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Arbeitsvertrag – befristeter – Ende mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters?

BAG

Az: 7 AZR 443/04

Urteil vom 27.07.2005


Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Juni 2004 – 1 Sa 12/04 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer einzelvertraglichen Altersgrenzenvereinbarung.

Der im April 1938 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1991 bei der Beklagten als Reporter für die Zeitschrift „D“ zunächst mit Sitz in Washington beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 17. Oktober 1990 hatten die Parteien ua. Folgendes vereinbart:
„4. Diese Vereinbarung ist beiderseits mit einer Frist von sechs Monaten jeweils auf das Ende des Kalenderhalbjahres kündbar, erstmals zum 30. Juni 1996.
5. Alle in diesem Vertrag nicht ausdrücklich geregelten Belange des Arbeitsverhältnisses verstehen sich nach dem Hausbrauch des S-Verlags in der jeweils gültigen Fassung.
6. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.“

In dem unter Nr. 5 in Bezug genommenen Hausbrauch hieß es seinerzeit ua.:

„Vorbemerkungen 1.
Der Hausbrauch des S-Verlags regelt alle Leistungen, die festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der S-Verlag GmbH & Co. KG über das vereinbarte Arbeitsentgelt und gültige Tarifverträge hinaus gewährt werden.

1.5

Beendigung

des Arbeitsverhältnisses Für alle fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des S-Verlags gilt, dass das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am Ende des Monats endet, in dem eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter das gesetzliche Rentenalter erreicht hat.
…“

Bereits im Jahr 1964 wurde der Kläger auf seinen Antrag hin von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. Er schloss zu seiner Altersversorgung beim Presseversorgungswerk eine Lebensversicherung ab. Die hierfür zu entrichtenden Beiträge entsprachen der jeweiligen Beitragshöhe in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Lebensversicherung wurde im Januar 2003 an den Kläger ausgezahlt. Mit Schreiben vom 15. Januar 2003 hatte die Beklagte den Kläger auf die vereinbarte Altersgrenze und den bevorstehenden Ablauf des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2003 hingewiesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis habe nicht auf Grund der im Hausbrauch enthaltenen Altersgrenze mit Ablauf des 30. April 2003 geendet. Die Altersgrenze sei nicht von der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag erfasst, da dieser eine abschließende Regelung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen habe. Daneben verstoße die Einbeziehung des Hausbrauchs gegen das vereinbarte Schriftformgebot. Die Beklagte habe ihm auch keinen Nachweis über die im Hausbrauch enthaltene Altersgrenze erteilt. Daneben sei das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG nicht eingehalten. Die Altersgrenze halte auch einer AGB-Kontrolle nicht stand. Es handele es sich um eine überraschende Klausel, die überdies gegen das Transparenzgebot verstoße. Insbesondere nach der Vorbemerkung zum Hausbrauch, die nur von „Leistungen“ der Beklagten spreche, habe er nicht mit der Aufnahme einer Altersgrenze rechnen müssen. Die Inbezugnahme des Hausbrauchs in der jeweils geltenden Fassung enthalte auch einen unzulässigen Änderungsvorbehalt zu Gunsten der Beklagten. Die Altersgrenze stelle schließlich eine unangemessene Benachteiligung dar, da er über keine gesetzliche Altersversorgung verfüge und daher nicht wirtschaftlich abgesichert sei. Die Beklagte sei auch zu einer Weiterbeschäftigung verpflichtet, da sie in der Vergangenheit herausgehobene journalistische Mitarbeiter oft weit über die Altersgrenzen hinaus beschäftigt habe.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht am 30. April 2003 sein Ende gefunden hat, sondern darüber hinaus unverändert fortbesteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für das Urlaubsjahr 2003 weitere 20 Urlaubstage zu gewähren,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate Mai bis Juli 2003 jeweils 11.530,00 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweils 1. des Folgemonats zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30. April 2003 beendet worden ist. Die im Hausbrauch enthaltene Altersgrenze ist Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien geworden und inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Anträge sind daher insgesamt unbegründet.

1. Die Parteien haben die im Hausbrauch enthaltene Altersgrenze wirksam vereinbart. Der Arbeitsvertrag hat insoweit keine abschließende Regelung getroffen, die einer Einbeziehung der Altersgrenze entgegensteht. Die Inbezugnahme des Hausbrauchs war nicht von einem Nachweis der Beklagten abhängig und verstößt nicht gegen das arbeitsvertragliche Schriftformerfordernis.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Arbeitsvertrag der Parteien hinsichtlich der Altersgrenze keine abschließende Regelung enthält.

aa) Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der Bezugnahme in Nr. 5 des Arbeitsvertrags um eine Klausel handelt, die formularmäßig verwandt wird und daher einer uneingeschränkten Auslegung durch das Revisionsgericht zugänglich ist oder um eine atypische Vertragsbestimmung, die nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung daraufhin unterliegt, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt worden sind, der Tatsachenstoff vollständig verwertet oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen worden ist. Die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung durch das Landesarbeitsgericht ist auch bei einer uneingeschränkten Überprüfung nicht zu beanstanden.

bb) Die Parteien haben in Nr. 4 des Arbeitsvertrags keine abschließende Regelung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut von Nr. 5 des Arbeitsvertrags, wonach der Hausbrauch in der jeweils gültigen Fassung auf alle „nicht ausdrücklich geregelten Belange des Arbeitsverhältnisses“ anwendbar sein sollte. In der Vereinbarung einer Mindestlaufzeit und einer besonderen Kündigungsfrist liegt auch keine umfassende Regelung der in Betracht kommenden Beendigungstatbestände. Die Vereinbarung einer Mindestlaufzeit von 5 Jahren und einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Kalenderhalbjahr war vielmehr der besonderen Interessenlage der Parteien bei Begründung des Vertragsverhältnisses geschuldet. Die Beklagte hatte den Kläger von einem anderen Arbeitgeber abgeworben. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung bewahrte insbesondere den Kläger vor einer zeitnahen Vertragslösung, während die längere Kündigungsfrist beiden Parteien bei einer einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die notwendigen Dispositionen bei der Suche einer Folgebeschäftigung bzw. der Nachbesetzung ermöglichen sollte. Der Annahme der Revision, die Parteien wollten alle relevanten arbeitsvertraglichen Grundbedingungen im Arbeitsvertrag selber regeln, steht schon entgegen, dass für das Vertragsverhältnis wichtige Vereinbarungen wie zB über die sonstigen finanziellen Leistungen und den Urlaub nicht im Vertragstext enthalten sind. Vielmehr haben die Parteien nur die speziell auf das Vertragsverhältnis zugeschnittenen Arbeitsbedingungen in den Vertrag aufgenommen (Vertragsbeginn, Zeichnungsbefugnis, individuelle Vergütung, Mindestlaufzeit und Kündigungsfrist sowie Schriftformabrede). Auf die Regelung der für alle Beschäftigten einheitlich geltenden Arbeitsbedingungen haben sie hingegen verzichtet.

cc) Da die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu einem eindeutigen Ergebnis führt, ist kein Raum für die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB. Das Landesarbeitsgericht konnte daher offen lassen, ob es sich bei den vorgenannten Bestimmungen im Arbeitsvertrag vom 17. Oktober 1990 um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 BGB handelt.

b) Der Hausbrauch ist Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen geworden. Die Revision rügt zu Unrecht die fehlerhafte Anwendung der Vorschriften des Nachweisgesetzes. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger von der Beklagten nach § 4 NachwG überhaupt einen Nachweis verlangt hat. Selbst ein Verstoß der Beklagten gegen ihre sich aus § 2 Abs. 1 NachwG ergebenden Pflichten würde nicht zur Unwirksamkeit der Inbezugnahme des Hausbrauchs oder der in ihm enthaltenen Altersgrenze führen, sondern könnte allenfalls Schadenersatzansprüche des Klägers begründen.

c) Der Inbezugnahme des Hausbrauchs steht schließlich nicht das Schriftformerfordernis in Nr. 6 des Arbeitsvertrags entgegen. Dieses bezieht sich nur auf nachfolgende Änderungen des unter dem 17. Oktober 1990 unterzeichneten Vertrags. Der Hausbrauch war auf Grund der Nr. 5 bereits bei Vertragsschluss in die Vereinbarungen der Parteien einbezogen.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auf Grund der in Nr. 1.5 des Hausbrauchs enthaltenen Altersgrenze mit Ablauf des 30. April 2003 geendet. Die Vereinbarung der Altersgrenze bedurfte keiner Schriftform. Sie stellt keine überraschende Klausel dar und hält insgesamt einer inhaltlichen Überprüfung stand.

a) Die Vereinbarung der Altersgrenze durch die Inbezugnahme des Hausbrauchs verstößt nicht gegen das Schriftformerfordernis in § 14 Abs. 4 TzBfG. Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien wurde vor dem In-Kraft-Treten des TzBfG bzw. des § 623 BGB geschlossen. Im Zeitpunkt eines vor dem 1. Mai 2000 liegenden Vertragsschlusses bestand kein gesetzliches Formerfordernis für die Vereinbarung einer Befristung. Für die (Form-)Wirksamkeit der vereinbarten Altersgrenze ist die Rechtslage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Da weder § 623 BGB in der bis zum 31. Dezember 2000 noch das zum 1. Januar 2001 in Kraft getretene Teilzeit– und Befristungsgesetz Übergangsvorschriften enthalten haben, sind ihre Bestimmungen nur auf Sachverhalte anzuwenden, die sich in ihren zeitlichen Geltungsbereichen verwirklichen (BAG 1. Dezember 2004 – 7 AZR 135/04 – AP BAT § 59 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 620 Bedingung Nr. 3, zu I 3 a der Gründe; 15. Januar 2003 – 7 AZR 535/02 – AP TzBfG § 14 Nr. 1, zu I der Gründe) .

b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Vertragsbedingungen im Hausbrauch für eine Vielzahl von Fällen von der Beklagten vorformuliert worden sind und es sich deshalb um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB handelt. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre die Altersgrenze nicht als überraschende Klausel iSd. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen. Ebenso wenig würde ein etwaiger unwirksamer Änderungsvorbehalt zu Gunsten der Beklagten (§ 308 Nr. 4 BGB) zur Nichtanwendung der Altersgrenze führen.

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aa) Die im Hausbrauch unter Nr. 1.5 enthaltene Altersgrenze stellt keine überraschende Klausel iSv. § 305c Abs. 1 BGB dar.

(1) Überraschend sind Vertragsklauseln dann, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Ihnen muss ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere das äußere Erscheinungsbild des Vertrags. Auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text kann sie als überraschende Klausel erscheinen lassen. Das Überraschungsmoment ist um so eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorheben (BAG 6. August 2003 – 7 AZR 9/03 – AP BGB § 133 Nr. 51 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 3, zu I 2 b der Gründe; 29. November 1995 – 5 AZR 447/94 – BAGE 81, 317 = AP AGBG § 3 Nr. 1 = EzA BGB § 611 Inhaltskontrolle Nr. 1, zu II 3 der Gründe) .

(2) Daran gemessen stellt die Nr. 1.5 des Hausbrauchs keine Überraschungsklausel dar. Die Vereinbarung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Altersgrenze ist nicht so ungewöhnlich, dass der Kläger mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Im Arbeitsvertrag vom 17. Oktober 1990 waren nur einige wenige, insbesondere der herausgehobenen Stellung des Klägers geschuldete Vertragsbedingungen geregelt. Es ist auch nicht unüblich, dass für Arbeitnehmer eines Unternehmens eine einheitliche Altersgrenze gilt und diese in den für den Arbeitgeber geltenden Allgemeinen Arbeitsbedingungen enthalten ist. Die Altersgrenze war im Hausbrauch auch nicht an versteckter Stelle, sondern unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ in den Text aufgenommen. Unter dieser Überschrift musste der Kläger ua. mit einer Altersgrenze rechnen. Angesichts der insoweit eindeutigen Überschrift bedurfte es einer weiteren drucktechnischen Hervorhebung der Altersgrenze im Hausbrauch nicht mehr. Dem steht auch nicht die redaktionelle Abfassung der Vorbemerkungen des Hausbrauchs entgegen, wie die Revision meint. Der Ausdruck „regelt alle Leistungen“ schließt die Aufnahme einer zeitlichen Begrenzung für die Leistungserbringung mit ein.

bb) Ob die arbeitsvertragliche Inbezugnahme des Hausbrauchs in seiner jeweils geltenden Fassung einen unzulässigen Änderungsvorbehalt (§ 308 Nr. 4 BGB) darstellt, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hat von der ihr eingeräumten Befugnis keinen Gebrauch gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die bereits bei Vertragsschluss unter Nr. 1.5 enthaltene Altersgrenze inhaltlich unverändert geblieben und nur redaktionell geändert worden ist.

c) Die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch eine auf das gesetzliche Rentenalter bezogene Altersgrenze ist auch sachlich gerechtfertigt.

aa) Bei einer Vereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung eines bestimmten Lebensjahres enden soll, handelt es sich um eine kalendermäßige Befristung dieses Arbeitsverhältnisses, weil der Beendigungszeitpunkt hinreichend bestimmbar ist. Aus der Sicht der Parteien ist die Vollendung eines bestimmten Lebensjahres ein zukünftiges Ereignis, dessen Eintritt sie als feststehend ansehen. Allein durch die Möglichkeit einer vorherigen anderweitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird die vereinbarte Altersgrenze nicht zu einer auflösenden Bedingung ( BAG 14. August 2002 – 7 AZR 469/01 – BAGE 102, 174 = AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 20 = EzA BGB § 620 Altersgrenze Nr. 13, zu I der Gründe ).

bb) Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach entschieden, dass eine auf das 65. Lebensjahr abstellende vertragliche Altersgrenzenregelung sachlich gerechtfertigt sein kann ( 20. November 1987 – 2 AZR 284/86 – BAGE 57, 30 = AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 2 = EzA BGB § 620 Altersgrenze Nr. 1, zu B IV 3 der Gründe; 19. November 2003 – 7 AZR 296/03 – BAGE 109, 6 = AP TzBfG § 17 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 4, zu II 2 d aa der Gründe ). Dabei haben die Senate die Interessen der Arbeitsvertragsparteien an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einerseits und seiner Beendigung andererseits gegeneinander abgewogen. Sie haben berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch auf dauerhafte Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das 65. Lebensjahr hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen verfolgt. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Allerdings handelt es sich um ein Fortsetzungsverlangen eines mit Erreichen der Regelaltersgrenze wirtschaftlich abgesicherten Arbeitnehmers, der bereits ein langes Berufsleben hinter sich hat, und dessen Interesse an der Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit aller Voraussicht nach nur noch für eine begrenzte Zeit besteht. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer auch typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelungen durch seinen Arbeitgeber Vorteile hatte, weil dadurch auch seine Einstellungs- und Aufstiegschancen verbessert worden sind. Demgegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Diesen Bedürfnissen haben die Senate jedenfalls dann Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers gewährt, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres wirtschaftlich abgesichert war.

cc) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Befristung nicht an der fehlenden wirtschaftlichen Absicherung des Klägers scheitert.

(1) Das Erfordernis der wirtschaftlichen Absicherung folgt aus der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Schutzpflicht, die den Staat im Bereich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen trifft. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer auch den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Dieses Ergebnis ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds.

(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Wirksamkeit der Befristung nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig. Ein solcher Prüfungsmaßstab ist systemwidrig, weil im Befristungsrecht nur maßgeblich ist, ob der Arbeitgeber beim Vertragsschluss einen von der Rechtsordnung anzuerkennenden Grund für einen nicht auf Dauer angelegten Arbeitsvertrag hatte oder nicht. Mit diesem Grundgedanken ist es unvereinbar, die Wirksamkeit der bei Vertragsschluss vereinbarten Befristung nach der konkreten wirtschaftlichen Situation des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze zu beurteilen.

(3) Das verfassungsrechtliche Untermaßverbot erfordert keine am individuellen Lebensstandard des Arbeitnehmers und seinen subjektiven Bedürfnissen orientierte Altersversorgung. Der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Schutzpflicht ist bereits dann genügt, wenn der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss bereits die rentenrechtliche Wartezeit erfüllt hat. Mit den Vorschriften über die gesetzliche Rentenversicherung und ihre Ausgestaltung hat der Gesetzgeber ein geeignetes Altersversorgungssystem für Arbeitnehmer geschaffen, das nach ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ihren Lebensunterhalt sicherstellt. Durch die Beitragszahlung erwerben die Beschäftigten eine Altersrente, die ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage nach Wegfall des Arbeitseinkommens bildet. Die Höhe der sich aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergebenden Ansprüche ist für die Wirksamkeit einer auf die Regelarbeitsgrenze bezogenen Befristung grundsätzlich ohne Bedeutung. Da die sich aus der Beitragszahlung ergebende Versorgung vorhersehbar ist und auch der Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand feststeht, ist der Arbeitnehmer gehalten, seine Lebensplanung auf die zu erwartenden Versorgungsbezüge einzustellen.

(4) Der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Schutzpflicht ist gleichfalls genügt, wenn der von einer Altersgrenze betroffene Arbeitnehmer bei Abschluss der Befristungsabrede entweder versicherungsfrei (§ 5 SGB VI) beschäftigt wird oder – wie der Kläger – auf Grund einer durch Gesetz gleichgestellten anderweitigen Alterssicherung von der Rentenversicherungspflicht befreit (§ 6 SGB VI) worden und die Altersgrenze auf den Zeitpunkt des gesetzlichen Rentenalters bezogen ist. In diesen Fällen liegt entweder eine anderweitige Altersversorgung mit einer gleichwertigen wirtschaftliche Absicherung vor (BAG 14. Oktober 1997 – 7 AZR 660/96 – BAGE 86, 380 = AP SGB VI § 41 Nr. 10 = EzA SGB VI § 41 Nr. 6, zu II 1 b der Gründe) oder es ist ein Sachverhalt gegeben, bei dem der Gesetzgeber den Aufbau einer Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung für entbehrlich halten durfte.

d) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass die Altersgrenze den Kläger unangemessen benachteiligt. Befristungsabreden unterliegen keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.

e) Die Altersgrenze ist schließlich nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte andere Redakteure auch nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters hinaus beschäftigt bzw. beschäftigt hat. Für die Beurteilung des Sachgrunds kommt es auf die Umstände bei Vertragsschluss an. Die Befristung wird nicht nachträglich unwirksam, wenn bei Vertragsende eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer besteht oder der Arbeitgeber das Vertragsverhältnis mit anderen befristet beschäftigten Arbeitnehmern fortsetzt. Überdies hat die Beklagte insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass die Weiterbeschäftigung der vom Kläger benannten Redakteure aus individuellen Gründen und zu geänderten Vertragsbedingungen erfolgt ist.

3. Unbegründet sind schließlich die Anträge auf Urlaubsgewährung und Zahlung der Vergütung für die Monate Mai bis Juli 2003, da das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. April 2003 geendet hat.

4. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

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