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Schadensersatz wegen falscher Anlageberatung

 Landgericht Hannover

Az.: 13 O 3037/01

Verkündet am: 09.11.2001


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatzes aus Anlageberatung hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2001 für R e c h t erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 22.915,– nebst 4 % Zinsen auf DM 15.250,– seit dem 4.10.1996 und 7 % Zinsen auf DM 7. 038,– seit dem 2. 7.2001 und auf weitere 627,– DM seit dem 12.9.2001 zu zahlen und den Kläger von seinen Verbindlichkeiten gegenüber der XY aus dem Darlehensvertrag vom 10.9.1996 (Nr. 49 645) freizustellen Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche des Klägers gegen die DLF 94/17 – aus der Beteiligung vom 1.9.1996 (Beteiligungs-Nr.: 941 721 097) mit einem Nominalbetrag von DM 60.000,–.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 28.000,– vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, Sicherheit durch eine unbedingte, unwiderrufliche, selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rückabwicklung eines Kapitalanlagegeschäftes nebst Schadensersatz.

Die Beklagte ist ein in ganz Deutschland tätiges Wirtschaftsberatungs- und Finanzbetreuungsunternehmen, das Kapitalanlagen Bauspar- und Versicherungsverträge vermittelt. Sie unterhält mit Hilfe selbstständiger Handelsvertreter eine Außendienstorganisation und wirbt in ihrem Logo damit, ein unabhängiger Finanzoptimierer zu sein.

Der Kläger, der bereits 1995 – vermittelt durch den selbstständigen Handelsvertreter der Beklagten – eine Beteiligung über 150.000,– DM am Dreiländer-Fonds „DLF 94/17″ erworben hatte, zeichnete auf Empfehlung desselben Handelsvertreters am 1.9.1996 eine weitere Beteiligung in Höhe von 60.000,– DM, für die er zusätzlich eine Abwicklungsgebühr von 3.000,– DM zahlte. Die Beteiligung finanzierte der Kläger durch das im Tenor näher bezeichnete Darlehen über 50.000,– DM, das in Höhe von 47.750,– DM ausgezahlt wurde. Den Differenzbetrag über 15.250,– DM beglich der Kläger durch Eigenkapital.

Bei dem Dreiländerfonds handelt sich um einen in Form einer Kommanditgesellschaft organisierten geschlossenen Immobilienfonds, der Immobilien und Wertpapiere in Deutschland, der Schweiz und den USA unterhält, darunter das Freizeit- und Erlebniszentrum International in Stuttgart, dessen Hauptmieterin die ist, die 1999 insolvent wurde. In Folge von Mietausfällen reduzierten sich die Ausschüttungen des Fonds , die bis einschließlich 1998 monatlich 7 % betrugen, auf 3 % im Jahre 1999. Nachdem im Jahr 2000 keine Ausschüttungen erfolgt waren, werden seit Januar 2001 monatlich Ausschüttungen in Höhe von 2,5 % ausgekehrt.

Der Kläger meint, die Beklagte habe durch ihren Handelsvertreter ihre Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt. Herr Y habe es unterlassen, die Anlage auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Außerdem hätte er ihn auf die negative Presseberichterstattung über den Fonds hinweisen müssen , was er jedoch unstreitig nicht getan habe. Seit dem 30.9.1994 sei in der Wirtschafts- und Fachpresse (kapitalmarkt-intern, finanztip, Platow-Brief, CAPITAL und Wirtschaftswoche) mehrfach ausdrücklich vor einer Anlage am Dreiländerfonds insbesondere im Hinblick auf Unsicherheiten der gewarnt worden. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 22.6.2001 und 7.9.2001 verwiesen. Ferner habe Herr Y dem Kläger versichert, dass er die Beteiligung jederzeit ohne Verlust wiederverkaufen könnte, sie sei sicherer als der Erwerb einer Eigentumswohnung.

Der Kläger begehrt Rückabwicklung der am 1.9.1996 gezeichneten Anlage und macht folgenden Schaden geltend:

eingezahltes Eigenkapital: DM 15.250,-

Zins- und Tilgungsgleistungen von 1.9.1996 bis 30.9.2001 DM 20.040,-

DM 35.290,-

./. Ausschüttungen 10/96 bis 09/01 DM 12.375,-

DM 22.915,–

Er behauptet, das am 4.10.1996 eingesetzte Eigenkapital mit einer Rendite von 5 % gewinnbringend angelegt zu haben, wenn er die Beteiligung nicht gezeichnet hätte.

Ferner nähme er Bankkredit in Höhe der Klagsumme in Anspruch, den er mit 7 % verzinsen müsse.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen an ihn DM 22.915,– nebst 5 % Zinsen aus DM 15.250,– seit dem 4.10.1996 und 7 % Zinsen aus DM 7.665,– seit Rechtshängigkeitk zuzahlen und ihn auf Rechtskraft des Urteils von seinen Verbindlichkeiten gegenüber der XY aus dem Darlehensvertrag vom 10.9.1996 (Nr. 49 645) freizustellen Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche des Klägers gegen die DLF 94/17 aus der Beteiligung vom 1.9.1996 (Beteiligungs-Nr.: 941 721 097) mit einem Nominalbetrag von DM 60.000,–,

ferner im zu gestatten, Sicherheit durch Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, ein Vertrag zwischen dem Kläger und ihr sei nicht zustande gekommen. Ihre Handelsvertreter seien aufgrund des Mitarbeitervertrages persönlich und wirtschaftlich unabhängig. Ihnen sei nur das Recht eingeräumt, Geschäftsräume mit dem Firmenzeichen der Beklagten zu versehen, ebenso Geschäftspapiere und Visitenkarten der Beklagten zu benutzen. Sie seien aber nicht zur Abgabe von rechtsverbindlichen Erklärungen für die Beklagte befugt.

Unabhängig davon habe der Handelsvertreter Y nicht pflichtwidrig gehandelt. Sie trägt dazu wie folgt vor: Der Handelsvertreter Y sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger über negative Pressemitteilungen aufzuklären. Der Anlagevermittler müsse nämlich nur über alle Umstände aufklären, die für den Anlageentschluss des Anlegers von besonderer Bedeutung seien. Dieser Verpflichtung sei Y nachgekommen, da er dem Kläger die Verkaufsprospekte Teil A und B DLF 94/17 schon vor Zeichnung der ersten Beteiligung übergeben und ihn über die rechtliche Konstruktion sowie die in der Beteiligung enthaltenen Chancen und Risiken informiert habe. Er habe die typischen Risiken erläutert und folgende Punkte hervorgehoben:

• der US- $ könne drastisch fallen

• die Ausschüttungen könnten reduziert werden, etwa wenn Mietausfälle in wesentlicher Höhe zu beklagen seien

• die Finanzierungszinsen könnten steigen

• der Anleger könne arbeitslos werden

Auch habe er den Kläger genau über die Möglichkeiten der Veräußerung der Anlage informiert.

Die Beklagte leugnet eine Verpflichtung des Handelsvertreters Y zur Aufklärung über negative Presseberichterstattung und behauptet dazu, die von dem Kläger zitierten Presseberichte habe Herr Y nicht gekannt und habe diese auch nicht kennen müssen. Denn der Anlagevermittler sei nicht verpflichtet, jede erreichbare Wirtschaftspublikation zu beschaffen, zu lesen und auf Abruf parat zu haben.

Außerdem hätten die Presseberichte in kapitalmarktintern keine relevanten Informationen enthalten, die nicht bereits in den Verkaufsprospekten enthalten gewesen seien. Die Kommentierung im Platow-Brief stelle nur eine polemische Verunglimpfung des Fonds dar und die Berichte in kapitalmarkt- intern seien unseriös gewesen. Zudem könne man von einem Vermittler nicht erwarten, negative Stimmen hinsichtlich des von ihm vermittelten Produktes abzugeben, da er andernfalls grundlos sein eigenes Geschäftsziel konterkarieren müsse.

Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, ihr Handelsvertreter sei bereits deshalb nicht verpflichtet gewesen, auf etwaige Risiken bzw. negative Presseberichterstattung hinzuweisen, weil ausreichend Warnhinweise im Prospekt enthalten gewesen seien.

Die Beklagte bestreitet, dass dem Kläger ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden sei. Er habe infolge der Beteiligung steuerliche Vorteile gehabt, die er sich anrechnen lassen müsse.

Schließlich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz und Freistellung verlangen. Nur hinsichtlich eines Teils der Zinsforderung ist sein Begehren ohne Erfolg.

Die Beklagte haftet dem Kläger wegen positiver Forderungsverletzung eines Beratungsvertrages auf Schadensersatz.

1. Zwischen den Parteien ist ein Beratungsvertrag über die Anlage eines Geldbetrages von DM 60.000,– zustande gekommen. Tritt ein Anlageinteressent an einen Anlageberater oder ein Anlageberater an einen Anlageinteressenten heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen (BGHZ 100, 117, 118). Ein solcher Vertrag kam hier durch das Gespräch zwischen dem Kläger und dem für die Beklagte tätigen selbstständigen Handelsvertreter Y im August 1996 zustande.

Vertragspartner sind neben dem Kläger die Beklagte, denn der Handelsvertreter trat für diese auf. Der Einwand der Beklagten, Y sei als selbstständiger Handelsvertreter persönlich und wirtschaftlich unabhängig, so dass sie nicht passivlegitimiert sei, überzeugt nicht. Wie bereits mehrfach – auch obergerichtlich – entschieden worden ist, haftet die Beklagte vertraglich für Fehlverhalten ihrer Handelsvertreter (BGH NJW 1998, 1854 – hier sogar nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht beim Vertrieb eines nicht zum Produktplan der Beklagten gehörenden Objektes). Voraussetzung ist, dass der Handelsvertreter nach außen als Vertreter der Beklagten aufgetreten ist, was hier der Fall war. Denn der Zeuge Y ist gegenüber dem Kläger erkennbar als Vertreter der Beklagten aufgetreten und hat auch eine unstreitig zu dem Produktplan der Beklagten gehörende Anlage vermittelt. Es kann dahingestellt bleiben, ob er dem Kläger Visitenkarte und Notizpapier mit dem Enblem der Beklagten übergeben hat. Allein aus dem von ihm überreichten Aktenordner, auf dessen Deckel sich der Werbeaufdruck der Beklagten befand (Anlage K 34), konnte der Kläger schließen, dass der Berater für die Beklagte auftritt. Dass die Beklagte selbst die Vermittlung des Dreiländerfonds durch den Zeugen Y als ein Eigengeschäft ansieht, ergibt sich aus den an den Kläger gerichteten Schreiben ihrer Geschäftsführung vom 25.5.2000 und 16. 6. 2000 (Anlage K 28 und 29).

2. Die sich aus dem Beratungsvertrag ergebenden Pflichten hat der Zeuge Y verletzt. Für dessen Verhalten hat die Beklagte gemäß § 278 BGB einzustehen, weil sie das mit der Arbeitsteilung verbundene Personalrisiko zu tragen hat. Dass sie sich dazu selbstständiger Handelsvertreter bedient, hat auf die Haftungssituation keinen Einfluss (vgl. BGH a.a.0. m.w.N.).

Nach der für Anlageberatungen maßgeblichen Bond-Entscheidung des BGH (NJW 1993, 2433) richten sich Inhalt und Umfang der Beratungspflichten nach der Person des Kunden und nach dem Anlageobjekt. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung des Anlagezieles auf die persönlichen Verhältnisses des Kunden zugeschnitten, also anlegergerecht sein. Die Beratung muss richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig sein, der Kunde muss zeitnah über alle Umstände unterrichtet werden, die für das Anlagegeschäft von Bedeutug sind. Diesem Erfordernis ist ‚m Fall des Klägers mit dem Dreiländerfonds nicht Rechnung getragen. Unabhängig davon, welche konkreten Anlagewünsche der Kläger formuliert hat, könnte man einen Beratungsfehler schon darin sehen, dass der Zeuge Dr. Becker eine risikoreiche Anlage empfahl, obgleich er wusste, dass der Kläger die Beteiligung zu 80% durch ein Darlehen bei der finanzierte. Vor diesem Hintergrund könnte man den ohnehin streitigen von der Beklagten behaupteten Hinweis auf Äusschüttungsveränderungen wegen Mietausfällen als zu unbestimmt werten..Es hätte nahe gelegen, dass der Berater dem Kläger im einzelnen darüber aufgeklärt hätte, welche Darlehensbelastungen ihn treffen, wenn die Ausschüttungen hinter den Erwartungen zurückbleiben. Letztlich kann aber dahin gestellt bleiben, ob hier ein Beratungsfehler liegt.

Denn der Zeuge Y hat seine Beratungspflichten jedenfalls insofern verletzt, als er den Kläger nicht darauf hingewiesen hat, dass in der Wirtschaftspresse negativ über den Dreilländerfonds berichtet wurde. Der Brancheninformationsdienst „kapitalmarkt-intern“ enthielt in seinen Ausgaben vom 30.9.1994, 29.12.1994, 8.9.1995, 22.9.1995, 17.11.1995, 22.12.1995, 26.1.1996, 16.2.1996 und 23.2.1996 kritische Anmerkungen zum Dreiländerfonds. Beispielhaft zitiert seien nur die Ausgaben vom 30.9.1994 „ Beim Erwerb des Hotel-, Freizeit- und Theaterzentrums in Stuttgart handelt es sich weniger um eine klassische Immobilienanlage als vielmehr um eine mittelbare unternehmerische Beteiligung an der A. Die Auslastung der W und der Hotels Q wird überwiegend von der Marktakzeptanz des ab Dezember 1994 aufgeführten Musicals I abhängig sein. Wird dieses Musical ein Hit wie ‚Cats‘ oder ‚Phantom der Oper‘ so dürfte für mehrere Jahre der Einnahmeanteil gesichert sein. Aber auch dann wird während der 15jährigen Festlaufzeit des Mietvertrages ein zweiter Top-Hit produziert werden müssen und während des Prognosezeitraums von 30 Jahren sicher noch drei oder vier weitere. Und bei allen von der Deyhle-Gruppe betriebenen und geplanten Irgendwann sind Flops absehbar, eine nennenswerte Risikoposition wurde als Mietausfall, Leerstand usw. nicht einkalkuliert.“ …. „Fazit: Spekulative unternehmerische Beteiligung mit höheren Risiken als ’normale‘ Immobilienfonds“ und vom 8.9.1995 „Wir raten von einer Beteiligung ab (auch wenn die Mandelaugen von I noch so viele Zuschauer in die P auf dem Kappesfeld locken).

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Ähnlich kritische Äußerungen enthielten die Zeitschriften „finanztip“ und der PlatowBrief. Nach der schon zitierten Bond-Entscheidung des Bundesgerichtshofes muss der Berater die vorhandenen Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse auswerten und dem Anleger etwaige warnende Hinweise mitteilen. Zu der auszuwertenden Presse gehören bei Kapitalanlagen des grauen Kapitalmarktes – dazu zählt der Dreiländerfonds- Brancheninformationdienste wie „kapital-markt-intern“ (vgl. OLG Düsseldorf WM 1986, 1082; Arendts, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung, S. 37 m.w.N.. zur Rechtsprechung; anders ohne nähere Begründung Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28.4.2000 – 11 U 65/99 und vom 11.5.2000 – 13 U 20/99) und nach Ansicht der Kammer auch der Platow-Brief. Dieses hat auch dann Geltung, wenn die Berichterstattung weniger sachlich oder gar – wie die Beklagte kapitalmarkt- intern und dem Platow-Brief vorwirft – unseriös ist. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss der Anlageberater kritische Äußerungen auch dann offenbaren, wenn er sie selbst nicht für zutreffend hält (BGH NJW 1993, 2433, 2434) So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ausgeführt (WM 1996, 1082, 1087):

„Zu berücksichtigen ist nämlich, dass ein Anlageberater seiner Verpflichtung, seinen Kunden auch dann auf eine negative und kritische Berichterstattung in Brancheninformationsdiensten bzw. in der Wirtschaftspresse hinzuweisen, wenn er sie selbst für nicht zutreffend hält, nur durch eine eingehende Darlegung und beurteilende Auseinandersetzung mit den in der Presse genannten Fakten und Bewertungen gerecht wird.“

Hinzukommt, dass in den Artikeln nicht etwa völlig unbegründete Kritik erhoben wurde, sondern sich die warnenden Hinweise vorrangig auf die Abhängigkeit des Fonds von dem Erfolg des Musicals „I“ und damit der Prosperität der I als Hauptmieterin bezogen, und sie damit genau das als besonderes Risiko in Aussicht stellten, was wenige Jahre später zum Wertverlust des Fonds und zur Ausschüttungsreduktion führte.

Der Einwand der Beklagten, man könne von einem Anlagevermittler nicht verlangen, kritische Stimmen hinsichtlich des vermittelten Produktes zu offenbaren, da er andernfalls sein Geschäftsziel konterkarieren würde, geht jedenfalls bezüglich der für die Beklagte tätigen Handelsvertreter fehl. Diese vertreiben nämlich nicht nur ein bestimmtes, „ihr“ Produkt, sondern die gesamte Produktpalette der Beklagten, die bundesweit in Printmedien und im Internet damit wirbt, Leistungen umfassend und unabhängig von einzelnen Anbietern zu vergleichen. Insoweit gilt ein anderer Beratungsmaßstab als z. B. bei Verkäufern, von denen nicht erwartet werden kann, dass sie über negative Eigenschaften des von ihnen vertriebenen Produktes informieren.

Der Einwand der Beklagten, der Zeuge Y, habe Veröffentlichungen mit negativer Presseberichterstattung nicht gekannt, ist unerheblich, denn der Anlageberater hat die Pflicht, die einschlägige Wirtschaftspresse zu studieren und auszuwerten (Vgl. BGH a.a.0, S. 2434). Die Überlegung der Beklagten, dem Anlageberater könne nicht zugemutet werden, alle Wirtschaftsinformationen angesichts deren zahlenmäßigen Umfangs zu studieren, überzeugt nicht. Die regelmäßig erscheinende Wirtschaftspresse einschließlich der gängigen Informationsdienste ist überschaubar. Es wird von dem Anlagevermittler hier nicht erwartet, einen unbekannten, möglicherweise nur eine bestimmte Branche betreffenden Informationsdienst nicht gekannt zu haben, sondern den bekannte und verbreiteten Informationsdienst „kapitalmarkt-intern“ und den auch in Bankenkreisen gelesenen Platowbrief nicht ausgewertet zu haben.

Hinzukommt hier im Gegensatz zu der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 11.5.2000 (dort kritische Stimmen in drei Artikeln in zwei Jahren) , dass in „kapitalmarkt- intern“ und im Platow-Brief ausweislich der vom Kläger vorgelegten Berichte innerhalb von eineinhalb Jahren sechszehnmal ausführlich kritisch zum Dreiländerfonds Stellung genommen wurde. Angesichts dieser Quantität hätte dem Vertreter Dr. Becker die Lektüre nicht entgehen dürfen.

Dem Zeugen fällt somit ein Beratungsfehler zu Last, für den die Beklagte gemäß § 278 BGB einzustehen hat.

3. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Handelsvertreter sei seiner Beratungspflicht durch Vorlage des umfangreichen Prospektes nachgekommen.

Zunächst kann der von der Beklagten mit der Klageerwiderung vorgelegte Prospekt DLF 94/17 Teil A dem Kläger vor Zeichnung der ersten Anlage nicht übergeben worden sein, denn das Beratungsgespräch soll am 2.5.1995 stattgefunden haben, während der Prospekt als Erscheinungsdatum Mai 1996 ausweist. Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass dem Kläger eine Vorauflage übergeben wurde, die ebenfalls über Risiken des Dreiländerfonds aufklärte, so entlastet dies die Beklagte nicht. Die Kammer verkennt nicht, dass nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 20.9.2001 – 11 U 293/00 – die Übergabe eines Prospektes, der ausreichende Risikohinweise enthält, eine weitere Belehrung durch den Anlagevermittler bzw. – berater entbehrlich machen soll. Die Kammer kann sich dieser Ansicht jedoch jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht anschließen. Der Anlageberater genügt nicht seiner vertraglichen Aufklärungspflicht dadurch, dass er dem Kunden schriftliche Unterlagen überlässt, aus denen dieser dann die erforderlichen Erkenntnisse entnehmen kann. Denn der Kapitalanleger, der sich an einen Anlageberater wendet, verlangt, wie es der Bundesgerichtshof anschaulich dargestellt hat (NJW 1983, 1730,1731), mehr als Material zur eigenen Durchsicht. Er will das Material erschöpfend erläutert bekommen, um das Anlagerisiko weitgehend einschätzen zu können. Würde er darauf verzichten wollen, könnte er schriftlich oder telefonisch Prospektmaterial anfordern, ohne eine konkrete Beratung in Anspruch zu nehmen. Insbesondere angesichts des Umfangs und der Aufmachung des streitgegenständlichen Prospektes, dessen nur vorgelegter Teil A bereits über 90 Seite engbedruckten Textes enthält und in dem sich die konkreten Risiken und die rechtliche Ausgestaltung des Fonds zumindest für einen Laien nicht schnell erschließen lassen, kann die Übergabe des Prospektes nicht als ausreichende Beratung qualifiziert werden.

4. Dem Kläger fällt hinsichtlich der Entstehung seines Schadens kein gemäß § 254 BGB ihm anzurechnendes Mitverschulden zur Last. Die Anforderungen an die Prüfungspflicht des Kunden hängen von dessen Sachkunde und fachlicher Qualifikation ab. Grundsätziicn kann sich ein Anleger auf den Sachverstand und die Beratung durch den Anlageberater verlassen und braucht keine Überprüfung der angebotenen Kapitalanlage vorzunehmen (vgl. Arendts, a.a.0. S. 70; BGH NJW-RR 855, 856 für die Einholung einer Auskunft). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschädigte über eigene Sachkunde oder über zusätzliche Informationen von dritter Seite verfügt. Beide Voraussetzungen, die die Beklagte hätte vortragen müssen, sind hier jedoch nicht gegeben. Der Kläger kann weder aufgrund seines Berufes (I) noch aufgrund der Beteiligung an einem anderen Immobilienfonds bzw. des Haltens von Aktien im Wert von 20.000,– als besonders anlageerfahren eingestuft werden, noch hatte er Informationen über den Dreiländerfonds von dritter Seite. Der von der Beklagten erwähnte „kritische“ Nachbar des Klägers soll nur allgemein über Risiken von Immobilienfonds im Gegensatz zu Eigentumswohnungen hingewiesen haben, so dass man nicht davon ausgehen kann, dass der Kläger hinsichtlich des Dreiländerfonds bösgläubig war. Dies wurde er auch nicht dadurch, dass der Bankberater im Rahmen der Finanzierungsgespräche ihm statt des Dreiländerfonds einen anderen Fonds empfahl.

Ein Mitverschulden des Klägers lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass er nicht von der Möglichkeit des Widerrufs der Beteiligung Gebrauch machte, obgleich er über die entsprechende Möglichkeit von der Beklagten informiert worden war.

Es ist ohnehin zweifelhaft, ob man im Unterlassen des Widerrufs eines nachteiligen Geschäfts ein Mitverschulden des Geschädigten sehen kann. Dieses kann aber jedenfalls dann nicht gelten, wenn – wie hier- der Geschädigte zielgerichtet Beratungshilfe durch fachkundige Personen in Anspruch nimmt. In diesem Fall erfährt der Kunde keine Überrumpelung, vor der das Haustürwiderrufsgesetz gerade schützen will. Anknüpfungspunkt für ein im Zusammenhang mit dem Unterlassen des Widerrufs relevantes Verhalten könnte zudem nur die unzureichende Lektüre des Prospektes sein, die man dem Kläger jedoch aus den oben genannten Gründen nicht vorwerfen kann.

5. Verjährt ist der Anspruch des Klägers nicht. Denn für Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung gilt die 30jährige Verjährungsfrist, die nicht abgelaufen ist.

II.

Die Beklagte hat dem Kläger das sog. negative Interesse zu ersetzen, d.h. ihn so zu stellen, als wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Da der Kläger bei richtiger Aufklärung die streitgegenständliche Anlage nicht gezeichnet hätte (Grundsatz des aufklärungsrichtigen Verhaltens, vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 282 Rdnr. 15), hat er Anspruch auf die zum Erwerb der Anlage aufgewendeten Kosten, den entgangenen Gewinn und, soweit er zu deren Erwerb Verbindlichkeiten begründet hat, auf Freistellung.

1.1 Der Schaden des Klägers besteht in dem eingesetzten Eigenkapital in Höhe von 15.250,– DM und der auf das Darlehen bei der I bis zum 30.9.2001 geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen, die er durch Vorlage von Kontoauszügen in der geltend gemachten Höhe von DM 20.040,– nachgewiesen hat. Von dem Gesamtschaden über DM 35.290,– sind die bis September 2001 vereinnahmten Fondausschüttungen in Höhe von DM 12.375,– abzuziehen, sor dass ein Restschaden in Höhe von DM 22.915,– verbleibt. Soweit die Beklagte die Höhe der Ausschüttungen bestreitet, ist dieses unerheblich, denn bei der Anrechnung der Ausschüttungen handelt es sich um Vorteilsausgleichung, für die Beklagte darlegungsund beweispflichtig ist (Palandt/Heinrichs a.a. O., Vorbem. v. § 249 Rdnr. 123). Das Gleiche gilt für etwaige Steuervorteile, die dem Kläger aufgrund seiner Beteiligung an dem Dreiländerfonds in der Vergangenheit zugeflossen sein mögen. Auch diese hätte die Beklagte substantiiert darlegen müssen. Die pauschale Behauptung, dem Kläger seien zwischen 1996 und 2000 mindestens. Steuervorteile von 30.000,– zugeflossen, ist zu pauschal und nicht durch konkrete Anknüpfungstatsachen belegt. Im übrigen muss sich der geschädigte Anleger grundsätzlich etwaige Steuerersparnisse im Rahmen der Schadensberechnung nicht als Vorteilsausgleichung anrechnen lassen, da in der Regel der Schadensbeträg mit hoher Wahrscheinlichkeit versteuert werden muss. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (WM 1984, 1077) kommt eine Anrechnung der Steuervorteile nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass dem Geschädigten durch die rückabzuwickelnde Anlage endgültig so außergewöhnliche Steuervorteile verbleiben, dass es unbillig wäre, ihm diese ohne Anrechnung zu belassen, was von dem Schädiger darzulegen ist. An einem substantiierten Vortrag der Beklagten diesbezüglich fehlt es.

1.2 Als entgangenen Gewinn kann der Kläger nur 4 % seines eingesetzten Eigenkapitals verlangen. Ihm steht gemäß § 252 BGB der Anlagegewinn als Schadensersatz zu, den er üblicherweise erzielt hätte, wenn er sein Geld nicht in den Dreiländerfonds investiert hätte. Da es dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag auf eine fungible Anlage ankam, hätte er angesichts der ab 1996 durchschnittlich zu erzielenden Zinssätze voraussichtlich nicht mehr als 4 % Zinsen erhalten.

1.3 Die ausgeurteilten Zinsen auf 7.665 DM seit Rechtshängigkeit kann der Kläger gemäß §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB verlangen.

2. Der Kläger kann ebenfalls als Schadensersatz Freistellung von den gegenüber der aus dem Darlehensvertrag vom 10.9.1996 (Nr. 49645) bestehenden Verbindlichkeiten verlangen. Sowohl hinsichtlich des Zahlungsals auch des Freistellungantrages konnte nur eine Verurteilung Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der Beteiligung am Dreiländerfonds vom 1.9.1996 erfolgen.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 92 Abs. 2, 709, 108 ZPO.

 

 

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