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Ansprüche wegen Flugverspätungen

AG Kassel – Az.: 40 C 389/17 (21) – Urteil vom 21.01.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ausgleichszahlungen nach der europäischen Fluggastrechte-Verordnung bzw. hilfsweise um Minderungs- und Schadensersatzansprüche.

Die Kläger buchten im Februar 2017 bei dem Reiseveranstalter T. Deutschland GmbH eine Flugpauschalreise zu einem Gesamtpreis von 2.666,00 € für den Zeitraum 09.07.2017 bis 16.07.2017 mit Flügen von Kassel-Calden nach Mallorca. Der Hinflug wurde gemäß Mitteilung vom 04.07.2017 im Vergleich zur ursprünglichen Ankündigung um 13,5 Stunden nach hinten verschoben und die Ausführung durch die rumänische Airline C. angekündigt und später durchgeführt. Am 05.07.2017 erfolgte die Flugverschiebung für den Rückflug im Vergleich zur ursprünglichen Ankündigung um 3,5 Stunden nach vorne unter Mitteilung der Ausführung durch die Airline A. E.. Hintergrund war die der Beklagten erst am 27.09.2017 erteilte Betriebsgenehmigung. Die Reiseveranstalterin T. Deutschland GmbH zahlte an die Kläger eine Ausgleichszahlung i.H.v. insgesamt 190,40 €. Die Kläger wendeten jeweils auf dem Hin- und Rückflug am Flughafen für Abendessen bzw. Frühstück einen Gesamtbetrag i.H.v. 34,07 € auf.

Die Kläger behaupten, sie seien über die Umstände der fehlenden Betriebsgenehmigung der Beklagten nicht ausreichend aufgeklärt worden. Darüber hinaus habe es sich auf dem Hinflug, anders als bei dem durch die Beklagte beworbenen Airbus, um eine alte, teils defekte und rumänische Flugmaschine gehandelt.

Die Kläger meinen, ihnen stünden unter Anrechnung der durch die T. Deutschland GmbH geleisteten Ausgleichszahlung Ausgleichsansprüchen nach Fluggastrecht gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, 5 VO (EG) Nr. 261/2004 zu, da es sich bei der Beklagten um das ausführende Luftfahrtunternehmen handele bzw. diese aus Gründen der Rechtsscheinhaftung hiernach eintrittspflichtig seien. Hilfsweise ergebe sich der Anspruch aus dem zwischen der T. Deutschland GmbH und der Beklagten geschlossenen Flugbeförderungsvertrag als Vertrag zugunsten Dritter. Wegen des getrübten Urlaubsgenusses – ohne Anrechnung der Leistungen der T. Deutschland GmbH – bestehe ein Minderungsanspruch i.H.v. 50 % des Flugpreises, mithin 380 €. Für die veraltete, teils defekte und rumänische Flugmaschine sei ein Anspruch i.H.v. 40 € gerechtfertigt und im Übrigen der Verlust der Mahlzeiten im Hotel zu erstatten. Die Ansprüche seien darüber hinaus nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 6, 7 Abs. 2 EG-RL 2005/29/EG aufgrund der Täuschung der Beklagten über die Betriebsgenehmigung gerechtfertigt.

Die Kläger beantragen daher:

1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin zu 1) 404,80 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 20.09.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) 404,80 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 20.09.2017 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 147,56 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 20.9.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte meint, es fehle an der Passivlegitimation, da sie aufgrund der fehlenden Betriebsgenehmigung nicht ausführendes Luftfahrtunternehmen sein könne. Im Übrigen seien die Ansprüche aufgrund der abschließenden Regelungen der §§ 651 a ff. BGB nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht ausgeschlossen und diese allein gegenüber dem Reiseveranstalter wegen der erlittenen Unannehmlichkeiten geltend zu machen. Bereits geleistete Ausgleichszahlungen seien anzurechnen.

Das Gericht hat am 12.02.2018 und 21.01.2019 mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften (Bl. 75, 146) Bezug genommen. Mit Beschluss vom 23.03.2018 (Bl. 88 ff. d.A.) hat das Gericht das Verfahren ausgesetzt und zur Vorabentscheidung an den EuGH vorgelegt, welcher mit Beschluss vom 06.12.2018 (Bl. 105 ff. d.A.) unter Az. C-292/18 in der Sache entschieden hat. Im Übrigen wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

A.

Die Kläger haben gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Ausgleichszahlung, Minderung bzw. Schadensersatz.

I.

Ansprüche wegen Flugverspätungen
(Symbolfoto: Von Oksistyle/Shutterstock.com)

Es besteht kein Anspruch nach der europäischen Fluggastrechte-Verordnung Nr. 261/2004. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der Beklagten um das ausführende Luftfahrtunternehmen handelt. Bindend hat der EuGH mit Beschluss vom 06.12.2018, Az. C-292/18, im Rahmen des hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens beschlossen, dass die Beklagte mangels vorhandener Betriebsgenehmigung zum Zeitpunkt der Durchführung des Fluges nicht als ausführendes Luftfahrtunternehmen unter die Verordnung EG Nr. 261/2004 fällt. Die Beklagte ist nicht passivlegitimiert, für eine Rechtsscheinhaftung ist insofern kein Raum.

II.

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Minderungs- bzw. Schadensersatzanspruch aus dem zwischen dem Reiseveranstalter T. Deutschland GmbH und der Beklagten geschlossenen Werkvertrag über die Flugbeförderung als Vertrag zugunsten Dritter gemäß §§ 631, 328 Abs. 2, 633, 634 ff., 280 ff. BGB, da es bereits an einem Mangel fehlt.

1.

Mit der Entscheidung des BGH Urteil vom 28.05.2009, Az. Xa ZR 113/08, Rz. 14 ff., steht fest, dass die Verspätung eines Fluges, der regelmäßig kein absolutes Fixgeschäft ist, keinen Sachmangel begründet, da die Beförderungsleistung hierdurch nicht schlechter wird, vielmehr die dem Fluggast durch die Verspätung entstehenden Nachteile von seinen persönlicher Verhältnissen abhängen. Ansprüche können sich allein aus Verzug ergeben (a.A.o. Rz. 18).

2.

Hinsichtlich des Hinflugs ist ein kausaler Schaden gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 249 ff. BGB nicht ersichtlich. Geschuldet ist die Flugbeförderung, welche erbracht wurde. Die Tatsache, dass die Kläger aufgrund der Verspätung einen getrübten Urlaubsgenuss sowie ein Abendessen im Hotel verloren haben, kann nicht mehr als adäquat kausaler und vom Schutzzweck der Norm umfasster Verzugsschaden gewertet werden. Der Urlaubsgenuss ist allein im Reiserecht, nicht jedoch im Werkvertragsrecht der Flugbeförderung geschützt. Auch das Essen ist nicht erstattungsfähig, wenn man sich vor Augen führt, dass der Verlust aufgrund der gebuchten Pauschalreise zustande kam. Anders als bei den Ansprüchen gegen den Reiseveranstalter selbst, schuldet die Beklagte allein die Flugbeförderung, nicht jedoch ein Gesamtpaket an Leistungen. Insofern kann das verlorene Abendessen mangels Ursachenzusammenhangs nicht in den Schutzzweck der Norm fallen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass für den entgangenen Urlaubsgenuss und die Unannehmlichkeiten für die Kläger, d.h. auch die verlorenen Mahlzeiten im Hotel, der Reiseveranstalter Ausgleichszahlungen i.H.v. 190,40 € geleistet hat. Diese sind anzurechnen. (vgl. Palandt BGB § 286 Rz. 42; LG Berlin, Urteil vom 20.01.2015, Az. 55 S 2/14).

Hinsichtlich des Rückfluges mit einer Vorverlegung um 3,5 Stunden fehlt es bereits an einer Verspätung. Im Übrigen gelten die vorgenannten Erwägungen.

3.

Die Kläger haben keinen Zahlungsanspruch i.H.v. 40,00 € aufgrund der behaupteten Tatsache, dass es sich um eine alte, teils defekte und rumänische Flugmaschine anstatt eines deutschen Airbusses gehandelt haben soll. Es ist schon fraglich, ob das Herkunftsland einer Flugmaschine einen Mangel begründet. Die Klägerseite ist darlegungs- und beweisbelastet für das Vorhandensein eines Mangels. Die Beklagte bestritt, dass die Maschine alt und teils defekt gewesen sei und es sich bei den eingereichten Lichtbildern um solche aus dem Hinflug handelt. Weiterer Beweis wurde nicht angeboten. Selbst bei unterstellter Richtigkeit, ergibt sich aus den Lichtbildern, dass es sich um eine Boeing 737-300 gehandelt hat. Worin eine relevante Negativabweichung zu einem Airbus bestehen soll, ergibt sich nicht ohne weiteres. Die Lichtbilder zeigen eine kaputte Naht an der Rückseite eines Sitzes, einen kleinen Klebestreifen neben einem Fenster und eine an der Außenseite getapte Armlehne. Dies für sich genommen rechtfertigt keinen Minderungsanspruch. Die Kläger tragen nicht vor, inwiefern ihnen durch die Beklagte eine Beförderung in einem hochwertigeren Flugzeug (welches genau?) versprochen worden sein soll, im Übrigen erscheint die Flugbeförderung durch diese kleineren Schadstellen lediglich in ästhetischer Hinsicht beeinträchtigt, ohne dass dem ein Minderwert zukommt.

III.

Den Klägern steht kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 631, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 328 Abs. 2 BGB aufgrund der behaupteten Aufklärungspflichtverletzung bezüglich der fehlenden Betriebsgenehmigung zu. Zu beachten ist, dass es sich hier um einen Vertrag zugunsten Dritter zwischen dem Reiseveranstalter T. Deutschland GmbH sowie der Beklagten handelt. Die Behauptung der Kläger, nicht ausreichend in Kenntnis gesetzt worden zu sein, reicht nicht aus. Die Beklagte erklärte, gegenüber dem Reiseveranstalter fortlaufend über den Status der Betriebsgenehmigung Mitteilung gemacht zu haben. Eine Pflicht zur direkten Kommunikation über sämtliche Details aus dem Flugbeförderungsvertrag gegenüber den Klägern ist nicht ersichtlich. Zwar erhalten die Kläger eigene Forderungsrechte aus einem Vertrag zugunsten Dritter, dies umfasst jedoch nicht sämtliche Nebenpflichten eines geschlossenen Werkvertrags.

IV.

Es besteht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 6, 7 Abs. 2 EG-RL 2005/49/EG, da es bereits an einem Schutzgesetz fehlt. Eine Richtlinie stellt kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dar, da Richtlinien – anders als Verordnungen – nicht unmittelbar im deutschen Recht wirken, vielmehr der Umsetzung bedürfen (vgl. Palandt BGB § 823 Rz. 57; Einleitung vor § 1, Rz. 29). Darüber hinaus handelt es sich bei den Artikeln der genannten Richtlinie um solche die einen Schutz für Verbraucher aufstellen. Vorliegend handelt es sich primär um einen Vertrag zwischen der Beklagten und dem Reiseveranstalter T. Deutschland GmbH, sodass der Anwendungsbereich mangels Verbrauchereigenschaft nicht eröffnet ist. Zwar sind die Kläger Verbraucher, diese könne jedoch über einen Vertrag zugunsten Dritter nicht mehr verlangen als der eigentliche Vertragspartner selbst.

B.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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