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Arbeitspflicht – Abschluss eines Änderungsvertrages


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Urteil vom: 22.12.2011

Aktenzeichen: 5 Sa 297/11


In dem Rechtsstreit hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 22.12.2011 für Recht erkannt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14. Juni 2011, Az.: 3 Ca 751/11, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche des Klägers aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Der 54-jährige Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.08.1994 als Versicherungskaufmann zu einem monatlichen Gehalt von zuletzt € 2.311,47 brutto beschäftigt. Mitte 2010 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten, die Geschäftstätigkeit zum 31.12.2010 vollständig einzustellen. Auf der Betriebsversammlung vom 29.07.2010 unterrichtete die Beklagte ihre Belegschaft hiervon und teilte zugleich mit, dass vier Mitarbeiter von der Fa. M. Assekuranzkontor GmbH (im Folgenden: M.) übernommen werden könnten.

Ebenfalls am 29.07.2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu den beabsichtigten Kündigungen an. In dem Anhörungsschreiben wies die Beklagte u. a. auf Folgendes hin (vgl. Bl. 82 d. A.):

„… Die beabsichtigte Kündigung ist aus dringenden betriebsbedingten Gründen veranlasst. Die Firma Dr. E. GmbH & Co. KG wird die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter über diesen Termin hinaus nicht weiter beschäftigen können, unabhängig etwa darüber hinaus zu leistender Vergütung als Folge längerer Kündigungsfristen. Das Geschäft wird ersatzlos eingestellt. Die Gesellschafter wie auch die Geschäftsführung bedauern diesen Schritt, sehen aber aufgrund der gegebenen Gesamtumstände keine Fortführungsperspektiven.“

Mit Schreiben vom 26.08.2010 kündigte die Beklagte dem Kläger fristgerecht zum 28.02.2011. Zur Begründung führte sie u. a. aus (Bl. 81 d. A.):

„… Wie wir Ihnen und Ihren Kollegen schon mitgeteilt haben, werden wir den Betrieb der Firma Dr. E. GmbH & Co KG spätestens zum 31.12.2010 vollständig einstellen. Der Geschäftsbetrieb wird stillgelegt. Eine Beschäftigungsmöglichkeit über den 31.12.2010 hinaus besteht daher nicht. Wir bedauern daher, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen ordentlich mit Wirkung zum 28.02.2011, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin zu kündigen.

Sofern Sie vor Ablauf der Frist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden wollen, um anderweitig eine neue Aufgabe zu übernehmen, werden wir Ihnen selbstverständlich nicht im Wege stehen.“

Bis zum Jahresende 2010 erfüllte der Kläger seine Arbeitspflicht gegenüber der Beklagten und erhielt bis einschließlich Dezember 2010 die ihm vertraglich zustehende Vergütung.

Auf Vermittlung der Beklagten wurde der Kläger von der Fa. M. zum 01.01.2011 eingestellt. Der Kläger nahm am 02.01.2011 seine Tätigkeit bei der Fa. M. auf und erzielt dort ein Monatsgehalt in zumindest gleicher Höhe wie zuvor bei der Beklagten. Vor diesem Hintergrund regte die Beklagte mit Schreiben vom 23.01.2011 gegenüber dem Kläger an, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.12.2010 aufzuheben. Damit war der Kläger nicht einverstanden. Die Beklagte zahlte an den Kläger für die Monate Januar und Februar 2011 kein Gehalt.

Mit Anwaltsschreiben vom 01.03.2011 beanspruchte der Kläger letztendlich erfolglos Abrechnung und Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Monate Januar und Februar 2011 (Bl. 7 – 9 d. A.).

Mit der am 25.03.2011 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat der Kläger seine diesbezüglichen Zahlungsansprüche weiterverfolgt.

Er hat vorgetragen, die Beklagte habe ihn ausweislich des Kündigungsschreibens mit Wirkung ab dem 01.01.2011 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Sie habe damit auf die Erfüllung der Arbeitspflicht unwiderruflich verzichtet mit der Folge, dass er, der Kläger, auch für die Monate Januar und Februar 2011 Anspruch auf die vereinbarte Arbeitsvergütung habe, ohne dass seine bei der Fa. M. erhaltene Vergütung angerechnet werden könne. Der Kläger beruft sich auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.03.2002 – 9 AZR 16/01 -. Die getroffene Freistellungsvereinbarung ergebe sich auch aus der Betriebsratsanhörung. Die Beklagte hätte den Kläger auch gar nicht weiter beschäftigen können, da sie den Betrieb zum 31.12.2010 geschlossen habe.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 4.622,95 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf € 2.311,47 seit dem 01.02.2011 sowie auf weitere € 2.311,47 seit dem 01.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, den Kläger freigestellt und auf seine Arbeitsleistung verzichtet zu haben. Das ergebe sich auch nicht aus dem Kündigungsschreiben. Dort habe sie lediglich zur Begründung der Kündigung auf die Stilllegung des Geschäftsbetriebes und die daraus resultierende fehlende Beschäftigungsmöglichkeit über den 31.12.2010 hinaus hingewiesen. Nichts anderes gelte für die Stellungnahme gegenüber dem Betriebsrat. Im Übrigen sei das Anhörungsschreiben nicht an den Kläger gerichtet und sei insoweit für das Vertragsverhältnis der Parteien unerheblich. Zudem habe sie, die Beklagte, zum 31.12.2010 nur das operative Geschäft endgültig eingestellt. Interne Verwaltungsarbeiten seien noch angefallen. Dazu habe sie auch Mitarbeiter aufgefordert. Auch das sei unerheblich, weil sie jederzeit von ihrer Unternehmerentscheidung hätte abrücken können. Alle Mitarbeiter wären dann mangels Freistellung zur Arbeitsleistung bis zum Ende der Kündigungsfrist verpflichtet gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.06.2011 in vollem Umfang abgewiesen. Die Beklagte habe den Kläger mit dem Kündigungsschreiben nicht mit der Folge von der Arbeitspflicht entbunden, dass die Regeln des Annahmeverzuges und damit die Anrechnung des Zwischenverdienstes bei der Fa. M. nicht anwendbar seien. Die Beklagte habe hierin keine auf eine Freistellung gerichtete Willenserklärung abgegeben, sondern den Versuch unternommen, die Kündigungsgründe zu umreißen. Gegen eine Freistellungserklärung spreche auch der letzte Absatz des Kündigungsschreibens. Das dem Kläger in Kenntnis von den Vertragsverhandlungen mit der Fa. M. unterbreitete Angebot, ihn ggf. im Falle des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis zu entlassen, stehe der Annahme einer Freistellung ab Jahresbeginn 2011 deutlich entgegen. Die Betriebsratsanhörung enthalte keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen gegenüber dem Kläger. Zwar habe die Beklagte zur Jahreswende 2010/2011 durch ihre Vermittlung zum Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Fa. M. konkludent auf die Arbeitsleistung des Klägers ab 01.01.2011 verzichtet. Diesen Verzicht habe der Kläger auch angenommen, sodass zwischen den Parteien ein Änderungsvertrag im Sinne der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.11.1999, Az. 9 AZR 922/98, zustande gekommen sei. Diese Vereinbarung beinhalte zugleich auch den konkludent erklärten vertraglichen Verzicht des Klägers auf die Arbeitsvergütung ab dem 01.01.2011. Nach dem objektiven Empfängerhorizont wäre es geradezu abwegig gewesen, dass die Beklagte dem Kläger einen neuen Arbeitsplatz vermittelt und somit ihrerseits auf die Arbeitsleistung verzichtet, aber dem Kläger trotzdem in Kenntnis des nahtlosen Überganges in ein neues und mindestens ebenso gut bezahltes Arbeitsverhältnis die Gehälter weiter zahlen wollte. Das gesamte Verhalten der Beklagten sei aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nur so zu verstehen, dass diese selbstverständlich gleichzeitig von der Pflicht zur Gehaltszahlung befreit werden wollte. Darin habe der Kläger mit dem Wechsel zu der Fa. M. eingewilligt. Beide Vertragspartner hätten mit Wirkung ab dem 01.01.2011 auf die wechselseitige Erfüllung der Hauptleistungspflichten verzichtet.

Gegen dieses ihm am 08.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.08.2011 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 30.08.2011 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft

seinen erstinstanzlichen Vortrag. Die Beklagte habe sowohl im Rahmen der Betriebsratsanhörung als auch in dem Kündigungsschreiben ausdrücklich erklärt, dass über den 31.12.2010 hinaus keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestünde. Hierbei handele es sich explizit um eine Freistellungserklärung für den Zeitraum ab dem 01.01.2011 bis zum Ende der Kündigungsfrist. Aus der Betriebsratsanhörung folge auch, dass sich die Beklagte im Klaren darüber gewesen sei, dass sie trotz der Freistellung gegenüber dem Kläger vergütungspflichtig bleiben werde. Er, der Kläger, habe sich mithin ab dem 01.01.2011 bis zum 28.02.2011 nicht seinerseits in Annahmeverzug befunden, da er der Beklagten aufgrund der Freistellung keine Arbeitsleistung geschuldet habe. Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes gemäß § 615 Satz 1 BGB komme mithin nicht in Frage.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.06.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 4.622,95 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz auf € 2.311,47 seit dem 01.02.2011 sowie auf weitere € 2.311,47 seit dem 01.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 22.12.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung indessen keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

Das Arbeitsgericht hat die Klage sowohl im Ergebnis als auch überwiegend in der Begründung zu Recht abgewiesen. Die hiergegen mit der Berufungsbegründung erhobenen Einwände des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Lediglich ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten für die streitgegenständlichen Monate Januar und Februar 2011 keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung in Höhe von insgesamt € 4.622,94 brutto. Ihm steht weder ein vertraglicher Anspruch auf Arbeitsvergütung gemäß § 611Abs. 1 Hbs. 2 BGB i. V. m. mit einer getroffenen Freistellungsvereinbarung (1.) noch ein gesetzlicher Anspruch auf Verzugslohn gemäß § 615 Satz 1 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag zu (2.).

1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt in der begehrten Höhe.

a) Ein im Synallagma stehender Anspruch auf Arbeitsvergütung für erbrachte Arbeitsleistung steht dem Kläger gemäß § 611 Abs. 1 Hbs. 2 BGB unstreitig nicht zu. Der Kläger hat unstreitig weder im Januar noch im Februar 2011 für die Beklagte gearbeitet.

b) Der Klaganspruch ergibt sich aber auch nicht aus einer vertraglichen Freistellungsvereinbarung der Parteien.

aa) Die vertragliche Arbeitspflicht erlischt nur durch den Abschluss eines Erlassvertrages i. S. v. § 397 Abs. 1 BGB oder durch den Abschluss eines Änderungsvertrages (BAG, Urt. v. 19.03.1002 – 9 AZR 16/01 -, BB 2002, 1703 ff.). Der Erlassvertrag nach § 397 BGB setzt ebenso wie eine abändernde Vereinbarung des Arbeitsvertrages einen Vertrag voraus, d. h. zwei korrespondierende Willenserklärungen in Form von Angebot und Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB. Das Angebot auf unwiderruflichen Verzicht auf die Arbeitsleistung kann auch konkludent angenommen werden.

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte dem Kläger mit der Kündigungserklärung nicht zugleich das Angebot einer einvernehmlichen unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitspflicht unter gleichzeitiger bedingungsloser Fortzahlung des Entgelts unterbreitet, welches er, der Kläger, konkludent hätte annehmen können. Den Abschluss eines derartigen Erlassvertrages in Form einer Freistellungsvereinbarung hat die Beklagte dem Kläger gerade nicht angeboten. Den Erklärungen in dem Kündigungsschreiben ist kein dahingehender Rechtsbindungswillen der Beklagten zu entnehmen. Dies ergibt sich auch nicht durch Auslegung der abgegebenen Erklärungen in dem Kündigungsschreiben.

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(1) Bei den strittigen Erklärungen der Beklagten handelt es sich um nichttypische Willenserklärungen. Der Inhalt einer nichttypischen vertraglichen Regelung ist nach den §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Nach diesen Vorschriften ist der maßgebliche Wille der Parteien zu ermitteln. Lässt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in dem Vertrag nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Ist dies indessen nicht der Fall, sind die Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie dieser sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Ausgehend vom Wortlaut der Klausel ist deren objektiver Bedeutungsgehalt zu ermitteln. Maßgebend ist dabei der allgemeine Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des vertraglichen Regelungszusammenhangs. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind auch der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck und die Interessenlage der Beteiligten sowie die Begleitumstände der Erklärung, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses kann ebenfalls Rückschlüsse auf dessen Inhalt ermöglichen (BAG, Urt. v. 15.06.2011 – 10 AZR 62/09 -, ZTR 2011, 694; BAG Urt. v. 23.02.2011 – 4 AZR 536/09 -, BB 2011, 1725; BAG Urt. v. 19.11.2003 – 10 AZR 174/03 -, NZA 2004, 554 ff.).

(2) Hiervon ausgehend hat die Beklagte dem Kläger kein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages oder eines Änderungsvertrages unterbreitet. Vielmehr beinhaltet das Kündigungsschreiben die rechtsgestaltende einseitige Willenserklärung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 28.02.2011 auflösen zu wollen. Eine darüberhinausgehende rechtsgeschäftliche Willenserklärung ist dem Schreiben vom 26.08.2010 nicht zu entnehmen.

Ausgehend vom Wortlaut der ersten drei Sätze des Kündigungsschreibens hat die Beklagte den Kläger schlicht nochmals davon in Kenntnis gesetzt, dass der Betrieb zum 31.12.2010 endgültig stillgelegt wird und dass deshalb über den 31.12.2010 für ihn keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht. Hierbei handelt es sich lediglich um die Mitteilung von Fakten, um die im vierten Satz folgende Kündigungserklärung gegenüber dem Kläger zu begründen bzw. zu rechtfertigen. Der schlichte Rechtfertigungscharakter der strittigen Erklärung folgt aus dem die Kündigungserklärung einleitenden Wort „daher“. Die ersten drei Sätze dienten mithin zur Begründung und Rechtfertigung der Kündigung und enthalten kein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines Freistellungs- bzw. Erlassvertrages. Mit den das Kündigungsschreiben einleitenden Sätzen hat die Beklagte keine rechtsverbindliche Willenserklärung, sondern nur eine schlichte Wissensbekundung abgegeben. Die Beklagte hat nicht einmal das Wort „Freistellung“ oder gar „unwiderrufliche Freistellung“ in dem Kündigungsschreiben verwandt.

Aber auch aus dem zweiten Absatz des Kündigungsschreibens folgt, dass die Beklagte dem Kläger mitnichten das Angebot einer Freistellungsvereinbarung unterbreiten wollte bzw. unterbreitet hat. Das Gegenteilt ist der Fall. Die Beklagte hat dem Kläger expressis verbis angeboten, ihn vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis zu entlassen, falls er vor Ablauf der Kündigungsfrist anderweitig eine neue Aufgabe übernehmen kann. Dieses Angebots bedürfte es indessen nicht, wenn die Beklagte bereits unwiderruflich und bedingungslos auf die Arbeitsleistung des Klägers verzichtet hätte. Aus dem zweiten Absatz des Kündigungsschreibens ergibt sich eindeutig, dass die Beklagte den Kläger gerade nicht unter Fortzahlung des Gehalts freistellen wollte, damit dieser bei einem anderen Arbeitgeber arbeiten und Geld verdienen kann. Der Kläger muss sich auch vorhalten lassen, dass er nur durch Vermittlung der Beklagten den neuen Arbeitsplatz bei der Fa. M. erhalten hat. Er hätte ohne Einverständnis der Beklagte bei der Fa. M. gar nicht am 01.01.2011 die Arbeit aufnehmen dürfen, da es sich insoweit um ein Konkurrenzunternehmen zur Beklagten handelt. Während des Bestands des Arbeitsverhältnisses unterliegt der Arbeitnehmer dem vertraglichen Wettbewerbsverbot. Dies gilt auch während der Freistellungsphase innerhalb der Kündigungsfrist. Es verwundert die Kammer, dass der Kläger aus dem Verantwortungsbewusstsein und der Fürsorge der Beklagten gegenüber ihren entlassenen Mitarbeitern seinerseits im Nachhinein auch noch zu deren Lasten durch die unberechtigte Behauptung einer Freistellungsvereinbarung „Kapital schlagen“ will.

Ein etwaiges Angebot zum Abschluss einer Freistellungserklärung erschließt sich auch nicht aus dem an den Betriebsrat gerichteten Anhörungsschreiben der Beklagten. Adressat des Anhörungsschreibens ist der Betriebsrat und nicht die Klägerin.

Aber auch in diesem Schreiben hat die Beklagte nicht die Absicht bekundet, alle entlassenen Mitarbeiter und somit auch den Kläger ab dem 01.01.2011 unwiderruflich und bedingungslos unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freistellen zu wollen. Vielmehr hat die Beklagte in dem Anhörungsbogen lediglich gemäß § 102 BetrVG dem Betriebsrat die Kündigungsgründe (Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit wegen Betriebsstilllegung) mitgeteilt.

c) Aber selbst wenn die ersten drei Sätze des Kündigungsschreibens aus Sicht des Klägers eine Freistellung von der Arbeitspflicht mit Wirkung ab dem 01.01.2011 beinhalten, so bedeutet dies nicht zugleich das Angebot auf Abschluss einer Freistellungsvereinbarung in Form eines Erlassvertrages bzw. eines Änderungsvertrages im oben genannten Sinne. Denn der Kläger verkennt, dass allein durch eine Freistellung von der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers der Arbeitgeber regelmäßig nur auf das ausdrückliche oder wörtliche Arbeitsangebot des Arbeitnehmers verzichtet. Die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet regelmäßig nur einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung, sodass der Annahmeverzug des Arbeitgebers auch ohne tatsächliches oder wörtliches Arbeitsangebot des Arbeitnehmers gemäß §§ 294, 295 BGB eintritt (BAG, Urt. v. 23.09.2009 – 5 AZR 518/08 -, NZA 2010, 781 ff.; BAG, Urt. v. 23.01.2008 – 5 AZR 393/07 -, NZA 2008, 595 f.). Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hingegen unter Fortzahlung seiner Vergütung und ohne Anrechnung anderweitigen Verdienstes gemäß § 615 BGB von der Arbeit freistellen, so muss dieses der Freistellungserklärung eindeutig zu entnehmen sein. Soll eine Freistellungsvereinbarung einen Entgeltanspruch unabhängig von den gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Voraussetzungen begründen, bedarf dies einer besonderen Regelung. Die Fortzahlung des Gehaltes während der Freistellungsphase setzt daher voraus, dass der Arbeitnehmer die gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs ohne Arbeitsleistung erfüllt (§§ 616 BGB, 615 Satz 2 BGB). Von einem Fortbestehen des Anspruchs auf Arbeitsvergütung trotz während des Freistellungszeitraums anderweitig erzielten Verdienstes in zumindest gleicher Höhe kann auch bei einer unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitspflicht nur dann ausgegangen werden, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben (vgl. BAG, Urt. v. 23.01.2008 – 5 AZR 393/07-, aaO.).

Eine derartige ausdrückliche Vereinbarung über den Verzicht auf die Anrechnungsmöglichkeit anderweitigen Verdienstes während der Freistellungserklärung lässt sich dem Kündigungsschreiben indessen nicht ansatzweise entnehmen. Aus dem zweiten Absatz des Kündigungsschreibens ergibt sich vielmehr das glatte Gegenteil. Aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers kann dem gesamten Inhalt des Kündigungsschreibens allenfalls entnommen werden, dass die Beklagte den Kläger mit Wirkung ab dem 01.01.2011 wegen der Betriebsstilllegung von der Arbeitspflicht unwiderruflich freistellt und damit auf das für den Verzugslohn erforderliche tatsächliche oder mündliche Arbeitsangebot des Klägers verzichtet. Auf die übrigen Voraussetzungen zur Fortzahlung der Vergütung ohne Arbeitsleistung gemäß des § 615 BGB hat die Beklagte gerade nicht verzichtet.

2. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Verzugslohn gemäß §§ 611, 615 Satz 1 BGB. Ein Arbeitnehmer hat nur dann einen ungekürzten Anspruch auf Verzugslohn, wenn er infolge des Arbeitsausfalls nicht für einen anderen Arbeitgeber gegen Vergütung arbeitet, § 615 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift muss sich der Arbeitnehmer dasjenige Arbeitsentgelt auf den Verzugslohnanspruch anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlassen hat.

Diese Anrechnungsvoraussetzungen liegen hier unstreitig vor. Der Kläger hat während des streitgegenständlichen Zeitraums für die Fa. M. gearbeitet und von dieser Gehalt zumindest in Höhe des geltend gemachten Verzugslohns bezogen. Damit liegen die Voraussetzungen zur Zahlung von Verzugslohn nicht vor.

3. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.

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