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Annullierung eines gebuchten Fluges und Verspätung des Ersatzfluges

LG Hannover – Az.: 1 S 175/17 – Urteil vom 10.09.2018

1.) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 21.9.2017, Az. 449 C 4509/17, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.4.2017 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

2.) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 16 % und die Beklagte 84 %.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.) Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 800 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verfolgt die Erstattung von Zahlungen gem. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 sowohl wegen der Annullierung des ursprünglich vorgesehenen Fluges vom 03.10.2016 als auch wegen der mehr als drei Stunden betragenden Verspätung des durchgeführten Ersatzfluges vom 4.10.2016.

Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz eine auf den annullierten Flug vom 3.10.2016 bezogene Teil-Anerkenntniserklärung i.H.v. 400 € abgegebenen. Hinsichtlich des Fluges vom 04.10.2016 meint sie, es habe an den Anspruchsvoraussetzungen für eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung gefehlt, schon weil die Klägerin für diesen Flug keine bestätigte Buchung besessen habe, sondern im Rahmen des von ihr mit dem Reiseveranstalter geschlossenen Reisevertrages ersatzweise befördert worden (Blatt 248 der Akte).

Im Übrigen wird auf die Bezugnahme der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nebst Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gem. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet.

II.

1. Die Beklagte war aufgrund ihrer Teilanerkenntniserklärung gem. § 307 ZPO zu verurteilen.

2. Die Berufung im Übrigen ist zur Hauptsache begründet.

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleichzahlung nach Art. 5 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 VO 261/2004. Ein solcher kommt grundsätzlich nicht nur in dem ausdrücklich geregelten Fall einer Annullierung in Betracht. In der Rechtsprechung ist eine analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 1 VO 261/2004 bei einer Verspätung von drei Stunden oder mehr anerkannt (EuGH, Urteil v. 19.11.2009, C-402/07 und C-432/07, BeckRS 2010, 90215).

Nach dem unstreitigen Tatbestand liegt eine solche Verspätung vor.

(a 1.) Eine Entscheidungsrelevanz des Vorbringens der Beklagten, die Luftbeförderung vom 4.10.2016 sei im Rahmen des von der Klägerin mit dem Reiseveranstalter geschlossenen Reisevertrages – der xxxx – erfolgt (Blatt 248 der Akte), ist im Zusammenhang mit der Frage einer Ausgleichszahlung für eine verspätete Beförderung durch das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht ersichtlich. Der Klägerin sind Flüge an zwei Tagen angeboten worden, von dem der erste Flug von der Beklagten annulliert wurde und der zweite Flug von der Beklagten mit Verspätung durchgeführt wurde. Unstreitig dienten beide Flugangebote der Erfüllung des Reisevertrages für einen geschuldeten Flug in der vorgesehenen Flugrichtung, diese Tatsache betrifft jedoch ausschließlich das Verhältnis der Klägerin zu ihrem Reisevertragspartner, ist mithin für das Verhältnis der Klägerin gegenüber der Beklagten aus ihrem aufgrund der Fluggastrechteverordnung bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis nicht von Belang.

Annullierung eines gebuchten Fluges und Verspätung des Ersatzfluges
(Symbolfoto: Von kiszon pascal/Shutterstock.com)

Einschränkungen ergeben sich nicht unter dem Gesichtspunkt, dass lediglich eine Flugverbindung auf einer Strecke betroffen war. Die Klägerin könnte nicht darauf verwiesen werden, dass sie im Ergebnis lediglich mit einer Verspätung (hier von einem Tag) ihr angestrebtes Flugziel erreichte. Sie darf sich darauf berufen, zwei Mal wegen des von ihr angestrebten Flugs ein Ärgernis und Unannehmlichkeiten erlitten zu haben, so dass sie entsprechend den Zielen der Fluggastrechte-Verordnung sowohl einen Ausgleichsanspruch wegen der Annullierung des ursprünglich vorgesehen Fluges als auch wegen der Verspätung hat. Dies wird bestätigt durch eine Entscheidung des BGH vom 10.10.2017 zu X ZR 73/16 (NJW 2018, 616 = RRa 2018, 27), wonach Fluggästen ein Ausgleichsanspruch zusteht, wenn der wegen Annullierung des Fluges in Anspruch genommene Ersatzflug mit einem anderen Luftverkehrsunternehmen Verspätung hat; der Ausgleichsanspruch wäre nur dann ausgeschlossen, wenn der Fluggast das Endziel mit dem Ersatzflug tatsächlich höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreichen konnte. Dass ein Ausgleichsanspruch im Falle einer Verspätung des tatsächlich erfolgten Fluges unter den Voraussetzungen der Fluggastrechteverordnung in Betracht kommen kann, wird nicht in Frage gestellt (vgl. die Erwähnung in Rz. 18 der Entscheidung).

(a 2.) Der Anspruch scheitert nicht daran, dass die Klägerin kein förmliches Dokument vorlegen konnte, aus dem sich unmittelbar eine Buchungsbestätigung der Beklagten ergab.

Gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet unter den in Abs. 1 genannten Voraussetzungen, und Absatz 1 gilt u.a. unter der Bedingung, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen.

Eine bestätigte Buchung ist anzunehmen mit Übergabe einer Buchungsbestätigung bzw. bei online-Buchung mit der zum Ausdrucken bereit gestellten Erklärung des ausführenden Luftfahrtunternehmens, welche OK-Vermerk und Buchungsnummer enthält (Führich, 7. Aufl., Rn. 38 zu § 38). Zwar ist vorliegend nicht ein solcher Nachweis nicht erbracht worden. Jedoch enthält die Anlage K4 (Blatt 11 der Akte) eine Bestätigung der Beklagten, dass der Flug vom 4.10. mit 8 Stunden Verspätung ankam. Die Klägerin trägt vor, hieraus ergebe sich zwingend, dass zur Kenntnis der Beklagten eine bestätigte Buchung gegeben gewesen sei (Blatt 253 – 254 der Akte). Die Beklagte hat hierzu nicht weiter vorgetragen, so dass diese Behauptung der Klägerin als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO.

b) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Zwar hat die Klägerin behauptet, die Beklagte habe nicht über die Passagierrechte nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 aufgeklärt; auf dieser Grundlage könnte ein Anspruch bestehen (vgl. BGH NJW 2016, 2883 ff), wobei sich dieser auf eine Beratungsgebühr beschränken dürfte. Anders als die Klägerin meint, genügt es nicht, ursprünglich in allgemeiner Form behauptet zu haben (Klagschriftsatz, Blatt 7 der Akte), keine Informationen bezüglich der Rechte der Klägerseite aus der Fluggastrechteverordnung erhalten zu haben. Die Beklagte hat nämlich in der 1. Instanz bestritten, keine Aufklärung geleistet zu haben mit ihrer Gegenbehauptung, Informationsbögen an sämtliche Fluggäste ausgehändigt zu haben (Klageerwiderung, Blatt 56 der Akte). Diesem Vorbringen ist die Klägerin im nachfolgenden Schriftsatz im Rahmen der 1. Instanz nicht entgegengetreten und hat ihre Behauptung auch nicht näher substantiiert. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22.6.2018 in der Berufungsinstanz einwendet (Blatt 254 der Akte), die Beklagte habe nicht behauptet, ein solcher Informationsbogen sei auch der Klägerin ausgehändigt worden, vermag die Kammer der hiermit verbundenen Ansicht der Klägerin, prozessual sei eine solche Formulierung seitens der Beklagten erforderlich gewesen, nicht zu folgen. Die Gegenbehauptung der Beklagten in der 1. Instanz konnte nur als Reaktion auf die Behauptung der Klägerin, nicht informiert worden zu sein, verstanden werden dahin, dass die an „sämtliche“ Fluggäste ausgehändigten Informationsbögen auch die Klägerin als eine dieser Fluggäste erreicht habe. Die Klägerin hat nicht bestritten, nicht zu den sämtlichen Fluggästen, die Informationsbögen bekommen haben, gehört zu haben, so dass prozessual keine Veranlassung für die Beklagte bestand, ihr Vorbringen zu der Art und Weise des Verteilens der Informationsbögen weiter zu substantiieren und Beweis anzutreten.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Teilunterliegen ist vor allem gegeben, wenn der Kläger mit einem Teil des (teilbaren) prozessualen Anspruchs abgewiesen ist. Ob Haupt- oder Nebenforderung ist gleichgültig. Soweit die streitwertmäßig nicht zu berücksichtigenden (§ 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG) Kosten und Zinsen der Höhe nach 10 % des Streitwerts überschreiten oder gar an die Hauptforderung heranreichen, gilt § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei ist für die Feststellung der Kostenquote ein fiktiver Streitwert zu bilden. (Zöller-Herget, 32. Aufl., § 92 ZPO Rz. 3, 11 mwN). Dieser beträgt vorliegend 800 € + 147,56 € = 947,56 €.

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