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Arbeitsunwillig? Trotz AU-Bescheinigung keine Entgeltfortzahlung

Landesarbeitsgericht Mainz 

Az.: 6 Sa 361/08

Urteil vom 20.03.2009

Vorinstanz: ArbG Mainz – AK Bad Kreuznach -, Az.: 6 Ca 157/08


1. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 24.4.2008 – 6 Ca 157/08 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall für die Monate September 2007 und November 2007.

Der Kläger war seit 01.04.2004 bei der Beklagten beschäftigt. Am 18.09.2007 kam es zwischen den Parteien zu einer Auseinandersetzung. Nach diesem Zeitpunkt hat der Kläger keine Arbeitsleistung für die Beklagte mehr erbracht.

Zum weiteren Sachverhalt und den erstinstanzlich gestellten Anträgen wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 24.04.2008 – 6 Ca 157/08 – gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Im vorerwähnten Teilurteil vom 24.04.2008 hat das Arbeitsgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – die Ansprüche auf Zahlung von 1.111,11 € brutto und 2.412,87 € brutto an Entgeltfortzahlung für die Monate September und Oktober 2007 nebst den verfolgten Zinsansprüchen abgewiesen, da beim Kläger ein fehlender Leistungswille zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen hätte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stünde fest, dass dieser ab 18.09.2007 die Absicht gehabt habe, keinerlei Arbeitsleistung mehr für die Beklagte zu erbringen. Der Kläger habe – so die Aussage der Zeugin  W. – erst am Montag nach dem 18.09.2007, wo sie – die Zeugin – lediglich die Schilderung der beiden Chefs mitbekommen habe, die Krankmeldung überreicht. Die Chefs hätten den Kläger zum Bleiben überreden wollen. Dieser habe jedoch beharrlich nein gesagt. Über die Krankheit sei in diesem Gespräch nicht gesprochen worden. Aus dem Inhalt der Aussage der Zeugin ergäbe sich, dass der Kläger ungeachtet seines gesundheitlichen Zustandes entschlossen gewesen sei, für die Beklagte keinerlei Arbeitsleistung mehr zu erbringen.

Gegen das dem Kläger am 03.06.2008 zugestellte Teilurteil richtet sich dessen am 30.06.2008 eingelegte und am 29.07.2008 begründete Berufung.

Der Kläger bringt z w e i t i n s t a n z l i c h weiter vor, das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt einer unzutreffenden Würdigung unterzogen. Es sei Sache des Arbeitgebers Umstände darzutun, die gegen einen Arbeitswillen des Arbeitnehmers sprächen. Die Zeugin  W. sei bei dem Gespräch am 18.09.2007 nicht anwesend gewesen. Er – der Kläger – habe an diesem Tag den beiden Geschäftsführern erklärt, dass er aufgrund einer schweren Erkrankung arbeitsunfähig sei und nicht mehr zur Arbeit erscheinen könne (Beweis: Anhörung des Klägers als Partei). Den Verlauf des Gespräches eine Woche später habe die Zeugin wahrheitswidrig geschildert. Die Geschäftsführer hätten dem Kläger dessen Erkrankung nicht abgenommen, ihn für eine Simulanten gehalten und ihn dazu überreden wollen, weiterzuarbeiten. Das Arbeitsgericht hätte ihm – dem Kläger – im Rahmen der Parteianhörung Gelegenheit geben müssen, sich zum Verlauf des Gespräches am 18.09.2007 zu äußern. Durch das Anwaltschreiben vom 11.10.2007 und die Klageschrift vom gleichen Tage habe er – der Kläger – deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereit sei, sobald seine Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt sei. Im Übrigen sei er unmittelbar nach dem Gespräch am 18.09.2007 bei der Sozialversicherung abgemeldet worden. Der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei nicht erschüttert. Es bestünde die Bereitschaft, die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden.

Zur den weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 28.07.2008 (Bl. 113 – 116 d. ), vom 18.08.2008 (Bl. 140 – 141 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 24.04.2008 abzuändern, soweit es die Zahlungsanträge zurückweist und die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger 1.111,11 € brutto zu zahlen und diesen Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen seit dem 16.10.2007;

2. an den Kläger 2.412,87 € brutto zu zahlen und diesen Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen seit dem 16.11.2007.

Die Beklagte hat

Zurückweisung der Berufung und Aufhebung des Versäumnisurteils des Landesarbeitsgerichts von 09.01.2009 – 6 Sa 361/08 –

beantragt und erwidert, der Kläger habe am 18.09.2007 nach seiner Tagschicht erklärt, er wolle für die Beklagte nicht mehr weiter tätig sein. Er habe nicht bestritten, dass er sein eigenes in der Firma befindliches Werkzeug zusammengeräumt und in ein Fahrzeug verpackt habe. Der Kläger habe auch verspätet eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorbeigebracht. Den Ausführungen zum Hinweis auf eine Erkrankung werde widersprochen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stelle nicht fest, welche Schwere eine Bandscheibenvorfall gehabt habe. Der Kläger habe ein Drogenproblem. Dessen Einstellung sei nur wegen einer Förderung aus einem Sonderprogramm erfolgt.

Zur Berufungsbeantwortung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 04.08.2008 (Bl. 137 – 138 d. A.) sowie vom 21.11.2008 (Bl. 173 – 174 d. A.) nebst sämtlichen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Gegen das am 09.01.2009 gegenüber der Beklagten erlassene Versäumnisurteil hat diese innerhalb der Einspruchsfrist am 13.01.2009 Einspruch eingelegt. Auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20.03.2009 (Bl. 199 – 202 d. A.) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.).

II.

Die Berufung des Klägers ist jedoch n i c h t begründet.

In Übereinstimmung mit der Vorinstanz stehen dem Kläger gegen die Beklagte keine Entgeltfortzahlungsansprüche für September 2007 – anteilig – und Oktober 2007 zu. Das Arbeitsgericht sieht im Ansatzpunkt zutreffend, dass die Arbeitsunfähigkeit ebenso wie bei dem entsprechend lautenden § 3 S. 1 EFZG die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sein muss. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen; denn der Arbeitnehmer soll den Entgeltanspruch nicht wegen seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verlieren. Dieser Anspruch setzt mithin voraus, dass der Erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte. Dies bedeutet allerdings nicht, dass alle hypothetischen Geschehensabläufe zu berücksichtigen sind. Vielmehr muss es sich um reale Ursachen handeln, die im konkreten Fall für den Ausfall der Arbeit auch wirksam geworden sind (vgl. BAG Urteil vom 25.05.1983 – 5 AZR 230/08 – = BAGE 43, 1, 2 f.; Urteil vom 20.03.1985 – 5 AZR 229/83 = EzA LohnFG § 1 Nr. 77; Urteil vom 17.10.1999 – 5 AZR 10/90 = BAGE 66, 126, 132 f und Urteil vom 01.10.1991 – 1 AZR 147/91 = BAGE 68, 299, 300 f.). Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht eine Arbeitsunwilligkeit des Arbeitnehmers als reale Ursache in dem Sinn angesehen, die den Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfallen lässt. Ein Arbeitnehmer, der nicht bereit ist zu arbeiten, erhält danach auch im Falle einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung keine Vergütung (vgl. BAG Urteil vom 04.12.2002 – 5 AZR 494/01 -).

In der Bewertung des Falles selbst folgt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG dem diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darstellung ab.

III.

Lediglich wegen der Angriffe der Berufung besteht zu folgenden Ergänzungen Anlass:

1.

Soweit die Berufung insbesondere beanstandet, dass die Zeugin  W. bei dem Gespräch des Klägers mit den Geschäftsführern am 18.09.2007 nicht anwesend gewesen sei, vermag dies an den aus der Aussage der Zeugin gewonnenen Feststellung nichts zu ändern. Auch eine Zeugin vom Hörensagen bekundet unmittelbar aus eigener Wahrnehmung, mag auch der Beweiswert geringer sein als die Bekundung unmittelbar eigener Wahrnehmungen (vgl. Zöller ZPO 26. Aufl., § 286 ZPO Rz. 9 a.).

Die Zeugin hat klar ausgesagt, die beiden Chefs hätten am 18.09.2007 mitgeteilt, dass der Kläger seine Arbeit niedergelegt und alles zusammengepackt habe sowie dass eine Krankmeldung erst eine Woche später nach dem Vorfall erfolgt sei.

Soweit die Berufung in diesem Zusammenhang vorbringt, der Kläger habe am Tag der Auseinandersetzung den beiden Geschäftsführern erklärt, dass er aufgrund einer schweren Erkrankung arbeitsunfähig sei und nicht mehr zur Arbeit erscheinen könne, reicht dieser Sachvortrag angesichts des Bestreitens der Beklagten nach Auffassung der Kammer auch unter Berücksichtigung, dass in diesem Vortrag keine novenrechtlich neuen Tatsachen enthalten sind, nicht aus, um zu einer anderen Bewertung des vorliegenden Falles zu gelangen. Die Darstellung vom Ablauf und den inhaltlichen Einzelheiten des Gespräches fehlt unter zivilprozessualen Aspekten. Daher bedarf es keiner Befassung mit der Frage, ob auch angesichts der Tatsache, dass mindestens drei Personen bei der Auseinandersetzung am 18.09.2007 beteiligt waren, eine Pflicht zur Parteivernehmung oder Parteianhörung entsprechend den Grundsätzen des BAG in der Entscheidung vom 22.05.2007 – 3 AZN 1155/06 bestanden hat.

2.

Soweit der Kläger weiter vorbringt, durch Anwaltschreiben vom 11.10.2007 und in der Klageschrift sei deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass er – der Kläger – zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereit sei, sobald die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt sei, vermag dies an der vom Arbeitsgericht festgestellten anhaltenden Leistungsunwilligkeit nichts zu ändern. In § 294 BGB ist der Grundsatz aufgestellt, dass ein tatsächliches Angebot der vertraglich vereinbarten Leistung erforderlich ist (vgl. ErfK-Preis Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 9. Aufl. 230 BGB § 615 Rz. 17). Hieraus wird deutlich, dass in dem Geltendmachungsschreiben des Prozessbevollmächtigten und der im Übrigen erst am 10.12.2007 klageerweiternd geltend gemachten Ansprüchen kein den fehlenden Leistungswillen aufhebendes tatsächliches Angebot liegt. Nicht ausgeräumt ist auch der Sachvortrag der Beklagten, wonach der Kläger am Tag der Auseinandersetzung sein eigenes in der Firma befindliches Werkzeug zusammengeräumt und in sein Fahrzeug verpackt habe. Auch dies lässt den Schluss auf eine mangelnde Arbeitsbereitschaft zu.

3.

Aus vorgenannten Gründen kommt es weder auf den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, noch auf die Bereitschaft, die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, an.

4.

Damit war das klageabweisende Teilurteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – aufrecht zu erhalten. In der Zurückweisung der Berufung liegt zugleich die Aufhebung des am 09.01.2009 verkündeten und zu Lasten der Beklagten ergangenen Versäumnisurteils, gegen welches rechtzeitig Einspruch eingelegt war.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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