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Arbeitgeberbeleidigung – Abmahnung


Landesarbeitsgericht Hamm

Az.: 3 Sa 1908/08

Urteil vom 24.06.2009


Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.10.2008 – AZ. 4 Ca 1314/08 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung zum einen, um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung auf Antrag der Beklagten zum anderen.

Der am 11.04.1962 geborene, verheiratete und für zwei Kinder unterhaltspflichtige Kläger ist seit dem 01.08.2000 bei der Beklagten beschäftigt.

Er erzielte zuletzt ein Bruttomonatseinkommen von 2.200,00 €.

Die Einstellung des Klägers erfolgte ursprünglich als stellvertretender Betriebsleiter, seit einem Zeitpunkt ca. 1,5 Jahre nach dem Beginn der Beschäftigung ist der Kläger als Tischler bei der Beklagten beschäftigt, wobei unter den Parteien streitig ist, aus welchen Gründen es zu einer abändernden Vereinbarung kam.

Die Beklagte produziert und vertreibt Strandkörbe; darüber hinaus vertreibt sie Gartenmöbel aus unterschiedlichen Materialien.

Sie beschäftigt regelmäßig ca. 30 Mitarbeiter.

Ein Betriebsrat besteht nicht.

Hinsichtlich der Arbeitszeit besteht unter den Parteien jedenfalls die Vereinbarung, dass die regelmäßige Arbeitszeit in der Zeit von montags bis freitags einer Woche acht Stunden beträgt, in den Monaten der Saison an diesen Tagen jedoch jeweils eine Stunde mehr gearbeitet wird. Ein entsprechendes Guthaben wird auf einem Arbeitszeitkonto erfasst.

Ob darüber hinaus eine generelle Verpflichtung zur Arbeit an Samstagen vereinbart war oder Arbeit an Samstagen immer nur mit Zustimmung des Klägers erfolgte, ist unter den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 04.04.2006 mahnte die Beklagte den Kläger wegen Nichterscheinens zur Arbeit am Samstag, dem 01.04.2006 ab.

Mit weiterem Schreiben vom 11.03.2008 mahnte die Beklagte den Kläger wegen eines Vorfalls vom 10.03.2008 ab. Gerügt wurde hierin, dass der Kläger telefonisch am 10.03.2008 mitgeteilt habe, mit einem Kind einen Arzt aufsuchen zu müssen und die Arbeit erst danach aufzunehmen. Der Kläger habe die Arbeit jedoch an diesem Tage nicht wieder aufgenommen und den Betriebsleiter auch nicht entsprechend informiert.

Mit Schreiben vom 12.03.2008 erhob der Kläger Gegendarstellung hiergegen und wies die Abmahnung vom 11.03.2008 ausdrücklich zurück. Ferner erklärte der Kläger, er sei der Meinung, dass hier „ein Abmahnungsmissbrauch vorliege und zwar in der groben Form einer absoluten Lüge“.

Mit Schreiben vom 10.04.2008 mahnte die Beklagte den Kläger wegen Führens von Privatgesprächen während der Arbeitszeit am 10.04.2008 ab.

Mit Schreiben vom gleichen Tage mahnte die Beklagte den Kläger des Weiteren ab, weil der Kläger die Teilnahme an Schautagen verweigere.

Mit Schreiben vom 26.04.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis sodann fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächst zulässigen Termin.

Anlass der Kündigung war der Umstand, dass der Kläger am 26.04.2008 die Arbeit gegen 09.30 Uhr eingestellt hatte.

Die außerordentliche Kündigung nahm die Beklagte mit Schreiben vom 26.05.2008 zurück.

Gegen die Wirksamkeit der Kündigungen wendet sich der Kläger mit der unter dem 07.05.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Unter dem Aktenzeichen 4 Ca 1124/08 Arbeitsgericht Bielefeld = 3 Sa 1907/08 führen die Parteien des Weiteren einen Rechtstreit über eine Verpflichtung des Klägers, an sogenannten Schautagen Bewertung von Kunden vorzunehmen. Das Arbeitsgericht hat eine solche Verpflichtung mit Urteil vom 22.10.2008 verneint. Die Berufung der Beklagten hiergegen ist vom Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.06.2009 zurückgewiesen worden.

Die Parteien führen des Weiteren vor dem Arbeitsgericht Rechtsstreite über ein Urlaubsbegehren des Klägers und eine Verpflichtung zur Arbeit an Samstagen.

Der Kläger hat die ausgesprochenen Kündigungen für unwirksam erachtet, da sich die Beklagte auf einen anzuerkennenden Kündigungsgrund nicht berufen könne.

Hinsichtlich der Arbeitszeit, so hat der Kläger behauptet, sei bei den Einstellungsgesprächen lediglich darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte einen Saisonbetrieb führe, es daher in den Sommermonaten notwendig sein könne, Mehrarbeit zu leisten. Weitere Erläuterungen und Erklärungen seien nicht abgegeben worden.

Hinsichtlich von Samstagsarbeit sei es im Betrieb der Beklagten so üblich gewesen, dass eine Liste ausgehangen habe, in der sich die Mitarbeiter für die Samstagsarbeit hätten eintragen können. Die meisten hätten in der Weise hiervon Gebrauch gemacht, dass sie sich während der Sommermonate alle 14 Tage in die Liste eingetragen hätten. Diese Praxis habe die Beklagte dann allerdings einseitig umgestellt und angeordnet, dass Samstagsarbeit geleistet werden müsse. So habe es Anfang/Mitte April 2008 die einseitige Anordnung gegeben, während der Saison habe jeder Arbeitnehmer in der Zeit von 07.00 Uhr bis 12.15 Uhr an Samstagen zu arbeiten.

Die Abmahnung vom 04.04.2006 hat der Kläger für unberechtigt erachtet, da überhaupt keine Arbeitsverpflichtung bestanden habe, er habe sich lediglich freiwillig bereit erklärt, am Samstag zusätzlich zu arbeiten. Er habe allerdings nicht erscheinen können, da seine Ehefrau wegen Erkrankung das Bett habe hüten müssen und er sich um seine beiden Kinder habe kümmern müssen.

Den Vorwurf aus der Abmahnung vom 11.03.2008 hat der Kläger bestritten.

Er sei nicht unentschuldigt der Arbeit fern geblieben, sondern habe vorher den Betriebsleiter L1 angerufen und entsprechend informiert. Unzutreffend sei jedoch, dass er diesem gegenüber erklärt habe, er werde nach dem Arztbesuch wieder zur Arbeit kommen. Nach dem Arztbesuch habe er der Beklagten auch eine entsprechende Arztbescheinigung zusammen mit der Gegendarstellung, insoweit unstreitig, übersandt.

Die Abmahnung vom 10.04.2008 betreffend Äußerungen gegenüber Kollegen sei unzutreffend, da er einem Kollegen gegenüber lediglich sinngemäß erklärt habe, dass auch er Schwierigkeiten mit dem Urlaub habe und sich deswegen in anwaltliche Beratung begeben habe.

Die weitere Abmahnung vom 10.04.2008 sei unberechtigt, da er arbeitsvertraglich nicht verpflichtet sei, an Schautagen teilzunehmen.

Auch für den 26.04.2005, so hat der Kläger die Auffassung vertreten, können ihm eine Pflichtverletzung nicht vorgeworfen werden.

Richtig sei, dass er sich freiwillig in die Liste für die Samstagsarbeit eingetragen habe. Er sei daher auch, insoweit unstreitig, pünktlich morgens um 07.00 Uhr erschienen. Auch mit Arbeit in der Vormontage stand in der Endmontage wie üblich habe er sich bereit erklärt, jedoch darauf hingewiesen, dass er wegen eines dringenden Termins an diesem Samstag nur bis 09.30 Uhr arbeiten könne. Der Meister habe diese Erklärung wortlos entgegen genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26.04.2008 weder fristlos aufgelöst worden ist, noch fristgerecht aufgelöst werden wird,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch sonstige Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist, sondern zwischen ihnen unverändert fortbesteht,

3. den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 30.06.2008, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin aufzulösen.

Die Beklagte hat zum einen die Kündigung für berechtigt erachtet.

Sie unterhalte einen Saisonbetrieb, sei daher in der Zeit von März bis etwas August/September eines jeden Jahres äußerst stark ausgelastet. Die Arbeitszeit sei daher so geregelt, dass in der Saisonarbeitszeit pro Tag eine Stunde länger und regelmäßig an Samstagen gearbeitet werde. Die Mehrstunden würden in den übrigen Monaten durch Freizeit ausgeglichen. Mit diesen Bedingungen sei der Kläger einverstanden gewesen.

Die ausgesprochenen Abmahnungen seien im Übrigen zu Recht ausgesprochen worden.

Für Samstag, den 01.04.2006 sei vereinbart gewesen, dass der Kläger arbeiten solle. Von dem jetzt vorgetragenen Entschuldigungsgrund höre sie zum ersten Mal, der Vortrag sei falsch.

Am 10.03.2008 sei der Kläger abredewidrig nicht zur Arbeit erschienen und habe sich, so hat die Beklagte hierzu behauptet, auch nicht entschuldigt. Er habe vielmehr ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, nach dem Arztbesuch wieder zur Arbeit zu kommen.

Die erste Abmahnung vom 10.04.2008 hat die Beklagte für berechtigt erachtet, da der Kläger, so hat sie hierzu behauptet, von sich aus während der Arbeitszeit den betreffenden Arbeitskollegen und auch andere Arbeitskollegen angesprochen habe und minutenlang auf sie ungefragt eingeredet habe, sie dabei aufgefordert habe, sich an die Urlaubsregelungen nicht zu halten und stattdessen zum Anwalt zu gehen.

Die weitere Abmahnung vom 10.04.2008 hat die Beklagte für berechtigt erachtet, da die auch mit dem Kläger vereinbarte Regelung bestehe, an Schautagen teilzunehmen.

Am 26.04.2008 schließlich habe der Kläger um 09.30 Uhr ohne jede Erklärung, erst Recht ohne jede Genehmigung die Arbeitsstätte verlassen. Insbesondere habe er nicht erklärt, wegen eines dringenden Termins nur bis 09.30 Uhr arbeiten zu können.

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Der Kläger setze auch sein störendes Verhalten fort, habe sich am 09.09.2008 erst nach einer Überlegenszeit bereiterklärt, beim Abladen eines LKW´s mitzuhelfen.

Jedenfalls den Auflösungsantrag hat die Beklagte für berechtigt erachtet, da der Kläger ihren Geschäftsführer und insbesondere dem Betriebsleiter in seiner Gegendarstellung vom 12.03.2008 eine „grobe Lüge“ vorgeworfen habe und diese Klärung nicht korrigiert habe.

Ferner stelle der Kläger den Sachverhalt in einigen Teilen falsch dar, wobei die falsche Darstellung nur bewusst sein könne. So habe der Kläger vorgetragen, sich am 26.04.2008 freiwillig in die Liste derjenigen Arbeitnehmer eingetragen zu haben, die am Samstag hätten arbeiten wollen. Eine solche Liste habe es am 26.04. aber nicht gegeben.

Ferner tue der Kläger so, als sei in der Vergangenheit immer freiwillig und nach Einzelabfrage am Samstag gearbeitet worden. Dies sei jedoch genau anders gewesen. Seit 1998 sei der Samstag regelmäßiger Arbeitstag gewesen.

Schließlich bestreite der Kläger den Vorfall den Vorfall vom 09.09.2008.

Mit Urteil vom 22.10.2008 hat das Arbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag des Klägers entsprochen, im Übrigen die Klage abgewiesen und des Weiteren den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei zum einen durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden. Gegen die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses spreche schon das Verhalten der Beklagten selbst, die dem Kläger, insoweit unstreitig, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses angeboten habe.

Auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei nicht wirksam.

Die Beklagte stütze diese Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe.

Der Kläger habe am Samstag, dem 26.05.2008 seine Arbeitspflicht schuldhaft durch Verlassen der Arbeitsstelle um 09.30 Uhr verletzt. Einen Entschuldigungsgrund habe er nicht vorgetragen.

Wegen eines gleich gelagerten Verhaltens sei der Kläger bereits am 04.04.2006 und 11.03.2008 abgemahnt worden, so dass der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung durchaus in Betracht komme. Es sei allerdings auch eine Interessenabwägung vorzunehmen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die erste Abmahnung vom 04.04.2006 zum Kündigungszeitpunkt bereits zwei Jahre zurückgelegen habe, daher in ihrer Wirkung verblasst sei. Hinzukomme, dass der Kläger sich aufgrund der Krankheit seiner Frau in einer Konfliktsituation befunden habe. Ähnliches gelte für die Abmahnung vom 11.03.2008. Unabhängig von einer Ankündigung der Arbeitsaufnahme durch den Kläger habe grundsätzlich die Pflicht bestanden, die Arbeit wieder aufzunehmen. Die in der Gegendarstellung vorgegebenen Argumente entlasteten den Kläger nicht. Es bleibe zwar bei dem Bestehen einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung insoweit, diese sei aber angesichts der gegebenen Situation nicht als besonders schwerwiegend anzusehen.

Hieran ändere sich auch nichts, wenn man die Abmahnung vom 10.04.2008 in die Überlegungen einbeziehe. Privatgespräche des Klägers stellten lediglich eine leichte Pflichtverletzung dar, die in keinem Zusammenhang mit den übrigen Fehlverhalten stehe. Eine Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an der Betreuung und Bewirtung von Gästen sei nicht gegebenen.

Hinsichtlich des weiteren Feststellungsantrages sei die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da kein weiterer Beendigungstatbestand vorgetragen sei.

Der Auflösungsantrag der Beklagten sei schließlich unbegründet. Zwar sei der Kläger kein unproblematischer Arbeitnehmer, der zudem rechtswidrig davon ausgehe, am Samstag nicht arbeiten zu müssen. Das für eine Kündigung nicht ausreichende Verhalten rechtfertige aber nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Auch die Tatsache, dass der Kläger den zwischen den Parteien streitigen Sachverhalt anders darstelle als die Beklagte, vermöge die Auflösung nicht zu rechtfertigen, da es um die Wahrnehmung berechtigter Interessen gehe. Auch der Umstand, dass der Kläger in der Gegendarstellung vom 12.03.2008 eine Abmahnung als grobe Form einer absoluten Lüge bezeichne, stelle keinen Auflösungsgrund dar. Sehe die Beklagte hierin eine Beleidigung, hätte sie den Kläger deswegen abmahnen können.

Gegen das unter dem 19.11.2008 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 16.12.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Sie rügt, die rechtliche Wertung zu den Kündigungsgründen durch das Arbeitsgericht werde dem Verhalten des Klägers und dem konkreten Fall nicht gerecht.

So sei das Arbeitsgericht zwar davon ausgegangen, dass der Kläger am 10.03.2008 gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe, habe jedoch zu seinen Gunsten unterstellt, dass sein Vortrag richtig gewesen sei und daher seine Pflichtverletzung nicht so schwer wiege.

Hinsichtlich der verweigerten Teilnahme an Schautagen habe das Gericht zu Unrecht eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung verneint.

Den entscheidenden Vorfall vom 26.04.2008 habe das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen ferner nicht weiter gewürdigt.

Richterweise sei maßgeblich, ob das unstreitige Fehlverhalten und das Gesamtverhalten des Klägers geeignet gewesen sei, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen. Verhaltensbedingte Leistungsstörungen seien kündigungsrelevant, wenn künftige Vertragsverstöße zu befürchten seien; solche seien immer dann zu befürchten, wenn der Arbeitnehmer einschlägig abgemahnt worden sei und es anschließend zu weiteren vertragswidrigen Verhalten komme.

Bewusst ehrverletzende Äußerungen, die konkret nachteilige betriebliche Auswirkungen hätten, rechtfertigen im Übrigen eine Kündigung. Insoweit habe es das Arbeitsgericht auch übersehen, dass diese Beleidigung fortwirke, weil sie zu keiner Zeit zurückgenommen, verziehen oder sonst geklärt sei.

Alle diese Gründe, die bereits die Kündigung rechtfertigten, führten ihrer Meinung nach erst Recht dazu, dem hilfsweise gestellten Auflösungsantrag stattzugeben. Auch insoweit habe das Arbeitsgericht übersehen, dass das vertragswidrige Verhalten des Klägers fortwirke.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im März 2006, nachdem sie einen Urlaubsantrag wegen bekannter Auftragslage abgelehnt habe, sich krank gemeldet habe. Erkennbar aber nicht krank gewesen sei.

In der gleichen Weise sei der Kläger zuletzt im Jahr 2009 vorgegangen. Hier habe das Arbeitsgericht sie verpflichtet, dem Kläger für Donnerstag, dem 09.04.2009 Urlaub zu gewähren. Als sie Arbeit, für Samstag, den 04.04.2009 angeordnet habe, habe der Kläger dann für diesen Tag, insoweit unstreitig, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt.

Nachdem des Weiteren ein Faxbrief des Beklagten-Vertreters vom 03.04.2009 mit der Bitte um Mitteilung eingegangen sei, ob der Kläger am 11.04.2009 arbeiten müsse, ihr Prozessbevollmächtigter in einem Telefonat am 06.04.2009 erklärt habe, Urlaub werde nicht freiwillig gewährt, habe der Kläger kurz danach an diesem Tage telefonisch mitgeteilt, er sei die ganze Woche über arbeitsunfähig.

Aus Sicht des Betriebsleiters sei eine normale Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr möglich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass er Gespräche mit ihm verweigere. Anweisungen komme er nur widerwillig nach ausdrücklichen Ermahnungen nach. Der Betriebsfrieden sei auch zwischen den Mitarbeitern ganz erheblich gestört. Am 31.05.2009 habe der Kläger im Unterschied zu anderen Arbeitnehmern ein Minus auf seinem Stundenkonto von 6,75 Stunden gehabt.

Insgesamt sei der Kläger nach seiner Persönlichkeit und seinem Verhalten nicht bereit, sich in den Betrieb einzuordnen. Eine Zusammenarbeit mit den ihm vorgesetzten Kollegen sei nicht mehr möglich.

Auf Nachfrage hat die Beklagte insoweit erklärt, die zuletzt im Schriftsatz vom 15.06.2009 dargestellten Gründe, seien sowohl zur Begründung der Kündigung, als auch zur Begründung des Auflösungsantrages heranzuziehen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.10.2008 teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 30.06.3008, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin aufzulösen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten und den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Er verbleibt bei seiner Auffassung, die streitbefangene Kündigung sei unwirksam. Die Ausführungen der Beklagten seien reine Wiederholungen, die einer Kommentierung nicht bedürften.

Unzutreffend sei dabei der Vorwurf, dass Arbeitsgericht habe sich mit dem Vorfall vom 26.04.2008 nicht auseinandergesetzt.

Hierzu habe das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt, dass dieser Vorfall die Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöge. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass er seiner Meinung nach aus Rechtsgründen berechtigt gewesen sei, die Arbeit an diesem Tage gegen 09.30 Uhr einzustellen. Die geforderte Weiterarbeit verstoße gegen § 3 ArbZG. Als er an diesem Tage die Arbeit beendet habe, habe er die gesetzlich zulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden bis auf höchstens 1/2 Stunde bereits erreicht gehabt. Unabhängig davon sei die Arbeit an diesem Tag freiwillig gewesen.

Hinsichtlich des Vorfalls vom 01.04.2006 sei zu ergänzen, dass es aus seiner Sicht auch an diesem Tage um überobligatorische Mehrarbeit gegangen sei, so dass er es nicht für zwingend erforderlich angesehen habe, mitzuteilen, dass er nicht zur Arbeit kommen könne.

Den Auflösungsantrag hält der Kläger schon wegen des vereinbarten Prozessbeschäftigungsverhältnisses für unbegründet.

Auch der Vortrag zum Osterurlaub 2009 sei weitestgehend erfunden. Die Beklagte sei es gewesen, die versucht habe, die arbeitsgerichtliche Entscheidung über die Urlaubsgewährung für den 09.04.2009 zu hintergehen, in dem sie abweichend von der Praxis der Vorjahre für Ostersamstag, den 11.04.2009 Arbeit angeordnet habe. Der Durchführung eines Verfahrens habe nur der Umstand entgegengestanden, dass er bei Rücksprache erklärt habe, ohnehin erkrankt zu sein und daher nicht in Urlaub fahren zu können. Zudem sei, insoweit unstreitig, auf Veranlassung der Beklagten seine Arbeitsunfähigkeit überprüft worden, dabei sei festgestellt worden, dass die Krankschreibung zu Recht erfolgt sei.

Schließlich seien auch die Ausführungen der Beklagten zu seinem Stundenkonto unzutreffend. Hierüber gebe es eine weitere Auseinandersetzung, er habe seiner Meinung nach den Abschluss des Monats Mai 2005 ein Guthaben von 35,25 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gehabt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

A.

Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.

Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 c) ArbGG.

Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.

B.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten nicht aufgelöst worden ist.

Ebenso zutreffend hat das Arbeitsgericht den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen.

I.

Über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 26.04.2008 war nicht mehr zu befinden, da unter den Parteien Einigkeit darüber besteht, dass die Beklagte mit der „Rücknahme“ der Kündigung ein Angebot dahingehend abgegeben hat, dass das Arbeitsverhältnis über den Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung fortbestehen soll und der Kläger ein solches Angebot angenommen hat.

II.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aber auch nicht durch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten aufgelöst worden.

Die ordentliche Kündigung der Beklagten ist rechtsunwirksam, da sie sozial ungerechtfertigt i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist.

1. Gemäß § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

Für die Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung kommt es auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung an (BAG 28.04.1988, EzA BGB § 613 a Nr. 80; BAG 27.11.2003, EzA BGB 2002 § 626 Krankheit Nr. 1)

2. Nach § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung unter anderem dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.

Ein die Kündigung rechtfertigender Grund liegt in der Regel vor, wenn es um das Verhalten eines Arbeitnehmers geht, durch das das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird (BAG 06.02.1969, EzA BGB § 626 Nr. 11; BAG 20.09.1984, EzA BGB § 626 n.F. Nr. 91).

Eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung ist in der Regel sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht, in der Regel schuldhaft, in erheblicher Weise verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung nicht besteht und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der beiderseitigen Interessen billigenswert und angemessen erscheint. Es gilt dabei das Prognoseprinzip: die Kündigung ist keine Sanktion für vergangene Pflichtverletzungen, sondern Vermeidung des Risikos weiterer Verletzungen, so dass sich die Pflichtverletzung auch künftig noch belastend auswirken muss (BAG 13.12.2007, 2 AZR 818/06).

Als verhaltensbedingte Gründe für eine Kündigung kommen dabei regelmäßig solche in Betracht, die der Arbeitnehmer bei der Erbringung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten, insbesondere bei der Erbringung der Arbeitsleistung herbeigeführt hat ( BAG 26.06.1969, AP KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6).

Diese müssen im Unterschied zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB nicht so schwerwiegend sein, dass sie für den Arbeitgeber die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung begründen; vielmehr genügen solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Umstände, die bei verständiger Würdigung unter Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen ( BAG 07.10.1954, AP KSchG § 1 Nr. 5 ). Es kommt daher nur ein solcher Umstand in Betracht, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG 02.11.1961, KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 3)

3. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte lässt sich die streitbefangene Kündigung der Beklagten mit keinem der angegebenen Gründe rechtfertigen.

a. So können zum einen solche Verhaltensweisen des Klägers nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen werden, die sich nach deren Zugang zugetragen haben, weil eine Kündigung nur auf Umstände gestützt werden kann, die vor Zugang der Kündigung vorgelegen haben.

Die Kündigung lässt sich daher von vorneherein nicht begründen mit einer Teilnahme am Abladen eines LKW´s erst nach Überlegungszeit, einer Kontrolle der Arbeitsweisen des Kollegen, zumal die Beklagte dies lediglich zum Anlass einer Abmahnung vom 22.06.2009 genommen hat und mit einer behaupteten Arbeitsfähigkeit des Klägers im Zusammenhang mit Urlaub im April 2009.

Gleiches gilt für die Verursachung von Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto, wobei ohnehin nicht zu erkennen ist, welche Pflichtverletzung dem Kläger insoweit vorgeworfen werden kann.

b. Soweit die Beklagte nunmehr davon ausgeht, der Kläger sei im März 2006 im Zusammenhang mit einem Urlaubsantrag nicht arbeitsunfähig gewesen, fehlt schon ein ausreichend substantiierter Vortrag, nach dem davon auszugehen ist, dass der Beweiswert des vom Kläger eingereichten ärztlichen Attestes erschüttert war.

Wenn die Beklagte darüber hinaus mehr als zwei Jahre nicht auf diesen Vorfall reagiert hat, hat sie zudem ihr Kündigungsrecht bezogen auf diesen Kündigungsgrund verwirkt, da sie durch fehlende Reaktion dem Kläger zu erkennen gegeben hat, dass sie eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung nicht als gegeben ansieht, diese für sie für sie zumindest nicht so schwerwiegend ist, als dass sie eine Kündigung hierauf stützen wollte.

c. Die Nichtteilnahme des Klägers an Bewirtschaftungen von Kunden anlässlich von Schautagen stellt keine Pflichtverletzung des Klägers dar.

Die hat das Landesarbeitsgericht mit Urteil im Parallelverfahren 3 Sa 1907/08 in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht festgestellt.

d. Auch das Führen von Privatgesprächen mit Arbeitskollegen während der Arbeitszeit im Zusammenhang mit Urlaubsgewährungen konnte die Beklagte die Kündigung in gleicher Weise nicht stützen.

Erteilt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund seines Verhaltens eine Abmahnung, gibt er damit konkludent zu erkennen, dass er hinsichtlich der Gründe, die Gegenstand der Abmahnung waren, auf ein Kündigungsrecht verzichtet. Eine nachfolgende Kündigung kann er nicht auf die schon abgemahnten Gründe stützen, sondern hierauf nur dann unterstützend zurückgreifen, wenn weitere kündigungsrechtlich erhebliche Umstände eintreten oder ihm nachträglich bekannt werden (BAG 10.11.1988, EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 18; BAG 26.08.1993, EzA ZPO § 322 Nr. 9; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rz. 38, 39).

Nachfolgende Fälle, die auf der gleichen Ebene der vertraglichen Pflichten des Klägers liegen, hat die Beklagte selbst nicht behauptet.

e. Die Kündigung lässt sich des Weiteren nicht auf die Wortwahl des Klägers in der Gegendarstellung vom 12.03.2008 zur Abmahnung vom 11.03.208 stützten.

aa) Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter oder Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und sind an sich geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Dabei schützt das Grundrecht der Meinungsfreiheit weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Arbeitnehmer sind zwar berechtigt, unternehmensöffentlich auch Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu äußern, unter Umständen auch in überspitzter oder polemischer Form; in groben Maße unsachliche Angriffe, die unter anderem zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber demgegenüber nicht hinnehmen (BAG 26.05.1977, EzA BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2; BAG 21.01.1999, EzA BGB § 626 n.F. Nr. 178; BAG 10.10.2002 EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr.1 )

Dabei kann auch eine einmalige Ehrverletzung kündigungsrelevant sein und ist umso schwerwiegender zu bewerten, je unverhältnismäßiger und überlegter sie erfolgte (BAG 10.10.2002, a.a.O.).

Die Form einer groben Beleidigung liegt dabei dann vor, wenn es sich um eine besonders schwere, kränkende Beleidigung handelt, wenn eine bewusste und gewollte Ehrkränkung aus gehässigen Motiven damit verbunden ist (BAG 18.07.1957, EzA GewO § 124a Nr. 1).

bb) Der Beklagten ist in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht einzuräumen, dass der Kläger von einer deutlich überzogenen Wortwahl Gebrauch macht.

Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass der Kläger diese Wortwahl im Zusammenhang mit seiner Auffassung trifft, keine Pflichtverletzung begangen zu haben, weil er die Schilderung der Beklagten zur Begründung der Abmahnung für unzutreffend hält.

Im Übrigen ist insoweit zu berücksichtigen, dass dieses Schreiben nur für die Personalakte gedacht war und außerhalb des Empfängers nicht für Dritte gedacht war. Das Verhalten des Klägers stellt sich danach jedenfalls als abmahnfähig dar.

Eine Abmahnung ist nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts immer dann vor Ausspruch der Kündigung erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG 04.06.1997, EzA BGB § 626 Nr. 168).

Mit dieser Rechtsprechung wird die Prüfung des Abmahnungserfordernisses den Grundsätzen unterworfen, wie die Rechtsprechung sie zur Kündigung bei Störungen im Leistungsbereich bereits entwickelt hatte.

Das Vorliegen einer vergeblichen Abmahnung ist daher regelmäßig im Falle der Störungen im Leistungsbereich des Arbeitnehmers erforderlich.

Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. BAG 09.08.1984, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 11).

Darunter werden alle Störungen im Bereich der gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag – Arbeitsleistung und Vergütungspflicht – verstanden (BAG 12.07.1984, EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 57).

Fehlt es in einem solchen Fall an einer Abmahnung, so ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als entbehrlich angesehen werden durfte (BAG 18. 01.1980, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7)

Unter Berücksichtigung dieser Umstände stellte sich die Wortwahl des Klägers nicht als ein solch schwerwiegender Verstoß gegen Umgangsformen im Verhältnis zum Arbeitgeber und zu Vorgesetzten dar, der im Einzelfall ohne vorhergehende Abmahnung ausreichend war, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

f. Schließlich lässt sich die Kündigung nicht mit einem unberechtigten Fernbleiben des Klägers von der Arbeit nach vorausgegangenen Abmahnungen rechtfertigen.

aa) Ein unbefugtes Fernbleiben ist ebenso wie ein unbefugtes vorzeitiges Verlassen der Arbeit an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses abzugeben, wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits erfolglos abgemahnt worden ist (BAG 24.11.1983, EzA BGB § 626 n.F. Nr. 88 ).

Ein unbefugtes Fehlen des Arbeitnehmers stellt regelmäßig eine erhebliche Pflichtverletzung eines Arbeitnehmers dar, die kündigungsrelevant ist (BAG, 13.03.2008, EZA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73).

bb) Vorliegend hat die Beklagte den Kläger zu Recht unter dem 04.04.2006 wegen unberechtigten Fernbleibens von der Arbeit am 01.04.2006 abgemahnt.

Ungeachtet einer generellen Verpflichtung zur Ausübung von Samstagsarbeit bestand an diesem Tag jedenfalls eine Arbeitspflicht des Klägers, weil der Kläger sich nach seiner Version freiwillig hierzu bereiterklärt hatte. Damit ist jedenfalls eine Vereinbarung der Parteien zustande gekommen, dass an diesem Tage eine Arbeitspflicht des Klägers bestand.

Einen rechtfertigenden Grund für das Fernbleiben von der Arbeit an diesem Tage hat der Kläger nicht in ausreichend substantiierter Weise angegeben. Es liegt kein Vortrag des Klägers vor, aus dem zu ersehen ist, dass ihm eine Arbeitsaufnahme am 01.04.2006 wegen der Betreuung seiner Kinder nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Der Kläger ist nach Auffassung der Kammer des Weiteren zu Recht unter dem 11.03.2008 abgemahnt worden, weil er nach dem Arztbesuch die Tätigkeit bei der Beklagten nicht wieder aufgenommen hat.

Auch insoweit lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht in ausreichender Weise entnehmen, dass eine Fallgestaltung am 10.03.2008 vorlag, die ihm eine Wiederaufnahme der Tätigkeit nach dem Arztbesuch unmöglich oder unzumutbar machte.

Schließlich war der Kläger nicht berechtigt, die Arbeit am 26.04.2008 um 09.30 Uhr einzustellen.

Auch an diesem Tage hatte sich der Kläger ungeachtet einer generellen Verpflichtung zur Samstagsarbeit jedenfalls in eine Liste für diese Arbeit eingetragen und damit eine Vereinbarung mit der Beklagten getroffen, nach der an diesem Tage Arbeitstätigkeit abzuleisten war.

Gründe, die den Kläger berechtigten, die Arbeit ab 09.30 Uhr wegen eines dringenden Termins einzustellen, sind seinem Vorbringen nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus war der Kläger aber auch nicht aus Gründen des Arbeitszeitschutzes berechtigt, die Tätigkeit um 09.30 Uhr oder eine 1/2 Stunde später einzustellen.

Entgegen der Annahme des Klägers legt § 3 ArbZG nicht einen generellen Höchstumfang einer wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden fest. § 3 ArbZG stellt zwar regelmäßig im Rahmen einer 6-Tage-Woche bei einer regelmäßigen täglichen Arbeitszeit auf 48 Stunden ab; es besteht lediglich eine Ausgleichspflicht bei Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit auf maximal zehn Stunden innerhalb eines vorgegebenen Ausgleichszeitraums. Danach muss jede Arbeitszeit, die über acht Stunden werktäglich als regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht, innerhalb eines Ausgleichszeitraums durch entsprechend kürzere Arbeitszeit an einem anderen Werktag ausgeglichen werden.

Bei sechs Werktagen pro Woche errechnet sich daher für den einzelnen Arbeitnehmer eine höchst zulässige Wochenarbeitszeit von 60 Stunden (Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 2. Auflage, § 3, Rn. 25).

Der Kläger war daher nicht berechtigt, aus Gründen des Arbeitszeitschutzes am Samstag die Arbeit nach 2,5 Stunden einzustellen.

cc) Die Kammer will nicht verkennen, dass der Kläger damit innerhalb von rund zwei Jahren in drei Fällen unberechtigt der Arbeit ferngeblieben ist und bereits zweimal einschlägig daher abgemahnt worden ist.

Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass ein unbefugtes Fernbleiben des Klägers von der Arbeit am 10.03.2008 nicht in vollem Umfang eines Arbeitstages vorlag, sondern lediglich für Zeiten, die nach Durchführung des Arztbesuches noch angefallen wären.

Desgleichen ist in weiterer Weise zu berücksichtigen, dass der Kläger auch am 26.04.2008 seine Arbeit nur teilweise nicht vertragsgemäß ausgeführt hat.

In Anbetracht der Betriebszugehörigkeit von acht Jahren zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung war die Kammer daher in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht der Auffassung, dass nicht unerhebliche Pflichtverletzungen des Klägers vorlagen, es gleichwohl aufgrund der dargestellten besonderen Umstände des Einzelfalls der Beklagten noch einmal zuzumuten war, den zur Kündigung zum Anlass genommenen Vorfall vom 26.04.2008 ohne Kündigung hinzunehmen.

III.

Dem Arbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Antrag der Beklagten aufzulösen war.

1. Gemäß § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG ist das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers dann aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

2. Als Auflösungsgründe kommen nur solche in Betracht, die das persönliche Verhältnis, die Wertung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben oder das Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen (BAG 14.10.1954, AP KSchG § 3 Nr. 6; BAG 10.10.2002, EzA KSchG § 9 n.F. Nr. 46 ), wobei es allerdings nicht erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer diese schuldhaft herbeigeführt hat; es kommt vielmehr auf die objektive Lage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an ( BAG 30.06.1959, AP KSchG § 1 Nr. 56 ; BAG 23.06.2005, EzA KSchG § 9 n.F. Nr. 52 ).

Auch das Prozessverhalten der Parteien während des Kündigungsschutzprozesses ist ein Umstand, der für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses in Betracht zu ziehen ist. Einer Partei, die am Arbeitsverhältnis festhalten will, ist zuzumuten, eine Prozessführung an den Tag zu legen, durch die die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht überschritten wird (BAG 25.11.1982, EzA KSchG § 9 n.F. Nr. 15).

Als Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen, können auch Gründe geeignet sein, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen. Dann müssen jedoch noch zusätzliche Tatsachen vorgetragen werden, da es bei der nach § 9 Absatz 1 Satz 2 anzustellenden Vorausschau nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag ankommt (BAG 30.09.1976, EzA KSchG § 9 n.F. Nr. 3; BVerfG, 11.10.2004, EzA KSchG § 9 n.F. Nr.49 ).

Die Kündigungsgründe können jedoch geeignet sein, den sonstigen Auflösungs-gründen besonderes Gewicht zu verleihen (BAG 23.06.2005, EzA KSchG § 9 n.F. Nr. 52).

Als Auflösungsgründe kommen jedoch regelmäßig nur solche Umstände in Betracht, die in einem inneren Zusammenhang zu der vom Arbeitgeber erklärten Kündigung stehen oder die im Laufe des Kündigungsrechtsstreits entstanden sind (BAG 19.08.1982, EzA KSchG § 9 n.F.Nr. 14; KR-Spilger, § 9 KSchG, Rz. 41).

3. An die Auflösungsgründe sind strenge Anforderungen zu stellen, weil auch die Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers eine Ausnahme von dem vom Gesetz als Regel erstrebten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ist (BAG 14.05.1987, EzA KSchG § 9 n.F. Nr.20; BAG 10.10.2002, EzA KSchG § 9 n.F. Nr. 46; BVerfG, 11.10.2004, EzA KSchG § 9 n.F. Nr.49).

4. Dabei muss derjenige, der einen Auflösungsantrag stellt, wie auch sonst die für seinen Antrag notwendigen Tatsachen vortragen und nötigenfalls beweisen (BAG, Urteil v. 30.09.1976, EzA KSchG § 9 n.F. Nr. 3).

Erforderlich für den Auflösungsantrag des Arbeitgebers ist der Vortrag von greifbaren Tatsachen, die so beschaffen sind, dass sie eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Allgemeine Wendungen genügen nicht (BAG 30.09.1976, EzA KSchG § 9 n.F. Nr. 3).

5. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind dem Vorbringen der Beklagten keine Tatsachen zu nehmen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lassen.

a. Allein die Kündigungsgründe sind danach nicht ausreichend, eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwarten zu lassen, da es des Vortrages zusätzlicher Tatsachen bedarf, warum bei der erforderlichen Vorausschau im Rahmen des Auflösungsantrages eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten ist.

b. Auf eine Nichtteilnahme bei der Bewirtschaftung an Schautagen lässt sich der Auflösungsantrag schon deswegen nicht stützen, weil eine Verpflichtung des Klägers hierzu nach der Feststellung im Verfahren 3 Sa 1907/08 nicht besteht.

c. Ein behaupteter Minusstand auf dem Arbeitszeitkonto lässt sich zur Begründung eines Auflösungsantrages schon deswegen nicht heranziehen, weil in keiner Weise erkennbar ist, dass ein solcher Stand durch pflichtwidrige Handlungen des Klägers in irgendeiner Weise entstanden ist.

d. Auf unrichtige Sachvorträge des Klägers zur Verpflichtung der Samstagsarbeit lässt sich der Auflösungsantrag des Weiteren nicht stützen.

Zwar kann auch ein Prozessverhalten der Parteien während eines Kündigungsschutzprozesses ein Umstand sein, der für die Auflösung möglich ist, der Arbeitnehmer eine Prozessführung an den Tag zu legen hat, der der Wahrnehmung berechtigter Interessen entspricht.

Vorliegend scheitert der Vorwurf unwahren Prozessvortrages schon daran, dass die Beklagte keinen substantiierten Vortrag dafür erbracht hat, dass grundsätzlich mit dem Kläger eine Arbeit an Samstagen vereinbart war, so dass sich der Vortrag des Klägers schon gar nicht als unrichtig darstellt.

e. Die Beteiligung an der Abladung eines LKW´s, die nach der Behauptung der Beklagten erst nach einer Überlegungszeit erfolgte, ist allenfalls eine derart geringfügige Pflichtverletzung, dass sie weder allein, noch im Zusammenhang mit anderen Gründen geeignet ist, die Erwartung einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit zu verneinen.

f. Hinsichtlich der überzogenen Äußerungen in der Gegendarstellung vom 12.03.2008 gelten die Ausführungen zur fehlenden Berechtigung einer Kündigung deswegen in gleicher Weise. Allein die einmalige, nach der Wortwahl überzogenen Abwehr eines Vorwurfs ist insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen sind, kein Umstand, der der Erwartung einer dienlichen Zusammenarbeit entgegensteht.

g. Schließlich lässt sich der Auflösungsantrag nicht mit einer Verhaltensweise des Klägers im Zusammenhang mit der Urlaubsgewährung um Ostern 2009 rechtfertigen.

Die Beklagte schildert zwar einen Sachverhalt, ohne jedoch erkenntlich zu machen, was den Kläger in diesem Zusammenhang als mögliche Pflichtverletzung vorgeworfen werden soll, die einer betriebsdienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen soll.

C.

Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

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