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Kellerräume – arglistige Täuschung wegen Anpreisung als Wohnraum


Bundesgerichtshof

Az: V ZR 55/13

Urteil vom 27.06.2014


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Januar 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen


Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 10. Juni 2010 kauften die Kläger von den Beklagten zu 1 und 2 unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel ein Wohnungserbbaurecht zum Preis von 139.000 €.

Das Kaufobjekt war im Internet von dem Beklagten zu 3, einem Makler, u.a. mit den Angaben „Baujahr: 1954/Komplett Sanierung und Renovierung in 2005“ und „Wohnfläche: ca. 125 qm und Keller …“ beworben worden. Vor Vertragsschluss erhielten die Kläger eine von dem Beklagten zu 1 erstellte Wohnflächenberechnung. Diese wies 127,92 qm aus, wovon auf die im Keller gelegenen und eine Raumhöhe unter 2,40 m aufweisenden Kinderzimmer I und II 19,27 qm und 12,84 qm entfielen. Bei den Besichtigungsterminen wurde den Klägern auf Nachfrage erklärt, dass insbesondere der Keller trocken sei.

Nach Vertragsschluss stellte ein von den Klägern beauftragter Sachverständiger erhebliche Feuchtigkeit und zum Teil Schimmelbildung an Keller- und Erdgeschosswänden fest. Darauf erklärten die Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und etwas später die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Soweit hier noch von Interesse verlangen die Kläger von den Beklagten zu 1 und 2 (im Folgenden: Beklagte) Rückzahlung des Kaufpreises sowie Erstattung von Vertrags- und vorgerichtlichen Anwaltskosten Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungserbbaurechts. Darüber hinaus beantragen sie die Feststellung des Annahmeverzugs und der Verpflichtung zum Ersatz weiterer – noch nicht bezifferbarer – Rückabwicklungskosten. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.


Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hält die Klage für begründet. Insbesondere stünden den Klägern Ansprüche nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. i.V.m. § 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB und nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB zu. Dabei lässt das Berufungsgericht offen, ob den Beklagten schon wegen der Erklärung, der Keller sei trocken, eine arglistige Täuschung vorzuwerfen ist. Jedenfalls hätten sie den Klägern arglistig vorgespiegelt, dass über die Fläche im Erdgeschoss hinaus genehmigter Wohnraum zur Verfügung stehe. Zwar hätten die Beklagten das Exposé nicht selbst erstellt. Sie hätten dem Makler aber dadurch falsche Informationen zur Erstellung des Exposés gegeben, dass sie die von dem Beklagten zu 1 erstellte Wohnflächenberechnung überreicht hätten, in der die Kellerräume als Wohnraum ausgewiesen seien. Davon abgesehen habe der Beklagte zu 1 in einer an die Kläger gerichteten E-Mail nicht nur auf das Exposé verwiesen, sondern zudem die Kellerräume als Wohnraum bezeichnet.

Die subjektive Seite einer arglistigen Täuschung sei ebenfalls gegeben. Die Beklagten hätten gewusst, dass die Genehmigungsbedürftigkeit der Nutzung der Kellerräume als Wohnraum zumindest fraglich gewesen sei und eine behördliche Genehmigung jedenfalls nicht vorgelegen habe. Ihre Behauptung, die Kläger darüber aufgeklärt zu haben, hätten die Beklagten nicht bewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bleibe offen, ob aufgeklärt worden sei. Zwar trage der Anfechtende die volle Beweislast für sämtliche Voraussetzungen des § 123 BGB. Hier bestehe jedoch die Besonderheit, dass die Kläger nicht erst durch die in Rede stehende unterlassene Aufklärung getäuscht worden seien, sondern bereits zuvor durch das unrichtige Exposé und die falschen Angaben in der E-Mail des Beklagten zu 1. Allein der Umstand, dass die Beklagten dadurch einen falschen Eindruck von der Größe der Wohnfläche erweckt hätten, obwohl sie aufgrund der erheblichen Abweichung um rund 1/3 zumindest für möglich hielten, dass die Wohnfläche für die Kläger von wesentlicher Bedeutung sein konnte, beweise, dass die Beklagten die Absicht gehabt hätten, die wahren Verhältnisse zu verschleiern, um den Vertragsschluss nicht zu gefährden. Daraus ergebe sich, dass die Beklagten prima facie arglistig getäuscht hätten und die falschen Angaben zur Wohnfläche anschließend nicht korrigiert worden seien. Bei dieser Sachlage kehre sich die Beweislast mit der Folge um, dass die Beklagten die von ihnen behauptete Aufklärung hätten beweisen müssen.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, eine arglistige Täuschung über die Wohnfläche liege schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht den Begriff der Wohnfläche verkannt habe. Davon kann keine Rede sein. Das Berufungsgericht geht zumindest der Sache nach davon aus, dass die Aufnahme der Kellerräume in die Wohnflächenberechnung sowie die Bezeichnung der Kellerräume in der E-Mail des Beklagten zu 1 als Wohnraum die Erklärung enthält, die Kellerräume könnten ohne Weiteres, also auch baurechtlich unbedenklich als Wohnraum genutzt werden. Diese tatrichterliche Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

b) Im Ausgangspunkt zutreffend legt das Berufungsgericht auch zugrunde, dass die objektive Seite einer arglistigen Täuschung regelmäßig gegeben ist, wenn Räume als Wohnraum angepriesen werden, obwohl die für eine solche Nutzung notwendige baurechtliche Genehmigung nicht vorliegt. Denn die Baubehörde kann die Nutzung jedenfalls bis zur Erteilung der Genehmigung untersagen – und zwar unabhängig davon, ob eine Genehmigung unter Zulassung einer Ausnahme hätte erteilt werden können (vgl. auch Senat, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 266/11, NJW 2013, 2182Rn. 9 f. mwN zur Frage des Sachmangels).

Allerdings rügt die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht ohne weiteres die Genehmigungsbedürftigkeit der mit der Nutzung der Kellerräume einhergehenden Nutzungsänderung bejaht (zur dahingehenden Prüfungspflicht der Zivilgerichte vgl. nur Senat, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 266/11, aaO, Rn. 10). Mit der hier einschlägigen Regelung des § 2 Nr. 4 Abs. 4 c) des Ersten Gesetzes zum Bürokratieabbau vom 13. März 2007 des Landes Nordrhein-Westfalen (GVBl-NRW 2007, 133 – Bürokratieabbaugesetz I) hat es sich nicht befasst. Danach bedarf eine Nutzungsänderung abweichend von § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW in der Regel keiner Baugenehmigung mehr. Erforderlich ist allerdings eine Anzeige, der die Bauunterlagen beizufügen sind. Erklärt die Bauaufsichtsbehörde darauf nicht innerhalb von zwei Wochen die Durchführung des Genehmigungsverfahrens, kann die Nutzungsänderung „aufgenommen“ werden. Vor diesem Hintergrund steht eine fehlende Anzeige der (beabsichtigten) Nutzungsänderung zivilrechtlich dem Fehlen einer notwendigen Genehmigung gleich, weil auch dieser Umstand Anlass zu baubehördlichem Eingreifen geben kann und daher ebenso wie eine fehlende, aber erforderliche Genehmigung zu offenbaren ist. Die unterlassene Prüfung von § 2 Nr. 4 Abs. 4 c) Bürokratieabbaugesetz I wirkt sich vorliegend jedoch nicht aus. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte zu 1 bei seiner persönlichen Anhörung erklärt, dass die Nutzung der in Rede stehenden Kellerräume als Wohnraum „nicht mit der Stadt abgesprochen“ gewesen ist. Auf dieser Grundlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Nutzungsänderung angezeigt worden ist.

c) Mit Erfolg rügt die Revision indessen, dass das Berufungsurteil auf einer Verkennung der Beweislast beruht.

aa) Zwar geht das Berufungsgericht auch insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass es Sache der Kläger ist, sämtliche Voraussetzungen der Arglist zu beweisen, und dass hierzu bei einer Täuschung durch Verschweigen auch die unterbliebene Offenbarung gehört. Zudem legt es zumindest der Sache nach ohne Rechtsfehler zugrunde, dass den Schwierigkeiten bei dem Beweis einer negativen Tatsache nach den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast Rechnung zu tragen ist. Danach müssen die Käufer nur die zunächst von dem Verkäufer substantiiert darzulegende Aufklärung ausräumen; gelingt dies, ist der Beweis der negativen Tatsache erbracht (vgl. zum Ganzen nur Senat, Urteil vom 12. November 2010 – V ZR 181/09, BGHZ 188, 43Rn. 12 mwN).

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt aber die Besonderheit, dass die Fehlvorstellung der Kläger nicht erst durch die behauptete unterlassene Aufklärung hervorgerufen wurde, sondern bereits durch das unrichtige Exposé und die falschen Angaben in der übersandten E-Mail, keine andere rechtliche Bewertung. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Beweislast hinsichtlich der Aufklärung nicht umgekehrt wird, wenn es darum geht, ob ein durch vorheriges aktives Tun hervorgerufener Irrtum durch spätere Aufklärung wieder beseitigt worden ist (Urteil vom 22. Oktober 1976 – V ZR 247/75, LM § 123 BGB Nr. 47; aA OLG Köln, VersR 1996, 631, 632; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 123 BGB Rn. 30; vgl. auch OLG Schleswig, SchlHA 2002, 112). Anders als hinsichtlich des Fortbestandes eines einmal entstandenen Rechts besteht auch keine Vermutung für die Fortdauer eines einmal eingetretenen Irrtums (Senat, aaO).

cc) Eine andere – zu bejahende – Frage ist es, ob dem Getäuschten in solchen Konstellationen Erleichterungen hinsichtlich des Beweismaßes zuzubilligen sind. Denn auch wenn der Käufer „nur“ die in zeitlicher, räumlicher und inhaltlicher Weise konkretisierte Behauptung ausräumen muss, es sei (nachträglich) aufgeklärt worden (vgl. Urteil vom 12. November 2010 – V ZR 181/09, BGHZ 188, 43Rn. 12), bleibt es dabei, dass die Führung eines solchen „Negativbeweises“ regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden bleibt und deshalb keine überspannten Anforderungen an die Beweisführung gestellt werden dürfen (vgl. auch BGH, Urteil vom 27. April 1966 – VIII ZR 74/65, VRS 31 [1966] 321, 324). Vor diesem Hintergrund ist bei der Beweiswürdigung der Umstand zu berücksichtigen, dass derjenige, der einen anderen durch arglistiges (positives) Tun zum Vertragsschluss bewegen möchte, hiervon in der Regel nicht zeitnah durch Offenbarung der wahren Verhältnisse wieder abrücken wird. Da das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner abweichenden Rechtsauffassung zu diesem Gesichtspunkt nicht vorgedrungen und die erneute Beweiswürdigung nicht Sache des Revisionsgerichts ist, kann das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.

2. Es ist auch nicht aus anderen Gründen richtig, weil das Berufungsgericht gerade offen lässt, ob den Beklagten schon wegen der Erklärung, der Keller sei trocken, eine arglistige Täuschung vorzuwerfen ist, und es folgerichtig nicht die hierzu notwendigen Feststellungen getroffen hat.

3. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Ausreichende Feststellungen, die auf ein eigenes arglistiges Verhalten auch der Beklagten zu 2 hindeuten, hat das Berufungsgericht bislang nicht getroffen.

aa) Mit Blick auf Bereicherungsansprüche nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB steht Arglist nur eines von mehreren Verkäufern einer Anfechtung nach § 123 BGB allerdings nicht entgegen, weil ein (Mit-)Verkäufer nicht als Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB zu qualifizieren und er auch nicht als solcher zu behandeln ist (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2003, 119, 120 mwN).

bb) Hiervon zu trennen ist die Frage der schadensersatzrechtlichen Einstandspflicht der Beklagten zu 2 unter dem Blickwinkel eines Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zwar dürfte es naheliegen, dass die Beklagte zu 2 dem Beklagten zu 1 zumindest teilweise die Gesprächs- und Verhandlungsführung bzw. die Information der Käufer vor Abschluss des Kaufvertrages über die Beschaffenheit des Kaufobjekts überlassen hat; dann kommt eine Zurechnung des revisionsrechtlich zu unterstellenden arglistigen Verhaltens des Beklagten zu 1 in Betracht (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. März 2011 – VIII ZR 94/10, NJW 2011, 2874Rn. 15). Gleiches gilt bei Vereinbarung einer Einstandspflicht (dazu Senat, Urteil vom 16. Januar 1976 – V ZR 63/74, WM 1976, 323 f.). Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Nur bei fehlender Verschuldenszurechnung käme es auf ein eigenes Verschulden der Beklagten zu 2 an.

b) Schließlich gibt die Zurückverweisung dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich auch im Übrigen mit dem Revisionsvorbringen der Parteien auseinanderzusetzen.


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