LG OLDENBURG
Az.: 16 S 72/11
Urteil vom 12.07.2011
Vorinstanz: AG Oldenburg Rhode, Az.: 7 C 7457/10
In dem Rechtsstreit hat die 16. Kammer des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 21.06.2011 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 21. Januar 2011 geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 747,80 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17. Mai 2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht die Zahlung einer Geschäftsgebühr für eine vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit. Die Parteien streiten darum, ob zwischen der Klägerin und … ein Anwaltsvertrag zustande gekommen ist. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag im ersten Rechtszug.
Die Klägerin beantragt, das Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 747,80 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17. Mai 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren Vortrag aus erster Instanz.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Beklagte ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts gemäß § 7 Abs. 1 StVG § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 249 BGB verpflichtet, den Unfallschaden der Frau S… auch in Form der zur Höhe unstreitigen Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit der Klägerin zu ersetzen; denn … hat mit der Klägerin einen wirksamen Anwaltsvertrag geschlossen. Die Klägerin macht diesen Anspruch zu Recht auf Grund einer wirksamen Abtretung geltend, § 398 BGB.
1.
Wie das Amtsgericht – den Vortrag der Klägerin unterstellend – zutreffend ausgeführt hat, hat … der Klägerin ein Angebot auf Abschluss eines Anwaltsvertrages dadurch unterbreitet, dass sie in den Räumen des Autohauses … ein Vollmachtsformular der Klägerin unterzeichnet hat. Die Unterzeichnung ist zwischen den Parteien nicht streitig. Dieses Angebot hat nicht etwa der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin des Autohauses als Vertreter/in der Klägerin für sie angenommen, sondern der/die Mitarbeiter/in hat es als Bote/in an die Anwälte weitergeleitet. Die Erteilung einer Vollmacht ist zwar von dem Abschluss eines Anwaltsvertrages zu unterscheiden. Die Vollmacht soll den Anwalt nur nach außen legitimieren und hat deshalb mit dem Verhältnis des Anwalts zu dem Mandanten nicht unbedingt etwas zu tun. Ihr kommt für das Mandatsverhältnis aber eine nicht nur unerhebliche Indizwirkung zu (BGH NJW 1971 1801; NJW 1978, 1003; NJW 1993, 1926). Der Anwalt muss die Unterzeichnung einer Vollmacht – auch – zur Regulierung von Unfallschäden als Antrag auf Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages verstehen, wenn – wie hier – zuvor Gespräche mit dem Auftraggeber nicht stattgefunden haben. Frau … muss sich auch an dem Inhalt der von ihr unterzeichneten Urkunde festhalten lassen. Es ist zunächst unerheblich, was sie erklären wollte; denn ihre Erklärung ist so auszulegen, wie ein verständiger Empfänger sie verstehen musste (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z.B. BGH NJW 2006, 3777). Selbst ohne Erklärungsbewusstsein liegt dann eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden konnte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH NJW-RR 2001, 1130). So liegt der Fall hier selbst dann, wenn man die nicht immer eindeutigen Bekundungen der Zeugin in der Beweisaufnahme erster Instanz der Entscheidung vollständig zu Grunde legt. Wenn … sich an dem Wortlaut nicht festhalten lassen wollte, hätte sie ihre eindeutige Erklärung ggf. wegen Irrtums oder Täuschung anfechten müssen. Das hat sie nicht getan; sie hat ihre Erklärung sogar mit einer vorformulierten Stellungnahme am 13. April 2010 bestätigt und an diesem Tag eine neue Vollmacht unterzeichnet.
Zur Annahme eines solchen Antrags auf Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages genügt es, wenn der Anwalt – wie hier – seine Tätigkeit aufnimmt. Der Zugang einer ausdrücklichen Annahmeerklärung ist gemäß § 151 Satz 1 BGB nicht erforderlich (vgl. BGH NJW-RR 2010, 257 für den Fall eines Maklervertrages).
Schließlich lässt sich aus den in erster Instanz vorgetragenen Tatsachen nicht ableiten, dass das Verhalten der Klägerin gegen Bestimmungen der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) verstößt und der Anwaltsvertrag aus diesen Gründen nicht ist (§ 134 BGB). Es verstößt weder gegen die Berufsordnung und die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) noch ist es sittenwidrig, wenn ein Rechtsanwalt das Mandat eines Unfallgeschädigten übernimmt, dem er von einem Autohaus empfohlen wurde (vgl. BGH NJW 2006, 2910, Teilziffern 25 ff.).
2.
Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3; 288 Abs. 1; 247 BGB. Eine Mahnung war für den Verzugseintritt entbehrlich, weil die Beklagte die begehrte Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat.
3.
Die Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
4.
Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ferner erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Alle maßgeblichen Rechtsfragen dieses Falles hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden.