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Arbeitgeberanteil Abführung an ausländische Sozialversicherung

BFH

Az.: VI R 11/01

Urteil vom: 18.05.2004


Leitsatz:

Arbeitgeberanteile, die ein inländischer Arbeitgeber für einen unbeschränkt steuerpflichtigen französischen Arbeitnehmer an eine französische Sozialversicherung entrichtet, sind Arbeitslohn, der nicht nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG von der Steuer befreit ist, wenn die Abführung auf vertraglicher Grundlage erfolgt.


Gründe:

I.
Streitig ist die Steuerfreiheit der Arbeitgeberanteile, die eine inländische GmbH für einen unbeschränkt steuerpflichtigen französischen Arbeitnehmer an eine französische Sozialversicherung entrichtet hat.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führt das Verfahren ihres verstorbenen Ehemannes –des Klägers und Revisionsklägers (Kläger)– fort. Der Kläger war französischer Staatsbürger. Im Streitjahr wohnte er mit der Klägerin im Inland und erzielte als Geschäftsführer einer inländischen GmbH (im Folgenden: GmbH) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die GmbH ist Tochtergesellschaft eines französischen Unternehmens.
Der Kläger war als leitender Angestellter („Cadre“) der Muttergesellschaft Pflichtmitglied der französischen Sozialversicherung geworden. Nach seinem Wechsel zur GmbH führte diese Renten- und sonstige Versicherungsbeiträge als Arbeitgeberpflichtleistungen und Arbeitnehmeranteile an die „Caisse de Prévoyance des Industries Métallurgiques, Mécaniques, Electriques et Connexes“ (Capimmec) ab, der sie mit Vertrag vom 11. August 1955 beigetreten war. Zusätzlich zahlte die GmbH für den Kläger pflichtgemäß Beiträge an die inländische Rentenversicherung. Der Kläger entrichtete darüber hinaus freiwillige Beiträge für eine private Kranken- und Unfallversicherung.
Der Kläger hielt die Arbeitgeberleistungen an die französische Sozialversicherung für steuerfrei nach § 3 Nr. 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) nicht.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 201 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, Sozialversicherungsbeiträge seien nach Sinn und Zweck des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG unabhängig von der Höhe immer dann steuerfrei, wenn sie wegen ihrer Bedeutung für den Arbeitnehmer gesetzlich angeordnet seien. Mit der Zahlung der Arbeitgeberanteile fließe dem Arbeitnehmer nach allgemeiner Ansicht kein Arbeitslohn zu. Es verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gleichheitsgebot, in der französischen Sozialversicherung pflichtversicherten Arbeitnehmern die Steuerbefreiung zu versagen, weil der Arbeitgeber seinen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) habe und durch ausländische Gesetze grundsätzlich nicht unmittelbar zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet werden könne. Darin läge außerdem eine europarechtswidrige Diskriminierung. Aus der Mitgliedschaft der GmbH in der französischen Sozialversicherung nach Angliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik folge eine bis heute bestehende gesetzliche Verpflichtung. Gegen die mit dem Vertrag vom 11. August 1955 begründete Folgerung des FG, dass es während der Einordnung des Saarlandes in die französische Rechts- und Wirtschaftsordnung eines rechtsgeschäftlichen Beitritts bedurft habe, werde ausdrücklich die Rüge mangelnder Sachaufklärung erhoben. Das FG sei zutreffend davon ausgegangen, dass den Sozialversicherungsbeiträgen an die französische Sozialversicherung ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag zugrunde gelegen habe. Ein solcher Vertrag habe die selben Auswirkungen wie eine gesetzlich normierte Mitgliedschaft und müsse daher ebenfalls zu einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG führen. Es verstoße im Übrigen gegen den Rechtsgrundsatz der Einzelfallgerechtigkeit, wenn die mangels Kündigungsmöglichkeit zu entrichtenden Pflichtbeiträge zur französischen Sozialversicherung nach einem Wechsel des Mitarbeiters zur deutschen Tochtergesellschaft nicht mehr steuerbefreit wären.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1994 vom 2. Mai 1996 und der Einspruchsentscheidung vom 5. März 1999 einen Betrag in Höhe von 45 891 DM als steuerfrei zu behandeln.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die an die französische Sozialversicherung abgeführten Arbeitgeberanteile als steuerpflichtiger Arbeitslohn des Klägers zu behandeln sind.

1. Zum Arbeitslohn gehören grundsätzlich auch Beiträge, die ein Arbeitgeber für die Zukunftssicherung eines Arbeitnehmers an einen Dritten leistet (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 16. April 1999 VI R 60/96, BFHE 188, 334, BStBl II 2000, 406, sowie VI R 66/97, BFHE 188, 338, BStBl II 2000, 408, m.w.N.). Denn die Zukunftssicherung fällt typischerweise in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers; finanziert sie der Arbeitgeber, wendet er Arbeitslohn zu.
a) Etwas anderes gilt für die gesetzlich geschuldeten Arbeitgeberanteile zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, wenn der einzelne pflichtversicherte Arbeitnehmer durch die Zahlung weder einen individuellen Mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs erfährt (BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 VI R 178/97, BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34).
b) Nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist. Das gilt auch –wie das FG zutreffend entschieden hat–, wenn die Verpflichtung auf ausländischen Gesetzen beruht (ebenso FG Baden-Württemberg vom 25. August 1992 11 K 54/88, EFG 1993, 136; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 3, Stichwort „Zukunftssicherungsleistungen“ unter b; R 24 Abs. 1 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien für vergleichbare Sozialversicherungsträger).
c) Erforderlich ist eine auf gesetzlicher Grundlage beruhende Verpflichtung des Arbeitgebers. Eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers genügt für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG nicht, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt. Sinn und Zweck der Regelung führen –entgegen der Auffassung der Klägerin– zu keiner anderen Auslegung. Das folgt aus dem Aufbau des § 3 Nr. 62 EStG. Danach ist zwischen der in Satz 1 geregelten Steuerbefreiung von Zukunftssicherungsleistungen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung des Arbeitgebers auf der einen Seite, und der in den Sätzen 2 ff. geregelten Steuerbefreiung von Zuschüssen des Arbeitgebers zu Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitnehmers auf der anderen Seite zu unterscheiden, wie das FG zutreffend ausgeführt hat. Leistet der Arbeitgeber aufgrund einer Verpflichtung des Arbeitnehmers, liegt der zuletzt genannte Fall vor (dazu im Folgenden unter d). § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG ist in diesen Fällen nicht anzuwenden.
d) Zuschüsse des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für bestimmte Formen der Zukunftssicherung sind nach § 3 Nr. 62 Sätze 2 und 4 EStG steuerfrei, wenn der Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden ist.
e) Die Feststellung und Auslegung ausländischen Rechts obliegt grundsätzlich dem FG (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1996 VI R 98/95, BFHE 180, 509, BStBl II 1996, 478; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 63; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 118 FGO Tz. 89). Das Revisionsgericht ist an die Feststellungen über Bestehen und Inhalt der Vorschriften nicht revisiblen Rechts wie an tatsächliche Feststellungen gebunden (§ 155 der Finanzgerichtsordnung –FGO– i.V.m. § 562 der Zivilprozessordnung –ZPO–).

2. Danach hat das FG zutreffend entschieden, dass die von der GmbH an die Capimmec gezahlten Arbeitgeberanteile Arbeitslohn des Klägers waren, der nicht nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG von der Steuer befreit war, weil die Abführung nicht auf gesetzlicher Grundlage erfolgt ist.
a) Das FG hat festgestellt, dass es sich bei der Arbeitgeberin des Klägers um eine deutsche GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland handelte. Dort war auch der Kläger im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses tätig. Zusätzlich hat es festgestellt, dass die GmbH der Capimmec mit Vertrag vom 11. August 1955 beigetreten ist. Diese Feststellungen sind nicht zu beanstanden; sie werden durch den klägerischen Vortrag bestätigt.
b) Das FG hat aus dem rechtsgeschäftlichen Beitrittsakt und dem Territorialprinzip abgeleitet, dass die Abführung der Arbeitgeberanteile an die französische Sozialversicherung die Capimmec nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung der GmbH beruhte. Diese Folgerungen des FG sind möglich und darüber hinaus nahe liegend.
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das FG nicht festgestellt, dass die GmbH die Arbeitgeberanteile aufgrund eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages abgeführt hat. Es ist lediglich von einer „entsprechenden Situation“ aufgrund des rechtsgeschäftlichen Beitritts der GmbH zur Capimmec ausgegangen, ohne einen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung entsprechenden hoheitlichen Akt festzustellen. Auf die Frage, ob eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung –entgegen der Ansicht des FG– eine auf gesetzlicher Grundlage beruhende Verpflichtung begründen kann, kommt es daher im Streitfall nicht an.
d) Für das FG bestand bei dieser Sachlage kein Anlass, durch Zeugenaussagen oder Anforderung schriftlicher Unterlagen zu überprüfen, ob es während der Einordnung des Saarlandes in die französische Rechts- und Wirtschaftsordnung eines rechtsgeschäftlichen Beitrittsaktes zur Capimmec bedurfte. Wenn die Klägerin dies für erforderlich hielt, hätte sie darlegen müssen, aus welchen –ggf. übergeleiteten– Rechtsvorschriften sich ihrer Ansicht nach eine Verpflichtung der GmbH zur Abführung der Arbeitgeberanteile ergeben habe. Das ist nicht geschehen. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung greift nicht durch.
e) Das FG hat die an die Capimmec abgeführten Arbeitgeberanteile zu Recht als Arbeitslohn des Klägers angesehen. Es handelte sich nicht um gesetzlich geschuldete Arbeitgeberanteile; die im BFH-Urteil in BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34 genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
f) Anhaltspunkte für einen Gleichheitsverstoß oder eine europarechtswidrige Diskriminierung, wie sie die Klägerin geltend macht, sind nicht ersichtlich.
Auf die Nationalität des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers kommt es für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG nicht an. Unerheblich ist auch, ob der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge auf Grund inländischer oder ausländischer Gesetze entrichten muss. Fehlt es jedoch an einer auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Verpflichtung des inländischen Arbeitgebers, weil er ausländischem Sozialversicherungsrecht nicht unterliegt, ist der Tatbestand des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG nicht erfüllt. Für die Frage der Diskriminierung kommt es dann nicht auf den Vergleich mit gesetzlich verpflichteten – ggf. ausländischen – Arbeitgebern, sondern mit anderen, ebenfalls gesetzlich nicht verpflichteten Arbeitgebern an, unabhängig davon ob sie ausländisch oder inländisch sind. Derartige Fälle werden jedoch gleich behandelt. Davon ist auch das FG ausgegangen.

3. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Sätze 2 und 4 EStG nicht eingreift, da der Kläger nicht von der Versicherungspflicht in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung befreit war. Es ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zu beanstanden, wenn die Pflichtbeiträge zur französischen Sozialversicherung in der Bundesrepublik – anders als ihren Angaben nach in Frankreich – nicht von der Steuer befreit sind. Denn der Kläger war – wie unstreitig ist – in der Bundesrepublik unbeschränkt steuerpflichtig. Seine Besteuerung nach den in der Bundesrepublik geltenden Regeln entsprach daher Recht und Gesetz.

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