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Anspruch auf schulische Ordnungsmaßnahme gegenüber einem Mitschüler

VG Darmstadt –  Az.: 3 L 879/14.DA – Beschluss vom 16.07.2014

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat der Antragsteller zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Beigeladenen aus der Schulklasse des Antragstellers zu entfernen, ist nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, der hier allein in Betracht kommt, kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und der Grund für die notwendige vorläufige Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO).

Anspruch auf schulische Ordnungsmaßnahme gegenüber einem Mitschüler
Symbolfoto: Von CREATISTA /Shutterstock.com

Begehrt ein Antragsteller mit der einstweiligen Anordnung im Ergebnis die Vorwegnahme der Hauptsache, kann eine einstweilige Anordnung nur ergehen, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes notwendig ist. Eine derartige Vorwegnahme der Hauptsache ist selbst in den Fällen, in denen aus zeitlichen Gründen ein Hauptsacheverfahren kaum durchführbar ist, bei drohender Gefahr schwerwiegender, irreparabler Nachteile zulässig (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 06.03.2008 – 1 B 166/08 -, juris; VG Darmstadt, Beschl. v. 21.12.2006 – 5 G 2478/06 [3] -, juris, und v. 11.03.2008 – 3 L 313/08.DA -, juris, und v. 06.08.2013 – 3 L 840/13.DA -), dabei muss ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache sprechen (ständige Rspr. der erkennenden Kammer, vgl. Beschl. v. 29.05.2001 – 7 G 345/01 [3] – und v. 09.08.2013 – 3 L 842/13.DA; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 123 Rdnr. 14 m. w. Nw. in Fn. 49).

Auch wenn eine „vorläufige“ Entfernung des Beigeladenen aus der Schulklasse des Antragstellers nach einer möglichen Abweisung der Klage im Hauptsacheverfahren rechtlich rückgängig gemacht werden könnte, handelt es sich vorliegend um eine „vorläufige“ Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. dazu Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl., Rdnr. 179), denn tatsächlich käme es nach einem (für den Antragsteller negativen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens aus pädagogischen Gründen wohl kaum in Frage, die „Entfernung“ rückgängig zu machen und dem Beigeladenen einen erneuten Klassenwechsel zuzumuten.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die begehrte Verpflichtung, den Beigeladenen aus der Klasse 9A der O.-Schule in C.-Stadt zu „entfernen“, weil schon keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ihm im Hauptsacheverfahren ein Anspruch hierauf zuerkannt werden wird. Erst recht drohen ihm keine schwerwiegenden und nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteile, wenn der Beigeladene die Klasse 9A weiter besucht.

Eine „Entfernung“ des Beigeladenen aus der Klasse 9A käme nur als Ordnungsmaßnahme nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG) in Betracht. Nach dieser Bestimmung kann ein Schüler „in eine Parallelklasse“ zugewiesen werden. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 82 Abs. 4 HSchG, dass der Schüler in der Schule gegen eine Rechtsnorm oder die Schulordnung verstoßen hat (Nr. 1) oder der Schutz von Personen diese Maßnahme erfordert (Nr. 2). Nach § 82 Abs. 5 Satz 1 HSchG muss zudem eine erhebliche Störung des Schulbetriebs oder eine Gefährdung der Sicherheit beteiligter Personen hinzukommen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Schutz des Antragstellers oder seiner Schwester die begehrte Verhängung der Ordnungsmaßnahme gemäß § 82 Abs. 4 Nr. 2 HSchG erfordert. Da der Beigeladene mit seinem heftigen Schlag in das Gesicht des Antragstellers unzweifelhaft gegen die Rechtsnorm des § 223 des Strafgesetzbuchs (StGB) und die Schulordnung verstoßen, damit den Schulbetrieb gestört und die Sicherheit des Antragstellers gefährdet hat, dürfte die tatbestandliche Voraussetzung für den Erlass einer Ordnungsmaßnahme jedenfalls gemäß Nr. 1 der Vorschrift erfüllt sein.

Jedoch hat der Antragsteller keinen Anspruch darauf, dass die Schulbehörde gerade die von ihm gewünschte Ordnungsmaßnahme anwendet.

Die Frage, ob und gegebenenfalls welche förmlichen Ordnungsmaßnahmen ergriffen werden sollen, muss von der Schule oder der Schulaufsicht nach pflichtgemäßem Ermessen beantwortet werden (vgl. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl., Rdnr. 447). Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt lediglich die Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen einer getroffenen (oder aber hier: einer möglicherweise zu treffenden) Maßnahme, insbesondere die hinreichende Rechtsgrundlage, vorliegen und das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde. Einer solchen Überprüfung am Maßstab der Rechtmäßigkeit entziehen sich dagegen pädagogische Wertungen, um die es bei der Verhängung einer Ordnungsmaßnahme aber im Wesentlichen geht. Insofern müssen sich die Gerichte daher weitgehend zurücknehmen, da sie nur unsachliche und offensichtlich übermäßige Reaktionen auf das Verhalten des Schülers oder der Schülerin beanstanden können (vgl. Rux/Niehues, a.a.O., Rdnr. 449 m. w. Nw.). Infolgedessen verbietet es sich grundsätzlich für ein Gericht, die Schulbehörde zur Einleitung einer Ordnungsmaßnahme zu verpflichten.

Eine Ausnahme besteht allenfalls dann, wenn das genannte Ermessen der Schule oder der Schulaufsicht „auf Null geschrumpft“, also derart eingeschränkt ist, dass einzig und allein die von der Antragstellerseite begehrte Ordnungsmaßnahme getroffen werden müsste, also sich ein materiell-rechtlicher Anspruch der Antragstellerseite auf ermessensfehlerfreies Verwaltungshandeln ausnahmsweise zu einem Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes verdichtet hat (vgl. Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rdnr. 210 m. Nw. in Fn. 165).

Wann eine solche Ermessensreduzierung vorliegt, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, da sie ihrer Natur nach einzelfallbezogen ist. Da es sich um Ausnahmefälle handelt, müssen an deren Feststellung strenge Anforderungen gestellt werden (Wolff in: Sodann/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage, § 114 Rdnr. 129 m. w. Nw.). Je weiter der Handlungsrahmen der Verwaltung gesteckt ist, desto schwerer müssen die Umstände sein, die für eine Ermessensreduzierung auf Null sprechen. Zu berücksichtigen sind weiter die Rechtsgüter, die ohne das in Frage kommende Verwaltungshandeln gefährdet werden können, und das Maß dieser Beeinträchtigung. So reduziert sich das Ermessen auf Null, wenn ein Dritter erheblich oder unzumutbar beeinträchtigt wird und Indizien fehlen, die einem entsprechenden Verwaltungshandeln entgegenstehen könnten (Wolff in: Sodann/Ziekow, a.a.O., Rdnr. 132 m. w. Nw.). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass dem begehrten Handeln der Verwaltung möglicherweise andere Handlungspflichten gegenüberstehen. Weiterhin ist zu untersuchen, ob sich bereits eine Praxis der Behörde bei der Behandlung gleich oder ähnlich gelagerter Fälle herausgebildet hat und so nach dem Gebot der Gleichbehandlung bestimmte Handlungspflichten bestehen oder solche sogar durch Zusagen oder Zusicherungen entstanden sind. Schließlich sind alle Umstände des Einzelfalls einschließlich der Zumutbarkeit der Entscheidung für den Betroffenen in den Blick zu nehmen (vgl. Wolff, a.a.O., Rdnr. 132 ff.).

Dies zugrunde gelegt, lässt sich eine Ermessensreduzierung auf Null nach im Eilverfahren allein möglicher summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht annehmen.

Hierzu lässt der Antragsteller u. a. vortragen, die Schule müsse die begehrte Entfernung des Beigeladenen aus der Schulklasse des Antragstellers vornehmen, weil es den Antragsteller und seine Schwester extrem psychisch belaste, dass der „gewalttätige Kamerad“ noch immer in ihrer Klasse sei. Sie empfänden dessen Verhalten zudem als „massiv aufdringlich“, da der Beigeladene, wie der Antragsteller zunächst behauptet hat, in den kleinen Pausen vor allem um sie „herumschleicht“; der Antragsteller und auch seine Schwester fühlten sich auch weiterhin durch mögliche weitere Vorfälle bedroht. In einer späteren Antragsbegründung heißt es dann, die Tatsache, dass der Beigeladene sich wiederholt in der Nähe des Antragstellers und seiner Schwester herumgedrückt habe, habe die Mutter des Antragstellers am 28.04.2014 der Klassenlehrerin und dem Schulleiter vorgetragen. Dass danach ein solches Verhalten nicht mehr beobachtet worden sei, wie die Antragsgegnerin vorgetragen hatte, liege auf der Hand. Der Antragsteller habe seit dem „Gewaltangriff“ auf ihn hohe schulische Fehlzeiten. An etwa 40 Prozent des Unterrichts habe er nicht teilgenommen, da er sich in der Klasse massiv unwohl fühle.

Ein Verbleiben des Beigeladenen in der Schulklasse des Antragstellers würde diesen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen sowie der Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) zuwiderlaufen. Als Pendant zur Schulpflicht des Art. 6 GG müsse sich ein Schüler auch darauf verlassen können, dass die jeweilige Schule seiner Wahl ihn angemessen vor Übergriffen und den damit verbundenen Ängsten effektiv schützt. Bei einem „Schädel-Hirn-Trauma“ des Opfers müsse der Täter diszipliniert werden. Auch zu seinem eigenen Nutzen solle zu einem möglichst frühen Zeitpunkt eine fühlbare Bestrafung erfolgen, anstatt das Gefühl zu vermitteln, es handele sich um ein Kavaliersdelikt, aus dem keine nennenswerten schulischen Konsequenzen resultierten. Daher sei auch die generalpräventive Wirkung an Schulen besonders wichtig.

Zunächst kann die Kammer nicht nachvollziehen, dass der Antragsteller sich durch den Beigeladenen bedroht fühlt, nur weil sich dieser noch in seiner Schulklasse befindet. Sein Vortrag, der Beigeladene schleiche um ihn und seine Schwester herum, ist wenig substantiiert und wird auch durch Wiederholungen nicht überzeugender. Zudem kommt das „Herumschleichen“ – nach eigenem Vortrag des Antragstellers – auch nicht mehr vor, seitdem die Mutter des Antragstellers am 28.04.2014 das angebliche Problem bei der Schulleitung zur Sprache gebracht hatte. So berichtet auch der Schulleiter der O.-Schule, F.F., in seiner Stellungnahme vom 12.05.2014 (Bl. 41 der Gerichtsakte), die in der Klasse unterrichtenden Lehrkräfte hätten keine entsprechenden Beobachtungen gemacht. Selbstverständlich begegneten sich die Schüler auf dem Schulhof. Dies wäre aber auch nicht zu vermeiden, wenn der Beigeladene in einer anderen Klasse wäre. Weder der Antragsteller noch seine Schwester hätten ihm gegenüber berichtet, dass sie „eine massive Verunsicherung und ein erhebliches Bedrohungsgefühl“ hätten, obwohl er ausdrücklich darum gebeten habe, ihn oder der Klassenlehrerin mitzuteilen, wenn der Beigeladene sich nicht an die getroffenen Verabredungen halte. Der Schulleiter schließt mit den Worten, er sehe von Seiten des Beigeladenen zur Zeit keinerlei Bedrohung für den Antragsteller, schon gar nicht für dessen Schwester, die in diesem Konflikt überhaupt keine Rolle spiele, oder für eine andere Person. Er versichert, er werde weitere schulische Maßnahmen ergreifen, sollte sich seine Einschätzung der Lage aufgrund eines veränderten Verhaltens des Beigeladenen ändern; er sei deshalb mit der Klassenlehrerin in sehr engem Kontakt.

Zweifel an der Richtigkeit der Darstellungen in der Antragsschrift bezüglich der Befürchtungen des Antragstellers und seiner Schwester hat die Kammer auch im Hinblick auf die Notiz über ein Gespräch zwischen dem Schulleiter F., der Deutschlehrerin G. G. und dem Antragsteller anlässlich der Anhörung zur Ordnungsmaßnahme (Ausschluss von der Klassenfahrt) am 16.05.2014. Dort wurde der Antragsteller vom Schulleiter auf sein Verhältnis zum Beigeladenen angesprochen. Ausweislich der Gesprächsnotiz (Bl. 73 der Gerichtsakte) erklärte der Antragsteller, dass er dem Beigeladenen aus dem Weg gehe, dass der Beigeladene ihn in Ruhe lasse und er kein Problem damit habe, wenn der Beigeladene weiterhin in der Klasse bleibe.

Dass der Antragsteller an einem Großteil des Unterrichts nicht hat teilnehmen können, weil er sich in der Klasse nicht wohl fühle, kann auch andere Gründe haben als das Zusammensein mit dem Beigeladenen. Auf andere Gründe scheint jedenfalls der fachneurologische Bericht des Neurologen Dr. H. H. an die Unfallkasse Hessen vom 22.05.2014 (Bl. 93 der Gerichtsakte) hinzuweisen; danach handelt es sich bei den von der Mutter des Antragstellers berichteten Druckkopfschmerzen des Antragstellers mit etlichen Fehltagen in der Schule „unfallbedingt nicht mehr um relevante Beschwerden; die Kopfschmerzattacken sind als juvenile Migräne zu bezeichnen“; die Familienanamnese sei zur Migräne „positiv“. Damit ist zweifelhaft, ob die Fehltage in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Anwesenheit des Beigeladenen in der Klasse des Antragstellers stehen.

Dies alles zeigt, dass keine erhebliche und unzumutbare Beeinträchtigung des Antragstellers durch einen Verbleib des Beigeladenen in der Klasse – als Voraussetzung für eine Ermessensreduzierung auf Null – vorliegen dürfte.

Die Kammer teilt auch nicht die Ansicht der Antragstellerseite, die von ihr begehrte Entfernung des Beigeladenen aus der Klasse des Antragstellers sei die einzige Form, den Antragsteller vor weiteren Übergriffen des Beigeladenen zu schützen. Wie sich aus den beigezogenen Schülerakten des Antragstellers sowie des Beigeladenen ergibt, hat die Schule durchaus Maßnahmen getroffen, die verhindern sollen und auch verhindern können, dass sich ein derartiger Vorfall wiederholt.

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Als vorläufige Reaktion der Schule wurde der Beigeladene am Tattag (Mittwoch, 12.03.2014) bis einschließlich Freitag, dem 21.03.2014 vom Unterricht ausgeschlossen. Nach der Rückkehr des Beigeladenen am Montag, dem 24.03.2014 wurde ein Mediationsgespräch zwischen dem Beigeladenen und dem Antragsteller unter der Leitung des Schulseelsorgers und Pfarrers J. J. anberaumt. Seinem Gedächtnisprotokoll vom 09.05.2014 (Bl. 46 der Gerichtsakte) zufolge einigten sich beide Kontrahenten in dem Mediationsgespräch darauf, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen und sich in Ruhe zu lassen. Der Beigeladene habe dabei Einsicht in sein eigenes fehlerhaftes Verhalten gezeigt und auch gesagt, dass es ihm leid tue. Der Antragsteller selbst gab zu, den Beigeladenen provoziert zu haben, wenn er diese Provokationen allerdings auch nicht als so schlimm empfunden habe. Über das Versprechen der beiden Schüler hinaus, sich aus dem Weg gehen zu wollen, wurde von dem Beigeladenen eine schriftliche Versicherung verlangt, dass er keine Gewalt mehr anwenden werde und sich bei Problemen direkt an eine Person seines Vertrauens wenden werde. Diese Versicherung gab der Beigeladene ab, während der Antragsteller der Auflage, eine schriftliche Erklärung zu formulieren, keine Mitschüler mehr zu provozieren, trotz mehrmaliger Erinnerung nicht nachgekommen ist.

Die Klassenkonferenz nahm dies alles in ihrer Sitzung am 26.03.2014 (s. Protokoll Bl. 38 ff. der Gerichtsakte) zur Kenntnis und hielt darüber hinaus fest, dass der Beigeladene nach dem Vorfall am 12.03.2014 offensichtlich sehr erschrocken über sich selbst gewesen sei und dass ihm sofort klar gewesen sei, dass er nicht so hätte reagieren dürfen. Dies habe er auch gegenüber der stellvertretenden Schulleiterin geäußert. Der Beigeladene habe dann sowohl am Mittwoch als auch am Donnerstag nach dem Vorfall bei der Familie des Antragstellers angerufen und sich bei der Mutter des Antragstellers nach dessen Zustand erkundigt. Auch die Eltern des Beigeladenen hätten mit der Mutter des Antragstellers telefoniert. Abgesehen davon, dass die Antragstellerseite bestreitet, der Antragsteller habe von sich aus angerufen und nicht erst auf ein Telefonat der Mutter des Antragstellers zurückgerufen, sind diese Umstände von der Antragstellerseite nicht bestritten worden, insbesondere nicht, dass das Telefongespräch mit dem geschilderten Inhalt stattgefunden hat. Die Klassenkonferenz hielt weiter fest, dass die stellvertretende Schulleiterin L. und der pädagogische Leiter M. M. am 14.03.2014 ein erstes Gespräch mit dem Beigeladenen und seinen Eltern geführt hatten. Der Familie sei klar gewesen, dass die heftige Reaktion des Beigeladenen keinesfalls zu entschuldigen sei. Ferner berichtete die Klassenlehrerin in der Konferenz, dass im Unterricht der Klasse 9A schon vor der Mediation über den Vorfall gesprochen worden sei. Die Mehrzahl der Klasse habe sehr zwiespältige Gefühle gehabt. Auf der einen Seite sei Verständnis für den Beigeladenen vorhanden gewesen, weil er schon über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder vom Antragsteller wegen der Verbreitung intimer Fotos geärgert worden sei, auf der anderen Seite sei der Schlag des Beigeladenen als Überreaktion und als zu hart empfunden worden. Nach ausführlicher Beratung, so das Protokoll vom 26.03.2014, beschloss die Klassenkonferenz, sowohl den Beigeladenen als auch den Antragsteller von der anstehenden Klassenfahrt auszuschließen.

Nach alledem kann nicht davon gesprochen werden, die Schule habe nicht das Erforderliche getan, um den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu schützen, und müsse den Täter anders „disziplinieren“ als geschehen. Insbesondere kann keine Rede davon sein, dem Beigeladenen sei von der Schule das Gefühl vermittelt worden, es handele sich um ein Kavaliersdelikt, aus dem keine nennenswerten schulischen Konsequenzen resultierten. Nennenswerte schulische Konsequenzen hat es als Handlungsalternativen, wie dargelegt, gegeben. Wenn die Mutter des Antragstellers mit Diplom in Kinder- und Jugendpsychiatrie der Meinung ist, es hätten andere Konsequenzen gezogen werden müssen, so ist das vorliegend nicht relevant, da die Entscheidungsbefugnis bei der Schule bzw. ihren Gremien liegt.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerseite rechtfertigt sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht unter dem Aspekt der Gleichbehandlung bzw. der Maßnahmegerechtigkeit im Hinblick auf eine dem Antragsteller in der Vergangenheit angedrohte Zuweisung in die Parallelklasse aus einem weniger gewichtigen Grund. Der Antragsteller meint, da er schon wegen verbaler Äußerungen von einer Klassenfahrt ausgeschlossen worden sei, müsse das Verhalten des Beigeladenen bei sachgerechter Ermessensausübung stärker sanktioniert werden. Die stellvertretende Schulleiterin L. habe in einem anderen Zusammenhang geäußert, allein die Androhung eines Faustschlag ins Gesicht überschreite in der schulischen Praxis der hier beteiligten Schule eine „absolute Grenze“, d.h. unabhängig von den Umständen, die den Schüler zu dieser Drohung bewogen hätten. Ein solches Verhalten werde im Regelfall zumindest mit der Versetzung in eine Parallelklasse sanktioniert. In ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 19.05.2014 (Bl. 64 der Akte) hat die Mutter des Antragstellers in diesem Zusammenhang allerdings lediglich angegeben, die stellvertretende Schulleiterin habe ihr gegenüber wörtlich gesagt, dass „allein schon die Faust gegen ein Gesicht zu richten, eine absolute Hemmschwelle sei, die nicht überschritten werden dürfe“. Über die Zuweisung in die Parallelklasse als angeblich von Frau L. angesprochener Sanktion äußert sich die Mutter des Antragstellers in der eidesstattlichen Versicherung nicht mehr.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerseite lässt sich daraus nicht eine gängige Praxis der Schule ableiten, mit der sie in der Vergangenheit gegen Gewaltdelikte vorgegangen sei. Die Antragstellerseite hat auch nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass in ähnlich gelagerten Fällen eine härtere Sanktion vorgenommen wurde. Im Übrigen hängt die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen von den Umständen des Einzelfalls ab, die von den zuständigen Organen der Schule ermittelt, gewichtet und bewertet werden müssen. Da insbesondere jeweils die unterschiedlichen Persönlichkeiten der betroffenen Schüler, besonders unter pädagogischen Aspekten, in den Blick genommen werden müssen, sind solche Fälle ohnehin nur eingeschränkt vergleichbar. Auch die zitierten Äußerungen der stellvertretenden Schulleiterin L. weisen nicht auf eine gängige Praxis hin, die der von der Schule getroffenen Entscheidung entgegenstünde und die der von der Antragstellerseite verlangten Entscheidung entspräche. Die Zitate besagen lediglich, dass allein die Androhung eines Faustschlages Anlass sei, Maßnahmen einzuleiten. Den Äußerungen der Schulleiterin ist aber keinesfalls zu entnehmen, dass ein solcher Fall mit einer Zuweisung des Schülers in die Parallelklasse geahndet werden müsse, zumal sie darüber nicht, zumindest nicht alleine, zu befinden hätte. Daher ist das Zitat, in welcher der geschilderten Versionen auch immer, lediglich als Meinungsäußerung von Frau L. anzusehen. Ihre angebliche Aussage über die konkrete Art der Sanktion in solchen Fällen, die Zuweisung in eine Parallelklasse, ist nicht glaubhaft gemacht worden; sie ist in der eidesstattlichen Versicherung der Mutter des Antragstellers nicht enthalten.

Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Klassenkonferenz wenigstens zu einer erneuten Entscheidung über die Beantragung einer Ordnungsmaßnahme und die Schulleitung zu einer erneuten Entscheidung über die Ordnungsmaßnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet werden, also zu einer Neubescheidung als Minus gegenüber dem Begehren aus dem gestellten Eilantrag. Als Voraussetzung dafür wären Ermessensfehler der Schulleitung oder der Klassenkonferenz bei der Entscheidung erforderlich, es bei dem Ausschluss von der Klassenfahrt als Ordnungsmaßnahme zu belassen und den Beigeladenen nicht in eine Parallelklasse zuzuweisen bzw. diese Maßnahme zu beantragen. Solche Fehler sind nicht ersichtlich. Weder hat die Antragstellerseite sie glaubhaft gemacht, noch ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen Hinweise auf Ermessensfehler, also darauf, dass die Entscheidungen auf unzureichenden oder sachwidrigen Erwägungen beruht oder die Schulleitung bzw. die Klassenkonferenz sonst die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einem dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Wie dargelegt, hat die Klassenkonferenz alle wesentlichen Gesichtspunkte gewürdigt, die auch die Schulleitung zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat. Ihre Entscheidung erscheint auch nicht als unangemessen; Verfahrensfehler sind nicht zu erkennen.

Nach alledem bestehen nur geringe Chancen des Antragstellers, in einem etwaigen Hauptsacheverfahren die Verpflichtung des Antragsgegners zu erreichen, den Beigeladenen in eine Parallelklasse zuzuweisen.

Aus den Ausführungen oben ergibt sich darüber hinaus, dass dem Antragsteller auch keine schwerwiegenden und nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteile drohen, wenn der Beigeladene bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren in der Klasse des Antragstellers verbleibt, so dass der Eilantrag abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 53 GKG.

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