Skip to content

Annahme eines manipulierten Verkehrsunfalls bei unplausiblen und widerlegten Unfallgeschehen

OLG Hamm – Az.: 9 U 50/17 – Urteil vom 01.12.2017

Die Berufung des Klägers gegen das am 17.03.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 31.01.2015 gegen 0.55 Uhr im Kreuzungsbereich X-Straße/M-Straße in K ereignet haben soll.

Der Zeuge L fuhr zum besagten Zeitpunkt mit dem Fahrzeug des Klägers die M-Straße entlang, um nach links auf die vorfahrtsberechtigte X-Straße abzubiegen. Zum Unfallzeitpunkt schneite es und es befand sich eine geschlossene Schneedecke auf der Fahrbahn. Von rechts näherte sich das von einem nicht näher bekannten Fahrer angemietete Fahrzeug der Beklagten zu 1), welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, und soll gegen das stehende Fahrzeug des Klägers geschleudert sein.

Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren Nettoreparaturkosten auf Sachverständigenbasis in Höhe von 18.155,60 EUR, Abschleppkosten in Höhe von 481,50 EUR, eine Wertminderung in Höhe von 1.000,00 EUR, Sachverständigenkosten in Höhe von 1.480,99 EUR, Nutzungsausfall für 8 Tage zu je 175,00 EUR, eine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend gemacht.

Hierzu hat der Kläger behauptet, der Fahrer des bei der Beklagten zu 2) versicherten Fahrzeuges habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und sei in die Beifahrerseite des stehenden Klägerfahrzeuges hineingerutscht. Der Fahrer des Fahrzeuges sei auch verletzt worden. Er habe den Unfall nicht vermeiden können.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten zur Zahlung von 22.543,09 EUR sowie außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.171,67 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit an ihn zu verurteilen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, der Unfall sei manipuliert worden. Das Unfallgeschehen sei völlig unplausibel, es lägen auch weitere Indizien vor, die typischerweise bei einem gestellten Verkehrsunfall vorlägen.

Annahme eines manipulierten Verkehrsunfalls bei unplausiblen und widerlegten Unfallgeschehen
(Symbolfoto: PattyPhoto/Shutterstock.com)

Das Landgericht hat den Kläger angehört, den Zeugen L zum Unfallhergang vernommen und des Weiteren ein mündliches verkehrsanalytisches Sachverständigengutachten über die Plausibilität des Unfallhergangs sowie die Schadenshöhe eingeholt und die Klage sodann mit Urteil vom 17.03.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei davon überzeugt, dass es sich vorliegend um einen fingierten Unfall handele mit der Folge, dass die Rechtsgutverletzung nicht rechtswidrig gewesen sei und ein Schadensersatzanspruch nicht bestehe.

Der vom Zeugen L geschilderte Schadenshergang als unabsichtliches Geschehen sei nicht nachzuvollziehen. Dieser werde durch das mündliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. T widerlegt. Der Sachverständige habe im Rahmen der technischen Analyse verständlich dargelegt, dass ein Schleudervorgang aus der Abbiegespur nicht nachempfunden werden könne, bei dem der klägerische Pkw angestoßen und beschädigt worden sei. Das Fahrzeug sei auch nicht aus einer Schleuderbewegung, sondern stabil in die rechte Seite des Fahrzeugs des Klägers eingeschlagen. Ebenso wenig sei für den Sachverständigen nachzuvollziehen, wie das Beklagtenfahrzeug auf der waagerecht verlaufenen linken Abbiegespur in eine Instabilität habe geraten können. Bei der durchgeführten PC-Crash-Simulation könne ein Schleudervorgang, so wie von dem Kläger vorgetragen, nur nachvollzogen werden, wenn das Beklagtenfahrzeug auf der Gegenfahrbahn mit 25 km/h gefahren sei, was jedoch lebensfremd sei und auch nicht der Aussage des Zeugen L entspreche. Auch seien die Angaben des Klägers und des Zeugen L zu den Vorgängen vor dem Unfall widersprüchlich und unplausibel.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen Ausgangsantrag weiter verfolgt.

Hierzu führt er aus, der Sachverständige habe bei seinen Berechnungen nicht berücksichtigt, dass nach dem Klägervortrag unter der zugeschneiten Fahrbahndecke eine Eisschicht vorhanden gewesen sei mit der Folge, dass ein Bremsverzögerungswert von nur noch 0,5 bis 2 m/s² zu berücksichtigen sei, nicht ein Verzögerungswert von 3 – 3,5 m/s², wie der Sachverständige angenommen habe. Hinzu komme, dass die unfallaufnehmenden Polizeibeamten in der Unfallmitteilung eine Schleuder-Rutsch-Spur skizziert hätten, welche nach den Bekundungen des Zeugen L zum Zeitpunkt der Unfallaufnahme auch noch deutlich zu erkennen gewesen sei. Diese entscheidende Tatsache habe das Landgericht schlichtweg unberücksichtigt gelassen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung mit näheren Ausführungen.

Der Senat hat die Zeugen D und H vernommen sowie eine ergänzende mündliche Stellungnahme des Sachverständigen Prof. T eingeholt.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk sowie auf die nachfolgenden Gründe Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Senat folgt zunächst in allen Punkten den zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

Auch der Senat ist i. S. d. § 286 ZPO davon überzeugt, dass sich der Unfall, wenn es einen solchen überhaupt gegeben haben sollte, nicht so ereignet hat, wie vom Kläger vorgetragen. Der Unfallhergang ist derartig unplausibel, dass die Gesamtumstände keine andere Schlussfolgerung zulassen als die, dass der Kläger in die Beschädigung seines Eigentums eingewilligt hat, um sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.

Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme zur Feststellung einer Schleuder-Driftspur auf der Fahrbahn und einer unter der Schneedecke befindlichen Eisschicht war unergiebig. Beide Polizeibeamten konnten – erwartungsgemäß – nach so langer Zeit nicht mehr angeben, ob sich auf der Fahrbahn bzw. der Schneedecke eine derartige Spur befunden hat und die in die polizeiliche Unfallskizze eingezeichnete Driftspur hiermit übereinstimmte oder aber lediglich Angaben der Unfallbeteiligten in die Übersichtsskizze eingetragen worden sind. Ebenfalls konnten beide Zeugen keine Angaben dazu machen, ob sich unter dem Schnee eine Eisschicht befunden habe. Da auch der Zeuge L hierzu keine Angaben gemacht und im Übrigen auch zu diesem Punkt nicht benannt worden ist, ist diese Behauptung des Klägers nicht erwiesen.

Gleichwohl hat der Senat den Sachverständigen beauftragt, sich unter der Prämisse einer Eisdecke unter der Schneeschicht mit dem Unfallgeschehen erneut auseinanderzusetzen. Im Ergebnis ist der Vortrag des Klägers auch in dieser Variante durch die sachverständigen Ausführungen eindeutig widerlegt. Der Sachverständige hat bekräftigt, dass schon angesichts der technischen Ausrüstung des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) ein Ausbrechen auf gerader Strecke nicht nachvollziehbar sei. Er hat zudem unter Zugrundelegung eines geringeren Verzögerungswertes von unter 1 m/s² den Unfallhergang im Computer simuliert und festgestellt, dass in diesem Falle weder die feststehende Kollisionsgeschwindigkeit von 20 km/h erreicht würde noch die Kollisionsstellung des Audi. In diesem Falle wäre er mit 30 km/h gegen den Pkw des Klägers gestoßen und im Übrigen an diesem entlang weiter gerutscht und hinter ihm zum Stehen gekommen (Anlage E 10). Der Audi habe dann auf keinen Fall nach dem Anstoß an Ort und Stelle stehen bleiben können, wie vom Kläger behauptet und wie auf der polizeilichen Unfallskizze zu erkennen.

Weiterhin hat der Sachverständige die Variante überprüft, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs gleichzeitig gebremst und gegengelenkt hätte. Das Ergebnis ist in Anlage E 14 des Gutachtens zu sehen. Das Fahrzeug der Beklagten zu 1) wäre in diesem Fall rechtwinklig gegen das Vorderrad des Mercedes gestoßen, was ebenfalls nicht zu dem behaupteten Unfallhergang und zu den an beiden Fahrzeugen eingetretenen Spuren passt.

Bei gleichzeitigem Bremsen und Einhalten des Lenkanschlages hätte sich der Unfall nur mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 10 km/h ereignet (Anlage E 15), was aber zu den eindeutigen Berechnungen der Kollisionsgeschwindigkeit nicht passt. Der Sachverständige hat auch erneut bekräftigt, dass der Unfall sich nicht mit einem instabilen, sondern mit einem völlig stabilen Fahrzeug ereignet hat, das sich nicht in einem Schleudervorgang befunden hat.

Der Sachverständige hat zudem verdeutlicht, dass das von ihm festgestellte Fahrgeschehen für den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs jederzeit beherrschbar war.

Diesen Feststellungen ist nichts hinzuzufügen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf  § 708 Nr. 10 i. V. m. § 711 ZPO.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos