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Arbeitseinkommen – Pfändbarkeit und Nichtberücksichtigung eines unterhaltsberechtigten Angehörigen

LG Lübeck, Az.: 7 T 586/09, Beschluss vom 28.01.2010

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin.

Gründe

I.

Die Gläubigerin erwirkte aufgrund einer Teilforderung von 15.000,- € den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 09. September 2005, durch den sie die pfändbaren Gehaltsbezüge des Schuldners gegenüber der Drittschuldnerin pfänden und sich zur Einziehung überweisen ließ.

Mit Schreiben vom 16. März 2009 beantragte die Gläubigerin, gemäß § 850 c Abs. 4 ZPO festzustellen, dass die Ehefrau des Schuldners als unterhaltsberechtigte Person ganz, hilfsweise teilweise, nicht weiter zu berücksichtigen sei. Der Schuldner habe in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 17. August 2008 angegeben, dass seine Ehefrau ein Einkommen von 360,- € monatlich beziehe.

Der Schuldner teilte eingehend Mitte April mit, dass seine Frau nicht arbeite und aus gesundheitlichen Gründen auch künftig nicht mehr arbeiten könne. Er beantragte, seine Frau deshalb weiterhin als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen.

Arbeitseinkommen - Pfändbarkeit und Nichtberücksichtigung eines unterhaltsberechtigten Angehörigen
Symbolfoto: diy13/Bigstock

Die Gläubigerin erwiderte mit Schreiben vom 21. April, dass ihr keine Tatsachen bekannt seien, dass die Ehefrau des Schuldners nicht mehr arbeite. Ihr liege lediglich das Vermögensverzeichnis aus dem August 2008 vor. Der Schuldner habe seinem Schreiben leider keine Belege beigefügt, so dass der Antrag nach § 850 c Abs. 4 ZPO aufrecht erhalten werde.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2009 erläuterte der Schuldner, dass seine Ehefrau ihre Arbeitsstelle zu Ende Januar 2009 gekündigt und nach Ausspruch der Kündigung einen Schlaganfall erlitten habe. Dies sei der Gläubigerin bereits bekannt.

Die Gläubigerin blieb auch nach Eingang dieser Informationen bei ihrem Antrag. Im Schreiben vom 19. Mai 2009 wurde zunächst die Art der eingereichten Belege gerügt. Außerdem sei, wenn die Ehefrau keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehe, zu klären, ob sie nunmehr anderes Einkommen, etwa Kranken- oder Arbeitslosengeld, und wenn ja in welcher Höhe beziehe. Das Gericht werde gebeten, den Schuldner anzuhalten, geeignete Belege beizufügen, aus denen sich ergibt, dass seine Ehefrau derzeit arbeitslos ist.

Nach zweimaliger Erinnerung durch die Gläubigerin forderte das Vollstreckungsgericht den Schuldner mit Verfügung vom 19. November 2009 auf, den Wegfall des Einkommens seiner Ehefrau zu belegen und ggf. an Eides statt zu versichern. Anderenfalls müsste dem Antrag der Gläubigerin stattgegeben werden.

Der Schuldner teilte mit Schreiben vom 12. Dezember 2009 mit, trotz aller Bemühungen keine Bestätigung erhalten zu haben, dass seine Ehefrau kein Arbeitslosen- oder Krankengeld beziehe. Jedesmal habe man ihn darüber informiert, dass über die Nichtgewährung von Leistungen keine Bescheinigung ausgestellt werden könne.

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 hat das Vollstreckungsgericht den Antrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Die Gläubigerin habe glaubhaft gemacht, dass die Ehefrau des Schuldners über Einkommen in Höhe von 360,- € verfüge. Der Schuldner selbst verfüge über ein Nettoeinkommen von 2.837,18 €. Nach der Tabelle zu § 850 c ZPO differiere der pfändbare Betrag um 554,35 €, je nach dem, ob die Ehefrau des Schuldners berücksichtigt werde oder nicht. Eine Nichtberücksichtigung oder auch nur teilweise Nichtberücksichtigung der Ehefrau wegen eines demgegenüber wesentlich geringeren Einkommens erscheine unverhältnismäßig. Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen, der der Gläubigerin am 17. Dezember 2009 zugestellt worden ist.

Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die direkt beim Landgericht eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 21. Dezember 2009, mit der sie geltend macht, dass zumindest eine teilweise Nichtberücksichtigung der Ehefrau hätte beschlossen werden müssen. Die Lebenshaltungskosten der Ehefrau des Schuldners seien durch die von ihr erzielten 360,- € jedenfalls teilweise gedeckt. Insoweit ist auf jüngere Entscheidungen von Amts- und Landgerichten verwiesen worden, die bei geringen Einkünften jeweils eine anteilige Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten beschlossen hätten.

Das Vollstreckungsgericht hat die Akte der Kammer ohne Nichtabhilfebeschluss vorgelegt.

II.

Die nach § 793 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Fehlen eines Nichtabhilfebeschlusses berührt die Zulässigkeit nicht, denn ein solcher Beschluss ist nicht Voraussetzung für eine Beschwerdeentscheidung, vgl. Zöller-Heßler § 572 Rn. 4.

Im Ergebnis hat das Vollstreckungsgericht den Antrag nach § 850 c Abs. 4 ZPO zu Recht zurückgewiesen, wenngleich die Begründung die Entscheidung nicht vollständig trägt.

Die Gläubigerin und ihr folgend das Vollstreckungsgericht haben nämlich verkannt, dass es nicht ausreicht, eigenes Einkommen eines Unterhaltsberechtigten nur glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung genügt nämlich nur dort, wo es das Gesetz vorsieht, Zöller-Stöber § 766 Rn. 27 iVm. § 850 c Rn. 14. Bei § 850 c Abs. 4 ZPO ist Glaubhaftmachung nicht vorgesehen. Wird bestritten, dass Einkommen erzielt wird, ist es deshalb Sache der Gläubigerin zu beweisen, dass die Voraussetzungen des § 850 c Abs. 4 ZPO vorliegen, MüKo-ZPO-Smid § 850 c Rn. 24; Zöller-Stöber § 850 c Rn. 14; Musielak-Becker § 850 c Rn. 10; in der Sache auch LG Leipzig JurBüro 2003, 324, 325. Ein solcher Beweis ist nicht einmal ansatzweise angetreten worden. Der Schuldner hat den Vortrag der Gläubigerin auch nicht nur einfach bestritten, sondern dargelegt, wie sich die Verhältnisse derzeit darstellen sollen. Aus diesem Grunde konnte der Antrag der Gläubigerin keinen Erfolg haben.

Davon unabhängig weist das Vollstreckungsgericht zutreffend darauf hin, dass sich der pfändbare Betrag bei einem Nettoeinkommen von 2.837 € um 554,05 € unterscheidet, wenn statt der Tabelle, die eine unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt, die Tabelle ohne Berücksichtigung von Unterhaltspflichten zur Anwendung kommt. Es kann schlechterdings nicht der Billigkeit entsprechen, wenn die Berücksichtigung des Einkommens einer unterhaltsberechtigten Person dazu führt, dass weitaus mehr als der Betrag dieses Einkommens pfändbar wird. Vor diesem Hintergrund kommt allenfalls die teilweise Nichtberücksichtigung in Betracht (insoweit trägt die Begründung des Vollstreckungsgerichts die Entscheidung nicht), wenn die Gläubigerin entsprechendes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person nachweist (oder schlüssig vorträgt und dies nicht bestritten wird). Die letztgenannte Bedingung ist jedoch wie bereits ausgeführt nicht erfüllt, so dass sich die Kammer nicht mehr damit zu beschäftigen braucht, in welchem Umfange ggf. eine teilweise Nichtberücksichtigung in Betracht kommen könnte.

Die Kostenfolge beruht auf § 97 ZPO.

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