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Fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen antisemitischer Äußerungen gegenüber dem Vermieter

Amtsgericht Frankfurt am Main

Az.: 33 C 250/01 – 67

Beschluss vom 03.04.2001


BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Frankfurt am Main – Abteilung-33 beschlossen:

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Gründe

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 23.3.2001 den unwiderruflichen Teil des Vergleichs ausdrücklich auf die Hauptsache, beschränkt. Nach erfolgtem Widerruf der Kostenregelung unter Ziffer 3) des Vergleichs mit Schriftsatz vom 26.3.2001 durch den Beklagten in der Widerrufsfrist, ist keine Kostenregelung mehr in dem Vergleich enthalten. Das Gericht ist somit gehalten, über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Durch die nunmehr negative Kostenregelung im protokollierten Vergleich ist der Vergleich auf die Hauptsache beschränkt. Durch die vorsorgliche übereinstimmende Erledigungserklärung der Prozeßvertreter im Termin vom 23.3.2001 wurde zum Ausdruck gebracht, daß bei Widerruf der im Vergleich getroffenen Kostenregelung der Kostenstreit nicht beigelegt ist. Damit ist Raum für eine Entscheidung nach § 91 a ZPO, die Regelung -gemäß § 98 ZPO greift nicht automatisch – ein (Zöller, Zivilprozeßordnung, 21. A., § 91 a ZPO, Rdn. 58 „Vergleich“ m.w.N.). Hierbei bildet nicht das vergleichsweise Nachgeben den Maßstab der Verteilung, sondern der bisherige Sach- und Streitstand, insbesondere also die danach zu beurteilenden Erfolgsaussichten (Zöller, Zivilprozeßordnung, 21.A, § 98 ZPO, Rdn. 3) Dies führte nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zur Auferlegung der Kosten auf den, Beklagten, da dieser in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach im wesentlichen unterlegen wäre.

Die Klägerin hat das Mietverhältnis mit dem Beklagten wirksam mit anwaltlichem Schreiben vom 22.12.2000 fristlos gekündigt (§ 554 a BGB). Der Beklagte war somit verpflichtet, die streitgegenständliche Wohnung zu räumen und an die Klägerin herauszugeben (§ 556 BGB).

Ein Mietverhältnis über Räume kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein Vertragsteil in solchem Maße seine Verpflichtungen verletzt, insbesondere den Hausfrieden so nachhaltig stört, daß dem anderen Teil die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 554 a BGB). Die von der Klägerin behaupteten Anrufe des Beklagten am 7.12.2000 in der Zeit zwischen 20:02 bis 21:48, bei denen dieser auf dem Anrufbeantworter unter anderem mit höhnischem Gelächter und der Drohung, daß er so und so mächtiger sei, mitteilte, daß er keinen Sinn für „jüdischen Schrott, jüdische Penner und Schleimscheißer“ habe stellen eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, aufgrund derer der

Klägerin die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten nicht mehr zugemutet werden kann. Antisemitische Äußerungen in einem solchen herabwürdigenden Form haben ein solches Gewicht, daß die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung auf der Hand liegt.

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten konnten vorliegend diese Äußerungen des Beklagten auch nicht mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestritten werden. Im allgemeinen können eigene Handlungen oder Wahrnehmungen nach § 138 Abs. 4 ZPO überhaupt nicht mit Nichtwissen bestritten werden. Das Bestreiten mit Nichtwissen ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise deshalb zulässig, weil dar Beklagte sich aufgrund einer Alkoholisierung angeblich nicht mehr an diese von der Klägerin behaupteten Äußerungen erinnern kann. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob eine Alkoholisierung am Rande der Schuldunfähigkeit zu einem Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO berechtigt. Vorliegend hat der Beklagte bereits nicht ausreichend dargelegt, daß eine solche zu einer Schuldunfähigkeit führende Alkoholisierung am Abend des 7.12.2000 überhaupt vorgelegen hat. Nicht jeder Genuß von Alkohol und auch nicht jede Alkoholabhängigkeit führt dazu, daß eigene Handlungen oder Wahrnehmungen dem Betroffenen tatsächlich nicht mehr erinnerlich sind und ein Bestreiten mit Nichtwissen als gegebenenfalls zulässig zu erachten wäre. Der Beklagte beruft sich zwar vorliegend auf eine – nicht behandelte – Alkoholabhängigkeit, führt aber gleichzeitig aus, tagsüber zuverlässig seiner Arbeit im Angestelltenverhältnis nachgehen zu können. Des weiteren macht der Beklagte zu dem Umfang der von ihm an dem Abend des 7.12.2000 genossenen alkoholischen Getränke gar keine Angaben. Gerichtlicherseits ist somit aufgrund der von dem Beklagten gemachten sehr vagen Angaben eine Einschätzung der am Abend des 7.12.2000 genossenen, Alkoholmenge nicht möglich. Die von der Klägerin behaupteten antisemitischen Äußerungen des Beklagen gelten somit gemäß § 138 Abs.3 ZPO als zugestanden.

Insofern der Beklagte der Rechtsansicht ist, sein gegebenenfalls aufgrund seiner Alkoholisierung erfolgtes schuldloses Verhalten – von dem vorliegend bereits aufgrund mangelnder Darlegung nicht ausgegangen werden kann – berechtige den Vermieter nicht zu einer Kündigung gemäß, § 554 a BGB, kann dem gerichtlicherseits nicht gefolgt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob das ausdrückliche Verschuldenserfordernis des § 554 a BGB bei dem schuldunfähigen Störer „hinweggedacht“ werden kann (so: Lammel, Wohnraummietrecht, § 554 A BGB, Rdn. 7) oder ob die verschuldensfreie Vertragsverletzung des Mieters den Vermieter lediglich in Ausnahmefällen zum Ausspruch einer Kündigung berechtigt Vorliegend ist die von dem Beklagten vorgenommene erhebliche Vertragsverletzung so gravierend, daß dem Vermieter schlechterdings eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, unabhängig von der Frage, ob der Beklagte schuldfähig war oder nicht. Die „einmalige Entgleisung“ des Beklagten zog sich über fast zwei Stunden hin, während derer der Beklagte 6 (!) Nachrichten auf dem Anrufbeantworter der Hausverwaltung mit antisemitischen Äußerungen hinterließ. Damit gewinnt die Vertragsverletzung eine derartige Intensität, die auch bei einem gegebenenfalls schuldunfähigen Störer den Vermieter zu einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt.

Eine Abmahnung vor Ausspruch der fristlosen Kündigung war nicht erforderlich. Sie ist bei schweren, Beleidigungen wie den vorliegenden entbehrlich. Etwas anderes kann dann angenommen werden, wenn die einmalige Beleidigung für sich betrachtet kein besonderes Gewicht hat und sich die Unzumutbarkeit erst aus der Wiederholung ergibt Schmidt-Futterer – Blank, Mietrecht, 7.A., § 554 a BGB, Rdn. 39).

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte hinsichtlich des Klageantrages zu 2), des Zahlungsantrages in Höhe von DM 265,29, unterlegen wäre. Aufgrund des voraussichtlichen Unterliegens des Beklagten hinsichtlich des Klageantrages zu 1), des Räumungsantrages, bei dem von einem Streitwert in Höhe von DM 11.544,- auszugehen ist (DM 962,- Nettomiete x 12 Monate; vgl. § 16 GKG) liegt jedenfalls ein überwiegendes Unterliegen des Beklagten vor. Gemäß § 92 Abs. 2 ZPO, welcher auch im Rahmen des § 91 a ZPO Anwendung findet (Zöller, Zivilprozeßordnung, 21.A., § 91 a ZPO, Rdn. 24) kann das Gericht der einen Partei die gesamten Prozeßkosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine besonderen Kosten verursacht hat. Hiervon macht das Gericht vorliegend Gebrauch, da ein Unterliegen der Klägerin deutlich unter 10 % der Klageforderung läge und keinen Kostensprung verursachen würde.

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