014 an … gezahlter € 1.557,00

02.10.2014 an … gezahlter € 2.826,00

02.10.2014 an … € 1.275,00

02.04.2015 an … gezahlter € 2.255,78

02.04.2015 an … gezahlter € 1.025,35

und von dem Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der L. B. BV, Niederlande, am 02.05.2014 an … gezahlter € 6.909,60

30.10.2014 an … gezahlter € 5.714,40

29.04.2015 an … gezahlter € 4.576,80

erledigt hat;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 104.355,87 nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen

Zug um Zug gegen Übertragung von

165 Stück Nennwert 723,00 € L. B. Treasury Co. B.V. EXPR.N 06.01.14 Basket WKN: … / ISIN: …(jetzt: … / …) Kaufpreis € 119.295,00 Fälligkeit: 06.01.2014; sowie von

75 Stück Nennwert 723,00 € L. B. Treasury Co. B.V. EXPR.N 06.01.14 Basket WKN: … / ISIN: … (jetzt: … / …) Kaufpreis € 54.225,00 Fälligkeit: 06.01.2014;

und Zug um Zug gegen die Abtretung aller Ansprüche hieraus, insbesondere auch gegenüber dem Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren der L. B. Inc, New York sowie dem Insolvenzverwalter der L. B. BV / Niederlanden;

3.

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 2 genannten Zertifikates sowie der abgetretenen Ansprüche in Verzug befindet;

4.

nur für den Fall, dass das Gericht in den Zahlungen der Insolvenzverwalter kein erledigendes Ereignis erkennen sollte und den Klageantrag zu 1 abweist,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 133.921,22 nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung von

165 Stück Nennwert 723,00 € L. B. Treasury Co. B.V. EXPR.N 06.01.14 Basket WKN: … / ISIN: … (jetzt: … / …) Kaufpreis € 119.295,00 Fälligkeit: 06.01.2014; sowie von

75 Stück Nennwert 723,00 € L. B. Treasury Co. B.V. EXPR.N 06.01.14 Basket WKN: … / ISIN: … (jetzt: … / …) Kaufpreis € 54.225,00 Fälligkeit: 06.01.2014; und

Abtretung aller Ansprüche hieraus, insbesondere auch gegenüber dem Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren der L. B. Inc, New York sowie dem Insolvenzverwalter der L … B. BV Niederlanden;

sowie Zug um Zug gegen Auskehr der Ausschüttungen der Insolvenzverwalter in Höhe von € 29.565,35 von der Klägerin an die Beklagte.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Erwerb der L.-Zertifikate am 23.04.2008 beruhe auf einer vorherigen telefonischen Weisung des Zeugen … an den Zeugen … vom 23.04.2008, erteilt auf pflichtgemäße Empfehlung des Zeugen … . Die Tauschempfehlung sei sachlich gerechtfertigt gewesen und habe dem Profil und den Wünschen der Zedentinnen entsprochen. Den Zedentinnen seien als Formkaufleute und Finanzunternehmen i.S.d. § 1 Abs. 3 KWG nach ihren Gesellschaftszwecken der Vermögensverwaltung und des Beteiligungsgeschäfts Finanzinstrumente bekannt und zu riskanten Geschäften bereit.

Beide Wertpapiere seien strukturgleich, beide Basisindices seien im Telefonat vom 23.04.2008 besprochen worden. Über die marginalen Rating-Unterschiede, negative Pressestimmen und Sonderkündigungsrechte habe die Beklagte nicht aufklären müssen, zumal sie den Zedentinnen auch spekulative und wachstumsorientierte Anlagen empfehlen durfte. Jedenfalls seien vermeintliche Pflichtverletzungen nicht kausal für die Anlageentscheidung. Die erklärt wachstumsorientierten Zedentinnen hätten die Zertifikate auch in Kenntnis weiterer Risiken, etwa aus marginalen Ratingdifferenzen, negativen Pressestimmen oder Sonderkündigungsrechten erworben.

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Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und behauptet, der Zeuge … habe Aufklärungsfehler gar nicht, erst recht nicht vorsätzlich begangen. Für die Annahme eines bedingten Vorsatzes im Sinne einer Inkaufnahme einer Schädigung der Zedentinnen bei der Beratung gebe es keinen Anhaltspunkt und keine Motivation.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2015 (Bl. 251 ff. d.A.) verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Feststellungsklage zu 1) ist unbegründet.

Die teilweise Erledigung des Rechtsstreits durch nach Rechtshängigkeit erfolgte Zahlungen der Insolvenzverwalter der L. B. Inc. New York und der L. B. BV, Niederlande, in Höhe von € 29.565,35 ist nicht festzustellen.

Denn die Klage der Klägerin hat sich nicht erst durch diese Zahlungen erledigt, sie war bereits ursprünglich unbegründet.

Der Klägerin stand und steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Verletzung des mit den Zedentinnen geschlossenen Anlageberatungsvertrages durch den Zeugen … gemäß §§ 280 Abs. 1, 278 BGB zu.

1.

Unstreitig ist zwischen der Beklagten und den Zedentinnen, vertreten durch den Zeugen …, im April 2008 im Hinblick auf den „Tausch“ der … bank-Zertifikate gegen die L.-Zertifikate ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Ein Beratungsvertrag bestand unstreitig. Ein solcher Vertrag kann formlos, auch durch stillschweigende Willenserklärungen geschlossen werden (BGH NJW 1993, 2433 BGH WM 2002, 2281f.). Vom Abschluss eines stillschweigend abgeschlossenen Beratungsvertrags ist auszugehen, wenn der Rat für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist, er ihn zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will und der Auskunftsgeber über eine spezielle Sachkunde verfügt oder er ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend unstreitig gegeben. Der Zeuge … hat hinsichtlich der Anlage des Vermögens der Zedentinnen als seiner Vermögensverwaltungsgesellschaften laufend um Rat bei der Anlage der zur Beklagten übertragenen Mittel ersucht. Für die Beklagte war dabei erkennbar, dass die diesbezüglich zu treffenden Entscheidungen für die Zedentinnen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung waren. Als Privatbank verfügte die Beklagte ferner auch über die erforderliche Sachkunde.

Aufgrund des Beratungsvertrags war die Beklagte zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet, wobei Inhalt und Umfang dieser Beratungspflichten von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Maßgeblich sind einerseits der Wissenstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarkts, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben. Während die Aufklärung des Kunden über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (BGH Urt. v. 21.03.2006 – XI ZR 63/05 Urt. v. 14.07.2009 – XI ZR 152/08).

2.

Die Beklagte hat ihre sich aus dem Beratungsvertrag ergebende Pflicht zur anlegergerechten Beratung der Zedentinnen nicht dadurch verletzt, dass sie deren Geschäftsführer, dem Zeugen …, im April 2008 empfahl, die … bank-Zertifikate zu verkaufen und stattdessen L.-Zertifikate zu erwerben. Die Zedentinnen wiesen mitnichten eine konservative Risikomentalität auf.

Den Zedentinnen durfte im Hinblick auf ihre durch die Zusammensetzung ihrer Depots belegten Anlagererfahrungen ein Zertifikatetausch angedient werden. Die Zedentinnen sind Formkaufleute und Finanzunternehmen i.S.d. § 1 Abs. 3 KWG. Sie erwiesen sich im April 2008 aus Sicht der Beklagten mitnichten als risikoscheue Anlegerinnen. Es kann dahinstehen, dass der Zeuge … im Anlagevorschlag des Zeugen … vom 01.12.2004 (Anlage K6) hinsichtlich seiner persönlichen Vermögensanlage dokumentieren ließ, dass er Verlustrisiken ausschließen und den Kapitalerhalt in den Vordergrund stellen möchte. Unstreitig erwarb der Zeuge … sodann in der Folgezeit bereits im Jahr 2005 über die Beklagte sowohl Zertifikate (Anlage K 7) als auch eine Anleihe der Emittentin L. B. (Anlage B 7). Nachdem er im Oktober 2005 Konten und Depots der Zedentinnen bei der Beklagten eröffnete, schlossen auch diese mit der Beklagten einen Rahmenvertrag über Geschäfte in Finanzinstrumenten, änderten die Risikostrategie in „spekulativ“ und erwarben im Oktober 2006 und Dezember 2007 Anteile an Zertifikaten der … bank AG. Dem entspricht der Umstand, dass der Zeuge … am 15.02.2008 WpHG-Bögen der Zedentinnen (Anlagen K14 und K 16) unterzeichnete, in denen die Risikostrategie „wachstumsorientiert“ und das Anlageziel „Vermögenswachstum“ angekreuzt waren. Die Behauptung der Klägerin, die Unterzeichnung dieser Bögen im Februar 2008 sei nur durch die unzutreffende Auskunft des Zeugen … zustande gekommen, im Falle der Nichtunterzeichnung müssten Vermögenswerte veräußert werden, steht der Verwertung der WpHG-Bögen nicht entgegen. Denn die behauptete Auskunft des Zeugen …, im Falle der Reduzierung der Risikobereitschaft des Zeugen … müsse die Depotstruktur angepasst und die mit der Risikomentalität nicht mehr vereinbare Anlage veräußert werden, ist zutreffend. Der Zeuge … hat im Rahmen seiner Vernehmung eingeräumt, dass sein Depot nur bei der Eröffnung ursprünglich als „konservativ“ eingestuft wurde und er bereits im Jahr 2006 eine Erhöhung der Risikobereitschaft in die Kategorie „spekulativ“ mit dem Zeugen … vereinbart hatte. Er hat ferner eingeräumt, dass er sich bei der Zusendung der neuen Bögen im Februar 2008 inhaltlich mit diesen auseinandersetzte und sich wunderte, dass die Risikokategorie „spekulativ“ nunmehr „wachstumsorientiert“ hieß.

Er hat auch verstanden, dass dies eine Risikoerhöhung bedeutete, sodass er den Zeugen … provokativ fragte, was im Fall der Nichtunterzeichnung passiere, woraufhin der Zeuge … eine Bereinigung der Depotstruktur um risikoreiche Papiere ankündigte (Sitzungsprotokoll vom 27.08.2015, S. 8, Bl. 258 d.A.). Wenn sich der Zeuge … daraufhin – in positiver Kenntnis der Bedeutung der Risikokategorie „wachstumsorientiert“ und der Verlustrisiken der seinerzeit gehaltenen Zertifikate der … bank AG – nach deren Abwägung gegen die Gewinnchancen der Zertifikate für die Unterzeichnung der WpHG-Bögen (Anlage K 14 und K 16) und gegen die Veräußerung der risikoreichen Anlagen entscheidet, ist ein Irrtum bei der Unterzeichnung der WpHG-Bögen vom 15.02.2008 (Anlagen K 14 und K 16) nicht gegeben.

Pflichtverletzungen der Beklagten ergeben sich auch nicht im Hinblick auf den widersprüchlichen Vorwurf der Klägerin, der Zeuge … habe bei der Einholung der Zustimmung des Zeugen … zum Zertifikatetausch vom 23.04.2008 am Telefon Zeitdruck ausgeübt und/oder den Zertifikatetausch ohne Zustimmung des Zeugen … ausgeführt. Nach § 184 Abs.1 BGB wirkt die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zurück. Dies ist hier der Fall. Unstreitig haben die Zeugen … und … jedenfalls ohne Zeitdruck erneut miteinander telefoniert, nachdem der Zertifikatetausch durchgeführt war und der Zeuge … die Wertpapierabrechnungen erhalten und geprüft hatte. Unstreitig hat der Zeuge … sich im Ergebnis sich der wortreichen Erklärungen der Vorteile der Transaktion durch den Zeugen … jedenfalls nachträglich mit der Transaktion einverstanden erklärt, indem er es dabei „bewenden“ ließ. Darin liegt die Erklärung einer nachträglichen Genehmigung des etwaig vollmachtlosen Zertifikatetausches, § 184 Abs. 1 BGB, sodass der Mangel des etwaigen Zeitdrucks bei der Erklärung der vorherigen Zustimmung und/oder der Mangel des Fehlens einer vorherigen Zustimmung nachträglich geheilt wurde.

3.

Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Pflicht zur objektgerechten Beratung der Zedentinnen durch den Zeugen … im April 2008. Soweit Verletzungen der Pflicht zur objektgerechten Beratung schlüssig vorgetragen sind, sind etwaige Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte aufgrund fahrlässiger Pflichtverletzung gem. §§ 37a, 43 WpHG verjährt; eine vorsätzliche Pflichtverletzung ist nicht festzustellen.

a)

Die Empfehlung des Erwerbs eines Zertifikates an sich entsprach den Anlageinteressen der Zedentinnen. Unstreitig verfügte der Zeuge … als Geschäftsführer beider Zedentinnen über frühere Anlageerfahrungen in Zertifikaten und war hinsichtlich der Anlagestrategie und Risikobereitschaft in der Vergangenheit mit dem Zeugen … überein gekommen, Zertifikate der Emittentin … bank AG für die Zedentinnen zu zeichnen.

b)

Den Zedentinnen durfte auch ein Zertifikat der Emittentin L. B. angedient werden, ohne dass besondere Risikohinweise hinsichtlich des Ratings der Emittentin geboten gewesen wären. Die Beklagte muss Zertifikate, die sie in ihr Anlageprogramm aufnimmt und empfiehlt, zuvor mit banküblichem kritischen Sachverstand prüfen. Das gilt auch hinsichtlich der Bonität der konkreten Emittentin bzw. Garantiegeberin, die für die Risikobeurteilung eines Zertifikats von maßgeblicher Bedeutung ist. Eine Haftung der Beklagten käme in Betracht, wenn bei dieser Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen, oder wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Kapitalanlage nicht anleger- oder objektgerecht ist (BGH, Urteile vom 27.09.2011, Az. XI ZR 178/10, Rdn. 25; Az. XI ZR 182/10, Rdn. 24, jeweils m. w. N. zitiert nach juris).

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob das Emittentenrisiko der L. B. Gruppe am 23. April 2008 bereits relevant erhöht war. Denn aus den Darlegungen der Klägerin ist nicht zu schließen, dass ein erhöhtes Insolvenzrisiko für die Beklagte im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Beratungsgespräche erkennbar war. Im April 2008 unterschieden sich die Ratings der … bank AG und der L. B. bei beiden streitgegenständlichen Ratingagenturen marginal um eine Stufe. Es ist nicht ersichtlich, dass sich aus den für die Beklagte bei Prüfung mit banküblichem kritischen Sachverstand erkennbaren Umständen ein konkretes Insolvenzrisiko ergab, das die Bonitätseinschätzung der Ratingagenturen in Zweifel ziehen musste.

c)

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte die Verpflichtung zur Mitteilung aktueller Informationen über das Anlageobjekt, insbesondere die laufende Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse, verletzte.

Zwar hat sie einen Anleger über zeitnahe und gehäufte negative Berichte in der Börsenzeitung, der Financial Times Deutschland, dem Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu unterrichten (BGH NJW-RR 2009, 687, 688 BGH WM 2009, 2711). Allerdings führt eine unterlassene Prüfung der empfohlenen Kapitalanlage nur dann zur Haftung, wenn bei dieser Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen, oder aber wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Kapitalanlage nicht objektgerecht ist (vgl. BGH NJW-RR 2009, 618); BGH NJW 2008, 3700, 3701 Rz. 12, 14 m.w.N. zur Beratung durch eine Bank). Im vorliegenden Fall gab es vor der Beratung der Zedentinnen einzelne negative Berichte der Fachpresse. Ob ein Hinweis auf diese Presseberichterstattung geschuldet war, erscheint zweifelhaft, weil die Beklagte davon ausgehen durfte, dass die mehrere Tage vor dem Anlagezeitpunkt erschienenen Presseberichte den Ratingagenturen bekannt und die berichteten Umstände von den Rating-Agenturen verwertet worden waren.

d)

Es kann dahinstehen, ob der Zeuge … gebotene Aufklärungen des Geschäftsführers der Zedentinnen über die Einzelheiten der Ausgestaltung beider Zertifikate, ihrer Basisindices und Schwellenwerte, die Einschränkungen der Fungibilität der Zertifikate und das Totalverlustrisiko aufgrund des Sonderkündigungsrechts der Emittentin unterließ.

e)

Ansprüche aus fahrlässigen Pflichtverletzungen sind gemäß § 37a WpHG verjährt.

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 37a WpHG a.F. war bereits vor der gerichtlichen Geltendmachung der verfahrensgegenständlichen Ansprüche am 23.12.2013 abgelaufen.

§ 37a WpHG a.F. ist anzuwenden, da nach der Übergangsregelung in § 43 WpHG diese Bestimmung für Ansprüche gilt, die in der Zeit vom 01.04.1998 bis zum Ablauf des 04.08.2009 entstanden sind. Dabei ist unerheblich, auf welche Rechtsgrundlage der Anspruch gestützt wird, da von der Verjährungsregelung des § 37a WpHG a.F. vertragliche Schadenersatzansprüche (aus §§ 311 Abs. 2, 280 BGB bzw. c.i.c.) und auch – hinsichtlich fahrlässiger Begehungsweise – deliktische Ansprüche z.B. aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 31 WpHG erfasst werden (OLG Frankfurt, 23 U 287/05, Rdn. 16 zitiert nach juris).

Nach § 37a WpHG a.F. verjähren Schadensersatzansprüche der Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen wegen fahrlässiger Pflichtverletzungen bei Informations- und Beratungspflichten im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung in drei Jahren ab Entstehung des Anspruches. Entstanden ist ein solcher Anspruch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zeitpunkt des unwiderruflichen und vollzogenen Erwerbs der Anlage (BGH, Urteil 24.03.2011, Az. III ZR 81/10, WM 2011, 874). Daher begann die Verjährungsfrist mit dem schuldrechtlichen Erwerb der Zertifikate.

Die Verjährungsfrist begann daher vorliegend am Tag des Kaufs der Zertifikate durch die Zedentinnen am 23.04.2008 und endete am 23.04.2011.

Die Verjährung wurde nicht durch das Schlichtungsverfahren vor der Ombudsstelle der Privaten Banken (Az. 305/09) gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gehemmt, denn Parteien dieses Schlichtungsverfahrens waren nur der Zeuge … und die Beklagte, nicht die Zedentinnen. Sowohl die Beschwerde des Zeugen … vom 03.03.2009 (Anlage B 2) als auch der Schlichtungsspruch vom 13.10.2009 (Anlage B 3) weisen als Beschwerdeführer allein den Zeugen aus und enthalten keinen Hinweis auf die Zedentinnen als Parteien des Schlichtungsverfahrens.

Selbst wenn das Schlichtungsverfahren auf die Zedentinnen erstreckt würde, wäre die Hemmungswirkung des Schlichtungsverfahrens allenfalls für den Zeitraum vom Eingang der Beschwerde am 05.03.2009 (Anlage B2) bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Zustellung des Schlichtungsspruches vom 13.10.2009 (Anlage B3), also bis 13.04.2010 zu bejahen.

Bis zur Klageerhebung am 23.12.2013 erfolgte auch keine weitere Hemmung der Verjährung gemäß § 203 BGB durch Verhandlungen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, inwiefern es zu einem Meinungsaustausch über die geltend gemachten Ansprüche gekommen ist.

f)

Die Beklagte bzw. der Zeuge … haben etwaige Aufklärungspflichtverletzungen nicht vorsätzlich begangen.

Zwar trifft nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die den Verjährungseintritt gem. § 37a WpHG a.F. begründen. Hierzu gehört auch die Behauptung, bei der Beratung nicht vorsätzlich eine Pflichtverletzung begangen zu haben, da in diesem Fall die Verjährungsvorschrift des § 37a WpHG nicht greifen würde (BGH, Urteil vom 12.05.2009, Az. XI ZR 586/07, Rdn. 17f. zitiert nach juris).

Bei einfachen Aufklärungs- oder Beratungsfehlern kann ein fehlender Vorsatz festgestellt werden, wenn keine Anhaltspunkte für einen Vorsatz vorliegen bzw. der Anspruchsteller Entsprechendes nicht substantiiert behauptet hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 10.10.2012, Az. 9 U 87/12 m.w.N., zitiert nach juris). Die Abwesenheit von Indizien für einen Vorsatz lässt in einem solchen Fall bereits ohne Beweisaufnahme den Schluss zu, die Bank habe nicht vorsätzlich gehandelt. Etwas anderes gilt dann, wenn kein einfacher Aufklärungs- oder Beratungsfehler vorliegt, weil sich beispielsweise die beratende Bank über Gesetzesvorschriften oder Richtlinien hinweggesetzt, das Produkt abweichend zu wesentlichen Angaben im Kurzprospekt oder der Produktinformation dargestellt oder sonstige offensichtliche Fehler begangen hat (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Urteil vom 10.10.2012, Az. 9 U 87/12).

Vorliegend stehen nur einfache Fehler im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung im Raum, bei denen ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte sie zumindest bedingt vorsätzlich begangen hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 04.06.2013, Az. VI ZR 292/12 m.w.N., zitiert nach juris) enthält der Vorsatz ein „Wissens-“ und ein „Wollens-Element“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Die Annahme eines bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Dazu genügt es nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt.

Voraussetzung für die Feststellung eines bedingten Vorsatzes der Beklagten oder des Zeugen … wäre es also im vorliegenden Fall, dass die Beklagte oder der Zeuge … es für möglich gehalten haben, dass sie den Zeugen … darüber aufzuklären haben, dass

a) bei der Ratingsagentur M. das Rating der … bank AG im Vergleich zum Rating der L. B. besser war;

 

b) das … bank-Zertifikat hinsichtlich des EuroStoxx50 einen höheren Schutzpuffer als das L.-Zertfikat aufwies;

c) die Wirtschaftspresse im Frühjahr 2008 negativ über L. B. berichtete;

d) ein Totalverlustrisiko aufgrund von Sonderkündigungsrechten der Emittentin bestand;

e) Einschränkungen der Fungibilität des Zertifikates bestanden,

und es, als sie entsprechende Weisungen erteilten bzw. entsprechende Hinweise unterließen, billigend in Kauf nahmen, ihre vermögenden Kunden, die Anleger der streitgegenständlichen Zertifikate, falsch zu beraten, ihren Pflichten aus dem Beratungsvertrag also nicht gerecht zu werden.

Dafür sind jedoch keine konkreten Indizien vorgetragen.

Eine von der Klägerin vermutete zentrale Weisung an Anlageberater der Beklagten, den streitgegenständlichen Zertifikatetausch durchzuführen, ist nicht festzustellen. Der dazu vernommene Zeuge … schloss dies aus. Er bekundete, es habe eine solche Weisung im Hause der Beklagten „garantiert nicht“ gegeben, denn dringliche Verkaufsempfehlungen im Sinne von Verkaufsweisungen ergehen sehr selten, höchstens in dringlichen Notfällen, die hier nicht gegeben waren (Sitzungsprotokoll vom 27.08.2015, Seite 6f, Bl. 256f d.A.).

Soweit der Zeuge … im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.08.2015 ungefragt und mit erheblicher Belastungstendenz bekundete, er habe ex post ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber dem Zeugen … empfunden und es später ab Januar 2009 abgelehnt, jemals wieder mit dem Zeugen … zu sprechen (Sitzungsprotokoll vom 27.08.2015, Seite 6f, Bl. 256f d.A.), begründet dieser Umstand kein Indiz für eine vorsätzliche Fehlberatung des Zeugen … im April 2008. Denn der Vorwurf, dass der Zeuge … im April 2008 Zeitdruck aufgebaut und die Transaktion ohne vorherige Zustimmung des Zeugen … ausgeführt haben soll, was die Beklagte bestreitet, erweist sich im Hinblick auf die unstreitige nachträgliche Genehmigung der Transaktion durch den Zeugen … am 25.04.2008 als unerheblich, siehe oben.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Zeuge … in seiner Vernehmung (Sitzungsprotokoll vom 27.08.2015, Seite 6f, Bl. 256f d.A.) ungefragt bekundet hat, er empfinde die Transaktion auch deshalb als „Betrug irgendwie“, weil er dem Zeugen … verboten habe, „amerikanische Dollarpapiere jemals zu kaufen“. Nennwert und Kurswerte der streitgegenständlichen Zertifikate notieren nicht in US-Dollar, sondern in Euro.

Selbst wenn – wie die Klägerin schließlich behauptet – dem Zeugen … gleichartige Beratungsfehler gegenüber drei weiteren Kunden unterlaufen sein sollten, spricht dies nicht ohne weiteres dafür, dass er die zur Aufklärungspflicht führende rechtliche Würdigung seinerzeit bereits aktiv vollzogen hatte, sich seiner Aufklärungspflicht also bewusst war bzw. sie für möglich hielt und sie gleichwohl verletzte. Es kommt ebenso in Betracht, dass dem Zeugen … in drei Fällen ähnliche fahrlässige Beratungspflichtverletzungen unterlaufen sein könnten.

Der dazu vernommene Zeuge … hat glaubhaft bekundet (Sitzungsprotokoll vom 27.08.2015, Seite 12, Bl. 262 d.A.), seinen Tauschvorschlag im Rahmen eines ausführlichen Telefonates mit dem Zeugen … erläutert zu haben. In diesem Zusammenhang bewertete er im März/April 2008 die damalige Bonität beider Emittentinnen als „ziemlich gleich“ bzw. „lagen beide Banken lediglich ein Notch oder ein Stüfchen nebeneinander“. Das Sonderkündigungsrecht hielt er in seiner Beratungspraxis im Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit Zertifikatbedingungen und eigenen Zertifikatentwicklungen für generell nicht aufklärungspflichtig, weil ihm kein Sonderkündigungsrecht bekannt war, das jemals durchgeführt worden wäre (Sitzungsprotokoll vom 27.08.2015, Seite 13, Bl. 263 d.A.). Die Aussage war glaubhaft, weil er Erinnerungslücken hinsichtlich der konkreten Gesprächsinhalte zugestand und seine – aus heutiger Sicht fragliche – Beratungspraxis der Nichtaufklärung über Sonderkündigungsrechte selbstkritisch eingeräumt hat. Die Verlustrisiken und das Emittentenrisiko hat er ganz sicher erläutert, weil bei einem Indexinvestment, bei dem „ich 2 Indizes habe, von denen der schlechtere zählt, dann ist das Risiko genau so groß wie dies Entwicklung dieses Index“. Dabei ging der Zeuge … davon aus, dass der Zeuge … bereits vor seinem Wechsel aus der Niederlassung Frankfurt in die Niederlassung Hamburg der Beklagten mit seinem früheren Berater zu diesen Themen schriftlich kommuniziert hatte (Sitzungsprotokoll vom 27.08.2015, Seite 14, Bl. 264 d.A.). Insgesamt ergibt sich das Bild eine sehr engagierten Anlageberaters; eine vorsätzliche Beratungspflichtverletzung auf Weisung der Beklagten und/oder eigene Initiative des Zeugen … ist nicht gegeben.

Denn es kann ohne entgegenstehende Indizien regelmäßig ausgeschlossen werden, dass eine Geschäftsbank wie die Beklagte ihre Mitarbeiter anhält, die eigenen Kunden fehlerhaft zu beraten, oder dass der Berater einen solchen Vorsatz selbst hat. Eine Bank will im Regelfall eine Dienstleistung an ihren Kunden erbringen und mit diesem die Geschäftsbeziehung dauerhaft fortsetzen. Insofern kann unterstellt werden, dass sie selbst Interesse an einer fehlerfreien und qualitativ hochwertigen Beratung hat (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10.10.2012, Az. 9 U 87/12).

Dem steht auch das von der Klägerin hervorgehobene Umsatzinteresse des Zeugen … nicht entgegen. Denn Umsätze und Gewinne aus Wertpapiertransaktionen werden auf lange Sicht betrachtet – und diese Sicht werden auch der Zeuge … und die Beklagte als Bank, die länger im Geschäftsbetrieb überleben wollen, einnehmen – nur bei einer dauerhaften Kundenzufriedenheit zu gewährleisten sein.

II.

Nach Vorstehendem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von € 104.355,87 nebst Zinsen (Klagantrag zu 2.) und Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Klagantrag zu 3.).

III.

Die nach dem – mit Beschluss vom 27.08.2015 auf den 08.10.2015 festgesetzten – Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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