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Anspruch auf Anpflanzungsbeseitigung auf Nachbargrundstück

AG Potsdam – Az.: 27 C 110/18 – Urteil vom 14.11.2019

1. Der Beklagte wird verurteilt, die auf seinem Grundstück … wild wachsenden Sträucher, die in der Skizze der Anl. K1 mit einem roten Oval gekennzeichnet sind, zu beseitigen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 95 %, im Übrigen der Beklagte.

3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 € vorläufig vollstreckbar. Für den Beklagten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf 4.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien sind Nachbarn. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks …, der Beklagte ist Eigentümer des angrenzenden Grundstücks … . Bei dem Grundstück des Beklagten handelt es sich um ein unbebautes Baugrundstück, auf dem sich insbesondere einige hohe, alte Waldkiefern, Birken und Ahorne befinden. Das Grundstück sieht verwildert aus. Wegen seines Erscheinungsbildes wird auf die Anlage 1, Bl. 5-14 d. A., ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, die Waldkiefer, im Klageantrag mit Nr. 8 bezeichnet, sei umsturzgefährdet. Er behauptet, durch den Wildwuchs unmittelbar an seiner Grundstücksgrenze werde er in seinem Eigentum beeinträchtigt. Fast alle Bäume wiesen abgestorbene Teile auf, die bei starkem Wind abzubrechen drohten. Teilweise ragten die Bäume auf sein Grundstück herüber.

Der Kläger behauptet, der Ahorn, gekennzeichnet in der Anlage 1 als Baum Nr. 2, sei 12 m hoch und habe eine Wuchsgeschwindigkeit von ca. 60 cm jährlich. Die Buche, gekennzeichnet in der Anlage 1 als Baum Nr. 5, habe eine Höhe von 6,30 m bei einer Wuchsgeschwindigkeit zwischen 50 und 60 cm jährlich. Der Spitzahorn, gekennzeichnet in der Anlage 1 als Baum Nr. 7, sei 9 m hoch bei einer Wuchsgeschwindigkeit von ca. 1 m pro Jahr.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, die in der Skizze der Anl. K1 als Nr. 2 (Ahorn), 5 (Buche), 7 (Spitzahorn) gekennzeichneten Bäume, die sich auf seinem Grundstück … befinden, zu beseitigen,

2. den Beklagten zu verurteilen, die auf dem vorbezeichneten Grundstück wild wachsenden Sträucher, die in der Skizze der Anl. K1 mit einem roten Oval gekennzeichnet sind, zu beseitigen,

3. den Beklagten zu verurteilen, für die in der Skizze der Anl. K1 als Bäume Nr. 4, 3, 1, 6 bezeichneten Kiefern auf dem zuvor bezeichneten Grundstück bei der zuständigen Behörde eine Fällgenehmigung zu beantragen, und diese Bäume nach Erteilung der entsprechenden Genehmigung fachmännisch zu fällen oder fällen zu lassen,

4. den Beklagten zu verurteilen, für die in der Skizze der Anl. K1 als Baum Nr. 8 bezeichnete Kiefer auf dem vorgesehenen Grundstück, die sich bogenförmig zu seinem Grundstück hinneigt, zu beseitigen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Kläger behauptet, da Kiefern Pfahlwurzeln besäßen, seien sie standfest.

Die Bäume 2, 5 und 7 hätten vor mindestens 10 Jahren ihre Wuchshöhe von 2 m erreicht. Zudem befänden sie sich außerhalb des Vier-Meterbereichs der Grundstücksgrenze der Kläger.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klageanträge seien zu unbestimmt, da sie auf Anlagen Bezug nähmen. Die Bezugnahme auf Fotos ersetze keinen Sachvortrag. Auch fehle es an ausreichend substantiiertem Vortrag, was konkret beseitigt werden solle.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine Beseitigung nicht mehr verlangt werden könne, da sämtliche Bäume, die nach dem Wunsch des Klägers beseitigt werden sollten, länger als 2 Jahre die zulässige Wuchshöhe überschritten hätten.

Da …, wo sich die Grundstücke befänden, ein Ort sei, der in einer Waldlage errichtet und das Grundstück von jeher mit Kiefern, anderen Bäumen und Waldpflanzen bewachsen sei, sei sein Grundstück ein Waldgrundstück, weswegen Beseitigung nicht verlangt werden könne.

Eine Erfolglosigkeitsbescheinigung für ein Schlichtungsverfahren vom 14.11.2017 zwischen den Parteien liegt vor.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf das Gutachten des … vom 13.08.2019, Bl. 76 ff. der Akte wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.

Anspruch auf Anpflanzungsbeseitigung auf Nachbargrundstück
(Symbolfoto: Altrendo Images/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Klageanträge unter Zuhilfenahme der Anlagen ausreichend bestimmt gemäß § 133 BGB analog. Objektiv ist hinreichend erkennbar, hinsichtlich welcher Gewächse der Kläger Beseitigung begehrt. Dies genügt.

Die Klage ist begründet, soweit der Kläger den Beklagten auf Beseitigung von Gewächs, insbesondere kleinerer Ahorne, wie auf der Anlage A1 oval eingezeichnet, gemäß §§ 37, 39 BbgNachbG, in Anspruch nimmt.

§ 37 BgbNachbG ist anwendbar, da sich die zu beseitigenden Pflanzen außerhalb des Waldes befinden, und nicht das LWaldG vorrangig anzuwenden ist. Denn das Grundstück des Beklagten ist kein Wald im rechtlichen Sinne. Unstreitig handelt es sich bei dem Grundstück um ein unbebautes Baugrundstück. Da nach § 37 Abs.2 Nr.6 LWaldG im Wald schon das Aufschütten oder Graben eine Ordnungswidrigkeit darstellt, handelt es sich bei dem Grundstück nicht um Wald. Unerheblich ist deshalb, das das Grundstück nicht klar den Definitionen von Wald nach § 2 III LWaldG zuzuordnen ist. Insbesondere hat auch der Beklagte nicht behauptet, dass sein Grundstück im Waldverzeichnis nach § 30 LWaldG aufgeführt sei.

Die zu beseitigenden Pflanzen befinden sich in einem Bereich, hinsichtlich dessen der Kläger Beseitigung verlangen kann, nämlich in einem Abstand von 4 m zur Grundstücksgrenze. Dabei ist auch eine Wuchshöhe, die 2 m überschreitet, zu erwarten. Ein Großteil der beanstandeten Pflanzen stellen Ahorne, und damit Bäume dar, deren regelmäßige Wuchshöhe 2 m überschreitet.

Der Beseitigungsanspruch scheitert nicht an § 39 BgbNachbG. Es handelt sich um kleine Gewächse, die bei Klageerhebung jedenfalls keine 2 m Wuchshöhe erreicht hatten, oder diese jedenfalls noch nicht im 2. Kalenderjahr überschritten hatten.

Die Klage im Übrigen ist unbegründet.

Soweit der Kläger den Beklagten auf Beseitigung der Waldkiefer Nr. 8 in Anspruch nimmt, scheidet ein Anspruch aus, weil sich der Baum weder zu nah an der Grundstücksgrenze befindet, noch umsturzgefährdet ist.

Ein Beseitigungsanspruch nach §§ 39, 37 BbgNachbG scheidet aus, weil sich der Baum bereits nicht im 4-m-Abstand zur Grundstücksgrenze befindet.

Auch besteht kein Beseitigungsanspruch nach §§1004, 823 Abs.1 BGB wegen möglicher Eigentumsgefährdung des Klägers. Eine Umsturzgefahr besteht nicht. Nach dem Sachverständigengutachten des … weist die Kiefer lediglich eine lichtbedingte Neigung auf, hinsichtlich derer jeder Hinweis auf eine Umsturzgefahr fehlt. So verfügt die Kiefer über Pfahlwurzeln, hinsichtlich derer eine Lockerung des Bodens nicht erkennbar ist. Dass die Kiefer eine Gefahr für einen Aufenthalt oder das Gebäude auf dem klägerischen Grundstück darstellt, konnte er nicht beweisen. Dabei sind fachliche Bedenken gegen das Gutachten nicht erkennbar, ebenso bestehen keine Bedenken gegen die fachliche Kompetenz des Gutachters.

Die Klage ist ebenso unbegründet, soweit der Kläger den Beklagten auf Beseitigung weiterer Waldkiefern in Anspruch nimmt. Denn ein möglicher Beseitigungsanspruch gemäß §§ 39, 37 BbgNachbG ist ausgeschlossen nach § 61 Abs. 2 Nr.1 BbgNachbG. So erlöschen Beseitigungsansprüche, wenn 1 Jahr nach Inkrafttreten des BrbNachbG (29.06.1996) keine Klage auf Beseitigung erhoben ist. Dies trifft auf die stattlichen Waldkiefern offensichtlich zu.

Aber auch, soweit der Kläger Beseitigung der mit den Nummern 2, 5 und 7 bezeichneten Bäume verlangt, scheidet ein Beseitigungsanspruch nach § 40 Bgb NachbG aus. Ein Anspruch auf Beseitigung von Anpflanzungen, die die vorgeschriebenen Mindestabstände nicht einhalten, ist ausgeschlossen, wenn der Nachbar nicht bis zum Abschluss des zweiten auf die Anpflanzung folgende Kalenderjahr Klage auf Beseitigung erhoben hat. Zwar gilt nach § 43 BgbNachbG, dass die Frist bei wild wachsenden Pflanzen erst dann gilt, wenn eine Erklärung des Grundstückseigentümers gegenüber dem Nachbarn vorliegt, dass er die wild wachsende Pflanze nicht beseitigen wolle. Diese Vorschrift findet jedoch im vorliegenden Fall keine Anwendung und ist teleologisch zu reduzieren. Das Grundstück hat ein waldartiges Erscheinungsbild. Dabei ist Wald insbesondere nach § 1 LWaldG besonders geschützt und schützenswert wegen seiner Bedeutung für die Umwelt, für die dauernde Leistungfähigkeit des Naturhaushaltes und der Tier- und Pflanzenwelt, das Klima u.a. Bei den Waldkiefern handelt es sich um stattliche, sehr alte Bäume, die mindestens 30 Jahre auf dem Nachbargrundstück vorhanden waren, eher viele Jahrzehnte länger. Auch Ahorne, Spitzahorn und Buche, deren Beseitigung der Kläger begehrt, sind Teil des waldähnlichen Erscheinungsbildes. Dabei überschritten auch die letztgenannten Bäume einige Jahre die Wuchshöhe von 2 m, ohne dass eine Beseitigung verlangt worden war. Hier musste jeder Nachbar davon ausgehen, dass die Bäume auf dem Grundstück bleiben sollten, und davon, dass der Grundstückseigentümer offensichtlich keinen Beseitigungswunsch diesbezüglich hatte. Nach dem Erscheinungsbild des Grundstücks war unverkennbar, dass ein waldähnlicher Zustand gewünscht war, zumal aufgrund der Größe der Bäume kostenpflichtige Fällgenehmigungen vor einer Beseitigung eingeholt werden müssten. Unter diesen Umständen schied ein Beseitigungsanspruch des Klägers auch für die übrigen Bäume, die die Wuchshöhe mehrere Jahre deutlich überschritten haben, aus.

Soweit der Kläger angibt, es stehe zu erwarten, dass Teile der Bäume auf sein Grundstück fielen, die bei starkem Wind abzubrechen drohten, teilweise ragten Bäume auf sein Grundstück, entbehrt dieser Vortrag entgegen § 138 Abs.1 ZPO der erforderlichen inhaltlichen Substanz. Was genau eine Gefährdung darstellen könnte, ist nicht ersichtlich, und erschließt sich selbst aus den zur Akte gereichten Fotos nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

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