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Arbeitsentgeltüberzahlung – Entreicherung


LAG Nürnberg

Az.: 7 Sa 266/08

Urteil vom 04.06.2009


1. Auf die Berufung des Klägers vom 26.03.2008 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 28.01.2008 wird das Endurteil wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 8.009,77 (in Worten: Euro achttausendundneun 77/100) sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 13.10.2007 zu zahlen.

2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosen des Rechtsstreits trägt der Kläger 4/5, die Beklagte trägt 1/5.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung überzahlter Vergütung.

Die Beklagte war seit 14.05.1980 beim Kläger im Zentrum B F und S Region O beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien die Geltung des BAT vereinbart. In § 9 des Arbeitsvertrags heißt es:

„Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, Überzahlungen von Dienstbezügen an den Arbeitgeber zu erstatten. Sie kann sich dabei nicht auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 BGB berufen.“

Bezogen auf den Zeitraum 01.01.2002 bis 31.08.2002 kürzten die Parteien die Arbeitszeit der Beklagten auf 75%. Während dieses Zeitraumes betrug das regelmäßige monatliche Gehalt der Beklagten 1.560,93 € brutto = 996,62 € netto.

Am 08.04.2002 vereinbarten die Parteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Nach dessen § 1 wurde das Arbeitsverhältnis ab 01.09.2002 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt. In § 2 heißt es:

„Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt 14,44 Stunden (Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 3 Abs. 1 TV ATZ); …“

Der Bezügestelle wurde die Vereinbarung über die Altersteilzeit nicht angezeigt. Die Beklagte wurde deshalb ab September 2002 als Vollzeitbeschäftigte geführt und erhielt die volle Vergütung in Höhe von 2.064,67 € brutto = 1.212,47 € netto. In der Gehaltsabrechnung für September 2002 steht unter der Überschrift „Erläuterungen Änderungsgründe“:

„Sie sind ab 1.9.2002 vollbeschäftigt.“

Auch in der Folgezeit erhielt die Beklagte Bezüge wie eine Vollzeitkraft.

Anfang Juli 2007 wurde der Irrtum bemerkt. Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 20.07.2007 darauf hingewiesen, dass sie für den Zeitraum September 2002 bis Juni 2007 Überzahlungen erhalten habe, die zurückzuzahlen seien. Der Überzahlungsbetrag für Mai 2005 bis Juni 2007 wurde in dem Schreiben auf 20.024,48 € beziffert. Unter dem 03.08.2007 teilte der Kläger die (noch nicht verjährten) Beträge von Januar 2003 bis April 2005 mit (21.212,91 €).

Die Beklagte wies die Rückzahlungsansprüche durch ihren Prozessbevollmächtigten unter dem 13.09.2007 zurück. Sie berief sich zum einen auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist. Darüber hinaus berief sie sich darauf, sie sei entreichert.

Das Erstgericht wies die Klage mit Urteil vom 28.01.2008 ab. Wegen der Begründung wird auf die Urteilsgründe Bezug genommen. Das Urteil wurde dem Kläger am 03.03.2008 zugestellt.

Der Kläger legte am 28.03.2008 gegen das Urteil Berufung ein und begründete sie am 30.04.2008.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei bereits aufgrund der vertraglichen Rückzahlungsklausel verpflichtet, die Überzahlungen zu erstatten. Auf den Wegfall der Bereicherung könne sie sich nicht berufen. Zum einen seien die Überzahlungen nicht geringfügig gewesen. Zum anderen habe die Beklagte die Überzahlungen positiv gekannt.

Gegenüber dem Einwand, der Anspruch sei aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist verfallen, erhebe er den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die von ihr erkannte Überzahlung anzuzeigen. Dies sei ein Gebot der dem Arbeitnehmer obliegenden Treuepflicht.

Der Kläger beantragt:

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, AZ: 3 Ca 1582/07 S vom 28.01.2008 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 41.237,39 nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 13.10.2007 zu bezahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, der Kläger könne sich nicht auf die arbeitsvertragliche Rückzahlungsvereinbarung berufen. Die Klausel sei unangemessen iSd § 307 Absatz 1 BGB.

Die Beklagte trägt vor, sie habe keine positive Kenntnis davon gehabt, dass sie überzahlt gewesen sei. Sie habe nicht gewusst, dass ihr lediglich 83% eines Teils von Dreiviertel der Vollzeitvergütung zugestanden habe. Sie habe auch nicht annehmen müssen, dass ihr Arbeitgeber über einen derartig langen Zeitraum ihr Gehalt fehlerhaft abrechne.

Die Beklagte führt aus, sie habe mit ihrem Ehemann ein gemeinsames Konto, auf das die Gehaltszahlungen geflossen seien. Allein ihr Ehemann habe sich um die finanziellen Angelegenheiten gekümmert.

Die Beklagte meint, die tatsächliche Überzahlung könne nur aus einer Vergleichsrechnung der Nettobezüge ermittelt werden. Für die Ermittlung der Nettobezüge sei u. a. der Steuerschaden abzuziehen. Ein Steuerschaden sei dadurch entstanden, dass jahrelang aus den überhöhten Bezügen Steuern entrichtet worden seien. Der Kläger habe insoweit ein Saldo zu bilden. Vom Saldo sei die Steuerersparnis im Jahr der Rückzahlung abzuziehen, die sie – die Beklagte – im Wege der Vorteilsanrechnung gegen sich gelten lassen müsse.

Die Beklagte beruft sich darauf, die für den Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2006 erhobenen Ansprüche seien aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1, Absatz 2 b) ArbGG. Der Beschwerdewert ist erreicht.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG iVm den §§ 519, 520 ZPO.

Die Berufung ist zum Teil begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger die Überzahlungen für die Monate Februar bis Juni 2007 zu erstatten, §§ 812 Absatz 1 Satz 1, 818 Absatz 3 und 4, 819 Absatz 1 BGB.

Die Beklagte ist ungerechtfertigt bereichert. Sie hat im genannten Zeitraum mehr Vergütung erhalten als ihr zustand.

Der Kläger hat der Beklagten ab September 2002 die Vergütung für eine Vollbeschäftigung gezahlt, obwohl die Beklagte sich seit 01.09.2002 in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis befand, in dem die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 14,44 Stunden betrug.

Die Zahlungen erfolgten insoweit ohne Rechtsgrund.

Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Die Beklagte ist daher zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie sei nicht mehr bereichert. Dabei kann dahinstehen, ob die Regelung in § 9 des Arbeitsvertrags vom 14.05.1980, wonach sie sich nicht nach § 818 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, wirksam ist, insbesondere ob die vertragliche Bestimmung gegen § 307 BGB verstößt. Ebenfalls ist unerheblich, ob die Beklagte tatsächlich entreichert ist.

Dem Einwand der Beklagten, sie sei entreichert, steht § 818 Absatz 4 iVm § 819 Absatz 1 BGB entgegen.

Die Beklagte war nach Überzeugung des erkennenden Gerichts beim Empfang der Überzahlungen bösgläubig.

Die Beklagte macht zwar geltend, die Zahlungen seien auf ein Konto, das für sie und ihren Ehemann gemeinsam bestehe, geflossen. Um die finanziellen Angelegenheiten habe sich allein ihr Ehemann gekümmert.

Dass Überzahlungen vorlagen, ergab sich indes nicht primär aus den Beträgen, die dem Konto zuflossen, sondern aus den Gehaltsabrechnungen, die die Beklagte für Juli 2002 und für September 2002 erhielt.

Die Beklagte arbeitete vom 01.01.2002 bis 31.08.2002 mit einer auf 75% verkürzten Arbeitszeit.

Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

In dieser Zeit erhielt die Beklagte ein entsprechend gekürztes Gehalt. Dies war aus den Lohnabrechnungen ersichtlich, die durch den Kläger erstellt wurden. So enthält die Lohnabrechnung für Juli 2002 als laufenden Bezug 1.560.93 € brutto = 996,62 € netto. Demgegenüber wies die Abrechnung für September 2002 sowohl brutto als auch netto ein höheres Gehalt aus, nämlich 2.064,67 brutto und 1.212,47 € netto, obwohl die Beklagte sich seit 01.09.2002 in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis befand. Die entsprechende Vereinbarung hatte die Beklagte am 08.04.2002 mit dem Kläger getroffen. Auch wenn die Beklagte möglicherweise nicht im Einzelnen wusste, wie hoch die Vergütung ab 01.09.2002 sein würde, war jedenfalls klar, dass sie im Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 14,44 Stunden keinesfalls mehr verdienen konnte als im Zeitraum Januar bis August 2002 mit 75% der Arbeitszeit.

Vor allem fällt ins Gewicht, dass auf Blatt 2 der Abrechnung als Grund für die Änderung der Bezüge ausgeführt war, die Beklagte sei ab 01.09.2002 vollbeschäftigt.

Angesichts dieser Umstände geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Beklagten bekannt war, dass sie ab September 2002 zu viel Vergütung erhielt. Es erscheint insbesondere nicht wahrscheinlich, dass die Beklagte nicht einmal ihre eigenen Gehaltsabrechnungen gelesen hat. Dies behauptet sie im Übrigen selbst nicht.

Auch wenn die Beklagte ihre finanziellen Angelegenheiten vollständig durch ihren Ehemann hätte erledigen lassen und auch nur er die Gehaltsabrechnungen zur Kenntnis genommen hätte, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes. In diesem Fall müsste sich die Beklagte seine Kenntnis gemäß § 166 Absatz 2 BGB zurechnen lassen. Nach dem Vorbringen der Beklagten müsste dann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte ihren Ehemann zumindest konkludent mit der Wahrnehmung ihrer finanziellen Angelegenheiten beauftragt hätte.

Die Rückzahlungspflicht überzahlter Vergütung bezieht sich auf den geleisteten Bruttobetrag.

Im Fall einer ungerechtfertigten Bereicherung sind auch die vom Arbeitgeber abgeführten Steuern vom Arbeitnehmer zurückzuzahlen, denn der Arbeitnehmer hat all das zurückzuzahlen, was er „erlangt“ hat. Dazu gehört alles, was ihm im steuerlichen Sinne zugeflossen ist. Dies ist die gem. § 38 Absatz 3 EStG für Rechnung des Arbeitnehmers abgeführte Lohnsteuer, denn der geschuldete Bruttobetrag unterliegt der Einkommenssteuerpflicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Steuerschuldner ist der Arbeitnehmer (§ 38 Absatz 2 Satz 1 EStG). Der Arbeitgeber ist lediglich Haftungsschuldner, § 42 d EStG (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 15.03.2000 – 10 AZR 101/99 = BAGE 94, 73 und NZA 2000/1004; Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 19.03.2003 – 10 AZR 597/01 = EzA § 717 ZPO 2002 Nr. 1).

Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, der Kläger müsse aus den monatlichen Steuermehrzahlungen eine Saldoposition bilden, von der die Steuerersparnis aus dem Jahr der Rückzahlung abzuziehen sei. Dies stellt inhaltlich eine Aufrechnung iSd §§ 387 ff BGB dar. Der Sachvortrag der Beklagten ist insoweit nicht schlüssig. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte aus den erhöhten Bezügen auch höhere Steuern gezahlt hat, die sich dann, wenn die Beklagte zur Rückzahlung von Vergütung verpflichtet ist, als zu hoch erweisen. Da der Kläger Empfänger der Steuerzahlungen ist, wäre er insoweit ebenfalls ungerechtfertigt bereichert.

Es obliegt indes nicht dem Kläger, eine Saldoposition zu bilden. Es wäre vielmehr Sache der Beklagten, den Steuerschaden zu beziffern.

Die Überzahlung betrug im Zeitraum Februar bis Juni 2007 monatlich 770,17 €. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers, das die Beklagte nicht bestritten hat und das deshalb als zugestanden anzusehen ist, § 138 Absatz 3 ZPO.

Für 5 Monate ergibt sich ein Betrag von 3.850,85 €.

Ein Anspruch auf Rückzahlung der für die vor Februar 2007 geleisteten Überzahlungen besteht dagegen nicht. Sie sind gemäß § 70 BAT bzw. § 37 TV – L verfallen.

Die tarifliche Ausschlussfrist beträgt nach beiden Bestimmungen 6 Monate. Die Ausschlussfrist beginnt ab der Fälligkeit des Anspruchs.

Der Rückzahlungsanspruch wurde jeweils am 31. des Monats, für den Gehalt gezahlt wurde, fällig, § 36 BAT bzw. § 24 Absatz 1 Satz 2 TV – L.

Berechnet der Arbeitgeber die Vergütung fehlerhaft, obwohl ihm die maßgeblichen Berechnungsgrundlagen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, entsteht sein Rückzahlungsanspruch bei überzahlter Vergütung im Zeitpunkt der Überzahlung und wird auch zugleich fällig. Auf die Kenntnis des Arbeitgebers von seinem Rückzahlungsanspruch kommt es in einem solchen Fall nicht an. Sind dem Arbeitgeber die Grundlagen der Berechnung bekannt, fallen Fehler bei der Berechnung der Vergütung regelmäßig in seine Sphäre, weil sie von ihm eher durch Kontrollmaßnahmen entdeckt werden können als vom Empfänger der Leistung (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 10.03.2005 – 6 AZR 217/04 = AP Nr. 38 zu § 70 BAT und NZA 2005/812).

Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Dem Kläger waren die Berechnungsgrundlagen bekannt. Insbesondere hatte er selbst mit der Beklagten den Vertrag zum Altersteilzeitarbeitsverhältnis abgeschlossen. Dass die Weitergabe dieses veränderten Umstandes an die Bezügestelle nicht erfolgte, ist der Sphäre des Klägers zuzurechnen.

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Danach wurde der Rückforderungsanspruch für Januar 2007 am 31.01.2007 fällig. Die Ausschlussfrist begann am 01.02.2007 und endete mit Ablauf des 31.07.2007. Der Kläger hat die Ansprüche erstmals mit Schreiben vom 20.07.2007 geltend gemacht. Es ist indes nicht ersichtlich, dass das Schreiben der Beklagten vor Ablauf der Ausschlussfrist zugegangen ist. Nach der vom Kläger vorgelegten Kopie (Bl. 7 d. A.) wurde der Entwurf am 24.7.2007 gefertigt. Wann das Schreiben versandt wurde, wurde nicht vermerkt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass das Schreiben der Beklagten vor dem oder am 31.01.2007 zuging. Dies gilt umso mehr, als das Schreiben als Einschreiben mit Rückschein versandt wurde.

Entsprechend sind die vor dem Januar 2007 liegenden Ansprüche ebenfalls verfallen.

Dem Ablauf der Ausschlussfrist steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nicht entgegen.

Allerdings kann der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch dem Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen, wenn der Arbeitnehmer ihn durch aktives Handeln von der Einhaltung der Ausschlussfrist abgehalten hat (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 10.03.2005 – 6 AZR 217/04 = AP Nr. 38 zu § 70 BAT und NZA 2005/812). Dies soll auch dann gelten, wenn der Arbeitnehmer es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Arbeitgeber Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten (vgl. Bundesarbeitsgericht aaO).

Letzterem vermag sich das erkennende Gericht nicht anzuschließen.

Sinn und Zweck des § 242 BGB ist es, der Rechtsausübung dort eine Schranke zu setzen, wo sie zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnissen führt. Aus Sicht des erkennenden Gerichts ist ein solcher Fall dann nicht zu bejahen, wenn ein Arbeitnehmer weder dazu beigetragen hat, dass eine Überzahlung erfolgte, noch aktiv ein Handeln an den Tag gelegt hat, das den Arbeitgeber davon abhält, seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen.

Es ist grundsätzlich Sache eines jeden, der am Rechtsverkehr teilnimmt, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen. Dazu gehört es auch, organisatorische Maßnahmen zu treffen, um sicher zu stellen, dass Gehaltszahlungen in der richtigen Höhe geleistet werden. Allein der Umstand, dass, wenn derartige Zahlungen zu spät entdeckt werden, etwaige Überzahlungen nicht mehr rechtzeitig geltend gemacht werden können, rechtfertigt es nicht, es dem Anspruchsgegner zu verwehren, sich auf Einwendungen oder Einreden zu berufen, die ohne sein Zutun entstanden sind.

Es wird nicht verkannt, dass, was noch ausgeführt wird, eine Verpflichtung des Arbeitnehmers besteht, den Arbeitgeber vor Schäden zu bewahren. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus § 241 Absatz 2 BGB. Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung besteht indes gemäß § 282 BGB in einem Schadensersatzanspruch. Der Gesetzgeber hat insoweit die gegenseitigen Interessen der Vertragspartner bereits ausreichend berücksichtigt.

Danach kann sich die Beklagte darauf berufen, dass die Rückzahlungsansprüche größtenteils verfallen sind.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger Schadensersatz zu leisten, §§ 241 Absatz 2, 280 Absatz 1, 282 BGB.

Die Beklagte hat es unterlassen, den Kläger darüber zu unterrichten, dass ihm offensichtlich bei der Berechnung der Vergütung ein Fehler unterlaufen ist. Wie bereits ausgeführt, hat entweder die Beklagte oder, ihr zurechenbar, ihr Ehemann aufgrund der Abrechnung für September 2002 bemerkt, dass der Kläger zu viel Vergütung abgerechnet hatte.

Gleichwohl teilte die Beklagte dies dem Kläger nicht mit. Darin liegt ein Verstoß gegen die in § 241 Absatz 2 BGB normierte Pflicht, Rücksicht auf die Rechtsgüter und Interessen des anderen zu nehmen.

Der Verstoß war auch schuldhaft, § 276 BGB. Insbesondere war es der Beklagten ohne weiteres zumutbar und hätte keinen Aufwand bedeutet, wenn sie den Kläger über seinen Irrtum unterrichtet hätte.

Hätte die Beklagte den Kläger darüber informiert, dass er zu viel zahlte, hätte er das bereits Geleistete innerhalb der Ausschlussfrist zurück verlangen können. Da die Beklagte dies unterließ, lief die tarifvertragliche Ausschlussfrist ab. Der Schaden des Klägers besteht somit darin, dass die Rückforderungsansprüche größtenteils verfallen sind.

Der Kläger muss sich indes ein Mitverschulden anrechnen lassen, § 254 BGB. Er hat es unterlassen, die Richtigkeit der Lohnzahlungen zu kontrollieren. Dadurch hat er ebenfalls einen Beitrag dazu geleistet, dass die Ansprüche verfallen sind. Das erkennende Gericht hält daher einen Abzug von 10% des Schadens für angemessen.

Allerdings unterliegen auch die Schadensersatzansprüche der tariflichen Ausschlussfrist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tritt die Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann. Feststellbar ist der Schaden, sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 = BAGE 122, 304 und NZA 2007/1154; Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 25.10.2007 – 8 AZR 593/06 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing und NZA 2008/223).

Der Schaden entstand für den Kläger in dem Zeitpunkt, in dem der Rückzahlungsanspruch für einen Monat verfiel. Dies war jeweils 6 Monate nach Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs der Fall. Dies hätte der Kläger bei gebotener Sorgfalt monatlich feststellen können.

Die Folge ist, dass die Beklagte lediglich den Schaden für die Monate August 2006 bis Januar 2007 zu erstatten hat.

Der Rückzahlungsanspruch für Juli 2006 entstand mit der Überzahlung am 31.07.2006. Er verfiel 6 Monate später, nämlich mit Ablauf des 31.01.2007. Der dadurch entstandene Schaden hätte bis 31.07.2007 geltend gemacht werden müssen. Der Kläger hat, wie bereits ausgeführt, die Ansprüche indes erst mit Schreiben vom 20.07.2007 erhoben. Da nicht feststeht, wann das Schreiben vom 20.07.2007 der Beklagten zugegangen ist, ist nicht ersichtlich, dass der Kläger seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hat.

Die Schadensersatzansprüche bezüglich des Monats Juli 2006 sowie für die davor liegenden Monate sind daher verfallen.

Der Rückzahlungsanspruch für die Monate August 2006 bis Januar 2007 belief sich auf je 770,17 €, insgesamt also 4.621,02 €. Hiervon sind 10% abzuziehen, so dass sich ein Schadensbetrag von 4.158,92 € ergibt.

Der gesamte von der Beklagten zu zahlende Betrag beläuft sich demnach auf 8.009,77 €. Insoweit war das Ersturteil abzuändern.

Die weitergehende Berufung des Klägers war abzuweisen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen. Das Urteil weicht hinsichtlich der Frage, ob der Kläger sich gegenüber dem Einwand des Ausschlusses der Ansprüche auf unzulässige Rechtsausübung berufen kann, von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ab. Dadurch ist der Kläger beschwert. Ihm war daher die Möglichkeit der Revision zu eröffnen.

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