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Arbeitsgerichtsrechtsweg


Bundesarbeitsgericht

Az: 5 AZB 49/06

Beschluss vom 25.01.2007


In Sachen hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 25. Januar 2007 beschlossen:

1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. September 2006 – 15 Ta 475/06 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.555,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

A. Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

Der Kläger ist der Ehemann der Beklagten. Die Parteien schlossen am 10. Oktober 1995 einen Arbeitsvertrag. Danach wurde der Kläger von der Beklagten als staatlich anerkannter Diplomsozialarbeiter eingestellt. Zu seinen Arbeitsaufgaben gehörten die Schulung und Einarbeitung von Mitarbeitern, die Durchführung von Fortbildungsseminaren und Motivationstraining, die Erarbeitung von Schulungskonzepten für versicherungstechnische Vertriebsmodelle, die Erstellung von Vertriebskonzepten, Kundenberatungen, Policenkontrollen und Inkasso bei Kunden vor Ort. Als Gegenstand der Firma der Beklagten ist im Arbeitsvertrag die Vermittlung von Bausparen und Versicherungen angegeben. Die vereinbarte Vergütung betrug 3.500,00 DM. Zuletzt erhielt der Kläger ein Gehalt in Höhe von monatlich 2.147,43 Euro brutto. Die Büroräume standen im Eigentum des Klägers, der sie der Beklagten vermietete. Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. Dezember 2005.

Mit der am 25. Januar 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Arbeitsvergütung für die Monate November und Dezember 2005 zuzüglich Leistungen für die betriebliche Altersversorgung sowie vermögenswirksame Leistungen in einer Gesamthöhe von 4.665,04 Euro brutto.

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen gerügt und geltend gemacht, ein Arbeitsverhältnis liege nicht vor. Der Kläger habe das Versicherungsbüro selbständig geführt. Sie sei nur Hausfrau und Mutter gewesen und habe lediglich das Kassenbuch geführt. Sämtliche Versicherungsverträge seien vom Kläger ausgehandelt worden. Sie habe die Verträge blind unterzeichnet. Seit etwa zwei Jahren habe sie keinen Zugang mehr zu dem Büro gehabt, nachdem der Kläger ihr den Schlüssel unter einem Vorwand abgenommen habe.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 7. Juni 2006 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. In der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts heißt es, die Rechtsbeschwerde müsse innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung des Beschlusses schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Die Rechtsbeschwerde sei gleichzeitig oder innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses schriftlich zu begründen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts ist der Beklagten am 26. September 2006 zugestellt worden. Mit ihrer am 20. Oktober 2006 beim Bundesarbeitsgericht eingelegten und am 21. November 2006 begründeten Rechtsbeschwerde macht die Beklagte weiterhin die Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen geltend. Hilfsweise beantragt die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

I. Die Beschwerde ist zulässig.

1. Die Beklagte hat zwar nicht die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde von einem Monat nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 78 Satz 1 ArbGG, § 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO eingehalten. Die Frist begann gem. § 575 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung am 26. September 2006 und endete demzufolge am 26. Oktober 2006. Die Begründung der Rechtsbeschwerde ist am 21. November 2006 und damit verspätet beim Bundesarbeitsgericht eingegangen.

2. Der Beklagten ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO). Nachdem die Beklagte durch den Senat mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 auf die Versäumung der Begründungsfrist hingewiesen wurde, hat sie am 14. Dezember 2006 und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Antrag ist begründet, denn die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Rechtsbeschwerde fristgerecht zu begründen. Die Beklagte durfte auf die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des Landesarbeitsgerichts vertrauen. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung rechtfertigt in der Regel die Annahme eines fehlenden Verschuldens des Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung. Nur wenn die Rechtsmittelbelehrung offensichtlich nicht geeignet ist, den Anschein der Richtigkeit zu erwecken, ist die Fristversäumnis als schuldhaft anzusehen (vgl. BAG 16. Dezember 2004 – 2 AZR 611/03 – AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 30 = EzA ZPO 2002 § 233 Nr. 3). Die Rechtsmittelbelehrung des Landesarbeitsgerichts war zwar bezüglich der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde falsch, weil diese nicht zwei Monate, sondern einen Monat, beginnend mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung, beträgt (§ 575 Abs. 2 ZPO). Dieser Fehler ist aber nicht so offenkundig, dass für die Beklagte nicht der Anschein einer richtigen Belehrung entstehen konnte.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht bejaht.

1. Die Parteien haben einen wirksamen Arbeitsvertrag geschlossen. Ein Scheingeschäft iSv. § 117 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die Parteien wollten die Wirkungen des vereinbarten Arbeitsvertrags eintreten lassen. Die Beklagte hat selbst ausgeführt, der Arbeitsvertrag sei geschlossen worden, damit der Kläger die sozialen Sicherungssysteme, insbesondere die Arbeitslosen- und Krankenversicherung für sich in Anspruch nehmen könne. Dies setzt aber das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses, das insoweit an ein Arbeitsverhältnis anknüpft, voraus. Der Vertrag wurde vollzogen, indem die Beklagte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leistete und auf das vereinbarte Arbeitsentgelt Lohnsteuer entrichtete.

2. Auf Grund des wirksam zustande gekommenen Arbeitsvertrags stand der Beklagten gegenüber dem Kläger gemäß § 106 GewO ein Weisungsrecht zu. Dass die Beklagte, wie sie behauptet, ihr Weisungsrecht nicht ausgeübt hat, steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ist nur maßgebend, wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis, sondern zB als freies Dienstverhältnis bezeichnen, der Beschäftigte jedoch tatsächlich weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet. Das beruht darauf, dass ein tatsächlich bestehendes Arbeitsverhältnis durch Parteivereinbarung nicht dem Geltungsbereich des zwingenden Arbeitnehmerschutzes entzogen werden kann. Hieraus folgt aber nicht, dass ein Rechtsverhältnis, das als Arbeitsverhältnis vereinbart wurde, durch bloße Nichtausübung der Weisungsrechte zu einem freien Dienstverhältnis wird (Senat 12. September 1996 – 5 AZR 1066/94 – BAGE 84, 108, 113; BAG 21. April 2005 – 2 AZR 125/04 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 8). Wollen die Parteien eines Arbeitsverhältnisses ihre Rechtsbeziehungen künftig als freies Dienstverhältnis fortsetzen, müssen sie das hinreichend klar unter Beachtung von § 623 BGB vereinbaren. Das ist vorliegend nicht erfolgt.

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.

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