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Arbeitsunfähigkeit (vortäuschen) – fristlose Kündigung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 1 Sa 230/09

Urteil vom 08.09.2009

Vorinstanz: ArbG Koblenz, Urteil vom 24.03.2009, Az: 3 Ca 2173/08


1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24. März 2009 – 3 Ca 2173/08 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, Vergütungsansprüche für den Monat September 2008 und Urlaubsabgeltungsansprüche.

Die Klägerin war seit dem 21.06.2007 bei dem Beklagten in dessen Steuerberatungsbüro als Steuerfachangestellte zu einer monatlichen Bruttovergütung von 1.900,00 Euro beschäftigt. Aus dem Arbeitsvertrag stand ihr ein jährlicher Urlaubsanspruch von 27 Urlaubstagen zu. Im Jahr 2008 wurden ihr 9,5 Urlaubstage gewährt.

Am 01.09.2008 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2008. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte der Beklagte neben der Klägerin noch die Mitarbeiterinnen P. und St.. Frau St. war vom 01.09.2008 bis zum 06.10.2008 arbeitsunfähig erkrankt und nahm im Anschluss Urlaub bis zum Beginn ihres Mutterschutzzeitraumes am 24.10.2008. Außerdem beschäftigte der Beklagte seit dem 18.08.2008 eine Auszubildende, Frau K.. Frau K. hatte zuvor am 08.08.2008 im Steuerberatungsbüro des Beklagten einen Probearbeitstag absolviert gehabt.

Am Morgen des 02.09.2008 legte die Klägerin dem Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Mitarbeiterin St. auf seinen Schreibtisch. Auf Nachfrage des um 08:30 Uhr im Büro erschienenen Beklagten erklärte die Klägerin, sie habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Briefkasten entnommen. Daraufhin kam es zwischen den Parteien zu einem Streitgespräch, in dessen Verlauf der Beklagte die Richtigkeit dieser Behauptung bezweifelte und die Vermutung äußerte, Frau St. habe der mit ihr befreundeten Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mitgegeben. Der Beklagte wies die Klägerin dann an, eine Liste ihrer regelmäßigen Aufgaben zu erstellen. Nachdem die Klägerin dieser Anweisung nachgekommen war, forderte der Beklagte sie auf, für ein Gespräch mit ihm in seinem Arbeitszimmer Platz zu nehmen. Die Klägerin verweigerte dies mit dem Hinweis, es sei ihr schlecht und sie gehe deswegen jetzt zum Arzt. Nachdem sie die Büroschlüssel auf einem Bürotisch hinterlassen hatte, verließ die Klägerin das Steuerberatungsbüro des Beklagten. In der Folgezeit reichte die Klägerin für den Zeitraum vom 02.09.2008 bis zum 30.09.2008 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein.

Mit Schreiben vom 02.09.2008 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er werte ihre Weigerung für ein Gespräch in seinem Arbeitszimmer zu bleiben und das Hinterlassen der Schlüssel auf seinem Tisch als fristlose Kündigung der Klägerin, die er hiermit akzeptiere. Gleichzeitig erteilte er der Klägerin ein Hausverbot. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 08.09.2008 wies die Klägerin darauf hin, eine fristlose Kündigung sei ihrerseits nicht ausgesprochen worden.

Mit Schreiben vom 11.09.2008 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die der Klägerin erteilte Entgeltabrechnung für den Monat September 2008 benannte als Austrittsdatum den 01.09.2008 und wies 63,33 Euro Gehalt und 779,11 Euro Urlaubsabgeltung aus. Anfang Oktober nahm die Klägerin ein Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber auf.

Die Klägerin trägt vor, am 01.09.2008 habe Frau St. im Büro angerufen und der Auszubildenden K. mitgeteilt, sie werde eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in den Briefkasten werfen. In dem Streitgespräch am 02.09.2008 habe ihr der Beklagte unterstellt, dass sie ihn zusammen mit Frau St. sabotiere. Das Gespräch sei dann eskaliert. Der Beklagte sei immer lauter geworden und habe ihre Erklärung hinsichtlich des Anrufs von Frau St. nicht hören wollen. Nach seiner Anweisung, sie solle eine Liste mit all ihren regelmäßigen Aufgaben erstellen, sei sie davon ausgegangen, dass sie im Anschluss an die Erledigung dieser Aufgabe eine fristlose Kündigung erhalte. Sie sei wegen der Auseinandersetzung mit dem Beklagten und der erwarteten fristlosen Kündigung „mit den Nerven fertig“ gewesen. Als sie mit der Liste in das Büro des Beklagten gekommen sei, habe dieser sie erneut verbal angegriffen. Sie habe sich schrecklich unwohl gefühlt und sogar angefangen zu zittern. Dem Beklagten habe sie gesagt: „Ich werde jetzt zum Arzt fahren. Mir ging es heute morgen schon so schlecht.“ Der Beklagte habe sie daraufhin angeschrien und sie angewiesen, sich auf einen ihm gegenüber stehenden Stuhl zu setzen. Dies habe sie mit dem Worten „Nein, ich werde mich da nicht hinsetzen. Ich werde jetzt gehen. “ verweigert. Sie sei dann zu ihrem Schreibtisch gegangen. Der Beklagte habe ihr aber hinterher geschrien, sie solle sofort herkommen und sich auf den Stuhl setzen. Daraufhin habe sie erklärt: „Ich werde mich da jetzt nicht hinsetzten, damit sie mich wieder fertig machen können.“ Der Beklagte habe dann wörtlich gesagt: „Ich werde sie fertigmachen, Frau C., sie sind fristlos entlassen.“ Schließlich habe er sie aufgefordert, ihm ihre Schlüssel zu übergeben und das Büro zu verlassen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 11.09.2008 nicht beendet worden ist, sondern bis zum 30.09.2008 fortbestanden hat.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an sie für den Monat September 2008 1.836,67 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Zinssatz der EZB ab dem 01.10.2008 zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an sie Urlaubsabgeltung in Höhe von 799,35 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Zinssatz der EZB ab dem 01.10.2008 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte stützt die außerordentliche Kündigung vom 11.09.2008 auf mehrere Gründe. Er trägt vor, die Klägerin habe während des Probearbeitstages von Frau K. den Arbeitsplatz bei dem Beklagten bewusst in ein schlechtes Licht gerückt. Konkret habe sie gegenüber Frau K. geäußert:

– es wäre besser, dass sie nicht über persönliche Dinge rede, da der Beklagte dies nicht gerne sehe.

– viele Dinge seien ihr aufgefallen, wofür sie drei Jahre gebraucht habe.

– heute dürfe sie ausnahmsweise einmal reden.

Die Klägerin habe Frau K. aufgefordert, dem Beklagten nicht mitzuteilen, was sie – die Klägerin – ihr über den Betrieb erzählt habe. Dieses Verhalten habe auf Frau K. den irrigen Eindruck gemacht, das Arbeitsumfeld bei dem Beklagten sei abstoßend und unpersönlich. Die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass sie den Betrieb des Beklagten Ende September verlasse. Sie habe durch ihre Negativäußerungen verhindern wollen, dass der Beklagte eine Ersatzkraft einstellen könne. Frau K. habe ihm – dem Beklagten – am 10.09.2008 von den Äußerungen der Klägerin am Probearbeitstag berichtet. Dadurch sei sein Vertrauen in die Klägerin unwiederbringlich zerstört worden.

Auch nach der Arbeitsaufnahme der Auszubildenden am 18.08.2008 habe sich die Klägerin in den Arbeitspausen negativ über ihn geäußert. So habe die Klägerin bei einer gemeinsamen Pause mit Frau St. und Frau K. geäußert, der Beklagte sei seit der Anwesenheit von Frau P. komisch geworden. Die beiden würden sich total gut miteinander verstehen und miteinander flüstern, sobald sie die Anwesenheit der Klägerin bemerkten, um dann ihre Gespräche alsbald zu beenden. Außerdem spiele sich Frau P. als Chefin auf. Sie habe auch ihre Aussage wiederholt, es sei besser, nicht zu viele persönliche Dinge mitzuteilen, da dies der Beklagte nicht gerne sehe und Frau K. erneut aufgefordert, den Beklagten unter keinen Umständen von diesen Äußerungen zu unterrichten.

Ein weiterer außerordentlicher Kündigungsgrund sei in dem Verhalten der Klägerin am 02.09.2008 zu sehen. Da die Klägerin den Briefkasten sonst immer erst nach Eingang der Post kontrolliert habe, könne sie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Kollegin St. nicht dem Briefkasten entnommen haben. Er habe die Klägerin der Unwahrheit überführt, worauf sie „motzig“ reagiert habe. Sie habe sich geweigert, für ein klärendes Gespräch in seinem Zimmer Platz zu nehmen, sei dabei aufgeregt und unverschämt gewesen und habe erklärt, dass ihr „außerdem“ schlecht sei und sie jetzt zum Arzt gehe. Schließlich habe sie die Büroschlüssel auf seinen Schreibtisch geknallt. Das Hinterlassen der Schlüssel habe er als endgültige Arbeitsverweigerung verstehen müssen.

Der Beklagte trägt weiterhin vor, die Klägerin sei am 02.09.2008 nicht arbeitsunfähig erkrankt. Bis zu dem Streitgespräch sei sie gesund und arbeitsfähig gewesen. Vor dem Hintergrund ihrer Aussage, ihr sei „außerdem schlecht“, bestünden begründete Zweifel an der Richtigkeit der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Es handele sich vielmehr um Gefälligkeitsatteste.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Klage durch Urteil vom 24.03.2009, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit in Bezug genommen wird, stattgegeben. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts stellen die behaupteten Äußerungen der Klägerin gegenüber der Auszubildenden K. schon deswegen keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar, weil die Klägerin darauf habe vertrauen dürfen, dass ihre Äußerungen nicht nach außen getragen und das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien dadurch nicht beeinträchtigt werde. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre sei als Betätigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts besonders geschützt. Außerdem habe die Klägerin am 11.09.2008 noch über einen Urlaubsanspruch in Höhe von 17,5 Tage verfügt. Für den Fall ihrer Genesung vor Ablauf der Kündigungsfrist zum 30.09.2008 wäre der Beklagte daher in der Lage gewesen, der Klägerin an den verbleibenden Arbeitstagen Urlaub zu gewähren. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Beklagten daher zumutbar gewesen.

Auch das Geschehen am 02.09.2009 rechtfertigte keine außerordentliche Kündigung. Im Hinblick auf die vom Beklagten behauptete Arbeitsverweigerung, fehle es an einer erfolglosen Abmahnung.

Mit dem Vorwurf des Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit könne die außerordentliche Kündigung ebenfalls nicht begründet werden. Der Beweiswert der eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei durch den Vortrag des Beklagten nicht erschüttert worden. Der geschilderte Streit könne sehr wohl Auslöser einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung gewesen sein.

Das Arbeitsverhältnis habe somit bis zum 30.09.2008 fortbestanden. Der Klägerin stünden daher auch die geltend gemachten Ansprüche auf Restlohnzahlung und Urlaubsabgeltung zu. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 12 des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form – und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch in gleicher Weise begründet.

Nach seiner Auffassung sei die streitgegenständliche fristlose Kündigung wirksam gewesen.

Zwischen der Klägerin und Frau K. habe jedenfalls am Probearbeitstag noch kein kollegiales Verhältnis bestanden. Die Klägerin habe deshalb nicht davon ausgehen dürfen, ihre Äußerungen würden nicht an den Beklagten weiter getragen. Nichts anderes könne bei den nach Beginn des Ausbildungsverhältnisses getätigten Äußerungen gelten, da diese noch in die Probezeit der Auszubildenden gefallen seien. Außerdem habe die Gefahr bestanden, dass die Zeugin die Äußerungen gegenüber Dritten wiederholt. Richtigerweise seien die behaupteten Äußerungen nach den Grundsätzen der Mitarbeiterabwerbung zu beurteilen gewesen. Die Klägerin habe nicht damit rechnen können, dass der Beklagte die unwahren Behauptungen ohne Konsequenz durchgehen lasse. Eine Abmahnung sei daher nicht erforderlich gewesen.

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Auch für die Arbeitsverweigerung durch Hinwerfen der Büroschlüssel bei Verlassen des Arbeitsplatzes sei keine Abmahnung erforderlich gewesen, da es sich insoweit um ein steuerbares Verhalten der Klägerin gehandelt habe.

Die Weiterbeschäftigung der Klägerin sei ihm trotz der ihr unstreitig noch zustehenden 17,5 Urlaubstage nicht zumutbar gewesen. Der Urlaub stehe nicht zur Disposition des Arbeitgebers. Ein Urlaubsantrag der Klägerin habe nicht vorgelegen.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24.03.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Koblenz zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das zutreffende erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, der Vortrag des Beklagten sei im Hinblick auf die ihr zugeschriebenen Äußerungen unsubstantiiert. Diese seien im Übrigen keineswegs diskriminierend, sondern können im Zusammenhang gesehen durchaus positiven Charakter gehabt haben. Im Übrigen habe sie am 08.08.2008 noch keine Kündigungsabsicht gehabt. Sie habe sich erstmals Ende August 2008 bei einem anderen Arbeitgeber beworben und kurzfristig eine Zusage erhalten.

Am 02.09.2008 habe sie eine unkontrollierte Reaktion des Beklagten auf ihre Kündigung vom Vortag vorausgeahnt und sich deswegen bereits morgens unwohl gefühlt. Als sich die Befürchtung bewahrheitet habe, sei sie einem Nervenzusammenbruch nahe gewesen. Sie habe sich sofort in die Behandlung ihrer Hausarztes begeben. Dabei habe sie am ganzen Körper gezittert und sei aufgrund ihrer seelischen Erregung nicht in der Lage gewesen, einen geordneten Gedanken zu fassen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 lit. b) und c) ArbGG statthafte Berufung ist nur teilweise zulässig. Zwar wurde sie gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufungsbegründung entspricht aber im Hinblick auf den unter Ziffer 3 ausgeurteilten Urlaubsabgeltungsanspruch nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO. Insoweit war die Berufung daher als unzulässig zu verwerfen.

Gem. § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO erfordert eine ausreichend Berufungsbegründung eine argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils. Eine substantielle Urteilskritik liegt nicht vor, wenn der Berufungskläger lediglich seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt oder gar nur pauschal auf ihn verweist. Es muss im Einzelnen konkret erkennbar sein, was nach Auffassung des Rechtsmittelführers am angefochtenen Urteil falsch sein soll. Diese Anforderungen sollen eine ausreichende Vorbereitung des Rechtsstreits für die Berufungsinstanz gewährleisten, indem sie den Berufungsführer dazu anhalten, das angefochtene Urteil genau zu überprüfen (vgl. BGH Urt. v. 24.01.2000 – II ZR 172/98, NJW 2000, 1576; Schwab, Die Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 230; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.03.2005 – 2 Sa 928/04).

Wenn – wie im vorliegenden Fall – im arbeitsgerichtlichen Urteil im Weg der objektiven Klagehäufung über mehrere Ansprüche entschieden worden ist, dann muss sich die Berufungsbegründung im vorgenannten Umfang mit jedem einzelnen Antrag auseinandersetzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll (vgl. stellvertretend für die ständige Rechtsprechung des BAG das Urt. v. 16.04.1997 – 4 AZR 653/95, NZA 1998, 45; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.03.2005 – 2 Sa 928/04). Hintergrund ist die lediglich prozessuale Zusammenfassung mehrerer Forderungen in einem Klageverfahren, bei der die einzelnen Streitgegenstände ihre Eigenständigkeit nicht einbüßen. Die Auseinandersetzung mit einem Streitgegenstand eröffnet das Berufungsverfahren nur dann auch für andere Streitgegenstände, wenn die Begründetheit oder Unbegründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängig ist (vgl. BAG a. a. O.; Schwab a. a. O., S. 231 f.; Schwab/ Weth, ArbGG, 2. Aufl., § 64 Rn. 162).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Rechtsmittel nur teilweise ausreichend begründet. Der Beklagte hat sich in der Berufungsbegründung ausschließlich mit der arbeitsgerichtlichen Begründung für die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung auseinandergesetzt und im Übrigen seinen erstinstanzlichen Vortrag in Bezug genommen. Zu dem ausgeurteilten Entgeltanspruch oder der Urlaubsabgeltung hat der Beklagte kein Wort verloren. Das war hinsichtlich des Entgeltzahlungsanspruchs für September jedenfalls für den Zeitraum nach Zugang der fristlosen Kündigung vom 11.09.2008 auch nicht notwendig. Die Begründetheit dieses Anspruchs hing vollständig von der Frage der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung ab. Anders stellt sich die Situation für den Urlaubsabgeltungsanspruch dar. Weshalb der Klägerin nicht für die unstreitig noch offenen 17,5 Urlaubstage ein Abgeltungsanspruch zustehen soll, hat der Beklagte nicht erläutert. Die Frage nach der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung ist insoweit unerheblich. Hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs ist somit der Weg in die Berufung mangels ausreichender Begründung verschlossen. Es ist dem Berufungsgericht daher verwehrt, die vollumfängliche Begründetheit des Urlaubsabgeltungsanspruchs zu prüfen.

B.

Soweit die Berufung zulässig ist, bleibt sie in der Sache erfolglos. Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Klage insoweit stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 11.09.2008 nicht beendet worden. Der Klägerin steht auch die restliche Arbeitsvergütung für den Monat September zu.

I.

Ein außerordentlicher Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die für den Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen. Die Prüfung, ob ein Lebenssachverhalt einen wichtigem Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen im § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist (vgl. z. B. BAG, Urt. v. 26.03.2009 – 2 AZR 953/07). Nicht jedes Verhalten, das geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB abzugeben, führt somit automatisch auch zur Wirksamkeit einer derartigen Kündigung. Im Rahmen der für § 626 Abs. 1 BGB notwendigen Interessenabwägung sind u. a. das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen (BAG, vom 10.11.2005 – 2 AZR 623/04, NZA 2006, 491).

Weder vermochte der Beklagte einen wichtigen Grund in diesem Sinne darzulegen noch würde die stets vorzunehmende Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfallen.

1. Die seitens des Beklagten behaupteten Äußerungen der Klägerin gegenüber der Auszubildenden K. an deren Probearbeitstag am 08.08.2008 und nach Aufnahme des Ausbildungsverhältnisses am 18.08.2008 stellen schon an sich keinen außerordentlichen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. beispielhaft BAG, Urt. v. 10.10.2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003, 1797 f.) sind Beleidigungen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den betroffenen Arbeitgeber bedeuten, als Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis an sich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung geeignet. Entsprechendes gilt für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte ehrverletzende Tatsachenbehauptungen, insbesondere wenn diese den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt zum Einen weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen, noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Zum Anderen ist dieses Grundrecht nicht schrankenlos gewährt, sondern wird insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre gem. Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesem gebracht werden (BAG a. a. O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen stellen die behaupteten Äußerungen der Klägerin keine so erhebliche Ehrverletzung dar, dass sie eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnten. Die Behauptung, es sei besser, nicht über persönliche Dinge zu reden, da der Beklagte dies nicht gerne sehe, stellt keine Beleidigung des Beklagten dar. Zwar sind gelegentliche Gespräche über persönliche Dinge während der Arbeitszeit in vielen Betrieben durchaus üblich und im Hinblick auf ein gutes Betriebsklima möglicherweise auch wünschenswert, sie sind jedoch nicht Teil der Arbeitsleistung und dienen dieser auch nicht unmittelbar. Es wäre daher durchaus nachvollziehbar, wenn der Beklagte Gespräche über persönliche Dinge während der Arbeitszeit missbilligen würde. Hinzu kommt, dass die Formulierung „nicht gerne sehen“ kein Verbot, nicht einmal eine deutliche Missbilligung persönlicher Gespräche durch den Beklagten nahelegt. Das bedeutet, dass diese Äußerung, selbst wenn sie bewusst wahrheitswidrig aufgestellt worden wäre, das Recht der persönlichen Ehre des Beklagten nicht oder allenfalls unerheblich beeinträchtigt.

Auch die behaupteten Äußerungen der Klägerin, ihr seien viele Dinge aufgefallen, wofür sie 3 Jahre gebraucht habe und dass sie heute ausnahmsweise reden dürfe, stellen keine oder -falls überhaupt- nur unwesentliche Verletzungen der Ehre des Beklagten dar. Die erste Äußerung ist vollkommen wertneutral. Welche Dinge der Klägerin aufgefallen sein sollen, bleibt nach dem Beklagtenvortrag offen. Auch durch den vom Beklagten hergestellten Zusammenhang mit den anderen Äußerungen der Klägerin ist der Aussage nicht zu entnehmen, „dass in dem Betrieb des Beklagten nicht alles ordnungsgemäß ablaufe“. Ein dennoch bei Frau K. möglicherweise entstandener diffuser negativer Eindruck könnte eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen. Welchen ehrverletzenden Inhalt der Beklagte der Äußerung, sie – die Klägerin – „dürfe heute ausnahmsweise reden“, beilegt, bleibt unklar. Der Beklagte behauptet nicht, dass die Klägerin damit sagen wollte, sie dürfe in der übrigen Zeit überhaupt nicht sprechen. Er trägt auch nicht vor, welche Äußerung der Klägerin dem vorausgegangen sein soll. Es kann daher nicht geklärt werden, auf was sich die Äußerung bezieht. Nach dem Beklagtenvortrag kann daher auch in diesem Fall bei der Auszubildenden im schlimmsten Fall ein unklares Bild persönlicher Spannungen zwischen den Parteien entstanden sein. Eine erhebliche Ehrverletzung ist darin nicht zu sehen.

Der Vortrag des Beklagten hinsichtlich der Äußerungen der Klägerin gegenüber der Auszubildenden K. nach Beginn des Ausbildungsverhältnisses ist unsubstantiiert und kann schon deshalb noch nicht einmal ansatzweise die außerordentliche Kündigung tragen. Der Beklagte hat insoweit den Zeitpunkt der Äußerungen offen gelassen. Der Klägerin war bei diesem pauschalen Vortrag ein substantiiertes Bestreiten konkreter Vorfälle nicht möglich. Darüber hinaus richten sich die Äußerungen auch eher gegen die Mitarbeiterin P., als gegen den Beklagten und erreichen nicht den für einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB notwendigen Schweregrad.

Darüber hinaus hätte die Klägerin darauf vertrauen dürfen, dass die Auszubildende diese Äußerungen nicht nach Außen trägt und das Vertrauensverhältnis der Parteien nicht beschädigt. Ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetze und Kollegen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen können eine Kündigung unter Umständen deswegen nicht rechtfertigen, weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG den besonderen Schutz der vertraulichen Kommunikation innerhalb der Privatsphäre als Ausdruck der Persönlichkeit gebietet (BAG, Urt. v. 17.02.2000 – 2 AZR 927/98; BAG Urt. v. 30.11.1972 – 2 AZR 79/72, AP BGB § 626 Nr. 66). Arbeitnehmer sind nicht gehalten, von ihren Arbeitgebern nur positiv zu denken und sich in ihrer Privatsphäre ausschließlich dementsprechend zu äußern. Hebt allein der Gesprächspartner gegen den Willen des sich negativ über seinen Arbeitgeber äußernden Arbeitnehmers die Vertraulichkeit auf, kann dies arbeitsrechtlich nicht zu Lasten des auf die Vertraulichkeit des Gespräches bauenden Arbeitnehmers gehen (BAG v. 17.02.2000 – 2 AZR 927/98).

Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend gegeben. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, die Klägerin habe die Auszubildende mehrfach aufgefordert, ihre Äußerungen nicht dem Beklagten zuzutragen. Die Auszubildende hat demnach die Vertraulichkeit der getätigten Äußerungen einseitig und gegen den Willen der Klägerin aufgehoben. Es macht insoweit keinen Unterschied, dass die Äußerungen teilweise noch vor Beginn des Arbeitsverhältnisses am 08.08.2008 getätigt worden sein sollen. Ein Probearbeitstag dient dem gegenseitigen Kennenlernen beider Parteien des zukünftigen Arbeits- und Ausbildungsverhältnisses. Besonders im Verhältnis zwischen den zukünftigen Kollegen besteht dabei ein besonderes Interesse daran, dass eine vertrauliche Kommunikation auch und gerade über die Verhältnisse am künftigen Arbeitsplatz möglich ist. Ein Probearbeitstag wäre für den potentiellen Arbeitnehmer von deutlich geringerem Interesse, wenn seine künftigen Kollegen bei jeder vertraulichen negativen Äußerungen über den Arbeitsplatz oder den Arbeitgeber mit einer fristlosen Kündigung rechnen müssten.

Inwieweit eine andere Bewertung gerechtfertigt wäre, wenn die Klägerin bei den behaupteten Äußerungen mit dem Vorsatz vorgegangen wäre, die Auszubildende zur Schädigung des Beklagten von der Aufnahme des Arbeitsverhältnis abzuhalten, kann dahin gestellt bleiben. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat als einziges Indiz für eine solche Absicht der Klägerin vorgetragen, sie habe zum Zeitpunkt des Probearbeitstages bereits gewusst, dass sie ihr Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten kündigen werde. Beweis hat der Beklagte für diese von der Klägerin konkret bestrittene Behauptung nicht angeboten. Tatsächlich mag es naheliegen, dass bei Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses Anfang Oktober am 08.08.2008 bereits die Absicht zur Kündigung des alten Arbeitsverhältnisses bestand. Es sind jedoch auch viele Fallgestaltungen denkbar, bei denen es – wie von der Klägerin behauptet – durchaus zu einer kurzfristigeren Entscheidungsfindung kommen kann. Allein der Zeitpunkt, zu dem die Klägerin ein neues Arbeitsverhältnis aufgenommen hat, führt somit nicht zu einer Umkehr der Beweislast, etwa nach den Regeln des Anscheinsbeweises.

2. Die außerordentliche Kündigung findet ihre Rechtfertigung nicht in einer behaupteten Arbeitsverweigerung der Klägerin am 02.09.2008.

Tatsächlich kann eine nachhaltige, rechtswidrige und schuldhafte Arbeitsverweigerung an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet sein. Weigert sich der Arbeitnehmer, eine ihm im Rahmen der rechtmäßigen Ausübung des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit auszuführen, so kann dies im Fall der sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung rechtfertigen. Die beharrliche Arbeitsverweigerung setzt nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG, Urt. v. 05.04.2001 – 2 AZR 580/99, BB 2001, 2115 ff. m. w. N.) in der Person der Arbeitnehmers Nachhaltigkeit im Willen voraus; der Arbeitnehmer muss die ihm übertragende Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers nicht befolgt, sondern vielmehr eine intensive Weigerung vorliegen muss. Das Moment der Beharrlichkeit kann zwar auch schon in der einmaligen Nichtbefolgung einer Anweisung zu sehen sein; in diesem Fall muss der Kündigung aber eine Abmahnung vorausgehen.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Selbst wenn dem vom Beklagten behaupteten Hinwerfen der Büroschlüssel auf seinen Schreibtisch entnommen werden könnte, die Klägerin habe in diesem Moment beabsichtigt, bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2008 nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen, hätte der Beklagte dieses Verhalten abmahnen müssen. (vgl. dazu auch LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.01.2009 – 2 Sa 402/08). Es läge in diesem Fall keine so erhebliche Vertragspflichtverletzung vor, dass der Arbeitgeber ohne Ausspruch einer Abmahnung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt wäre (vgl. dazu BAG, Urt. v. 07.12.2006, NZA 2007, 617). Anders als der Beklagte meint, spricht der Umstand, dass es sich bei einer Arbeitsverweigerung um steuerbares Verhalten handelt, gerade für die Notwendigkeit einer Abmahnung.

Außerdem ist das behauptete Verhalten der Klägerin im Lichte der sonstigen Ereignisse des 02.09.2008 zu sehen. Dem Verlassen der Büroräume durch die Klägerin am 02.09.2008 war ein von beiden Seiten als heftig empfundener Streit vorausgegangen. Zudem hatte die Klägerin am Tag zuvor das Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt gehabt. Der Beklagte trägt selbst vor, dass die Klägerin aufgeregt war. Eine in dieser emotional aufgeladenen Situation konkludent mitgeteilte Arbeitsverweigerung würde das Vertrauensverhältnis nicht in einem solchen Maße zerstören, dass ohne Abmahnung eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden kann.

3. Der Beklagte kann sich zur Begründung der außerordentlichen Kündigung auch nicht auf den Vorwurf des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit berufen. Bei Anwendung der Grundsätze, die zur Überprüfung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG entwickelt worden sind (vgl. dazu ErfK/ Dörner, 9. Auflage, § 5 EFZG 280 Rn: 14 ff.; BAG, Urt. v. 11.10.2006 – 5 AZR 755/05, DB 2007, 1313 ff.) hat die Klägerin mit der Vorlage der Bescheinigung ihres Arztes vom 02.09.2008 zunächst ihre Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen. Dem Beklagten ist es nicht gelungen, begründete Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung aufzuzeigen und dadurch ihren Beweiswert zu erschüttern. Die Mitteilung der Klägerin kurz vor Verlassen der Büroräume und Aufsuchen des Arztes, es sei ihr schlecht, spricht in keiner Weise dagegen, dass es der Klägerin tatsächlich schlecht war bzw. sie sich zur diesem Zeitpunkt schlecht gefühlt hat. Diese Äußerung würde auch dann keinen anderen Charakter erhalten, wenn die Klägerin – wie von dem Beklagten behauptet – das Wort „außerdem“ hinzugefügt haben sollte. Gleiches gilt für die Behauptung des Beklagten, die Klägerin sei bis zu dem Streit arbeitsfähig gewesen. Wie schon das Arbeitsgericht, geht auch Berufungsgericht davon aus, dass der geschilderte Streit durchaus Auslöser einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung gewesen sein könnte.

Im Übrigen hat der Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 02.09.2008 ein Hausverbot ausgesprochen. Der Klägerin war die Erbringung der Arbeitsleistung damit nicht mehr möglich. Selbst wenn die Beklagte eine Erkrankung vorgetäuscht hätte, wäre dies daher ohne jede wirtschaftliche Auswirkung für den Betrieb des Beklagten geblieben und hätte den durch das Hausverbot eingetretenen Annahmeverzug des Beklagten nicht beseitigt. Auch vor diesem Hintergrund kann der Vorwurf des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Einen das Vertrauensverhältnis zerstörenden Schaden hätte eine zugunsten des Beklagten zu unterstellende Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit nicht ausgelöst.

4. Schließlich ist dem Arbeitsgericht im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung darin zuzustimmen, dass eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2008 dem Beklagten in jedem Fall zumutbar gewesen wäre. Es ist unstreitig, dass der Klägerin am 11.09.2008 noch 17,5 Urlaubstage zustanden. Im Fall der Genesung der Klägerin vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses hätte der Beklagte ihr für die noch verbleibenden Arbeitstage somit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Urlaub gewähren können. Der Klägerin hätte insoweit kein Annahmeverweigerungsrecht zugestanden. Ein solches setzt nämlich voraus, dass noch Raum für eine anderweitige Urlaubsgewährung bleibt (vgl. ErfK/Dörner, 9. Auflage, § 7 BUrlG 250 Rn. 15; BAG Urt. v. 22.09.1992 – 9 AZR 483/91, AP Nr. 13 zu § 7 BUrlG). Das Annahmeverweigerungsrecht dient nicht dazu, die Urlaubserteilung überhaupt zu verhindern, z. B. um in den Genuss einer Urlaubsabgeltung zu kommen. Insoweit verdrängt die vorrangige Zielsetzung des Bundesurlaubsgesetz, eine Freistellung zur Erholung zu sichern, die Annahmeverweigerungsregelung (vgl. ErfK/ Dörner, a. a. O.).

Das Arbeitsverhältnis ist somit durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 11.09.2008 nicht beendet worden, sondern bestand bis zum 30.09.2008 fort.

II.

Die Klägerin hat wegen des Fortbestandes ihres Arbeitsverhältnisses bis zum 30.09.2008 einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Vergütung für den Monat September 2008. Für den Zeitraum vom 02.09.2008 bis zum 30.09.2008 steht ihr eine Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 EFZG zu. Ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn für den Zeitraum nach Zugang der fristlosen Kündigung besteht nicht, weil die Klägerin in dieser Zeit ihre Arbeitskraft wegen der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit nicht ordentlich anbieten konnte (vgl. ErfK/ Dörner, § 3 EFZG 280 Rn. 21). Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288, 247 BGB.

Nach alldem war die Berufung des Beklagten bezüglich der vom Arbeitsgericht zugesprochenen Anträge zu 1) und 2) unbegründet und somit zurückzuweisen. Bezüglich des Antrages zu 3) war die unzulässige Berufung zu verwerfen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

D.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 72 Abs. 2 ArbGG hierfür nicht vorlagen.

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