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Arbeitskampfrisiko der Arbeitnehmer


ArbG Herne

Az: 1 Ca 2931/09

Urteil vom 03.03.2010


Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auf 1.108,02 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin.

Diese wurde von der Beklagten mit Wirkung zum … als Erzieherin eingestellt. Zuletzt war sie in der Kindertagesstätte … tätig.

ei der Beklagten sind 19 Kindertagesstätten vorhanden. Im Kindergartenjahr 2008/2009 wurden dort 1489 Kinder betreut. Abhängig von den unterschiedlichen Gruppengrößen und den Gruppenanzahlen in der KiTas waren die Kinder in insgesamt 74,5 Gruppen untergebracht. Die KiTas hatten zwischen zwei und sechs Gruppen. Für deren Betrieb standen 273 aktive Beschäftigte einschließlich 19 Berufspraktikanten im Anerkennungsjahr zur Verfügung.

Nach Scheitern der Tarifverhandlungen zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände VKA für den Bereich der Sozial- und Erziehungsdienste am 30.04.2009 und der auf Gewerkschaftsseite in der Zeit vom 07.05. bis 13.05.2009 durchgeführten Urabstimmung erfolgte ab dem 15.05.2009 ein unbefristeter Streikaufruf. Von den Streikmaßnahmen waren schwerpunktmäßig das Land Nordrhein-Westfalen und unter Anderem die Beklagte betroffen.

Die streikführende Gewerkschaft ver.di verfolgte die Streiktaktik des Wellenstreiks. Diese zeichnete sich dadurch aus, dass die Streikaufrufe tageweise erfolgten, mit einer Vorankündigung von im Regelfall nur einem Werktag, so unter Anderem durch ver.di Pressemitteilung vom 14.05.2009 für den 15.05.2009 (Bl.45 d.GA).

Streikmaßnahmen fanden am 15.05., 18.05., 19.05., 26.05., 27.05., 28.05., 02.06., 03.06., 08.06.,09.06., 15.06., 16.06., 17.06., 22.06., 23.06. und 24.06.2009 statt.

An diesen nahmen im Durchschnitt nur etwa 30 bis 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten, zu denen auch die Praktikanten gehörten, nicht teil.

Am 18.05.2009 wurde zwischen der Beklagten und der örtlichen Arbeitskampfleitung der Gewerkschaft ver.di eine Notdienstvereinbarung abgeschlossen. Wegen deren genauen Inhalts wird auf die von der Beklagten mit der Klageschrift eingereichten Ausfertigung (Bl.47,48 d.GA) Bezug genommen.

Der Notdienst fand an den Streiktagen in jeweils zwei KiTas – eine für die Stadtbezirke … und … und in einer für die Stadtbezirke … und … – statt. Die vom Notdienst nicht erfassten übrigen Einrichtungen blieben geschlossen.

Auch die Kindertagesstätte … war wegen Streikmaßnahme zeitweise geschlossen. Gleichwohl meldete sich die Klägerin am 15.05. und 17.06.2009 bei der Beklagten arbeitswillig.

In der Zeit vom … bis zum … war sie arbeitsunfähig erkrankt.

Ausweislich der von ihr in Kopie vorgelegten Mitteilungen (Bl.13-17 d.GA) bezog sie für die Zeit vom … – …, … – …, … – …, … – … sowie … bis … Krankengeld in Höhe von jeweils …€ brutto = … € netto.

Mit ihrer bei Gericht am 30.09.2010 eingegangenen und der Beklagten am 07.10.2009 zugestellten Klage, vertritt die Klägerin die Auffassung, dass es sich der Arbeitgeber zu leicht mache, wenn er den Betrieb schlicht still lege und damit meine, seiner Beschäftigungs- und Entgeltzahlungspflicht nicht nachkommen zu müssen. Möge er ausdrücklich einen Aussperrungsbeschluss fassen und diesen den betroffenen Beschäftigten mitteilen.

Im vorliegenden Fall läge weder der Tatbestand einer Aussperrung noch einer Betriebsstilllegung vor. Ausdrücklich beziehe sich die Beklagte lediglich auf eine Notdienstvereinbarung. Damit könne aber von einer Betriebsstilllegung, wie die Beklagte offensichtlich meine, keine Rede sein.

Aus Gründen des Annahmeverzuges und der Entgeltfortzahlung stünden ihr im Monat Mai 2009 für 4 Tage, namentlich den 15.05. sowie 26./27./28.05.2009 ausgehend von einem Bruttoentgelt von … € und 21 Arbeitstagen … € brutto zu. Im Monat Juni 2009 ergebe sich für den.,.,.,.,.,.,.,. 2009, mithin für 9 Tage an denen sie arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, ausgehend von 22 Arbeitstagen ein Entgeltfortzahlungsanspruch von … € brutto sowie unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für den 17.06.2009 ein weiterer Entgeltanspruch von … € zu.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie … € brutto abzüglich … € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass es ihr weder tatsächlich möglich noch zumutbar gewesen sei, die nicht streikenden Mitarbeiter zu beschäftigen.

Bereits durch den Vergleich der Anzahl der streikenden Mitarbeiter zu der Anzahl der nichtstreikenden Mitarbeiter werde deutlich, dass ein Dienstbetrieb faktisch nicht habe stattfinden können. Darüber hinaus, so die Beklagte unter Benennung der einzelnen Rechtsgrundlagen, sei zu berücksichtigen, dass der Personaleinsatz in den Kindertagesstätten in qualitativer und quantitativer Hinsicht durch den Landesgesetz- und Verordnungsgeber vorgegeben sei. Das nichtstreikende Personal habe nicht im Ansatz ausgereicht, den Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten.

Infolge der kurzfristigen Ankündigungen der Streiktage sei eine Fortführung des Dienstbetriebes schon aus organisatorischen Gründen unmöglich gewesen.

Da durch die Streikmaßnahmen der besondere Personenkreis des Sozial- und Erziehungsdienstes in personeller Hinsicht betroffen gewesen sei, sei infolge des besonderen Berufsbildes und Tätigkeitsbereiches ein Vergleich mit den Beschäftigten des allgemeinen oder technischen Verwaltungsdienstes nicht möglich.

Darüber hinaus könne der Arbeitgeber den nicht bestreikten Betrieb/Betriebsteil stilllegen, ohne dass es auf die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der arbeitswilligen Arbeitnehmer ankomme. Von einer solchen Betriebsstilllegung habe sie Gebrauch gemacht.

Die hierfür erforderliche Entscheidung läge vor. Sie verdeutliche sich in dem Abschluss der Notdienstvereinbarung. Diese enthalte die Regelung, dass nur und ausschließlich in den jeweils zwei Notdiensteinrichtungen eine Kinderbetreuung und damit ein Dienstbetrieb statt finde, die übrigen Einrichtungen hingegen geschlossen blieben. Damit sei bei ihr zugleich die betriebliche Entscheidung getroffen worden, sich den Arbeitskampfmaßnahmen zu beugen, die Betriebsteile (KiTas) insgesamt zu schließen und nur in den Notdiensteinrichtungen einen Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten.

Vor den Streiktagen seien die Leitungen der KiTas per email von der Leitung des Fachbereichs Kinder-Jugend-Familie der … davon unterrichtet worden, in welcher der beiden wechselnden Notdiensteinrichtungen Dienstbetrieb habe stattfinden sollen. Die KiTA-Leitungen seien angewiesen worden, sowohl die betroffenen Eltern als auch die betroffenen Mitarbeiter in den KiTas von der Stilllegung des Dienstbetriebes zu unterrichten und die von der Fachbereichsleitung übersandten und von ihr mit der Klageschrift überreichten Aushänge (Bl.55,57,59 d.GA) in den Einrichtungen von außen lesbar anzubringen. Entsprechend sei, was die Klägerin nicht bestritten hat, an den Streiktagen verfahren worden.

Infolge der ausgehängten Informationsbriefe, der tatsächlichen Schließung der KiTas und der unterbliebenen Kinderbetreuung in den geschlossenen Einrichtungen sei ihrer Ansicht nach neben der ausdrücklichen Erklärung auch für die Beschäftigten anhand der objektiven Umstände klar erkennbar gewesen, dass der Dienstbetrieb eingestellt worden sei.

Durch die im Rahmen der Notdienste begrenzten Betreuungsplätze der beiden Kindertageseinrichtungen hätten nur die für den Betrieb eben dieser Notdiensteinrichtungen notwendigen Beschäftigten ihre Arbeitsleistung erbringen können.

Hinsichtlich des Entgeltfortzahlungsanspruchs der Klägerin fehle es infolge der dargelegten streikbedingt fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit an der hierfür erforderlichen alleinigen Kausalität der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.

Mit der Entgeltabrechnung August 2009 seien für den Monat Mai 2009 … € brutto und für den Monat Juni … € brutto insgesamt … € brutto einbehalten worden.

Bei einer anteiligen Kürzung sei nach § 24 Abs.3 TVöD zudem auf die Zahl der Kalendertage des jeweiligen Monats abzustellen und nicht, wie es die Klägerin getan habe, auf die Zahl der Arbeitstage. Ausgehend von dem Brutto-Tabellenentgelt der Klägerin in Höhe von … € ergäbe sich ein taganteiliges Tabellenentgelt für den Monat Mai 2009 mit 31 Tagen in Höhe von … € und für den Monat Juni 2009 mit 30 Tagen in Höhe von … €.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 03.03.2010 Bezug genommen worden.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten weder ganz noch teilweise eine Vergütung für die von ihr im Einzelnen benannten Tage der Monate Mai und Juni 2009 zu.

1) Hinsichtlich des 15.05.2009 ergibt sich für sie kein Anspruch aus § 615 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag.

a) Dabei besteht zwischen den Parteien zunächst kein Streit, dass sich die Klägerin am 15.05.2009 bei der Beklagten arbeitswillig gemeldet hat und damit von ihrer Seite das nach § 294 BGB grundsätzlich zur Begründung des Annahmeverzugs erforderlich tatsächliche Angebot vorlag.

Auch ist davon auszugehen, dass sie an diesem Tag leistungsfähig und -bereit war, § 297 BGB.

b) Die Beklagte war hingegen nicht verpflichtet, die angebotene Arbeitsleistung der Klägerin anzunehmen.

Der Vergütungsanspruch für diesen Tag entfällt nach den Grundsätzen des Arbeitskampfrisikos, wobei es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung des Arbeitgebers handelt (BAG v.27.06.1995, 1 AZR 1015/94, juris).

Dabei bleibt zwar zunächst festzustellen, dass grundsätzlich er das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko trägt. Er muss deshalb den Lohn auch dann zahlen, wenn er Arbeitnehmer ohne sein Verschulden aus betriebstechnischen Gründen nicht beschäftigten kann oder wenn die Fortsetzung des Betriebes etwa wegen Auftrags- oder Absatzmangels wirtschaftlich sinnlos wird. Diese Risikoverteilung gilt allerdings nicht uneingeschränkt bei Störungen, die in einem nicht bestreikten Betrieb auftreten und auf den Fernwirkungen eines Arbeitskampfes beruhen. Hier muss der Arbeitgeber an die Arbeitnehmer, die er nicht beschäftigt, nur dann und insoweit Lohn zahlen, als die Fortsetzung der Arbeit des Betriebes oder Betriebsteiles möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. Diese Grundsätze sind nach dem Dafürhalten der Kammer auch dann anzuwenden, wenn die Unmöglichkeit der Beschäftigung nicht auf Fernwirkungen zurückgeht, die in einem anderen Betrieb oder Betriebsteil verursacht werden sondern Folge eines zeitlich vorangegangenen und angekündigten Streiks im selben Betrieb ist (vgl. BAG v. 11.07.1995, 1 AZR 63/95, juris; v.27.06.1995; v.31.01.1995, 1 AZR 194/94, juris; a.A. noch BAG v.22.03.1994, 1 AZR 622/93, juris).

Diese sind vorliegend außerdem erfüllt. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Pressemitteilung vom 14.05.2009 sind seitens der Gewerkschaft ver.di die Beschäftigten von Kindertagesstätten, Sozialdiensten und Jugendämtern für Freitag, den 15.05.2009, zu landesweiten Streits in KiTas, Sozial- und Erziehungsdiensten aufgerufen worden. Hiervon waren unstreitig auch die Einrichtungen der Beklagten betroffen.

Ihr Vorbringen, nach dem sie infolge der Streikmaßnahmen außer Stande gewesen sei, die Kindertagesstätten weiter zu betreiben, hat sie im Weiteren ausreichend dargetan. So hat sie von der Klägerin unbestritten und damit nach § 139 ZPO zugestanden zunächst ausgeführt, dass während der Streikmaßnahmen im Durchschnitt nur etwa 30 bis 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 273 aktiv Beschäftigten einschließlich der 19 Berufspraktikanten im Anerkennungsjahr nicht an den Streikmaßnahmen teilgenommen haben. Berücksichtigt man außerdem ihren weiteren Vortrag, nach dem in den Kitas insgesamt 74,5 Gruppen untergebracht seien, wird des Weiteren deutlich, dass pro Gruppe damit noch nicht einmal eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter zur Verfügung gestanden hat, um eine Betreuung der Kinder vorzunehmen. Hinzu kommt, dass sie nach ihrem ebenfalls klägerseits unbestritten gebliebenen Vorbringen hinsichtlich des Personaleinsatzes in den Kindertagesstätten sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht Vorgaben des Landesgesetz- und Verordnungsgebers unterliegt. Nicht zuletzt deshalb ist es ihr dann aber auch nicht zumutbar, gleichwohl die Kitas zu öffnen und die an diesem Tag arbeitswilligen Mitarbeiter zu beschäftigen.

Dafür, dass jedenfalls in der Tagesstätte der Klägerin an diesem Tag gleichwohl eine vor Allem auch rechtlich zulässige Beschäftigungsmöglichkeit für sie bestanden hat, was insbesondere voraussetzen würde, dass dort an diesem Tag ausreichend Personal zur Verfügung gestanden hatte, lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen und ist auch von dieser selbst nicht eingewandt worden.

Der grundsätzlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit, die arbeitswilligen Mitarbeiter zumindest in einzelnen KiTas gebündelt einzusetzen, steht im Weiteren der Umstand entgegen, dass die Streikankündigung für den 15.05.2009 unstreitig erst am 14.05.2009 und damit äußerst kurzfristig erfolgt ist. Dementsprechend war für die Kammer der Einwand der Beklagten auch nachvollziehbar, dass eine Fortführung des Dienstbetriebes schon aus organisatorischen Gründen nicht möglich gewesen sei.

2) Ebenfalls kann die Klägerin von der Beklagten keine Vergütung für den … und … 2009 nach § 3 Abs.1 S.1 EFZG i.V.m. dem Arbeitsvertrag verlangen.

a) Unstreitig war sie an den vorgenannten Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt.

b) Allerdings unterliegt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung zugleich dem Lohnausfallprinzip. Sie ist deshalb so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie nicht infolge ihrer Krankheit an der Arbeitsleitung verhindert gewesen wäre. Folglich steht ihr für diese Tage nur dann eine Entgeltfortzahlung zu, wenn sie tatsächlich in der Lage gewesen wäre, ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Dies ist allerdings für sämtliche dieser Tage nicht der Fall.

aa) Der Arbeitgeber ist nämlich außerdem nicht dazu verpflichtet, einen bestreikten Betrieb oder Betriebsteil soweit als möglich aufrechtzuerhalten. Vielmehr kann er ihn für die Dauer des Streiks auch ganz stilllegen mit der Folge, dass die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert werden und auch arbeitswillige Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch verlieren. Dies gilt auch dann, wenn ihm die teilweise Aufrechterhaltung technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar wäre (BAG v. 27.06.1995 u.v. 22.03.1994).

Hierauf hat die Beklagte sich auch berufen, indem sie vorträgt, dass mit dem Abschluss der Notdienstvereinbarung am 18.05.2009 zugleich die betriebliche Entscheidung getroffen worden sei, sich den Arbeitskampfmaßnahmen zu beugen, die Betriebsteile (KiTas) insgesamt zu schließen und nur in den Notdiensteinrichtungen einen Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin musste sie hierfür keinen Aussperrungsbeschluss fassen.

Das Arbeitskampfrecht kennt keine Pflicht zur aktiven Abwehr von Kampfmaßnahmen. Der Arbeitgeber ist deshalb nicht gehindert, sich den gegen ihn gerichteten Streikmaßnahmen zu beugen und den bestreikten Betrieb oder Betriebsteil für die Dauer des Streiks stillzulegen (BAG v.22.03.1994). Die Stilllegung stellt damit für den Arbeitgeber ein gegenüber der Aussperrung weiteres Mittel dar, durch den der Lohnanspruch arbeitswilliger Arbeitnehmer ausgeschlossen werden kann (vgl. BAG v.27.06.1995).

Eine Stilllegung der KiTas ist nach dem Vorbringen der Beklagten an den maßgeblichen Streiktagen auch tatsächlich erfolgt. Danach hat sie mit Ausnahme von jeweils zwei KiTas in der an den Streiktagen der Notdienst stattfand, nämlich einer für die Stadtbezirke … und … sowie einer für die Stadtbezirke … und .., alle weiteren KiTas geschlossen, was die Klägerin nicht bestritten hat.

Ihr Hinweis darauf, dass sich die Beklagte lediglich auf eine Notdienstvereinbarung beziehe und deshalb von einer Betriebsstilllegung nicht die Rede sein könne, vermag eine abweichende Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Die Notwendigkeit der Durchführung von Notstands- und Erhaltungsarbeiten während eines Arbeitskampfes ist grundsätzlich anerkannt, wobei den Arbeitskampfparteien außerdem ein weiter Beurteilungsspielraum zuzugestehen ist (BAG v. 31.01.1995 u.v. 22.03.1994). Aus der von der Beklagten eingereichten Notdienstvereinbarung ergibt sich zudem, dass diese unter dem 18.05.2009 mit der Gewerkschaft ver.di geschlossen und ausweislich § 2 die Einrichtung von Notdiensten beinhaltet. Aufgrund des klägerseits unwidersprochen gebliebenen und damit zugestandenen Vorbringens der Beklagten ist des Weiteren davon auszugehen, dass an den Streiktagen in jeweils zwei Kitas der Notdienst durchgeführt worden ist. Insoweit ist auch von der grundsätzlichen Erforderlichkeit der Maßnahme auszugehen. Dies verdeutlicht bereits der in § 1 der Notdienstvereinbarung festgelegte Zweck des Notdienstes, nach dem dieser in der Aufrechterhaltung einer Mindestbetreuung in den städtischen Tageseinrichtungen für Kinder und die Sicherstellung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VII im Bereich des allgemeinen sozialen Beratungsdienstes besteht. Außerdem zeigt die von der Beklagten vorgetragene räumliche Zuständigkeit der zwei KiTas, dass eine Notfallbetreuung für das gesamte Stadtgebiet der Beklagten sichergestellt werden sollte.

Das weitere Erfordernis des Vorliegens einer Erklärung, den bestreikten Betrieb oder Betriebsteil nicht aufrechterhalten zu wollen und die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer für die Dauer des Arbeitskampfes zu suspendieren (BAG v.22.03.2004), liegt ebenfalls vor. Die Erklärung muss sich an die betroffenen Arbeitnehmer richten, deren Arbeitsverhältnisse dadurch suspendiert werden (BAG v.11.07.1995). Dabei kann die Erklärung allerdings auch konkludent und sogar nur stillschweigend erfolgen. Entscheidend ist allein, dass der Arbeitgeber hinreichend deutlich macht, dass er sich dem Streik beugen will und auf die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer in eindeutiger Form verzichtet (vgl. BAG v.11.07.1995 u.v. 27.06.1995).

Unter Beachtung dieser Kriterien bleibt zwar zunächst festzustellen, dass allein der Abschluss der Notdienstvereinbarung dafür nicht genügend ist, da hiervon zunächst nur die Gewerkschaft Kenntnis erlangt.

Auch ist das von ihr vorgelegte email des Herrn … vom 18.05.2009 insoweit nicht ohne Weiteres als ausreichend anzusehen. Nach deren Inhalt wurde in der Anlage nämlich nur eine Info an die Eltern mit der Bitte um sofortigen Aushang in der KiTa versandt. Auch wenn durch die Mitteilung des Notdienstes ab dem 20.05.2009 in den dort näher bezeichneten zwei Einrichtungen nach dem Dafürhalten der Kammer die Beklagte konkludent die Schließung aller anderen KiTas zum Ausdruck bringt, da es anderenfalls eines solchen nicht bedarf, sind damit deren Adressaten ersichtlich nicht die Arbeitnehmer der Beklagten.

Entsprechendes gilt für die weitere email vom 29.05.2009 sowie der beigefügten Infos zur Mitteilung des Notdienstes ab dem 02.06.2009 in den darin bezeichneten KiTas.

Allerdings hat die Beklagte in diesem Zusammenhang auch vorgetragen, dass die KiTa-Leitungen angewiesen worden seien, nicht nur die von der Fachbereichsleitung übersandten Aushänge in den Einrichtungen von außen lesbar anzubringen sondern sowohl die betroffenen Eltern als auch die betroffenen Mitarbeiter in den Kitas vor der Stilllegung des Dienstbetriebes zu unterrichten und entsprechend auch verfahren worden sei. Dies hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 03.03.2010 nochmals klargestellt und insbesondere darauf hingewiesen, dass letztere ab Abschluss der Notdienstvereinbarung zusätzlich über die Stilllegung des Dienstbetriebes unterrichtet worden seien.

Diesem Vorbringen ist die Klägerin weder schriftsätzlich noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung entgegen getreten, gilt damit als zugestanden und ist deshalb im Hinblick auf die streitgegenständlichen Tage im Weiteren davon auszugehen, dass sie von der Entscheidung der Beklagten, während der streikbedingten Arbeitskampfmaßnahmen der ver.di, ihre KiTas mit Ausnahme von zwei Notdiensteinrichtungen zu schließen, Kenntnis hatte.

bb) Ebenfalls bestand für sie kein Anspruch auf Beschäftigung im Rahmen des Notdienstes.

Ausweislich § 2 S.2 der Notdienstvereinbarung sind die verpflichtenden Personen abschließend aufgeführt worden. Eine diesbezügliche Vereinbarung der den Arbeitskampf führenden Parteien ist auch grundsätzlich zulässig (vgl. BAG v. 31.01.1995). Zwar lag der Kammer diese Liste nicht vor. Darauf, dass die Klägerin an den streitgegenständlichen Tagen zu diesen Personen gehörte, hat sie sich indessen selbst nicht berufen.

Bei Absetzung des Urteils ist allerdings festgestellt worden, dass ausweislich des von der Beklagten eingereichten Infoblattes ab dem 20.05.2009 der Notdienst für die Stadtbezirke … und …in der Kindertageseinrichtung … erfolgt und damit in der KiTa, in der die Klägerin nach ihrem beklagtenseits unwidersprochen gebliebenen Vortrag zuletzt tätig war. Dies hat die Kammer im Rahmen ihrer abschließenden Beratungen leider übersehen und ist deshalb zugleich außerdem davon ausgegangen, dass der Notdienst ohnehin nicht in der KiTa der Klägerin durchgeführt worden ist, was allerdings ausweislich des weiteren von der Beklagten erfolgten Infoblattes erst ab dem 02.06.2009 der Fall war.

3) Schließlich steht ihr auch kein Anspruch auf Vergütung für den 17.06.2009 nach § 615 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag zu.

a) Zwar hat sich die Klägerin unstreitig an diesem Tag ebenfalls bei der Beklagten arbeitswillig gemeldet und ist mithin davon auszugehen, dass sie an diesem Tage wieder arbeitsfähig und leistungsbereit war.

b) Auch ist aufgrund ihres eigenen Vorbringens davon auszugehen, dass an diesem Tage in der KiTa Königstraße kein Dienstbetrieb stattfand.

Ebenfalls ist anzunehmen, dass die Entscheidung der Beklagten, alle anderen KiTas mit Ausnahme von zwei KiTas, in denen einen Notdienst eingerichtet worden ist, an den Streiktagen geschlossen zu halten, weiterhin Bestand hatte und hiervon deshalb auch der 17.06.2009, an dem ebenfalls unstreitig gestreikt wurde, erfasst wird.

Hinsichtlich der erforderlichen Erklärung der Beklagten gegenüber der Klägerin ergeben sich keine Abweichungen zu den Ausführungen unter Punkt 2) b) aa), auf die deshalb vollumfänglich Bezug genommen wird.

Da zudem nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin davon auszugehen ist, dass die Kindertagesstätte … an diesem Tage geschlossen war, diese ihre Arbeitsleistung außerdem generell tatsächlich anbieten muss, hat die Beklagte zudem durch eine damit für diese auch erkennbare tatsächliche Handlung hinreichend deutlich gemacht, dass auch an diesem Tag die KiTas mit Ausnahme der den Notdienst durchführenden Kitas während der Streikmaßnahmen weiterhin geschlossen bleiben.

c) Einen Anspruch, gleichwohl im Notdienst berücksichtigt zu werden, besteht für sie ebenfalls nicht. Insoweit ist zunächst Bezug zu nehmen auf die Ausführungen unter Punkt 2) bb), die entsprechend gelten.

Darüber hinaus ist sowohl nach den Angaben der Klägerin als auch aufgrund der im zweiten Infoblatt enthaltenen Angaben zu den Notdiensteinrichtungen ab dem 02.06.2009 jedenfalls für diesen Tag auch nicht davon auszugehen dass hierzu am 17.06.2009 die KiTa … gehörte.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1 ZPO. Als unterliegende Partei hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III.

Der Streitwert ist nach § 61 Abs.1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO in Höhe des Wertes des bezifferten Zahlungsantrages bestimmt worden.

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