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Annahmeverzugslohn – Anrechnung von SGB II-Leistungen


Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Az: 5 Sa 241/09

Urteil vom 18.03.2010


1. Die Berufung des Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 20.07.2009 (22 Ca 947/08) wird mit folgenden Maßgaben zurückgewiesen bzw. verworfen.

a) Wegen der klägerischen Rücknahme der Klage reduziert sich der zu 1. zu zahlende Betrag von 7.700,00 Euro brutto auf 6.600,00 Euro brutto; dementsprechend beginnt der Zinsanspruch für die erste Teilzahlung erst mit dem 15.01.2008.

b) Die Hauptforderung aus dem Urteilstenor zu 1. und 2. reduziert sich um 2.908,80 Euro wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in einem beendeten Arbeitsverhältnis noch um Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug und um Urlaubsabgeltung sowie um die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten.

Der 1958 geborene aufgrund eines Unfalls schwerbehinderte Kläger war bei dem Beklagten seit dem 1. November 2006 als Wachmann/Pförtner zuletzt mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 1.100,00 Euro beschäftigt.

Der Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis zum Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes mit Wirkung zum 30. November 2007 gekündigt. Das Arbeitsgericht Schwerin hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 11. August 2008 stattgegeben (Aktenzeichen 2 Ca 2226/07 – Vorprozess). Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern durch Urteil vom 5. Mai 2009 zurückgewiesen (Aktenzeichen 5 Sa 269/08). Die dagegen vom Beklagten erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist vom Bundesarbeitsgericht – nach Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit – mit Beschluss vom 19. Januar 2010 zurückgewiesen worden (Aktenzeichen 9 AZN 734/09).

Der Kläger musste im Anschluss an das Auslaufen des Arbeitsverhältnisses Leistungen der Bundesagentur aus seiner Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen. Aus seiner Arbeitslosenversicherung hat der Kläger bis einschließlich 13. Juli 2008 Arbeitslosengeld im Umfang von 2.908,80 Euro bezogen. Danach war sein Anspruch auf Arbeitslosengeld verbraucht. Die Arbeitslosigkeit hat aber weiter angehalten. Der Kläger hat dafür Leistungen nach dem SGB II bezogen. Beide Parteien gehen davon aus, dass ihr Arbeitsverhältnis inzwischen aufgrund einer vom Kläger nicht angegriffenen Folgekündigung zum 30. September 2008 beendet ist.

Die Bundesagentur hat nach dem obsiegenden Urteil des Klägers in der Kündigungsschutzklage die auf sie übergegangenen Ansprüche beim Beklagten geltend gemacht. Der Beklagte hat bis jetzt keine Zahlungen an die Bundesagentur vorgenommen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte gelegentlich kleinere Teilzahlungen auf die durch das arbeitsgerichtliche Urteil titulierte Forderung an den Kläger geleistet hat (deren genauer Umfang ist nicht in den Rechtsstreit eingeführt worden). Der Kläger hat zuletzt solche Teilzahlungen zurückgewiesen, da er wegen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II keinen Nutzen von ihnen hätte, da sie in vollem Umfang mit seinen Ansprüchen nach SGB II verrechnet würden.

Mit der vorliegenden Klage, die beim Arbeitsgericht Mitte Mai 2008 eingegangen ist und die später erweitert wurde, macht der Kläger die Zahlung des Bruttomonatsentgeltes ab November 2007 bis nunmehr einschließlich August 2008 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB) geltend. Außerdem begehrt er Abgeltung des noch offenen Urlaubs aus dem Jahre 2007 sowie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, welcher ihm dadurch entsteht, dass der auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Anspruch wegen des an den Kläger gezahlten Arbeitslosengeldes nicht befriedigt wird.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Juli 2009 stattgegeben und dabei in der Hauptsache wie folgt tenoriert:

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.700,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten auf jeweils 1.100,00 Euro über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2007, 15.01.2008, 15.02.2008, 15.03.2008, 15.04.2008, 15.05.2008, 15.06.2008 zu zahlen.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.850,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.100,00 Euro seit dem 15.07.2008, auf 1.100,00 Euro seit dem 15.08.2008, auf 1.650,00 Euro seit dem 15.09.2008 zu zahlen.

III. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.269,23 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2008 zu zahlen.

IV. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, welcher ihm dadurch entsteht, dass der auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Anspruch des an den Kläger gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.908,80 Euro nicht befriedigt hat.

Das Urteil ist dem Beklagten am 10. August 2009 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist beim Landesarbeitsgericht am 23. August 2009 eingegangen. Sie ist mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2009, Gerichtseingang per FAX am selben Tage, begründet worden.

Mit der Berufung begehrt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Der Annahmeverzugslohnanspruch sei nicht begründet, da die Kündigung wirksam sei und das Arbeitsverhältnis daher beendet sei. Außerdem weist er darauf hin, dass für November 2007 kein Lohn- oder Annahmeverzugsanspruch mehr bestehen könne, da der Anspruch insoweit noch im Dezember 2007 erfüllt worden sei (unstreitig).

Der Beklagte beantragt, das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat seine Zahlungsklage bezüglich des Monats November 2007 mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen und beantragt im Übrigen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, die Nichterfüllung des Erstattungsanspruchs der Bundesagentur durch den Beklagten könne zu einem Schaden beim Kläger führen. Denn sein Arbeitslosengeldanspruch sei durch die vom Beklagten erzwungene Arbeitslosigkeit aufgebraucht und ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld könne nur entstehen, wenn der Beklagte die auf die Bundesagentur übergegangenen Ansprüche auch tatsächlich erfülle und damit das Versicherungskonto des Klägers wieder auffülle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

I. Die Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung von Annahmeverzugslohn (arbeitsgerichtliches Urteil zu 1. und 2.) ist zulässig, aber nicht begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges nach § 615 BGB zu. Der Beklagte befand sich im Zeitraum nach der von ihm mit Kündigung vom 24. Oktober 2007 zum 30. November 2007 beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Weiteres in Annahmeverzug und hat deshalb gemäß § 615 BGB Annahmeverzugslohn in Höhe des Vergütungsanspruchs an den Kläger zu zahlen. Mit dem Arbeitsgericht ist insoweit davon auszugehen, dass der Arbeitgeber im Falle einer wie vorliegend- unwirksamen Kündigung regelmäßig in Annahmeverzug gerät, wenn er den Arbeitnehmer – wie hier geschehen – nicht aufgefordert hat, die Arbeit wieder aufzunehmen, ihm also keinen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 9. August 1984 – 2 AZR 374/83 – BAGE 46, 234 = NZA 1985, 119 = DB 1985, 552).

Allerdings ist der Anspruch durch Erfüllung untergegangen, soweit er den Monat November 2007 betrifft. Da der Kläger insoweit im Berufungsrechtszug die Klage zurückgenommen hat, hat das Gericht den Tenor der arbeitsgerichtlichen Entscheidung teilweise abgeändert (Tenor des Berufungsurteils zu Ziffer 1. Buchstabe a).

Außerdem ist bei der Tenorierung der klägerischen Ansprüche zu berücksichtigen, dass ein großer Teil der klägerischen Forderung aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen ist. Der Kläger kann also insoweit keine Zahlung mehr an sich verlangen. Das ist vom Kläger auch stets so akzeptiert worden, was sich indirekt auch aus seinem Feststellungsantrag ergibt. Im Wege der Auslegung des klägerischen Begehrens geht das Gericht daher davon aus, dass der Kläger seinen Annahmeverzugslohn unter Abzug des übergegangenen Anspruchs vom Beklagten begehrt. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung rechtliches Gehör zu der beabsichtigten Auslegung des klägerischen Begehrens gewährt, ohne dass eine der Parteien dagegen protestiert hat. Um das durch Auslegung gewonnene Ergebnis im Tenor zum Ausdruck zu bringen, ist dieser abermals teilweise gegenüber der Fassung durch das Arbeitsgericht abgeändert worden (Tenor des Berufungsurteils zu Ziffer 1. Buchstabe b).

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Eine weitere Reduzierung der klägerischen Forderung wegen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II in der Zeit nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes, also für die Zeit ab dem 14. Juli 2009 kommt nicht in Betracht. Zwar mag es auf der Hand liegen, dass weitere Teile der Annahmeverzugslohnansprüche des Klägers für die Zeit bis Ende August 2008 ebenfalls nach § 115 SGB X auf die Bundesagentur oder die ARGE übergegangen sind. Ohne entsprechenden Parteivortrag vermag das Gericht jedoch die übergegangenen Ansprüche nicht der Höhe nach zu beziffern. Ein Abzug kommt daher nicht in Betracht. Da der Beklagte diesen Übergang nicht einmal dem Grunde nach geltend gemacht hat, konnte das Gericht auch nicht den Kläger beauflagen, dazu näher vorzutragen.

Ähnliches gilt für die beiläufig erwähnten Teilzahlungen des Beklagten auf den ausgeurteilten Betrag. Da der Beklagte die Zahlungen, wenigstens soweit sie vom Kläger akzeptiert wurden, nicht beziffert hat, kommt eine teilweise Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils wegen Teilerfüllung nicht in Betracht. Gleichwohl soll hier festgehalten werden, dass die Parteien sich darüber einig waren, dass kleinere Zahlungen erfolgt sind. Diese können daher auch nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils noch als Teilerfüllungsschritte hinsichtlich der titulierten Forderung gewertet werden. Ihre Nichtberücksichtigung im hiesigen Urteil ist jedenfalls nicht der Ausdruck einer gerichtlichen Willensbildung, mit der die Berücksichtigungsfähigkeit der Zahlungen negiert werden sollte.

Wegen der Nebenforderung (Zinsen) wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.

II. Die weitergehende Berufung ist bereits unzulässig, da der Beklagte nicht mitgeteilt hat, mit welchen Gründen er das arbeitsgerichtliche Urteil im Übrigen angreift. Unzulässig ist die Berufung damit im Hinblick auf den Urlaubsabgeltungsanspruch (Tenor des angegriffenen Urteils zu 3.) und hinsichtlich der vom Kläger begehrten Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten (Tenor des angegriffenen Urteils zu 4.).

III. Die Kosten hat das Gericht vollständig dem Beklagten auferlegt, da die Berufung in keinem Punkt erfolgreich war (§ 97 ZPO). Auch hinsichtlich des im Berufungsrechtszug zurückgenommenen Teils der Klage hat der Beklagte die Kosten zu tragen, da der Sachvortrag, der zur Teilklagerücknahme geführt hat, ebenso bereits in erster Instanz hätte vorgetragen werden können (Rechtsgedanke aus § 97 Absatz 2 ZPO).

Da zur Zulassung der Revision kein Anlass besteht, ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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