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Arbeitnehmer: Fotoreporter einer Zeitungsredaktion


BAG

Az.: 5 AZN 154/98

Beschluss vom 16.06.1998

Vorinstanz:

I. Arbeitsgericht Dresden, Az.: 6 Ca 8505/96 (Teilurteil vom 15.04.1997)

II. Sächsisches Landesarbeitsgericht, Az.: 3 Sa 627/97 (Urteil vom 14.11.1997)


Leitsatz:

Pauschal bezahlte Fotoreporter einer Zeitungsredaktion können Arbeitnehmer sein, wenn sie – u.a. durch Dienstpläne – derart in den Arbeitsablauf eingebunden sind, daß sie faktisch die Übernahme von Fototerminen nicht ablehnen können (Abgrenzung zu BAG Beschluß vom 29. Januar 1992 – 7 ABR 25/91 – AP Nr. 47 zu § 5 BetrVG 1972 mit Anm. Wank).


In Sachen … hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 16. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter Griebeling, die Richter Dr. Reinecke und Kreft sowie die ehrenamtlichen Richter Ackert und Mandrossa beschlossen:
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. November 1997 – 3 Sa 627/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 16.500,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Der Kläger war von September 1990 bis Ende des Jahres 1992 bei der beklagten Verlagsgesellschaft als angestellter Bildreporter für die C beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. März 1993 trafen die Parteien eine Vereinbarung, derzufolge der Kläger als „freier Fotograf“ für die Beklagte tätig wurde. Der Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:
㤠2
Der Verlag verpflichtet sich vom Fotografen mindestens 80 Fo-tos pro Monat abzunehmen. Hierfür wird pauschaliert eine Summe vom 5.500,00 DM monatlich zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer festgelegt. Mit dieser Summe ist auch eine höhere Anzahl abgegolten.

§ 3
Dem Fotografen ist bekannt, daß mit dem Honorar – und der Erstattung möglicher Aufwendungen – sämtliche Kosten und Leistungen des Partners – insbesondere nutzungsrechtlicher Art – abgegolten sind. Der Fotograf ist verpflichtet, seine Werkleistungen an bis zu fünf Tagen pro Woche zu erbringen. Sollte er im Einzelfalle darüber hinaus eingesetzt werden, hat der Fotograf das Recht, in der Folgezeit an einer entsprechend verringerten Wochentagszahl zur Verfügung zu stehen. Es steht dem Verlag frei, mit dem Fotografen eine angemessene Abgeltungsregelung zu vereinbaren.
§ 4
Für die Entwicklung der Schwarz-weiß-Filme sowie zur Anfertigung der Abzüge hat der Fotograf sein eigenes Labor in eigenen Räumen zu nutzen. Der Verlag wird den Fotografen – soweit möglich und praktikabel – unterstützen. Für die Benutzung der Labortechnik – Geräte und Chemikalien – des Verlags wird eine Kostenpauschale in Höhe von DM 300,00 erhoben. Die Kosten für Filme trägt der Fotograf. Gleiches gilt für die gesamte Fotoausrüstung. Der Verlag wird dem Fotografen jedoch 80 Filme pro Monat unentgeltlich zur Verfügung stellen.
§ 5
Der Fotograf ist selbständiger Unternehmer. Er unterliegt keinen Weisungen und bestimmt seine Arbeitszeit in voller Selbständigkeit. Er ist jedoch verpflichtet, im Rahmen betrieblicher Prioritäten freie Arbeitskapazitäten bereit zu halten.
Der Fotograf kann die Dienste auch durch Dritte erbringen lassen, soweit diese Dritten zuvor dem Verlag vorgestellt und von diesem schriftlich als geeignet akzeptiert worden sind. Der Verlag wird Dritte akzeptieren, wenn der Fotograf deren fachliche Eignung und Verlässlichkeit nachweist.

Die zu erbringenden Leistungen werden durch den Verlag zu erteilenden Aufträgen konkretisiert.
Er wird Absagen oder notwendige Terminverschiebungen jeweils unverzüglich und verbunden mit einem konkreten Gegenvorschlag mitteilen und der Bearbeitung angenommener Aufträge gegenüber anderen Aufgaben Priorität einräumen.
Der Auftraggeber, der durch seinen verantwortlichen Redakteur oder dessen Beauftragten handelt, gibt einen Motiv- oder Formatwunsch vor. Ansonsten ist der Fotograf im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens bei der Motiv- und Formatwahl frei.

§ 7
Der Fotograf räumt dem Verlag für alle erstellten Beiträge (Text und Bild) im Auftrag des Verlags ein zeitlich, räumlich und sachlich unbeschränktes, ausschließliches Nutzungsrecht an sämtlichen Urheber- und Leistungsschutzrechten ein.

§ 8
Dem Fotografen steht ein bezahlter Freistellungsanspruch von 24 Tagen im Jahr zu.
Ausfallzeiten (z. B. Freizeit und Erholung, Krankheit), die nicht zu vergüten sind, wird der Fotograf dem Verlag frühestmöglich mitteilen. Zeiten zur Erholung sollen dem Verlag jedenfalls zwei Monate vorab angekündigt werden.
§ 9
Der Fotograf ist derzeit nicht für Wettbewerber des Verlages tätig.
Falls der Fotograf beabsichtigt, für Wettbewerber des Verlages tätig zu werden, wird er den Verlag zuvor schriftlich konsultieren.
…“
Bei der C wurden insgesamt vier Bildreporter, davon – einschließlich des Klägers – zwei „freie“ Reporter und zwei angestellte Reporter beschäftigt. Die einzelnen Aufträge wurden vom Fotochef der Redaktion den einzelnen Fotoreportern zugeteilt. Der Kläger trug sich in einen Dienstplan ein.
Der Kläger hat u.a. die Feststellung begehrt, seit dem 1. März 1993 als angestellter Fotograf in einem Arbeitsverhältnis zu stehen. Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil diesem Antrag entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die Beklagte behauptet, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung „folgende Rechtsgrundsätze“ zugrunde gelegt:
„- Die Art der Tätigkeit und der Umfang der nach der Vereinbarung zu erbringenden Leistung ließen eigene Dispositionen des Klägers über seine Arbeitszeit kaum zu. Da der Kläger mindestens 80 Fotos im Monat abzuliefern hatte, mußte er in der Regel für die Redaktionsarbeit zur Verfügung stehen. Da die, wenn auch formal unverbindlichen, Dienstpläne über Jahre hinweg durchgeführt wurden, müssen sie als regelmäßig verbindlich angesehen werden. Das dem Kläger eingeräumte Recht, Einsätze gelegenlich abzulehnen, kann die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht ausschließen.
– Die Fotoaufträge an den Kläger waren so gelagert, daß eine Disposition des Klägers über die zeitliche Erledigung nicht mehr möglich war. In der Regel mußte sich der Kläger dem Reporter anschließen. Die Fotos wurden noch am selben Tage benötigt.
– Für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht auch die nur geringere gestalterische Freiheit des Klägers in Erledigung der ihm übertragenen Arbeiten. Die Aufträge an ihn bestanden in der Regel darin, ein bestimmtes Tagesereignis im Bild festzuhalten. Hierbei mußte er sich naturgemäß dem Thema des von der Redaktion beschlossenen Berichts anpassen.
– Bereits nach der Vereinbarung vom 25. Februar 1993, schließlich aber im Hinblick auf die praktische Durchführung kann die Beklagte innerhalb eines bestimmten engen zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung des Klägers verfügen. Hieran ändert sich nichts dadurch, daß § 5 der Vereinbarung auch von „Absagen oder notwendigen Terminverschiebungen“ des Klägers spricht. Denn die Beklagte ist darauf angewiesen, daß immer eine bestimmte Zahl von Fotoreportern, seien diese als Angestellte oder als freie Mitarbeiter geführt, zur Verfügung steht.
– Für die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers spricht auch, daß es diesem verwehrt war, die von ihm gelieferten Fotos in anderer Weise zu verwerten.“
Die Beklagte räumt ein, daß diese Ausführungen nicht als abstrakte Rechtssätze formuliert sind, maßgebend sei aber eine inhaltliche Divergenz. Diese sei gegeben. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts beruhten im Schwerpunkt auf der Annahme, daß der Kläger keine Disposition über seine Arbeitszeit und nur eine geringe gestalterische Freiheit bei der Erledigung der ihm übertragenen Fotoarbeiten habe. Demgegenüber habe der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 29. Januar 1992 – 7 ABR 25/91 – EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 52) entschieden, daß verbindliche Vorgaben hinsichtlich der Zeit und des Orts der Fototermine keinen Aussagewert hinsichtlich der persönlichen Abhängigkeit des Mitarbeiters hätten.
2. Die behauptete Divergenz besteht nicht.
Es trifft schon nicht zu, daß den angeführten Aussagen des Landesarbeitsgerichts ein für die Annahme einer Divergenz erforderlicher abstrakter Rechtssatz des Inhalts entnommen werden könnte, daß die Bindung des Bildreporters an Zeit und Gegenstand der Arbeit bei bestimmten Fototerminen ein entscheidender Gesichtspunkt für die Abgrenzung von abhängiger und unabhängiger Tätigkeit sei. Das Landesarbeitsgericht hat eine Reihe von Anzeichen für die Annahme einer abhängigen Tätigkeit angeführt, sie abgewogen und speziell zu der Bindung der Reporter an die Fototermine ausgeführt:
„Die Fotoaufträge an den Kläger waren so gelagert, daß eine Disposition des Klägers über die zeitliche Erledigung nicht mehr möglich war. In der Regel mußte sich der Kläger dem Reporter anschließen. Die Fotos wurden noch am selben Tage benötigt (auch deshalb läßt sich der vorliegende Fall nicht mit demjenigen vergleichen, welcher dem Beschluß des BAG vom 29.01.1992 – 7 ABR 25/91 – in EzA Nr. 52 zu § 5 BetrVG 1972 zugrunde lag).“
Weiter heißt es in dem Urteil:
„Schließlich spricht für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses auch die nur geringe gestalterische Freiheit des Klägers in Erledigung der ihm übertragenen Arbeiten. Die Aufträge an ihn bestanden in der Regel darin, ein bestimmtes Tagesereignis im Bild festzuhalten. Hierbei mußte er sich naturgemäß dem Thema des von der Redaktion beschlossenen Berichts anpassen.“
Abgesehen davon, daß diesen Aussagen des Berufungsgerichts auch inhaltlich gefolgt werden kann – worauf es bei der Divergenzbeschwerde allerdings nicht ankommt – ist hier entscheidend, daß es sich um fallbezogene, also um subsumierende Aussagen handelt, nicht aber um abstrakte, fallübergreifende Rechtssätze.
Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, die vom Kläger geschuldete Leistung fülle schon nach dem Vertrag ein Vollzeitarbeitsverhältnis aus. Auch tatsächlich habe die Beklagte innerhalb eines engen zeitlichen Rahmens über die Arbeitskraft des Klägers verfügt. Das formale Recht des Klägers zu Absagen von Terminen oder notwendigen Verschiebungen ändere daran nichts. Die Beklagte sei darauf angewiesen gewesen, daß der Kläger zur Verfügung gestanden habe und deswegen auch Dienstpläne benutzt. Die Beklagte habe erwartet, daß der Kläger zu den genannten Zeiten anwesend sei. Anders sei ein (reibungsloser) Redaktionsbetrieb nicht vorstellbar.
Die Zulassung der Revision kommt hiernach nicht in Betracht.

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