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Arbeitsvertragsbefristung wegen Erkrankung

Landesarbeitsgericht Hamm

Az: 11 Sa 802/09

Urteil vom 29.10.2009


Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 12.05.2009 – 3 Ca 2237/08 – wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die im Juni 2008 vereinbarte Befristung seines Arbeitsvertrages auf den 31.01.2009.

Der Kläger ist am 20.07.1950 geboren. Er ist Dipl.-Biologe und war längere Zeit in der freien Wirtschaft tätig. Nach einer Tätigkeit bei der R4-B2 B3 GmbH ist er seit September 2007 wiederholt auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge als angestellter Lehrer im Schuldienst des beklagten Landes tätig. Die ersten befristeten Arbeitsverträge erstreckten sich vom 03.09.2007 bis zum 31.01.2008 und vom 01.02.2008 bis zum 25.06.2008.

Den dritten befristeten Arbeitsvertrag unterzeichneten die Parteien im Juni 2008. Das beklagte Land wurde durch die Bezirksregierung Münster vertreten. § 1 und § 2 dieses Arbeitsvertrages lauten:

§ 1

Herr .. .. wird ab 26.06.2008 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Pflichtstunden befristet eingestellt.

Das Arbeitsverhältnis ist befristet für die Dauer der Erkrankung der Lehrkraft .. .., längstens bis zum 31.01.2009.

§ 2

Für das Arbeitsverhältnis gelten

– der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länger (TV-L),

– der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in der TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) sowie die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder ersetzen, in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Nordrhein-Westfalen jeweils gilt.

Auf das Arbeitsverhältnis finde § 21 Absatz 1 bis 5 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Anwendung.

Nach § 3 des Arbeitsvertrages ist der Kläger in die Vergütungsgruppe 11 TV-L eingruppiert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die eingereichte Kopie verwiesen (Bl. 4,5 GA).

Der Lehrer .. .. verstarb am 06.07.2008 während der Sommerferien. Der Kläger nahm nach den Sommerferien auf der Grundlage des Vertrages vom Juni 2008 die Tätigkeit an der ..-..-Gesamtschule in .. auf.

Am 08.11.2008 ist die Befristungskontrollklage gegen die Befristung des Arbeitsvertrages auf den 31.01.2009 bei dem Arbeitsgericht Münster eingegangen.

In der Folgezeit schloss der Kläger mit dem beklagten Land, jeweils vertreten durch die Bezirksregierung Münster, weitere befristete Arbeitsverträge:

– Januar 2009: ab 01.02.2009 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Pflichtstunden befristet für die Dauer der Erkrankung der Lehrkraft E1 G1, längstens bis zum 01.07.2009;

– Januar 2009: ab 01.02.2009 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 11,5 Pflichtstunden unter „Nutzung von nichtbesetzten Stellenanteilen“ bis zum 01.07.2009.

– Für das erste Schulhalbjahr 2009/2010:

Vom 04.09.2009 bis 14.10.2009 mit 11,5 Stunden;

vom 14.08.2009 bis 29.01.2010 über 14 Stunden

(Protokoll vom 29.10.2009, Bl. 85 GA).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, durch die weitere Beschäftigung über die Dauer der Erkrankung des Herrn .. hinaus, die mit dessen Tod geendet habe, sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Unter Beachtung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Doppelbefristung hätte das Arbeitsverhältnis kurzfristig nach dem Tod der vertretenen Lehrkraft .. beendet werden müssen.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht kraft Befristung mit Ablauf des 31.01.2009 sein Ende gefunden hat, das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger über den 31.01.2009 hinaus als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis in dem Umfang von einer regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Pflichtstunden mit Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TV-L weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat geltend gemacht, Zweck des befristeten Arbeitsverhältnisses sei die Vertretung der erkrankten Lehrkraft .. .. und die Übernahme der durch die Erkrankung der Lehrkraft .. nicht wahrgenommen Unterrichtsverpflichtungen an der ..-..-Gesamtschule .. gewesen. Die Fortführung des Arbeitsvertrages über den Tod der vertretenen Lehrkraft hinaus habe der Wahrnehmung genau dieser Unterrichtsverpflichtung gedient. Denn die Lehrkraft sei nicht nur durch ihre Erkrankung sondern anschließend auch durch ihren Tod an der Wahrnehmung dieser Unterrichtsverpflichtung gehindert gewesen. Der hinter dem Vertrag stehende Befristungszweck bestehe so lange fort, bis die vakante Stelle in einem formalen Auswahlverfahren besetzt sei. Das beklagte Land müsse als öffentlicher Auftraggeber eine Auswahl nach den Grundsätzen der Bestenauslese durchführen und nehme diese Verpflichtung durch formalisierte und zeitaufwendige Auswahlverfahren (schulscharf und nach Liste) wahr.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht kraft Befristung mit Ablauf des 31.01.2009 sein Ende gefunden hat. Es hat das beklagte Land antragsgemäß verurteilt, den Kläger über den 31.01.2009 hinaus als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Pflichtstunden mit Eingruppierung in Entgeltgruppe 11 TV-L weiterzubeschäftigen. Die fristgerecht erhobene Klage sei zulässig und begründet. Die zur Überprüfung gestellte Befristung sei unwirksam. Da der Kläger über den Tod der Lehrkraft .. hinaus weiterbeschäftigt worden sei, sei nach § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.

Das Urteil ist dem beklagten Land am 26.05.2009 zugestellt worden. Das beklagte Land hat am 08.06.2009 Berufung eingelegt und diese am 14.07.2009 begründet.

Das beklagte Land wendet sich gegen die Auffassung des Arbeitsgerichtes, die längstens bis zum 31.01.2009 vereinbarte Befristung des Arbeitsvertrages sei unwirksam. Eine Doppelbefristung sei grundsätzlich zulässig. In einem Fall wie dem vorliegenden bestehe das Arbeitsverhältnis lediglich bis zum Ablauf der längsten Befristung fort, hier bis zum 31.01.2009. Damit sei dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 5 TzBfG genüge getan. Die Rechtsfolge des § 15 Abs. 5 TzBfG sei nicht abbedungen, da § 15 Abs. 5 TzBfG von dem Regelfall ausgehe, dass neben der Zweckbefristung eine weitere Befristung im Arbeitsvertrag nicht enthalten sei. Gerade weil der Kläger wegen der Höchstbefristung Kenntnis davon gehabt habe, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls nicht über den 31.01.2009 hinaus fortbestehen werden, sei er nicht schutzwürdig und habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Arbeitsverhältnis trotz des Todes des Herrn .. und der fehlenden Mitteilung bzw. des fehlenden Widerspruches i. S. v. § 15 Abs. 5 TzBfG auch über den 31.01.2009 hinaus fortbestehen werde. Der Kläger habe gewusst, dass das Arbeitsverhältnis so oder so am 31.01.2009 enden werde. Dies wäre auch dann der Fall gewesen, wenn Herr .. nicht verstorben wäre, sondern über den 31.01.2009 hinaus erkrankt gewesen wäre. Zudem dürfte der vereinbarte Zweck „Dauer der Erkrankung ..“ mit dessen Tod auch nicht entfallen sein – jedenfalls solange nicht, wie die Stelle des Herrn .. nicht wieder besetzt worden sei. Einer Mitteilung gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG habe es daher nicht bedurft. Mit dem Tod des Herrn .. sei der Zweck des befristeten Arbeitsvertrages nicht erreicht gewesen. Man habe selbstverständlich eine angemessene Zeit benötigt, um die Stelle neu zu besetzen. Auch der Kläger habe nicht davon ausgehen können, dass am Tage nach dem Tode des Herrn R6 der Vertretungszweck nicht mehr bestehe.

Das beklagte Land beantragt, das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 12.05.2009 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Die Rechtsfolge des § 15 Abs. 5 TzBfG sei eindeutig: Werde der Arbeitnehmer nach Zweckerreichung weiterbeschäftigt und werde ihm die Zweckerreichung nicht unverzüglich mitgeteilt, so gelte das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert. Das vom beklagten Land für zutreffend erachtete Ergebnis könne weder aus dem Gesetzwortlaut hergeleitet werden noch aus dem Rechtsinstitut der Doppelbefristung. Gerade die Doppelbefristung führe dazu, dass sich der Arbeitnehmer darauf einzustellen habe, dass das Arbeitsverhältnis zum zuerst eintretenden Termin enden werde. Aus dem Arbeitsvertrag sei ihm bekannt gewesen, dass sein Arbeitsverhältnis befristet sei für die Dauer der Erkrankung der Lehrkraft … Versterbe Herr .., so sei er begriffslogisch nicht mehr krank. Die Krankheit dauere nicht fort und das Arbeitsverhältnis ende. So habe er gewusst, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beendigung der Erkrankung des Herrn .. ende. Ob und wann die Stelle wieder besetzt werde, sei unbedeutend. Die Wiederbesetzung der Stelle sei nicht quasi zum weiteren Zweckbefristungstatbestand gemacht worden.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig und statthaft gemäß § 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG. Die Berufung ist form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Befristung auf den 31.01.2009 festgestellt und das beklagte Land zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. In der im Schrifttum kontrovers diskutierten Frage, ob ein doppelbefristetes Arbeitsverhältnis bei Zweckerreichung vor Ablauf der Kalenderbefristung und anschließender Fortführung nach § 15 Abs. 5 TzBfG unbefristet fortbesteht oder mit Ablauf der Kalenderbefristung endet, folgt die Berufungskammer der erstgenannten Auffassung, wie dies bereits das Arbeitsgericht getan hat.

1. Die Befristungskontrollklage wahrt die Klagefrist des § 17 TzBfG. Unproblematisch ist, dass die Klage bereits im November 2008 und damit deutlich vor Erreichen des strittigen Befristungstermins am 31.01.2009 erhoben worden ist. Es ist anerkannt, dass der Arbeitnehmer mit der Befristungskontrollklage nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abwarten muss. Er kann die Befristungsvereinbarung bereits vor Ablauf des Vertrags gerichtlich überprüfen lassen (BAG 10.03.2004 AP TzBfG § 14 Nr. 11 unter I; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, 2004, Rn. 1006).

2. Dem Erfolg der Befristungskontrollklage steht nicht entgegen, dass die Parteien nach Zustellung der Befristungskontrollklage und nach dem 31.01.2009 weitere befristete Arbeitsverträge abgeschlossen haben.

Zwar unterliegt bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die Befristung des letzten Vertrages der gerichtlichen Kontrolle. Haben die Parteien jedoch den weiteren befristeten Arbeitsvertrag unter dem Vorbehalt abgeschlossen, dass er das Arbeitsverhältnis nur regeln soll, wenn nicht bereits aufgrund des vorangegangenen Vertrages ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, ist auch für die im vorherigen Vertrag vereinbarte Befristung die gerichtliche Kontrolle eröffnet. Ein Vorbehalt kann ausdrücklich oder konkludent vereinbart werden. Schließen die Parteien nach Zustellung einer Befristungskontrollklage an den Arbeitgeber einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag ab und treffen sie keine Vereinbarung darüber, welche Auswirkungen dies auf den bereits anhängigen Rechtsstreit haben soll, ist in der Regel ein konkludenter Vorbehalt vereinbart. Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn der weitere befristete Arbeitsvertrag auf Seiten des Arbeitgebers von einer anderen Dienststelle abgeschlossen wird als der vorangegangene Vertrag und der Arbeitnehmer deshalb davon ausgehen muss, dass die am erneuten Vertragsschluss beteiligten Vertreter des Arbeitgebers keine Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Befristungskontrollklage haben (BAG 18.06.2008 AP TzBfG § 14 Rn. 50).

Nach diesen Grundsätzen ist hier ein Vorbehalt konkludent vereinbart worden. Der gerichtliche zu überprüfende Vertrag vom Juni 2008 wie auch die nachfolgenden befristeten Arbeitsverträge sind seitens des beklagten Landes jeweils durch die Bezirksregierung Münster und damit durch dieselbe Dienststelle abgeschlossen worden. Die anhängige Befristungskontrollklage ist in den nachfolgenden Verträgen nicht thematisiert, obwohl Damit ist bei den nachfolgenden Verträgen konkludent der Vorbehalt vereinbart, dass die neuen befristeten Arbeitsverträge das Arbeitsverhältnis nur regeln sollen, wenn nicht bereits aufgrund des hier zu überprüfenden Vertrages vom Juni 2008 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

3. Die Befristungskontrollklage gegen die Befristung auf den 31.01.2009 ist begründet. Das Arbeitsverhältnis hat nicht aufgrund der im Juli 2008 vereinbarten Kalenderbefristung mit Ablauf des 31.01.2009 geendet. Zwar kann ein Arbeitsvertrag neben einer Zweckbefristung auch eine Kalenderbefristung enthalten [a)]. Der Kläger hat hier jedoch über den Tod der vertretenen Lehrkraft .. am 06.07.2008 hinaus weiterhin unterrichtet. Das beklagte Land hat damit das Arbeitsverhältnis über den Zeitpunkt der Zweckbefristung hinaus fortgesetzt. Gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG gilt das befristete Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert [b)]. Der Auffassung des wohl überwiegenden Teils des Schrifttums, § 15 Abs.5 TzBfG sei in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden nicht anzuwenden bzw. teleologisch zu reduzieren, folgt die Berufungskammer nicht [c)].

a) Die Parteien haben im Juni 2008 für ihr Arbeitsverhältnis eine sogenannte Doppelbefristung vereinbart: „Befristet für die Dauer der Erkrankung der Lehrkraft .. ../längstens bis zum 31.01.2009“:

Soweit auf die Dauer der Erkrankung der zu vertretenden Lehrkraft abgestellt wird, handelt es sich um eine Zweckbefristung i. S. d. § 3 Abs.1 S.2 2.Alt. TzBfG. Aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt sich die gewollte Dauer des Arbeitsvertrages. Mit dem Zusatz „längstens bis zum 31.01.2009“ ist daneben eine Kalenderbefristung i. S. d. § 3 Abs.2 S.2 1.Alt. TzBfG vereinbart.

Derartige Doppelbefristungen können nach allgemeiner Auffassung in Wahrnehmung der Vertragsfreiheit von den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden (BAG 22.04.2009 – 7 AZR 768/07 -; Dörner, aaO., Rn. 53; ErfK-Müller-Glöge, 9. Aufl. 2009, § 3 TzBfG Rn. 13;).

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Im zu entscheidenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die von dem beklagten Land gewählte Vertragsformulierung tatsächlich eindeutig in dem reklamierten Sinn ist, dass der Arbeitgeber auch bei Zweckerreichung vor Ablauf der Kalenderbefristung die Option behalten soll, das Arbeitsverhältnis gleichwohl befristet bis zum Ablauf der Kalenderbefristung fortzuführen. Nicht ausgeschlossen erscheint es, die Doppelbefristung abweichend in dem Sinn zu verstehen, dass das zuerst eintretende Ereignis das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beenden soll, eine Fortführung bis zum 31.01.2009 mithin nur bei Ausbleiben der Zweckerreichung bis zu diesem Datum in Betracht kommen soll. Zugunsten des Klägers könnte die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB anzuwenden sein (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 88.Aufl. 2009, 3 305 c BGB Rn.20 [„scheinbar kundenfeindlichste Auslegung“]). Dies bedarf keiner Entscheidung. Auch unter Zugrundelegung des von dem beklagten Land favorisierten Vertragsverständnisses gelangt die Kammer zum Ergebnis der Begründetheit der Befristungskontrollklage.

b) Nach § 15 Abs. 5 TzBfG gilt ein befristet vereinbartes Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, oder nach Zweckerreichung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird und der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht oder dem Arbeitnehmer nicht unverzüglich die Zweckerreichung mitteilt. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 5 TzBfG sind hier erfüllt.

aa) Das zweckbefristete Arbeitsverhältnis der Parteien ist nach Zweckerreichung fortgesetzt worden.

(1) In der ersten Alternative der Doppelbefristung haben die Parteien als Zweck der befristeten Tätigkeit des Klägers die Vertretung der erkrankten Lehrkraft .. für die Dauer von dessen Erkrankung vereinbart. Dieser Zweck war mit dem Tod des Lehrers .. am 06.07.2008 erreicht. Die Erkrankung des Lehrers .. endete mit dem Tod. Eine Vertretungssituation bestand nicht länger. Eine Rückkehr des vertretenen Arbeitnehmers war ausgeschlossen. Aus dem bei Vertragsschluss befristet bestehenden Beschäftigungsbedarf ist mit dem Tod des vertretenen Arbeitnehmers ein unbefristeter Beschäftigungsbedarf geworden. Der Sachgrund der Vertretung endet mit dem Termin, zu dem der vertretende Arbeitnehmer endgültig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (vgl. BAG 05.06.2002 AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag).

(2) Das beklagte Land hat das Arbeitsverhältnis über den Termin der Zweckerreichung am 06.07.2008 hinaus fortgesetzt. Trotz des Todes der zu vertretenden Lehrkraft .. hat das beklagte Land den Kläger über den 06.07.2008 hinaus bis zum Termin der Klageerhebung im November 2008 und darüber hinaus bis zum 31.01.2009 auf der Grundlage des im Juni 2008 unterzeichneten Arbeitsvertrages unterrichten lassen.

bb) Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach der Zweckerreichung durch den Tod des Arbeitnehmers .. am 06.07.2008 erfolgte unstreitig mit Wissen und Wollen des beklagten Landes.

cc) Das beklagte Land hat der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 06.07.2008 hinaus weder unverzüglich widersprochen noch hat es die Zweckerreichung dem Kläger unverzüglich im Anschluss an den 06.07.2008 mitgeteilt.

dd) Rechtsfolge der Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale zu aa) bis cc) ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 15 Abs.5 TzBfG als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt.

c) Der im Schrifttum wohl überwiegenden Auffassung, § 15 Abs.5 TzBfG sei in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden nicht anzuwenden bzw. teleologisch zu reduzieren, vermag sich die Berufungskammer nicht anzuschließen.

aa) Diese Auffassung lässt sich davon leiten, dass bei einer Doppelbefristung der vorliegenden Art sowohl Zweckbefristung wie auch Kalenderbefristung aus Sicht des Vertragsschlusses zulässig und wirksam nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG vereinbart worden sind. Entscheidet sich der Arbeitgeber in einer solchen Situation bei vorzeitiger Zweckerreichung dafür, nicht nach § 15 Abs. 2 TzBfG zu verfahren und dem Arbeitnehmer gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG das Ende des Arbeitsverhältnisses anzuzeigen, sondern den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kalenderbefristung zu beschäftigen, so soll das nach dieser Auffassung unschädlich sein. Das Arbeitsverhältnis endet nach dieser Auffassung mit dem Erreichen des Kalendertermins, ein Dauerarbeitsverhältnis entsteht nicht (Dörner, aaO., Rn. 55). § 15 Abs. 5 TzBfG soll im Falle einer wirksam vereinbarten Doppelbefristung bei einer Weiterbeschäftigung über den zuerst realisierten Beendigungszeitpunkt hinaus bis zum Eintritt des zweiten Beendigungstatbestandes nicht anzuwenden sein (Arnold/Gräfl, TzBfG, 2. Aufl. 2007, § 3 TzBfG Rn. 20 [Gräfl] sowie § 15 TzBfG, Rn. 93 [Arnold]; wohl auch: Staudinger-Preis, Neubearbeitung 2002, § 620 BGB Rn. 32,33). Dieses Ergebnis wird z.T. mit einer teleologischen Reduktion des § 15 Abs. 5 TzBfG begründet (Meinel u.a., TzBfG, 3. Aufl. 2009, § 15 TzBfG, Rn. 69; KR-Bader, 9. Aufl. 2009, § 3 TzBfG Rn. 48, MK-Hesse, 5. Aufl. 2009, § 15 TzBfG Rn. 55). Daneben findet sich das Argument, sobald die erste Befristungsbegrenzung (Sachgrund mit Zweckbefristung) greife, liege in der zweiten Befristungsbegrenzung (eigenständiger Sachgrund mit Zeitbefristung) der nach § 15 Abs. 5 TzBfG erforderliche Widerspruch, welcher einen Übergang in eine unbefristetes Arbeitsverhältnis verhindere (KR-Lipke, 9. Aufl. 2009, § 21 BEEG Rn. 17 e; Sievers, TzBfG, 2. Aufl. 2007, § 3 TzBfG Rn. 19).

bb) Dieser Auffassung wird entgegengehalten, sie sei nicht mit §§ § 15 Abs. 5, 22 Abs. 1 TzBfG in Einklang zu bringen. Von § 15 Abs. 5 TzBfG könne nach § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden. Die Rechtslage nach dem TzBfG unterscheide sich insoweit von der früheren Rechtslage unter Geltung des (abdingbaren) § 625 BGB. Durch die Vereinbarung der Doppelbefristung könne die Rechtsfolge des § 15 Abs. 5 TzBfG nicht abbedungen werden (APS-Backhaus, 3. Aufl. 2007, § 15 TzBfG Rn. 89 – 91 u. § 3 TzBfG Rn. 30; KR-Fischermeier, 9. Aufl. 2009, § 625 BGB Rn. 11 a ; ErfK-Müller-Glöge, 9. Aufl. 2009, § 3 TzBfG Rn. 13 u. § 15 TzBfG Rn. 31; Boecken-Joussen, TzBfG, 2007, § 3 TzBfG Rn. 29 – 32 [Joussen]).

cc) Wie bereits das Arbeitsgericht schließt sich auch die Berufungskammer der letztgenannten Auffassung an. Das Ergebnis der Unwirksamkeit der Kalenderbefristung zum 31.01.2009 ist geboten durch die zwingende Wirkung der §§ 15 Abs. 5, 22 Abs.1 TzBfG.

Einen Ansatzpunkt für eine teleologische Reduktion des § 15 Abs. 5 TzBfG sieht die Kammer nicht. Ein solches Ergebnis ist weder durch Sinn und Zweck des § 15 Abs.5 TzBfG noch durch den vorrangigen Zweck einer anderen Norm des Befristungsrechts angezeigt (zu dieser Voraussetzung einer teleologischen Reduktion: BAG 07.10.2004 – 2 AZR 81/04 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 56 unter II 4). Weder Sinn und Zweck des TzBfG noch ein anerkennenswertes praktisches Bedürfnis sprechen dafür, dem Arbeitgeber in Fällen wie dem vorliegenden eine Entscheidungsalternative zu eröffnen, das zunächst wirksam befristete Arbeitsverhältnis bei Zweckerreichung entweder zu beenden oder es nach Wegfall des rechtfertigenden Sachgrundes gleichwohl und nun ohne begleitenden Sachgrund bis zum Erreichen des Kalendertermins fortzuführen. Das TzBfG zielt darauf ab, Befristungen nur unter den Voraussetzungen des § 14 TzBfG zuzulassen. Außerhalb der Fallgestaltungen der sachgrundlos zulässigen Befristungen nach § 14 Abs. 2, Abs. 2 a, Abs.3 TzBfG erfordert dies das Vorliegen eines Sachgrundes. Dieser Grundentscheidung des TzBfG wird durch eine Anwendung des § 15 Abs.5 TzBfG ohne teleologische Reduktion in Fällen der vorliegenden Art zur Geltung verholfen. Eine befristete Fortführung ohne begleitenden Sachgrund ist unzulässig. Für eine Einschränkung der Rechtsfolge des § 15 Abs.5 TzBfG trotz Vorliegens seiner Tatbestandsvoraussetzungen sieht die Berufungskammer deshalb keine Veranlassung.

Der Annahme, durch die Vereinbarung der Doppelbefristung sei ein Widerspruch i. S. d. § 15 Abs. 5 letzter Halbsatz TzBfG gegeben (s.o.), steht entgegen, dass der Widerspruch nach § 15 Abs. 5 TzBfG nach allgemeiner Auffassung zwar bereits vor Erreichen des Endtermins des befristeten Arbeitsverhältnisses erklärt werden kann, nicht aber bereits zu Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses zugleich mit dem Vertragsschluss (vorsorglich) vereinbart werden kann. Dies wäre eine nach § 22 Abs.1 TzBfG unzulässige Abweichung von § 15 Abs.5 TzBfG (Dörner, aaO., Rn. 938; Sievers, TzBfG, 2.Aufl. 2007, § 15 TzBfG Rn. 50).

dd) Ob sich etwas anderes ergibt, wenn bei einer Doppelbefristung die Zweckbefristung und die Kalenderbefristung durch jeweils unterschiedliche Sachgründe gerechtfertigt werden, kann offen bleiben. Eine solche Fallgestaltung ist hier nicht gegeben. Zwar beruft sich das beklagte Land darauf, nach dem Tod des Lehrers .. habe zunächst ein weiterer befristeter Beschäftigungsbedarf für den Kläger bestanden, weil die nach den Regeln des Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmende endgültige Besetzung der Stelle Zeit beanspruche. Auch ist anerkannt, dass sich ein Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses daraus ergeben kann, dass ein nach Artikel 33 Abs. 2 GG durchzuführendes endgültiges Stellenbesetzungsverfahren Zeit in Anspruch nimmt und während dieses Zeitraumes ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf für einen befristet einzustellenden Arbeitnehmer bestehen kann (BAG 16.03.2005 AP TzBfG § 14 Nr. 16). Das beklagte Land hat hier jedoch nicht aufgezeigt, dass bei Vertragsschluss im Juni 2008 die hinreichend sichere Prognose begründet war, dass ein etwaig erforderlich werdendes endgültiges Stellenbesetzungsverfahrens für die Stelle des Lehrers .. einen Zeitraum bis zum 31.01.2009 in Anspruch nehmen würde. Wie bei allen Befristungsgründen des § 14 Abs. 1 TzBfG ist auch bei einer so begründeten Befristung zu fordern, dass im Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung aufgrund konkreter Tatsachen hinreichend fundiert damit zu rechnen ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur für eine vorübergehende Zeit beschäftigen kann. Das verlangt eine Prognose des Arbeitgebers zur Dauer des befristeten Beschäftigungsbedarfs. Für diese Prognose hat der Arbeitgeber, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, Tatsachen vorzutragen, die Grundlage seiner Prognoseentscheidung sind (BAG 16.03.2005 AP TzBfG § 14 Nr. 16; BAG 07.07.1999 AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 211). Nach dem unterbreiteten Sachverhalt können keine Tatsachen für eine fundierte Prognose festgestellt werden, dass aus Sicht des Juni 2008 für eine etwaig erforderliche Nachbesetzung der Stelle .. ein Zeitraum bis zum 31.01.2009 zu veranschlagen gewesen wäre.

4. Da es nach den vorstehenden Ausführungen bei der Unwirksamkeit der Befristung auf den 31.01.2009 verbleibt, war das beklagte Land antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung des Klägers für die Dauer des Befristungsrechtsstreits zu verurteilen (vgl. BAG 26.06.1996 AP BGB § 620 Bedingung Nr. 23; BAG 13.06.1985 AP BGB Beschäftigungspflicht Nr. 19).

5. Das mit seiner Berufung unterlegene beklagte Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

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