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Arbeitspflicht – Freistellungsvereinbarung oder Erlassvereinbarung


LAG Schleswig-Holstein

Az.: 6 Sa 298/11

Urteil vom 21.12.2011


In dem Rechtsstreit pp. hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 21.12.2011 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14. Juni 2011 – 3 Ca 693/11 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung. Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; Im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche der Klägerin aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Die Klägerin war nach ihrer Ausbildung seit Mitte des Jahres 1997 bei der Beklagten als Versicherungskauffrau zu einem monatlichen Gehalt von zuletzt 2.700,– EUR brutto beschäftigt. Mitte des Jahres 2010 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten, die Geschäftstätigkeit zum 31.12.2010 vollständig einzustellen. Auf der Betriebsversammlung vom 27.09.2010 unterrichtete der Prokurist der Beklagten die Belegschaft hierüber. Er teilte zugleich mit, dass vier Mitarbeiter von der Firma M… Assekuranzkontor GmbH (im Folgenden: M…) übernommen werden können. Noch am gleichen Tag suchte er gemeinsam mit der Klägerin die Firma M… auf.

Ebenfalls am 29.07.2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu den beabsichtigten Kündigungen an. In dem Anhörungsschreiben wies die Beklagte unter anderem auf folgendes hin: „… die beabsichtigte Kündigung ist aus dringenden betriebsbedingten Gründen veranlasst. Die Firma Dr. E… GmbH & Co. KG wird die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter über diesen Termin hinaus nicht weiter beschäftigen können, unabhängig etwa darüber hinaus zu leistender Vergütung als Folge längerer Kündigungsfristen. Das Geschäft wird ersatzlos eingestellt. Die Gesellschafter wie auch die Geschäftsführung bedauert diesen Schritt, sehen aber aufgrund der gegebenen Umstände keine Fortführungsperspektiven.“ Mit Schreiben vom 26.08.2010 (Anlage K 2 = Bl. 11 d.A.) kündigte die Beklagte der Klägerin fristgerecht zum 28.02.2011. Zur Begründung führte sie u.a. aus: „…wie wir Ihnen und Ihren Kollegen schon mitgeteilt haben, werden wir den Betrieb der Firma Dr. E… GmbH & Co KG spätestens zum 31.12.2010 vollständig einstellen. Der Geschäftsbetrieb wird stillgelegt. Eine Beschäftigungsmöglichkeit über den 31.12.2010 hinaus besteht daher nicht. Wir bedauern daher, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen ordentlich mit Wirkung zum 28.02.2011, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin zu kündigen. Sofern Sie vor Ablauf der Frist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden wollen, um anderweitig eine neue Aufgabe zu übernehmen, werden wir Ihnen selbstverständlich nicht im Wege stehen. …“ Bis zum Jahresende arbeitete die Klägerin für die Beklagte und erhielt bis einschließlich Dezember 2010 die ihr vertraglich zustehende Vergütung. Zum Jahresende stellte die Beklagte ihren operativen Geschäftsbetrieb ein. Auf Vermittlung der Beklagten stellte die Fa. M… die Klägerin zum 01.01.2011 ein. Die Klägerin nahm dort am 03.01.2011 ihre Tätigkeit auf. Sie erzielte bei der Firma M… ein Monatsgehalt in zumindest gleicher Höhe wie zuvor bei der Beklagten. Vor diesem Hintergrund bot die Beklagte mit Schreiben 23.01.2011 der Klägerin an, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis (rückwirkend) zum 31.12.2010 aufzuheben. Damit war die Klägerin nicht einverstanden. Die Beklagte zahlte der Klägerin für die Monate Januar und Februar kein Gehalt.

Mit Anwaltsschreiben vom 14.02.2011 verlangte die Klägerin erfolglos Zahlung von Vergütung für die Monate Januar und Februar 2011 in Höhe von insgesamt 5.400,– EUR. Mit ihrer am 18.03.2011 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin diese Zahlungsansprüche weiter. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sie mit dem Kündigungsschreiben mit Wirkung ab dem 01.01.2011 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Die Beklagte habe damit auf die Erfüllung der Arbeitspflicht verzichtet mit der Folge, dass sie die strittigen Gehälter für Januar und Februar 2011 zahlen müsse, ohne die von ihr, der Klägern, bei der Firma M… verdiente Vergütung anrechnen zu können. Dafür spräche auch der Inhalt der Betriebsratsanhörung. Die Beklagte hätte die Klägerin gar nicht weiter beschäftigen können, da sie den Betrieb zum 31.12.2010 geschlossen habe. Die Beklagte hat bestritten, die Klägerin freigestellt und auf ihre Arbeitsleistung verzichtet zu haben. Das ergebe sich nicht aus dem Kündigungsschreiben. Dort habe sie lediglich die Kündigung mit der Stilllegung des Geschäftsbetriebs und der daraus resultierenden fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit begründet. Nichts anderes gelte für die Stellungnahme gegenüber dem Betriebsrat. Im Übrigen sei das Anhörungsschreiben nicht an die Klägerin gerichtet und deshalb für das Vertragsverhältnis der Parteien unerheblich. Zudem habe sie, die Beklagte, zum 31.12.2010 nur das operative Geschäft endgültig eingestellt. Interne Verwaltungsarbeiten seien noch angefallen. Dazu habe sie auch Mitarbeiter herangezogen. Sie habe jederzeit von ihrer Unternehmerentscheidung abrücken können. Alle Mitarbeiter wären dann mangels Freistellung zur Arbeitsleistung bis zum Ende der Kündigungsfrist verpflichtet gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.06.2011 abgewiesen. Die Beklagte habe die Klägerin mit dem Kündigungsschreiben nicht von der Arbeitspflicht entbunden. Die Regeln des Annahmeverzuges und damit die Anrechnung des bei der Firma M… erzielten Zwischenverdienstes blieben anwendbar. Die Beklagte habe mit dem Kündigungsschreiben keine auf eine Freistellung gerichtete Willenserklärung abgegeben, sondern den Versuch unternommen, die Kündigungsgründe zu umreißen.

Gegen eine Freistellungserklärung spräche auch der letzte Absatz des Schreibens. Das der Klägerin in Kenntnis der Vertragsverhandlungen mit der Firma M… unterbreitete Angebot, sie im Falle des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis zu entlassen, stehe der Annahme einer Freistellung ab Jahresbeginn 2011 deutlich entgegen. Die Betriebsratsanhörung enthalte keine rechtsgeschäftliche Erklärung gegenüber der Klägerin. Zwar habe die Beklagte zur Jahreswende 2010/2011 den Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Firma M… vermittelt und damit konkludent auf die Arbeitsleistung der Klägerin ab 01.01.2011 verzichtet. Diesen Verzicht habe die Klägerin auch angenommen, so dass zwischen den Parteien ein Änderungsvertrag im Sinne der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.11.1999, Az: 9 AZR 922/98, zustande gekommen sei. Diese Vereinbarung beinhalte aber zugleich den konkludent erklärten vertraglichen Verzicht der Klägerin auf die Arbeitsvergütung ab dem 01.01.2011. Nach dem objektiven Empfängerhorizont wäre es geradezu abwegig gewesen, dass die Beklagte der Klägerin einen neuen Arbeitsplatz vermittelt und somit ihrerseits auf die Arbeitsleistung verzichtet, aber der Klägerin trotzdem in Kenntnis des nahtlosen Überganges in ein neues und mindestens ebenso gut dotiertes Arbeitsverhältnis die Gehälter weiter zahlen wollte. Das gesamte Verhalten der Beklagten sei aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nur so zu verstehen, dass diese selbstverständlich gleichzeitig von der Pflicht zur Gehaltszahlung befreit werden wollte. Darin habe die Klägerin mit dem Wechsel zu der Firma M… eingewilligt. Beide Vertragspartner hätten mit Wirkung ab dem 01.01.2011 auf die wechselseitige Erfüllung der Hauptleistungspflichten verzichtet. Gegen das ihr am 08.07.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.08.2011 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese am 31.08.2011 begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Beklagte habe sowohl im Rahmen der Betriebsratsanhörung als auch in dem Kündigungsschreiben ausdrücklich erklärt, dass über den 31.12.2010 hinaus keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestünde. Hierbei handele es sich explizit um eine Freistellungserklärung für den Zeitraum ab dem 01.01.2011 bis zum Ende der Kündigungsfrist. Aus der Betriebsratsanhörung folge auch, dass sich die Beklagte im Klaren darüber gewesen sei, dass sie trotz der Freistellung gegenüber der Klägerin vergütungspflichtig bleiben werde. Sie, die Klägerin, habe für die Monate Januar und Februar 2011 keine Arbeitsleistung geschuldet. Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes gemäß § 615 Satz 1 BGB komme mithin nicht infrage. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgericht Lübeck vom 14.06.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.400,– EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.700,– EUR seit dem 01.02.2011 und auf weitere 2.700,– EUR seit dem 01.03.2011 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 21.12.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die auch im Übrigen zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung nach § 611 BGB für die Monate Januar und Februar 2011. Sie kann für diesen Zeitraum auch keine Annahmeverzugsvergütung gemäß § 611 BGB i.V.m. § 615 S. 1 BGB verlangen; denn die Klägern muss sich den bei der Firma M… erzielten anderweitigen Verdienst gemäß § 615 S. 2 BGB anrechnen lassen.

1.

Der Anspruch auf Entgelt nach § 611 BGB setzt regelmäßig voraus, dass der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Arbeitsleistung erbringt. Das hat die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum unstreitig nicht getan.

2.

Der Entgeltanspruch ergibt sich auch nicht aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit einer Freistellungsvereinbarung, die die vertragliche Arbeitspflicht hat erlöschen lassen. Die Arbeitspflicht erlischt nur durch den Abschluss eines Erlassvertrages im Sinne von § 397 BGB oder durch den Abschluss eines Änderungsvertrages (BAG 19.03.2002 – 9 AZR 16/01 -). Zwischen den Parteien ist kein Erlassvertrag im Sinne von § 397 BGB zustande gekommen, durch den die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitspflicht der Klägerin aufgehoben und die Anrechnung etwaigen Zwischenverdienstes ausgeschlossen worden ist. Auch haben die Parteien keinen Änderungsvertrag geschlossen, der allein die Arbeitspflicht beseitigt hat.

a) Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtswirksam von seiner Arbeitspflicht freigestellt, kann sich die Vergütungspflicht unmittelbar aus § 611 Abs. 1 BGB ergeben, obwohl der Arbeitnehmer die (an sich) geschuldete Arbeitsleistung gerade nicht erbringt. Der Vergütungsanspruch entsteht gemäß § 611 Abs. 1 BGB aufgrund des Arbeitsvertrags; er setzt nach einem Urteil des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19.03.2002 nicht zwingend voraus, dass die vereinbarten Dienste tatsächlich geleistet werden (BAG 19.03.2002 – 9 AZR 16/01 –). Die einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kann ein Erlassvertrag im Sinne von § 397 BGB sein und bewirken, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber keine Arbeitsleistung mehr schuldet. Die Vereinbarung einer solchen Freistellung führt dann gleichzeitig dazu, dass der Arbeitgeber vorbehaltlos zur Fortzahlung des Entgelts im Freistellungszeitraum verpflichtet ist (BAG 19.03.2002 – 9 AZR 16/01 –), ohne dass es auf die Voraussetzungen des Eintritts des Annahmeverzugs ankommt (BAG 09.11.1999 – 9 AZR 922/98 -). Macht der Arbeitnehmer geltend, der Arbeitgeber habe ihm über eine Freistellungserklärung hinaus einen Erlassvertrag angeboten, mit dem nicht nur der Beschäftigungsanspruch entfallen, sondern auch die Arbeitspflicht vertraglich erlassen werden sollte, sind besondere Anhaltspunkte erforderlich (BAG 14.08.2007 – 9 AZR 934/06 -; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 15).

b) Im vorliegenden Fall fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte der Klägerin die Arbeitspflicht erlassen wollte. Die Parteien haben nicht einmal vereinbart, dass die Klägerin ab Januar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende Februar 2011 unwiderruflich freigestellt wird. Die Beklagte hat mit dem Kündigungsschreiben vom 26.08.2010 kein auf Abschluss einer Freistellungsvereinbarung gerichtetes Angebot abgegeben, mit dem sich die Klägerin durch Fernbleiben von der Arbeit einverstanden erklärt hat. Das ergibt die Auslegung des Schreibens vom 26.08.2010 nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB. Nach diesen Vorschriften ist der Inhalt von Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. BAG 23.02.2011 – 4 AZR 536/09 -). Das gilt auch für die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt (BAG 09.11.1999 – 9 AZR 922/98 –).

aa) Danach hat die Beklagte der Klägerin weder den Abschluss einer Freistellungsvereinbarung noch eines Erlassvertrages angeboten. An keiner Stelle des Schreibens vom 26.08.2010 ist von einer Freistellung der Klägerin die Rede, erst Recht von keiner unwiderruflichen. Wie mit Urlaubs- oder Vergütungsansprüchen verfahren werden soll, wird gleichfalls nicht erwähnt. Das hätte aber nahe gelegen, wenn eine Freistellung beabsichtigt gewesen wäre.

bb) Aus den Ausführungen in den ersten drei Sätzen des Kündigungsschreibens zur Stilllegung des Geschäftsbetriebs und zur fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit ergibt sich kein Angebot auf Abschluss einer Freistellungsvereinbarung zum 01.01.2011. Es handelt sich um eine Wissens- und keine Willenserklärung. Das Arbeitsgericht weist zutreffend darauf hin, dass hierin nur der Versuch der Beklagten liegt, die Kündigungsgründe zu erläutern. Die Stilllegungsentscheidung einschließlich ihrer Folgen wird geschildert. Daraus wiederum folgt, wie die Formulierung: „Wir bedauern daher, …“, deutlich macht, die fristgemäße Kündigung zum 28.02.2011. Verbunden damit ist das Eingeständnis der Beklagten, dass sie sich bei planmäßiger Umsetzung ihrer unternehmerischen Entscheidung ab 01.01.2011 in Annahmeverzug befinden wird. Denn auch im fortbestehenden Arbeitsverhältnis hat der Arbeitge-ber dem Arbeitnehmer täglich einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm Arbeit zuzuweisen, was die Beklagte nach ihrer Erklärung nur bis Ende des Jahres 2010 konnte.

cc) Dass zumindest bei Ausspruch der Kündigung keine Freistellung beabsichtigt war, verdeutlicht die Ankündigung im Kündigungsschreiben, dem Wunsch der Klägerin nach einem Ausscheiden vor Ablauf der Kündigungsfrist nicht entgegenstehen zu wollen, falls sie eine andere Aufgabe übernehmen will. Dieses Angebot war offenbar von dem Wunsch der Beklagten getragen, ihr Verzugslohnrisiko zu begrenzen. Sofern die Klägerin vorfristig ausscheiden wollte, gegebenenfalls sogar noch im Jahr 2011, bedurfte es zudem gar keiner Freistellung. Die Notwendigkeit, dass sich die Beklagte schon bei Ausspruch der Kündigung im August 2011 zu einer Freistellung ab Januar 2012 äußert, bestand aus Sicht der Klägerin daher erkennbar nicht. c) Die Erklärungen der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung zur Kündigung hat das Arbeitsgericht zu Recht als unerheblich angesehen. Eine Freistellung der Klägerin, die das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrags beinhaltet, kann darin keinesfalls gesehen werden. Zum einen trifft das Anhörungsschreiben keine Aussage zur Freistellung der Klägerin. Ausführungen finden sich darin nur zur Stilllegung des Geschäftsbetriebs sowie zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit. Zum anderen hat die Beklagte mit der Anhörung des Betriebsrats keine Willenserklärung gegenüber der Klägern abgegeben.

d) Weitere Erklärungen oder Umstände, die auf ein Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Erlassvertrages im Sinne von § 397 BGB oder eines allein die Arbeitspflicht beseitigenden Änderungsvertrags hindeuten, hat die Klägerin auch in der Berufung nicht behauptet. Es sind keine Anhaltspunkte vorgetragen, die dafür sprechen, dass die Beklagte der Klägerin die Arbeitspflicht vertraglich erlassen hat.

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3. Die Klägerin kann von der Beklagten keine Annahmeverzugsvergütung gemäß § 611 BGB i.V.m. § 615 S. 1 BGB verlangen. Denn sie muss sich nach § 615 S. 2 BGB anderweitig erzielten Verdienst anrechnen lassen. Wie unter 2. ausgeführt, liegt im vorliegenden Fall keine Freistellungserklärung vor, erst recht keine mit der die Beklagte der Klägerin den Abschluss eines Erlassvertrages im Sinne von § 397 BGB angeboten hat und durch den die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitspflicht aufgehoben worden ist. Unabhängig davon ist in der Freistellung von der Arbeitspflicht regelmäßig nur die Erklärung des Arbeitgebers zu sehen, die Annahme der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung werde abgelehnt. Durch diese Erklärung gerät der Arbeitgeber gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug. Eines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf es in diesen Fällen nicht, denn die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung (BAG 23.09.2009 – 5 AZR 518/08 – ). Die einseitige Freistellung von der Arbeit ist, soweit keine besonderen Umstände vorliegen, regelmäßig nicht anders zu beurteilen, als wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit nach Hause schickt, weil er ihn nicht mehr beschäftigen will (BAG 06.09.2006 – 5 AZR 703/05 -). In diesem Fall bedarf es keines wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer, denn der Arbeitgeber lässt erkennen, unter keinen Umständen zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bereit zu sein.

Ohne die Klägerin freizustellen, hat die Beklagte durch die Erklärung im Kündigungsschreiben, sie nach dem 31.12.2010 nicht mehr beschäftigen zu können, auf ein Angebot der Arbeitsleistung seitens der Klägerin verzichtet. Die Beklagte ist ab 01.01.2011 gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug geraten. Der Beginn des Annahmeverzugs ist aufgrund der Erklärung im Kündigungsschreiben und der zeitlichen Festlegung der Arbeitspflicht auch hinreichend bestimmt. Es bedurfte keines wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung durch die Klägerin, denn die Beklagte hat erkennen lassen, die Klägerin nach dem 31.12.2010 nicht mehr beschäftigen zu können. Die Klägerin muss sich aber gemäß § 615 S. 2 BGB den in den Monaten Januar und Februar 2011 bei der Firma M… erzielten Verdienst anrechnen lassen. Sie hat dort – insoweit unstreitig – zumindest das verdient, was sie im gleichen Zeitraum bei der Beklagten verdient hätte und im vorliegenden Verfahren fordert.

III.

Die Klägerin hat gemäß § 97 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen. Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, sondern ist einzelfallbezogen. In den fallübergreifenden Fragen zur Auslegung von Freistellungserklärungen steht die Entscheidung im Einklang mit den vom 5. und 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Rechtsgrundsätzen.

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