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Arbeitnehmerverpflichtung zur Leistung von Kurzarbeit im Arbeitsvertrag

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Az.: 20 Sa 112/04 – Urteil vom 25.11.2005

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Aalen – vom 21.10.2004 – 9 Ca 745/03 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Anordnung von Kurzarbeit durch die Beklagte im Zeitraum Oktober bis Dezember 2003 und daraus resultierende Differenzvergütungsansprüche aus Annahmeverzug.

Am 20.04.2001 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft IG Metall mit Wirkung ab 01.08.2001 einen Haustarifvertrag (Bl. 10 ff. der erstinstanzlichen Akte), in dem unter anderem geregelt ist:

„§ 7 Regelmäßige Arbeitszeit

7.1 Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 38,5 Stunden.

7.4 Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf Werktage von Montag bis Freitag verteilt werden.

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit soll im Durchschnitt eines Kalenderjahres am Ende des Kalenderjahres erreicht werden. Die Übertragung von positiven oder negativen Salden ist zulässig, soweit Entsprechendes in einer Dienstvereinbarung geregelt wird.

7.1.17.4.1 Die Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Gleitzeitregelung wird durch eine Dienstvereinbarung geregelt.“

Mit Wirkung vom 01.05.2002 erhielt der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag (Bl. 7 ff. der erstinstanzlichen Akte) unter anderem folgenden Wortlaut:

„1. Tätigkeit

Herr D. wird als leitender Beauftragter des Vorstands für Widerspruchsangelegenheiten tätig und ist in dieser Funktion Mitglied der Widerspruchsausschüsse der V.. Diese Stabstelle ist direkt dem Vorstand unterstellt.

2. Bezüge

2.1/2.2

Die Tätigkeit von Herrn D. ist auf der Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in Entgeltgruppe F 2 des Haustarifvertrags vom 20.04.2001 eingruppiert.

8. Vertragsdauer und Beendigung

8.1

Die arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung einschließlich der Änderungskündigung ist ausgeschlossen.

9. Allgemeine Bestimmungen

9.1

Die Bestimmungen des oder der Haustarifverträge gelten in ihrer jeweiligen gültigen Fassung insoweit, als dieser Arbeitsvertrag nichts anderes regelt. Sollte künftig ein anderer Tarifvertrag für die Kasse verbindlich sein, findet dieser auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Anwendung, soweit dieser Arbeitsvertrag nichts anderes bestimmt.

Beendet die B. den Haustarifvertrag, ohne einen Nachfolgetarifvertrag zu verhandeln oder ohne an ein anderes Tarifwerk gemäß TVG gebunden zu sein, finden die Bestimmungen der Tarifverträge für die Metallindustrie Nord-Württemberg/Nord-Baden in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit in diesem Arbeitsvertrag keine Regelung getroffen ist.

9.2

Allgemeine betriebliche Richtlinien, Dienstvereinbarungen und Bestimmungen sowie insbesondere die Arbeitsordnung sind, soweit sie diesen Arbeitsvertrag nicht widersprechen, in ihrer jeweils gültigen Fassung wesentlicher Bestandteil desselben.

9.3

Änderungen und Ergänzungen sowie mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bedürfen der Schriftform, um Gültigkeit zu erlangen.

Sollten einzelne der vorstehenden Bestimmungen aus irgendeinem Grund rechtsunwirksam sein oder werden, so wird hierdurch die Rechtsverbindlichkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt.“

Am 08.07.2003 beschlossen die Beklagte und die Gewerkschaft IG Metall einen „Änderungs- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag“ (Bl. 18 f. der erstinstanzlichen Akte, im Folgenden: „ÄBTV“), in dem es unter anderem heißt:

„3. Die neue Ziffer 3.1 lautet wie folgt:

Mit Auslaufen der beantragten Kurzarbeit wird die tarifliche Arbeitszeit von 38,5 auf 38 Wochenstunden unter Beibehaltung der geltenden Tarifeinkommen reduziert.

4. Auf Grund dieser Vereinbarung sichert die B. zu, dass bis zum 31.12.2004 keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden.

5. Des weiteren sichert die B. zu, dass die Auszubildenden des Abschlussjahrgangs 2004 übernommen werden. Es sei denn, dringende im Verhalten der Auszubildenden liegende Gründe würden dagegen sprechen.

6. Es wird eine Dienstvereinbarung „Kurzarbeit“ für die Laufzeit von maximal 12 Monaten zwischen Vorstand und Personalrat vereinbart. Festgelegt werden der Umfang der Reduzierung, die betroffenen Beschäftigten und die Verteilung der ausfallenden Arbeitszeit auf die Arbeitslage bzw. Arbeitswochen.

7. Zeitkonten, die wegen der Kurzarbeit reduziert werden müssen, können in ganzen Tagen auch im Zusammenhang mit Jahresurlaub angepasst werden.

8. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge Kurzarbeit eintreten, bleiben bei der Berechnung der tariflichen Leistungen Sonderzahlung, Urlaubsvergütung, vermögenswirksame Arbeitgeberleistung und Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichen Altersversorgung unberücksichtigt.

9. Die Änderungen in Ziffer 2 und 3 werden in die dafür maßgeblichen Tarifverträge übernommen. Alle anderen Regelungen dieser Vereinbarung enden automatisch nach Umsetzung der Maßnahmen spätestens mit Ablauf.“

Am 04.08.2003 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Personalrat eine „Dienstvereinbarung“ (Bl. 20 der erstinstanzlichen Akte; im Folgenden „DV“) nebst Anlage (Bl. 21 der erstinstanzlichen Akte) mit, soweit hier interessierend, folgenden Regelungen:

„1. Ziel der Einführung von Kurzarbeit ist es, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Dem dient die aus wirtschaftlichen Gründen notwendige Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit.

2. Mit Wirkung vom 01.10.2003 wird für die Zeit vom 01.10.2003 bis 30.09.2004 Kurzarbeit eingeführt.

3. Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden wird im Durchschnitt aller Beschäftigten auf 34 Wochenstunden reduziert.

Der Arbeitsausfall wird in der Regel zeitlich so gelegt, dass ganze Tage ausfallen und vor und/nach Samstag und Sonntag für einzelne Beschäftigte Arbeitsruhe herrscht. Während der Präsenzzeiten der B. ist auch für die Laufzeit der Kurzarbeit eine Besetzung zu gewährleisten. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt damit im Durchschnitt aller Beschäftigten mindestens 34 Stunden.

Für die jeweiligen Arbeitsbereiche werden bis zum 25. des laufenden Monats Monatspläne aufgestellt. Anschließend ist der jeweilige Monatsplan den Beschäftigten bekannt zu geben. Die B. wird das Verhältnis zwischen Arbeitsaufkommen und festzusetzenden Ausfallzeiten laufend mit dem PR abstimmen.

Eine kurzfristige Reduzierung des Umfangs der Kurzarbeit von einzelnen Beschäftigten ist jederzeit möglich.

4. Die beim Arbeitsamt beantragte Ausfallzeit bezieht sich auf alle Beschäftigten bzw. Einheiten der B. mit den in der Anlage geregelten Umfängen (s. Anlage ).

13. Die B. stellt unverzüglich einen Antrag auf Kurzarbeitergeld für die ausgefallene Zeit.

Für die Abwicklung der Kurzarbeit wird ein zeitversetzter Abrechnungsmodus eingeführt. Jeweils nach Ablauf des Monats der Kurzarbeit und nach Vorliegen der tatsächlichen Ausfallzeiten durch Kurzarbeit wird eine Rückrechnung auf den Vormonat vorgenommen. Das heißt die Abrechnung der Kurzarbeit findet jeweils monatlich im nachhinein statt.

14. Über Angelegenheiten, welche die B. mit dem Arbeitsamt zu klären hat (keine Abrechnungsfragen), ist der PR zu informieren. In grundsätzlichen Fragen ist er zu beteiligen.

15. Die Wirkung der Vereinbarung endet mit Beendigung der Kurzarbeit.“

Mit Bescheid vom 08.09.2003 (Bl. 82 der erstinstanzlichen Akte) genehmigte die BfA für die von der Beklagten unter dem 20.08.2003 (Bl. 81 der erstinstanzlichen Akte) angemeldeten Mitarbeiter Kurzarbeit, die die Beklagte gegenüber dem Kläger mit einer Anordnung vom 24.09.2003, pro Monat vier Tage weniger zu arbeiten, umsetzte und ihm für Oktober 2003 1.088,52 € brutto, für November 2003 938,85 € brutto und für Dezember 2003 906,00 € brutto von seiner regulären Vollzeitvergütung abzog. Für Oktober und November 2003 erhielt er wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze kein Kurzarbeitergeld, für Dezember 2003 wurde ihm nach einer Gehaltsumwandlung 333,60 € Kurzarbeitergeld bezahlt.

Der Kläger hält die ihm gegenüber angeordnete Kurzarbeit für rechtswidrig. Er habe mit der Beklagten individualvertraglich eine 40-Stunden-Woche vereinbart. Davon könne weder tarifvertraglich noch durch eine Dienstvereinbarung zu seinen Ungunsten abgewichen werden. Abgesehen davon stelle der ÄBTV mangels hinreichender Regelungen keine taugliche Ermächtigungsnorm dar. Die DV scheide als Ermächtigungsgrundlage aus, weil dem Personalrat für die Einführung von Kurzarbeit kein Mitbestimmungsrecht zukomme. Höchst hilfsweise könne er nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz Vollzeitentgelt verlangen, weil er sich bezüglich der von der Kurzarbeit nicht betroffenen Mitarbeiter G., A., S., S., A. und W. in einer vergleichbaren Lage befinde.

Der Kläger hat beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.933,37 € brutto, abzüglich am 23. Februar 2004 bezahlter 89,61 € brutto, abzüglich am 23.02.2004 erhaltener 333,60 € Kurzarbeitergeldes, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.088,52 € vom 24.11.2003 bis 22.12.2003, aus 2.027,37 € vom 29.12.2003 bis 25.01.2004, aus 2.933,37 € vom 26. Januar 2004 bis 22. Februar 2004 und aus 2.843,76 € abzüglich am 23.02.2004 erhaltener 333,60 € Kurzarbeitergeld ab 23. Februar 2004, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Ansicht hindert der Arbeitsvertrag der Parteien mangels eines positiven Ausschlusses von Kurzarbeit deren kollektivrechtliche Einführung nicht. Der ÄBTV stelle eine hinreichend konkrete Regelung dar. Zumindest reiche die DV als solche aus. Dem Personalrat komme insoweit auch ein Mitbestimmungsrecht bei der Frage der Dauer der Arbeitszeit zu. Auch sei der Kläger mit den nicht von Kurzarbeit betroffenen Mitarbeitern nicht vergleichbar. Die drei Bereichsleiter G., A. und S. seien mit der zusätzlichen Einsatzplanung aufgrund der angeordneten Kurzarbeit befasst gewesen, der Bereich des Mitarbeiters S. habe erhebliche Arbeitsrückstände aufgewiesen, der Personalleiter A. sei mit der organisatorischen Abwicklung der Kurzarbeit befasst gewesen und der Vertriebsmitarbeiter Winkler habe in erhöhtem Umfang neue Mitglieder akquirieren sollen.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Terminsniederschriften Bezug genommen.

Durch das dem Kläger am 04.11.2004 zugestellte Urteil vom 21.10.2004 (Bl. 123 ff. der erstinstanzlichen Akte), auf das zur näheren Sachdarstellung ebenfalls Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger wirksam Kurzarbeit eingeführt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthalte keine Regelung über die Verkürzung der Arbeitszeit. Deshalb habe der hinreichend konkrete ÄBTV wirksam Kurzarbeit einführen können. Die Herausnahme der Mitarbeiter G., A., S., S., A. und W. von der Kurzarbeit verstoße gegenüber dem Kläger nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Kläger habe nicht aufgezeigt, warum die von der Beklagten zur Begründung der Differenzierung dargelegten Argumente sachwidrig seien.

Dagegen richtet sich die am 02.12.2004 eingegangene und am 18.01.2005 – innerhalb der bis zum 20.01.2005 verlängerten Berufungsbegründungsfrist – begründete Berufung des Klägers. Der Kläger bekräftigt seine erstinstanzliche Rechtsauffassung, indem er im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzend neuen Rechtsvortrag hält.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Stuttgart – Kammern Aalen – vom 21.10.2004, – Aktenzeichen 9 Ca 745/03 -; zugestellt am 04.11.2004 wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.933,37 € brutto, abzüglich am 23.02.2004 bezahlter 89,61 € brutto, abzüglich am 23.02.2004 erhaltener 333,60 € Kurzarbeitergeldes, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.088,52 € brutto vom 24.11.2003 bis 22.12.2003, aus 2.027,37 € brutto vom 23.12.2003 bis 25.01.2004, aus 2.933,37 € brutto vom 26.01.2004 bis 22.02.2004 und aus 2.843,76 € brutto abzüglich am 23.02.2004 erhaltener 333,60 € Kurzarbeitergeld ab 23.02.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und hält den neuen Vortrag des Klägers für unschlüssig. Die Anordnung und der Umfang der Kurzarbeit seien monatlich in Sitzungen mit dem Personalrat jeweils erörtert und den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst worden. Hierüber habe der Personalleiter A. Protokolle gefertigt. Diese seien nach Erinnerung des Personalleiters A. auch von jenem und vom Personalrat unterschrieben worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Berufungsverhandlung Bezug genommen.

Der Kläger hat in einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz die Existenz von Sitzungsprotokollen über monatliche Abstimmungen zwischen der Beklagten und dem Personalrat über die Anordnung von Kurzarbeit bestritten. Dem Personalratsvorsitzenden seien solche Protokolle nicht bekannt.

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Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 3 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten nicht gemäß § 615 BGB die Differenz zwischen der an ihn in der Zeit von Oktober bis Dezember 2003 nur gezahlten verminderten und der regulären Vollzeitvergütung verlangen, weil die ihm gegenüber angeordnete Kurzarbeit rechtmäßig war.

I.

Die Klage ist nicht etwa deshalb begründet, weil der Kläger trotz Wirksamkeit des ÄBTV und/oder der DV nicht verpflichtet wäre, nach Maßgabe dieser Regelungen gemäß den Anordnungen der Beklagten Kurzarbeit zu leisten. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, selbst eine wirksame Regelung über Kurzarbeit in einem Tarifvertrag oder einer Dienstvereinbarung komme wegen der individualrechtlich in Abweichung vom Tarifvertrag vereinbarten festen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche nicht in Frage. Das trifft nicht zu.

Zwar vermag eine individualvertraglich günstigere Vereinbarung die Einwirkung einer ungünstigeren tarifvertraglichen Regelung oder einer Dienstvereinbarung zu verhindern (vgl. BAG GS, Beschluss vom 07.11.1989 – GS 3/85 – AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972). Im Streitfall greifen die Regelungen des ÄBTV und der DV jedoch nicht eine in Rechtsposition des Klägers ein. Ist zwischen den Arbeitsvertragsparteien – wie hier – eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Kurzarbeit nicht ausgeschlossen, ist der Arbeitsvertrag in diesem Punkt tarifvertrags- und/oder dienstvereinbarungsoffen. Unter dieser Voraussetzung ist eine individualrechtliche Wirkungsgrenze für die Regelung von Kurzarbeit durch einen Tarifvertrag oder eine Dienstvereinbarung nicht feststellbar (vgl. BAG, Urteil vom 03.06.2003 – 1 AZR 349/02 – AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt zum umgekehrten Fall von Überstunden).

II.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bildet der ÄBTV keine Ermächtigungsgrundlage für die Einführung von Kurzarbeit gegenüber dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum. Dies ergibt die Auslegung des ÄBTV.

 

1. Bei der Tarifauslegung ist – entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung – über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Für die bei Zweifeln darüber hinaus mögliche Heranziehung weiterer Auslegungskriterien (Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages) gibt es keinen Zwang zu einer bestimmten Reihenfolge. Die Auffassung der beteiligten Berufskreise ist kein selbständiges Auslegungskriterium (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Beschluss vom 26.11.2003 – 4 ABR 54/02 – AP Nr. 168 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; ErfK/Schaub, 5. Auflage, § 1 TVG Rdnr. 15).

Allerdings gebietet die Tarifverantwortung den Tarifparteien, ihren eigenen Norminhalt auch selbst zu regeln und dies nicht den Betriebs- oder Arbeitsvertragsparteien zu überantworten. Letzteres ist nur für die Umsetzung lediglich schuldrechtlich geregelter Arbeitsbedingungen zulässig (Löwisch/Rieble, TVG, 4. Auflage, § 4 Rdnr. 11). Als Gesetze im materiellen Sinne müssen die Tarifnormen zudem dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Bestimmtheitsgrundsatz genügen (allgemeine Auffassung, vgl. Wiedemann, TVG, 6. Auflage, Einleitung Rdnr. 341; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 1 Rdnr. 293, jeweils m. w. N.). Sie müssen hinreichend klar und bestimmt sein, um den dem Recht Unterworfenen zu ermöglichen, sich ein eigenes Bild von der Rechtslage zu machen.

2. Daran gemessen kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob die Tarifvertragsparteien selbst im ÄBTV die Kurzarbeit regeln und nicht nur den Betriebsparteien eine Ermächtigungsgrundlage zur Einführung von Kurzarbeit durch eine noch abzuschließende Dienstvereinbarung schaffen wollten. Denn der im ÄBTV zum Ausdruck gebrachte – und damit allein erhebliche – Wille der Tarifvertragsparteien reicht für eine den Bestimmtheitsanforderungen genügende Rechtsnorm nicht aus. In Position 6 Satz 1 ÄBTV haben die Tarifparteien lediglich die Höchstlaufzeit einer Kurzarbeit auf 12 Monate festgelegt. Alles andere, insbesondere: „… der Umfang der Reduzierung, die betroffenen Beschäftigten und die Verteilung der ausfallenden Arbeitszeit auf die Arbeitstage bzw. Arbeitswochen …“ (Position 6 Satz 2 ÄBTV) sollen die Betriebsparteien erst noch in einer „… Dienstvereinbarung „Kurzarbeit“ … zwischen Vorstand und Personalrat“ vereinbaren (Position 6 Satz 1 ÄBTV). Deshalb kommt dem ÄBTV nicht die Rechtsqualität einer konstitutiven normativen Regelung der Einführung von Kurzarbeit im Sinne des § 4 Abs. 1 TVG zu. Denn die damit korrespondierende DV dient gerade nicht nur der reinen Lückenfüllung, indem sie etwa nur noch Abwicklungs- und Ausführungsfragen regelt. Tatsächlich finden sich die eigentlichen inhaltlichen Regelungen der Kurzarbeit sämtlich erst in der DV.

3. Soweit die Beklagte dies unter Berufung auf die Urteile des LAG Thüringen vom 07.10.1999 (- 2 Sa 404/98 – n. v.) und des LAG Brandenburg vom 10.08.1994 (- 5 Sa 286/94 – n. v.) für ausreichend erachtet, vermag ihr die erkennende Kammer nicht zu folgen. Die beiden Entscheidungen betrafen nicht die Problematik der normativen Wirkung einer Tarifvertragsregelung gemäß § 4 Abs. 1 TVG, sondern die – insoweit wesensgleiche – betreffend einer Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG. Die Kammer hat Bedenken, ob die in beiden Urteilen zum Leitsatz erhobenen These „Eine Betriebsvereinbarung kann so gestaltet werden, dass sie abstrakt die Einführung von Kurzarbeit aus einem bestimmten Anlass regelt und die personelle Festlegung des Personenkreises einer formlosen Absprache den Betriebsparteien überlässt“ dem Rechtsstaatsprinzip zu genügen vermag. Sie hält die gegenteilige Auffassung des LAG Hessen vom 14.03.1997 (- 17/13 Sa 162/96 – NZA-RR 1997, 479) für zutreffend, wonach in einer Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit, die normative Wirkung für die betroffenen Arbeitsverhältnisse entfalten soll, Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer oder Abteilungen sowie auch die Zeiträume, in denen die Arbeit ganz ausfallen soll, festgelegt werden müssen, während der Verweis auf vom Arbeitgeber auszuhängende Listen in der Betriebsvereinbarung höchstens dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG genügt, aber nicht die Arbeitspflicht und den Vergütungsanspruch solcher Arbeitnehmer, die der Kurzarbeit widersprechen, suspendiert.

Einer endgültigen Festlegung in dieser Kontroverse bedarf es indes nicht. Denn der ÄBTV erfüllt nicht einmal die von den Landesarbeitsgerichten Thüringen und Brandenburg (jeweils a.a.O.) verlangten Mindestanforderungen. Die dort zur Diskussion stehenden Betriebsvereinbarungen enthielten nämlich neben einer Regelung für die Zeit der Kurzarbeit, einer Vereinbarung, dass während der Kurzarbeit keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden und die von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer in eine neu zu bildende betriebsorganisatorisch selbständige Einheit aufgenommen werden zudem eine Vereinbarung über die nähere Bestimmung der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer sowie über deren Art und Weise der Unterrichtung. An all dem fehlt es hinsichtlich des ÄBTV, weshalb diesem selbst kein normativer Charakter zukommt.

III.

Die Beklagte hat die Kurzarbeit gegenüber dem Kläger rechtsverbindlich auf der Grundlage der DV angeordnet.

1. Die DV stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für die Einführung der Kurzarbeit dar.

a) Gemäß § 73 BPersVG sind Dienstvereinbarungen nur zulässig, soweit das Gesetz sie ausdrücklich vorsieht. Das BPersVG kennt keine umfassende Regelungsbefugnis. Es beschränkt die funktionale Zuständigkeit des Personalrats zum Abschluss einer Dienstvereinbarung auf diejenigen Gegenstände, bei denen ein Mitbestimmungsrecht besteht (BAG, Urteil vom 18.10.1994 – 1 AZR 503/93 – AP Nr. 11 zu § 615 BGB Kurzarbeit). In diesem Rahmen wird die Dienstvereinbarung nicht unmittelbar Inhalt der Dienst- und Arbeitsverhältnisse der betroffenen Beschäftigten, sondern wirkt wie eine gesetzliche Regelung auf die Beschäftigungsverhältnisse ein (Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 10. Auflage, § 73 Rdnr. 5 m. w. N.). Über das Mitbestimmungsrecht des Personalrats hinausgehende Regelungen einer Dienstvereinbarung erzeugen gegenüber einzelnen Arbeitnehmern keine Rechtswirkungen (BAG, Urteil vom 18.10.1994 – 1 AZR 503/93 – a.a.O. m. w. N.).

b) Dem Personalrat steht ein Mitbestimmungsrecht zu hinsichtlich der Frage, ob der Arbeitgeber Kurzarbeit einführen kann. Zwar findet sich im Zuständigkeitskatalog des § 75 Abs. 3 BPersVG für den Abschluss von Dienstvereinbarungen betreffend die Arbeitszeit nur die dem § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG fast wortgleich entsprechende Regelung des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG, wonach der Personalrat gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen hat, während eine mit § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (Mitbestimmung des Betriebsrats über die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit) korrespondierende Vorschrift im BPersVG fehlt. Daraus kann entgegen der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 18.10.1994 – 1 AZR 503/93 – a.a.O.) jedoch nicht abgeleitet werden, dass bei Anordnung von Mehrarbeit, Überstunden oder Kurzarbeit der Personalrat kein Mitbestimmungsrecht hat. Dies ergibt sich aus der mit § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG in Zusammenhang stehenden Vorschrift des § 75 Abs. 4 BPersVG. Darin heißt es: „Muss für Gruppen von Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit (Absatz 3 Nr. 1) nach Erfordernissen, die die Dienststelle nicht voraussehen kann, unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden, so beschränkt sich die Mitbestimmung auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne, insbesondere für die Anordnung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden“. Aus der Erwähnung der Anordnung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden als Gegenstand von Dienstplangrundsätzen folgt, dass daraus zielende Maßnahmen auch dann Gegenstand der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG sein müssen, wenn sich die Erfordernisse für die Festlegung der täglichen Arbeitszeiten der Beschäftigten vorhersehen lassen und damit die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Mitbestimmung auf Dienstplangrundsätze nach Maßgabe des § 75 Abs. 4 BPersVG nicht erfüllt sind. Somit erfasst die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG nicht nur die Bestimmung der Lage von Mehrarbeits-, Über- oder Kurzarbeitsstunden, sondern auch die Frage, ob Mehrarbeit, Überstunden oder Kurzarbeit überhaupt angeordnet werden (vgl. BverwG, Beschluss vom 03.12.2001 – 6 P 12.00 – AP Nr. 1 zu § 83 LPVG Hamburg; Beschluss vom 26.04.1988 – 6 P 19.86 – AP Nr. 1 zu § 87 LPVG Niedersachsen; Ilbertz/Widmaier, a.a.O., § 75 Rdnr. 90 m. w. N.; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Auflage, § 75 Rdnr. 236 m. w. N.).

Im Hinblick darauf geht die Argumentation des Klägers, die DV verstoße gegen § 3 BPersVG, ins Leere.

2. Die DV ist hinreichend bestimmt, um normative Wirkung entfalten zu können. Die Rüge des Klägers, die DV sei nicht ausreichend bestimmt, weil in ihr nur die durchschnittliche Reduzierung der Wochenarbeitszeit aller Beschäftigten, nicht aber die konkrete Verringerung der Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers festgelegt sei, greift nicht durch. Dadurch hat der Personalrat nicht in Form einer inhaltlich unzureichenden Regelung in unzulässiger Weise auf sein bestehendes Mitbestimmungsrecht verzichtet. Das wäre etwa dann der Fall, wenn der Personalrat der Beklagten pauschal und ohne Beschränkung die Befugnis eingeräumt hätte, Kurzarbeit anzuordnen, wann immer sie dies für erforderlich erachte. Eine solche Handhabung wäre gesetzwidrig. Der Personalrat kann sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet (vgl. BAG, Beschluss vom 03.06.2003 – 1 AZR 349/02 – a.a.O. m. w. N. zum umgekehrten Fall der Anordnung von Überstunden im Rahmen des BetrVG).

Ein solcher Ausschluss des Mitbestimmungsrechts liegt hier nicht vor. Vielmehr hat der Personalrat die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit wesentlich mitgestaltet. So sind in der DV Beginn und Ende der Kurzarbeit (Position 2 DV) sowie Umfang der Reduzierung, Lage und Verteilung der Arbeitszeit und auch die Zeiträume, in denen sie ganz ausfallen soll, festgelegt (Positionen 3, 5 bis 7 DV). Die von der Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter ergeben sich aus Position 4 DV i.V.m. deren Anlage, wobei zwischen den Parteien im Übrigen unstreitig ist, dass der Kläger der einzige Mitarbeiter der „Widerspruchsstelle“ ist, deren Arbeitszeit sich um 20 % reduzieren soll. Auch das zur Abforderung der Kurzarbeit einzuhaltenden Verfahren ist in der DV vorgegeben.

Der Personalrat hat der Beklagten allerdings gestattet, nach diesen Maßgaben für die jeweiligen Arbeitsbereiche bis zum 25. des laufenden Monats Monatspläne aufzustellen und diese den Beschäftigten bekannt zu geben, während die Beklagte mit dem Personalrat nur noch das Verhältnis zwischen Arbeitsaufkommen und festzusetzenden Ausfallzeiten laufend abzustimmen hat (Position 3 Abs. 3 Satz 3 DV). Das steht der Wirksamkeit der DV nicht entgegen. Zwar kann auch durch DV das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nicht aufgehoben oder eingeschränkt werden. Wird es durch den Abschluss einer DV ausgeübt, kann diese aber vorsehen, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, unter bestimmten – in der Vereinbarung geregelten – Voraussetzungen eine Maßnahme allein zu treffen (vgl. BAG, Urteil vom 26.07.1988 – 1 AZR 54/87 – AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Provision). Das Gesetz fordert nicht, dass zu jeder einzelnen mitbestimmungspflichtigen Anordnung jeweils die Zustimmung des Personalrats eingeholt wird, wenn dieser seine Zustimmung im voraus erteilt hat (vgl. BAG, Beschluss vom 02.03.1982 – 1 ABR 74/79 – AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Dadurch darf das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nur nicht in seiner Substanz verletzt werden (vgl. BAG, Beschluss vom 17.11.1998 – 1 ABR 12/98 – AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Urteil vom 26.07.1988 – 1 AZR 54/87 – a.a.O.). Die bloße Möglichkeit einer Alleinentscheidung durch den Arbeitgeber reicht aber zu einer Substanzbeeinträchtigung nicht aus.

Hier enthält die DV detaillierte Regelungen über die mit der einseitigen Anordnungsbefugnis der Beklagten verbundenen Verfahrens- und Verteilungsmodalitäten. Auf diese Weise hat der Personalrat den mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 BPersVG verbundenen Auftrag, über den Umfang und die Verteilung der zu leistenden Kurzarbeit zu wachen, wahrgenommen. Er hat lediglich die Regelungsfrage, ob und in welchem Umfang welcher Arbeitnehmer konkret zur Kurzarbeit herangezogen wird, pauschal beantwortet. In dieser Vorabzustimmung liegt keine substanzielle Einschränkung seines Mitbestimmungsrechts, sondern für die Laufzeit der DV dessen Ausübung (vgl. BAG, Beschluss vom 03.06.2003 – 1 AZR 349/02 – a.a.O. zum umgekehrten Fall der Anordnung von Überstunden).

IV.

Die gegenüber dem Kläger angeordnete Kurzarbeit verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kommt als Anspruchsgrundlage dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt (BAG, Urteil vom 26.04.2005 – 1 AZR 76/04 -), oder wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (BAG, Urteil vom 23.08.1995 – 5 AZR 293/94 – AP Nr. 134 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Von einer solchen Regelung darf er einzelne Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausnehmen (BAG, Urteil vom 26.10.1995 – 6 AZR 125/95 -, BAGE 81, 207). Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann auf alle Arten von Maßnahmen und Entscheidungen des Arbeitgebers erstreckt werden. Entscheidend ist, ob diese einen kollektiven Charakter haben. Er verbietet die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe und eine sachfremde Gruppenbildung (ErfK/Preis, a.a.O., § 611 BGB Rdnr. 715 m. w. N.).

2. Daran gemessen ist die von den Betriebsparteien vorgenommene Differenzierung bei der Anordnung von Kurzarbeit gegenüber den Mitarbeitern nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht schließt sich den Ausführungen auf Blatt 7 der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 129 der erstinstanzlichen Akte) vollinhaltlich an und sieht insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Berufung bringt hiergegen im Kern weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Neues vor. Sie versucht nur vergeblich, ihre Rechtsansicht anstelle derjenigen des Arbeitsgerichts zu setzen. Dies erfordert keine erneute systematische Darstellung, sondern veranlasst lediglich folgende ergänzende Bemerkungen:

a) Soweit der Kläger sich deshalb ohne sachlichen Grund benachteiligt fühlt, weil er der einzige Mitarbeiter der Beklagten sei, gegenüber dem Kurzarbeit angeordnet worden sei, er aber kein Kurzarbeitergeld erhalten habe, ist bereits die Prämisse falsch. Denn der Kläger hat, wenn auch nicht für den gesamten Zeitraum und nur aufgrund einer vorgenommenen Gehaltsumwandlung, Kurzarbeitergeld erhalten. Unbeschadet dessen wären im Übrigen auch keinerlei Anhaltspunkte für eine vom Kläger behauptete Differenzierungsmotivation auf Seiten des Personalrats ersichtlich.

b) Es ist unerheblich, ob zwischen dem Kläger, wie von diesem behauptet, und den Bereichsleitern G., A. und S., denen gegenüber keine Kurzarbeit angeordnet war, auch Gemeinsamkeiten bestanden haben. Denn der von der Beklagten vorgetragene und vom Kläger nicht bestrittene Umstand, dass die Bereichsleiter aufgrund deren mit erhöhtem Koordinationsaufwand verbundener Verantwortlichkeit für die (zusätzliche) Einsatzplanung während der Kurzarbeitsphase unabkömmlich gewesen seien, rechtfertigt deren Ungleichbehandlung im Verhältnis zum Kläger, ohne dass es darauf ankommt, ob die Betriebsparteien die Bereichsleiter als – nicht ihrer Regelungsmacht unterstehende – leitende Angestellte im Sinne des § 1.2 des Haustarifvertrags hätten ansehen dürfen.

c) Dass der Mitarbeiter S. wegen erheblichen Arbeitsrückstandes, der Personalleiter A. aufgrund des mit der Abwicklung der Kurzarbeit hervorgerufenen zusätzlichen Arbeitsaufwandes und der Mitarbeiter W.r wegen zum Jahresende erhöhten Akquisitionsbedarfs von der Kurzarbeit ausgenommen wurden, trägt die jeweilige Ungleichbehandlung gegenüber dem Kläger, weshalb ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz auch dann nicht vorläge, wenn man mit dem Kläger davon ausginge, dass die von ihm benannten Mitarbeiter überhaupt eine nach einem generalisierenden Prinzip gebildete Gruppe darstellen.

V.

Da die Beklagte dem Kläger die diesem aufgrund der Kurzarbeit zustehenden verminderten Bezüge unstreitig bezahlt hat und dieser die geforderte Vollzeitarbeitsvergütung nicht verlangen kann, war die dieses Begehren weiterverfolgende Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

VI.

Wegen der nach Schluss zur mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil erging, vom Kläger schriftsätzlich vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel war die geschlossene mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen. Eine Pflicht zur Wiedereröffnung bestand mangels eines Wiedereröffnungsgrundes gemäß § 156 Abs. 2 ZPO nicht. Die Wiedereröffnung stand deshalb gemäß § 156 Abs. 1 ZPO im freien Ermessen des Gerichts (BGH, Urteil vom 21.02.1986 – V ZR 246/84 – NJW 1986, 1867; Zöller/Greger, ZPO, 25. Auflage, § 156 ZPO Rdnr. 5). Sie war insbesondere wegen der Konzentrationsmaxime, die den raschen Abschluss der Instanz gebietet, abzulehnen. Denn der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte, nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers zeigt weder eine Lücke in der mündlichen Verhandlung noch eine Verletzung der richterlichen Fragepflicht auf, geschweige denn wird ansatzweise dargetan, weshalb das neue Vorbringen – gegebenenfalls mittels einer zu beantragenden Schriftsatzfrist gemäß § 283 ZPO – nicht bereits rechtzeitig in das noch laufende Verfahren hätte eingebracht werden können. Der Kläger hatte sich vielmehr bewusst entschieden, keinen weiteren Vortrag leisten zu wollen. Seiner Umentscheidung Folge zu leisten, hieße die Präklusionsregelung des § 67 ArbGG obsolet zu machen. Der klägerische Schriftsatz war deshalb lediglich zu den Akten zu nehmen und Abschriften formlos an den Gegner zuzuleiten (Zöller/Greger, a.a.O., § 296a Rdnr. 3).

Im Übrigen enthält der Schriftsatz neben Rechtsausführungen, die das bisherige Klägervorbringen zum Teil nur wiederholen und vertiefen, in tatsächlicher Hinsicht nur insoweit Neues, als der Kläger das mündliche Beklagtenvorbringen im Termin zur Berufungsverhandlung, über die Sitzungen mit dem Personalrat betreffend die Anordnung und den Umfang der Kurzarbeit seien Protokolle gefertigt und vom Personalleiter und vom Personalrat unterschrieben worden, bezüglich der Anfertigung und Unterzeichnung der Protokolle bestreitet. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an. Denn der Kläger hat damit nicht zugleich behauptet, die Beklagte habe die mit dem Personalrat getroffenen verfahrensmäßigen und inhaltlichen Vereinbarungen nicht beachtet und ihm damit einen Nachteil zugefügt.

VII.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ArbGG.

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