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Arbeitsvertragsänderung durch Lohnabrechnung?

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Az.: 2 Sa 289/08

Urteil vom 01.04.2009


I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 03.09.2008 – 22 Ca 1423/07 – dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 73,44 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.08.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 97 Prozent, die Beklagte zu 3 Prozent.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 10.04.2001 beschäftigt. Er ist anfänglich mit 2.500,00 DM monatlich vergütet worden, wobei in den Lohnabrechnungen von Mai 2001 bis Juli 2003 eine monatliche Arbeitszeit von 173,5 Stunden zu Grunde gelegt worden ist. Nachdem das Erscheinungsbild der Lohnabrechnungen ab Januar 2004 umgestellt wurde, ist der Lohnabrechnung ab diesem Zeitpunkt bis zum Mai 2005 eine Regelarbeitszeit von 138,75 Stunden zu Grunde gelegt worden. Lediglich im Oktober 2004 ist eine Regelarbeitszeit von 173,5 Stunden maßgeblich gewesen. Ab Juni 2005 sind dann fortlaufend wieder 173,5 Stunden der Verdienstabrechnung zu Grunde gelegt worden.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht Schwerin Vergütungsansprüche geltend gemacht, die auf der Annahme beruhten, mit der Übersendung der Verdienstabrechnungen sei eine konkludente Vertragsänderung zwischen den Parteien zu Stande gekommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Der Kläger hat zuletzt arbeitsgerichtlich beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 712,25 EUR brutto zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 385,26 EUR brutto sowie 222,23 EUR netto jeweils zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.045,73 EUR zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das Arbeitsgericht Schwerin hat diese Klage durch Urteil vom 03.09.2008 – 22 Ca 1423/07 – abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger könne seinen Anspruch nicht auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 18.12.2006 stützen, das in einem Kündigungsschutzrechtsstreit zwischen den Parteien ergangen sei und in dessen Tatbestand es heiße, dass der Kläger bei der Beklagten vom 10.04.2001 als Bäcker mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 34,69 Stunden zuletzt bei einem Monatsverdienst in Höhe von 1.278,70 EUR beschäftigt gewesen sei.

Der Tatbestand binde die Beklagte auch nicht über den rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens hinaus. Da sämtliche Berechnungen des Klägers auf der Annahme einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34,69 Stunden beruhten, war die Klage insgesamt abzuweisen.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 05.09.2008 zugestellt worden. Er hat dagegen Berufung eingelegt, die am 02.10.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Grund eines fristgemäß eingegangenen Antrages bis zum 19.11.2008 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung am 06.11.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger ist der Auffassung, für März 2007 hätte das Arbeitsgericht ihm jedenfalls 9,5 Überstunden zusprechen müssen, da eine Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto zwischen den Parteien nicht geschlossen worden sei. Spätestens ab August 2003 sei der Kläger aber nur noch nach geleisteten Stunden vergütet worden. Eine Vereinbarung sei dazu nicht getroffen worden.

Selbst wenn die Parteien sich also auf einen Monatslohn bei Vertragsbeginn geeinigt haben sollten, müsste von diesem Zeitpunkt an von einer Vertragsänderung ausgegangen werden. Von Januar 2004 bis Dezember 2005 sei jedenfalls der Lohn auf Grund eines Stundenlohnes von 9,22 EUR berechnet worden. Der Anspruch auf einen Stundenlohn von 9,22 EUR sei jedenfalls auf Grund der Grundsätze der betrieblichen Übung entstanden.

Darüber hinaus könne der Kläger sich auch auf die Beweiswirkung des Tatbestandes des Urteils des Arbeitsgerichtes Schwerin – 22 Ca 226/06 – stützen, in dem unstreitig von einer Arbeitszeit von 34,69 Stunden ausgegangen worden sei. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte und Berufungsbeklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin zum Aktenzeichen 22 Ca 1423/07 zu verurteilen, an den Kläger weitere 1. 385,26 EUR brutto sowie 22,23 EUR netto jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 2. 1.045,73 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt der angefochtenen Entscheidung bei.

Sie ist der Auffassung, die Berufung sei unzulässig, da sich aus der Berufungsbegründung nicht ergebe, wie sich der noch geltend gemachte Betrag zusammensetze. Die Abrechnung auf Grund der Basis eines Stundenlohnes von 9,22 EUR ab Januar 2004 beruhe auf einen Abrechnungsfehler. Ab Juni 2005 sei dann wieder der zutreffende Stundenlohn von 7,37 EUR zu Grunde gelegt worden.

Der Kläger trage auch nichts vor, warum er davon ausgehen konnte, dass ihm die Beklagte eine Lohnerhöhung von 25 Prozent auf einen Schlag gewähren wollte. Jedenfalls habe sich die betriebliche Übung ab Juni 2005 geändert.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen nicht begründet. Die Berufung ist begründet, soweit das Arbeitsgericht auch einen Anspruch des Klägers auf 9,5 Überstunden aus März 2007 multipliziert mit dem maßgeblichen Stundenlohn von 7,73 EUR abgewiesen hat. Der Behauptung des Klägers, dass er in diesem Monat eine entsprechende Mehrarbeitszeit geleistet habe, ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Basis eines Stundenlohnes von 9,22 EUR. Aus der Berufung ergibt sich nicht, dass der Kläger eine anderweitige Unrichtigkeit des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin als der Annahme des aus seiner Sicht unzutreffenden Stundenlohnes geltend machen will.

Angesichts der Handhabung der Entlohnung des Klägers in der Zeit von Mai 2001 bis Dezember 2003 konnte der Kläger trotz gewisser Schwankungen davon ausgehen, dass er zu einem Lohn von 1.278,70 EUR bzw. 2.500,00 DM für 173,5 Stunden beschäftigt wird. Die Verdienstabrechnungen ab Januar 2004, die plötzlich regelmäßig eine Regelarbeitszeit von 138,75 Stunden aufführten, konnte der Kläger angesichts der Umstände des Einzelfalles nicht als Angebot einer Vertragsänderung ansehen. Ein derartiges Angebot wäre zu der damaligen Zeit angesichts der wirtschaftlichen Situation sehr ungewöhnlich. Eine drastische Stundenreduzierung bei gleichbleibendem Lohn verträgt sich nicht mit der Wettbewerbssituation im Backgewerbe. Wenn die Beklagte sich schon zu einem derartig außergewöhnlichen Schritt entschlossen hätte, hätte darüber mit Sicherheit eine Kommunikation im Betrieb stattgefunden. Hierzu trägt der Kläger nichts vor.

Die Beklagte hat vielmehr vorgetragen, dass die Bäcker fortlaufend monatlich mit 173,5 Stunden beschäftigt würden (Seite 2 des Schriftsatzes der Beklagten vom 17.12.2007). Dieser Vortrag hat eine viel größere Plausibilität und wird vom Kläger nicht substantiiert bestritten. Wenn der Kläger tatsächlich behaupten will, er habe in den Monaten ab Januar 2004 tatsächlich nur regelmäßig 138,75 Stunden gearbeitet, müsste ihm für diesen ungewöhnlichen Sachverhalt zumindest ein ansatzweiser Beweisantritt möglich gewesen sein. Auf eine betriebliche Übung kann der Kläger sich schon deshalb nicht stützen, weil diese durch eine gegenläufige betriebliche Übung einvernehmlich wieder abgeändert worden wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger der Handhabung ab Juni 2005 widersprochen hat.

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Schließlich kann der Kläger sich auch nicht auf die Beweisfunktion des Tatbestandes des Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin – 22 Ca 226/06 – stützen. Die Beweisfunktion dieses Tatbestandes wird nämlich durch den Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16.10.2007 – 5 Sa 66/07 – deutlich relativiert. Im Übrigen liefert der Tatbestand eines Urteils nur Beweis darüber, was die Parteien in diesem Verfahren vorgetragen haben. Er liefert keinen Beweis darüber, was richtig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 92 ZPO.

Zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestand kein Anlass

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