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Arbeitszeitbetrug – fristlose Kündigung gerechtfertigt

Landesarbeitsgericht Mainz 

Az.: 7 Sa 735/08

Urteil vom 18.03.2009

Vorinstanz: ArbG Mainz - AK Bad Kreuznach -, Az.: 7 Ca 995/08


1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 19.11.2008, Az.: 7 Ca 995/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlos, hilfsweise fristgerecht erklärten Arbeitgeberkündigung sowie einer außerordentlichen Eigenkündigung der Arbeitnehmerin und um deren Weiterbeschäftigung während des Rechtsstreits.

Die am 14.07.1956 geborene, verwitwete Klägerin war seit dem 08.08.1975 als Werkstattschreiberin bei der Beklagten, die mit in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmern ausschließlich der Auszubildenden in A-Stadt Bremssättel produziert, gegen Zahlung eines monatlichen Arbeitsentgeltes in Höhe von 2.652,00 € brutto beschäftigt. Zu ihren Arbeitsaufgaben gehörte es, als Zeitbeauftragte die mitarbeiterbezogene Zeitwirtschaft im SAP-System der Beklagten zu bearbeiten. Dabei hatte sie Zugriffsrechte auf Zeitkonten von insgesamt etwa 250 Mitarbeitern – darunter auch auf ihr eigenes Zeitkonto -, deren Zeitdaten bei fehlenden Stempelungen manuell nachgepflegt werden oder bei besonderem Anlass geändert oder ergänzt werden mussten.

Die Klägerin wurde an einem Computerterminal mit der Identitätsbezeichnung „RH 89“ im Schreibbüro des Montagebereiches der Beklagten eingesetzt. In dem selben Büro arbeitete Frau Z, die allerdings für die Zeitdaten eines anderen Personenkreises zuständig war. Seit dem 26.06.2008 arbeitete Frau Z nicht mehr. In anderen Büros des Montagebereichs arbeiteten in gleicher oder ähnlicher Schichtzeit wie die Klägerin die Produktlinienleiter, Herr Y und Herr X sowie die Gruppenmeister Frau W, Herr V, Herr U, Herr T und Herr S. Jede dieser Personen verfügt über ein eigenes Computerterminal mit dazugehöriger Kennung (TR …).

Auf den für die Arbeitszeitdokumentation eingesetzten Computerterminals gab es zwei Wege der Zeiterfassung: Zum einen erfolgte die Dokumentation von Beginn und Ende der Arbeitszeit automatisch nach dem Betätigen eines entsprechenden Knopfes – hierbei wurde aber die Identitätsbezeichnung des Computerterminals nicht gespeichert – oder zum anderen durch manuelle Eingabe von Beginn und Ende der Arbeitszeit, wobei in die Formularmaske auch die Identitätsbezeichnung der Computerterminals, auf dem die Zeitdaten verwaltet werden, manuell eingetragen werden konnte, aber nicht musste.

Um in das PC-Netzwerk zu gelangen, musste jeder Zeitbeauftragte den ihm zugewiesenen Benutzernamen – jener der Klägerin lautete „TRFE 33“ – und das hierzu gehörende persönliche Passwort eingeben. Das persönliche Passwort war geheim, es galt 90 Tage und musste danach vom Benutzer geändert werden. Der Zugang zum SAP-Zeiterfassungssystem erforderte sodann die erneute Eingabe eines Benutzernamens und eines weiteren hierzu gehörenden persönlichen Passwortes, das ebenfalls nach Ablauf von 90 Tagen vom Benutzer zu ändern war.

Im Falle der manuellen Korrektur von Zeitdaten nach Erteilung einer hierdurch unrichtig gewordenen Entgeltabrechnung, erhielten die betroffenen Arbeitnehmer zusammen mit der nachfolgenden, berichtigten Abrechnung einen dazugehörenden schriftlichen Zeitnachweis.

Da die Klägerin in der Vergangenheit Beginn und Ende ihrer eigenen Arbeitszeit auf automatischem Wege nicht zutreffend erfasst hatte, nahm Herr R (Benutzername: „TRCO 43“) spätestens am darauffolgenden Tag manuelle Korrekturen vor, so z. B. für Zeitereignisse vom 05.01.2007, 30.03.2007, 11.05.2007, 17.07.2007, 22.08.2007 und 28.03.2008 (vergleiche die Übersicht der manuell erfolgten nachträglichen Veränderungen der Zeitdaten der Klägerin im Zeitraum Januar 2007 bis Juli 2008; Bl. 78 f. d. A. und die Kopien einzelner Zeitereignisse, Bl. 167 ff. d. A.).

Des Weiteren erfolgten vom Januar 2007 bis Juli 2008 zahlreiche weitere manuelle Korrekturen der Zeitdaten der Klägerin und unter Einsatz von deren Benutzernamen (TRFE 33). Dabei lag der Zeitabstand zwischen berichtigtem Zeitereignis und dem Datum der Korrektur mit wenigen Ausnahmen im mehrwöchigen Bereich, teilweise sogar bei mehr als vier Monaten (vgl. die o. g. Übersicht; Bl. 78 f. d. A.). Am 24.07.2007 (verändert am 09.08.2007), 18.04.2008 (verändert am 16.07.2008), 23.05.2008 (verändert am 16.07.2008) und 05.06.2008 (verändert am 18.08.2008) hatte die Klägerin sogenannte „Gleitzeittage“; d. h. sie war an diesen Tagen nicht anwesend, es sollte ein Abbau von Zeitguthaben erreicht werden. Für diese Tage wurden nachträglich Beginn und Ende der Arbeitszeit manuell eingegeben (z. B. für den 05.06.2008: Kommt 06.09 Uhr; Geht 15.32 Uhr).

Am 05.08.2008 erhielt Herr Q, der Leiter der Entgeltabrechnung der Beklagten einen anonymen Hinweis, wonach die Klägerin bei eigenen Zeitdaten besonders häufig Änderungen vorgenommen habe. Die Beklagte überprüfte daraufhin die zurückliegenden manuellen Änderungen der Zeitdaten der Klägerin.

Nachdem die Klägerin, die seit dem 05.08.2008 arbeitsunfähig erkrankt gewesen war, am 18.08.2008 an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt war, kam es an diesem Tag unter Benutzung des Benutzernamens „TRFE 33“ zur rückwirkenden Veränderung des Gleitzeittages der Klägerin vom 05.06.2008. Des Weiteren wurde am 18.08.2008 das Arbeitszeitende vom 18.07.2008 von 14.45 Uhr auf 15.45 Uhr verschoben sowie der Arbeitsbeginn vom 28.07.2008 von 7.31 Uhr auf 6.31 Uhr vorverlegt.

Am 19.08.2008 wurde die Klägerin zu einem Anhörungsgespräch in das Personalbüro gerufen. An dem Gespräch waren neben der Klägerin der Personalleiter der Beklagten, Herr P, die Personalsachbearbeiter Frau O und Herr N, der Betriebsratsvorsitzende Herr M und das Betriebsratsmitglied Herr L beteiligt. Im Laufe des Gespräches hielt Herr P der Klägerin vor, dass Unregelmäßigkeiten in der Erfassung ihrer eigenen Arbeitszeiten aufgefallen seien und dass der dringende Verdacht bestehe, dass sie ihre Anwesenheitszeiten zu ihren Gunsten manipuliere. Nachdem sie aufgefordert wurde, hierzu Stellung zu nehmen, äußerte sie: „Ja, aber nur ein bisschen.“ und rechtfertigte ihr Verhalten mit dem Angewiesensein auf Mitfahrgelegenheiten. Nach dem Gespräch sowie nach einer Beratung mit den Betriebsratsmitgliedern unterzeichnete die Klägerin die schriftliche Eigenkündigungserklärung vom 19.08.2008, wodurch das Arbeitsverhältnis zum 30.08.2008 gekündigt wurde (vgl. Bl. 7 d. A.). Die Beklagte fertigte ein Gesprächsprotokoll (vgl. Bl. 80 d. A.), das von allen Gesprächsteilnehmern, außer von der Klägerin, unterzeichnet worden ist.

Mit ihrem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 19.08.2008 (vgl. Bl. 9 d. A.) „widerrief“ die Klägerin ihre Eigenkündigungserklärung und focht die Erklärung wegen Überrumpelung an. Des Weiteren hat sie am 19.08.2008 Klage beim Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – erhoben und u. a. die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis durch ihre Eigenkündigung nicht beendet worden sei.

Die Beklagte hat sodann mit Schreiben vom 22.08.2008 nebst Anlage (vgl. Bl. 81 ff. d. A.) den bei ihre errichteten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin angehört. Der Betriebsrat teilte hierzu mit Schreiben vom 22.08.2008 (vgl. Bl. 83 d. A.) mit, er habe über den Kündigungsantrag beraten und werde hierzu abschließend keine Stellungsnahme abgeben. Sodann kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22.08.2008 (Bl. 19 d. A.), das der Klägerin am gleichen Tag zugegangen ist, das Beschäftigungsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31.03.2009. Mit ihrer am 27.08.2008 erweiterten Klage hat die Klägerin auch die Rechtsunwirksamkeit dieser beiden Kündigungen gerichtlich geltend gemacht.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Zusammenfassung im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 19.11.2008 – (dort Seite 5 f. = Bl. 113 f. d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Klägerin vom 19.08.2008 beendet wurde,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22.08.2008 weder außerordentlich fristlos noch fristgerecht zum 31.03.2009 beendet wird,

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmt Zeit fortbesteht,

4. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder zu 2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Sachbearbeiterin weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – hat in seinem Urteil vom 19.11.2008 (vgl. Bl. 109 ff. d. A.) die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 22.08.2008 rechtswirksam beendet worden. Es handele sich um eine außerordentliche Verdachtskündigung, die gemäß § 626 BGB zu Recht ausgesprochen worden sei. Der dringende, gegen die Klägerin gerichtete Verdacht der Arbeitszeitmanipulation beruhe darauf, dass die nachträglichen Veränderungen der Zeitdaten der Klägerin überwiegend erheblich nach den betreffenden Tagen erfolgt seien. Wenn Anlass für eine nachträgliche Änderung der Arbeitszeitdokumentation der Klägerin tatsächlich – wie von ihr behauptet – ihre Angewiesenheit auf eine Mitfahrgelegenheit und das hieraus resultierende längere Verbleiben im Betrieb gewesen wäre, so wäre die Abänderung von ihr schon im eigenen Interesse gleich oder an einem der folgenden Tage zeitnah durchgeführt worden. Soweit die Klägerin darauf hinweise, das auch Dritte diese Änderungen hätten vornehmen können, sei nicht ersichtlich, wer ein Interesse daran hätte haben können, ihr Zeitkonto entsprechend auszuweiten.

Des Weiteren sei die Klägerin vor Ausspruch der Verdachtskündigung zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen angehört worden. Bei der Interessenabwägung sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte, trotz der beträchtlichen Betriebszugehörigkeit der Klägerin, jedes Vertrauen in deren Integrität verloren haben musste und aufgrund dessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar gewesen sei.

Die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB sei von der Beklagten gewahrt worden. Sie habe erst am 05.08.2008 den anonymen Hinweis auf ein etwaiges Fehlverhalten der Klägerin erhalten und diese erst nach Wiedergenesung und Rückkehr an den Arbeitsplatz am 19.08.2008 erstmals zu dem Manipulationsverdacht anhören können. Die außerordentliche Kündigung vom 22.08.2008 sei mithin fristwahrend erfolgt.

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Die fristlose Kündigung vom 22.08.2008 sei auch nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG rechtsunwirksam, da der bei der Beklagten errichtete Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß unterrichtet worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 6 ff. des Urteils vom 19.11.2008 (= Bl. 114 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 03.12.2008 zugestellt worden ist, hat am 13.12.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 02.02.2009 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Klägerin macht geltend, es liege kein hinreichender Tatverdacht gegen sie vor, der einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB begründen könne. Insbesondere sei nicht beachtet worden, dass für den 05.01.2007, 29.03.2007, 10.05.2007, 16.07.2007, 21.08.2008 und 27.03.2008 Herr R, ein Mitarbeiter der Beklagten, in der Zeiterfassung Änderungen vorgenommen habe, da tatsächlich Anfangs- oder Endzeiten sich anders verhalten hätten als durch das Zeiterfassungssystem aufgenommen worden sei. Solche Situationen seien eingetreten, wenn die Klägerin morgens bereits Mitarbeiter bedient habe, bevor sie sich in ihr System eingeloggt habe und abends sich bereits aus dem System ausgeloggt habe, dann aber noch Arbeit angefallen sei. Ebenso habe es Änderungen durch die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau K, für den Zeitraum April 2008 gegeben. Diese Vorgänge würden zeigen, dass die benannten Personen unter Nutzung des Benutzernamens der Klägerin sich in das System eingeloggt und die entsprechenden Änderungen vorgenommen hätten.

Ebenso sei Anlass für nachträgliche Änderungen der Arbeitszeiterfassung der Klägerin gewesen, dass ihr Arbeitskollege, Herr J, des Öfteren länger gearbeitet habe und daraufhin auch die Klägerin weiter gearbeitet habe, um das entsprechende Mitfahrangebot wahrnehmen zu können, aber in dem Zeiterfassungssystem bereits ausgeloggt gewesen sei und sich nicht mehr neu eingeloggt habe.

Zudem habe die Klägerin dafür Beweis angeboten, dass auch von außen, also ohne direkten Zugriff auf den Rechner der Klägerin in das System habe eingegriffen und der Eindruck habe erweckt werden können, die Klägerin habe von ihrem Computerterminal aus unter Nutzung ihres Benutzernamens die eigenen Zeitereignisse abgeändert. Die Möglichkeit des Eingriffs von außenstehenden Dritten hätte durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vom Arbeitsgericht festgestellt werden müssen.

Auf den Computerterminal der Klägerin habe auch extern direkt vom Server aus zugegriffen werden können, ohne dass jemand unmittelbar an dem Computerterminal „RH 89“ körperlich anwesend gewesen sei. Dies zeige allein schon der Umstand, dass Herr R unter Anwendung seines Benutzernamens „TRCO 43“ auf dem Computerterminal der Klägerin „RH 89“ gearbeitet habe.

Des Weiteren habe die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Nach Zugang des anonymen Hinweises an die Beklagte hätte diese während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit die Klägerin ansprechen und über die Verdachtsmomente in Kenntnis setzen müssen. Dann hätte die entsprechende Anhörung der Klägerin auch bereits vor dem 22.08.2008 erfolgen können. Mithin sei die Kündigungserklärungsfrist nicht gewahrt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 31.01.2009 (Bl. 142 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.11.2008, zugestellt am 03.12.2008,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Klägerin vom 19.08.2008 beendet wurde,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22.08.2008 weder außerordentlich fristlos noch fristgerecht zum 31.03.2008 beendet wird,

3. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder zu 2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Sachbearbeiterin weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus, es sei unstreitig, dass der Mitarbeiter der Zeitwirtschaft, Herr R (Benutzername: „TRCO 43“) manuelle Änderungen bei den Zeitereignissen der Klägerin am 05.01.2007, 30.03.2007, 11.05.2007, 17.07.2007, 22.08.2007 und 28.03.2008 vorgenommen habe. Hierbei handele es sich aber um jene Änderungen, in denen die Klägerin nach ihren eigenen Angaben eine vergessene oder im nachhinein unzutreffende automatische Eingabe im unmittelbaren Anschluss daran spätestens am Tag darauf von der Zeitwirtschaft habe korrigieren lassen. Für alle anderen Änderungen der Zeitereignisse treffe dies aber nicht zur. Weder Herr R noch Frau K hätten den Benutzernamen der Klägerin benutzt, um Änderungen in deren Zeitdokumentation vorzunehmen; etwaige Änderungen seien immer unter eigenen Benutzernamen durchgeführt worden. Frau K habe weder für den April 2008 noch für die Zeit danach irgendwelche Änderungen in den Zeitereignissen der Klägerin vorgenommen.

Vom Arbeitsgericht sei auch zu Recht kein Sachverständigengutachten zu der unzutreffenden Behauptung der Klägerin eingeholt worden, irgendwelche Dritte hätte von außen in das System eingreifen und die Zeitdaten verändern können. Die Klägerin versuche durch eine Schutzbehauptung die Schuld auf einen „unbekannten Dritten“ zu schieben, wobei dies aber auch im Widerspruch zu ihrer während der Aufklärungsgespräches vom 19.08.2008 abgegebenen spontanen Eingeständniserklärung stehe. Von den in gleicher oder ähnlicher Schichtzeit wie die Klägerin im Montagebereich eingesetzten Mitarbeitern, die über ein eigenes Computerterminal verfügt hätten, habe lediglich Herr T eine Zulassung zur SAP-Zeitpflege und damit über die nötige Qualifikation für etwaige Manipulationen verfügt. Aber weder er noch Frau Z hätten zu irgendeiner Zeit manipulierend in die Zeitwirtschaft der Klägerin eingegriffen.

Selbst wenn ein ominöser Dritter die nachträglichen Änderungen im Zeitgeschehen der Klägerin vorgenommen hätte, hätte die Klägerin dies allein schon anhand der zahlreichen zusätzlichen Zeitnachweise, welche sie erhalten habe, bemerken müssen. Diese Änderungen seien aber auch, unabhängig von der Mitteilung der Zeitnachweise, im eigenen Zeitguthaben der Klägerin für diese ersichtlich gewesen.

Die Kündigungserklärungsfrist sei gewahrt, da nach Rückkehr der Klägerin aus der Arbeitsunfähigkeit diese erstmals am 18.08.2008 einer gezielten Beobachtung durch ihre Vorgesetzten habe unterzogen werden können.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 02.03.2009 (Bl. 155 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – hat die Klage zu Recht insgesamt als unbegründet abgewiesen, da das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 22.08.2008 rechtswirksam zum 22.08.2008 beendet worden ist (A.) und daher auch die weiteren Klageanträge keinen Erfolg mehr haben konnten (B.)

A.

Die fristlose Kündigung vom 22.08.2008 ist rechtswirksam, zumal ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorliegt (I.), die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB gewahrt wurde (II.) und der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung entsprechend § 102 BetrVG angehört worden ist (III.).

I.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich in zwei Stufen: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. DLW/Dörner, 7. Auflage, D Rz. 602).

1.

Ein Sachverhalt, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, kann sich nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. Urteil vom 04.06.1964 – 2 AZR 310/63 = BAGE 16, 72; Urteil vom 06.11.2003 – 2 AZR 631/2002 = AP Nr. 39 zu § 626 BGB), der sich die Berufungskammer anschließt, auch aus dem Verdacht einer Straftat oder eines sonstigen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers ergeben. Allerdings kann in diesem Zusammenhang von einem an sich geeigneten wichtigen Grund nur ausgegangen werden, wenn

-  die Kündigung gerade auf den Verdacht der strafbaren Handlung bzw.   eines vertragswidrigen Verhaltens gestützt wird;

-  eine Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung erfolgt ist;

-  zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein dringender Tatverdacht gegen den Arbeitnehmer besteht (vgl. DLW/Dörner, 7. Auflage D Randziffer 807).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Die Beklagte stützt die außerordentliche Kündigung vom 22.08.2008 ausdrücklich auf den Verdacht eines von der Klägerin begangenen Arbeitszeitbetruges. Denn sie hat diesen Verdacht sowohl gegenüber dem Betriebsrat bei dessen Anhörung u. a. als Kündigungsgrund angegeben (vgl. Anhörungsschreiben vom 22.08.2008; Bl. 81 d. A.) und die Kündigung auch während des Rechtsstreits nicht nur mit einer vollendeten Tat, sondern hilfsweise auch mit einem entsprechenden Tatverdacht begründet.

b) Des Weiteren hat die Beklagte alle zur Aufklärung des Sachverhaltes zumutbaren Anstrengungen unternommen. Sie hat nämlich ermittelt, unter welchen Benutzernamen während der Zeit vom Januar 2007 bis Juli 2008 die Arbeitszeitereignisse der Klägerin rückwirkend manuell verändert wurden. Des Weiteren hat sie am 19.08.2008 ein Gespräch mit der Klägerin geführt und diese mit dem Verdacht konfrontiert, dass sie ihre Anwesenheitszeiten zu ihren Gunsten manipuliere. Dabei wurden der Klägerin die Dokumentation der konkreten Eingriffe und Manipulationen in das System aufgezeigt. Danach erhielt die Klägerin Zeit, sich mit dem Betriebsratsvorsitzenden und einem weiteren Betriebsratsmitglied, die beide an dem Gespräch teilgenommen hatten, zu beraten und sich anschließend zu äußern.

c) Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bestand gegenüber der Klägerin der dringende Verdacht, dass diese zu Lasten der Beklagten einen Arbeitszeitbetrug begangen hatte. Dieser dringende Verdacht beruht auf folgenden Tatsachen:

aa) Die Ermittlungen der Beklagten haben unstreitig ergeben, dass unter dem Benutzernamen der Klägerin („TRFE 39“) deren Arbeitszeitdokumentation während des Zeitraums vom Januar 2007 bis Juli 2008 in 82 Fällen rückwirkend zu ihren Gunsten durch manuelle Eingaben in das Zeiterfassungssystem verändert wurden (vgl. zu den Einzelheiten die Übersicht der manuell erfolgten nachträglichen Veränderungen; Bl. 78 f. A.). Dabei wurden nicht nur Arbeitsbeginn und -ende an Anwesenheitstagen der Klägerin verändert; vielmehr wurde an vier Arbeitstagen (an den sogenannten Gleitzeittagen vom 24.07.2007, 18.04.2008, 23.05.2008 und 05.06.2008) durch Eintragen von Arbeitsbeginn und -ende eine Anwesenheit und damit nicht existente Arbeitszeiten der Klägerin vorgetäuscht.

bb) Der dringende Verdacht, dass diese manuellen Änderungen durch die Klägerin in Täuschungsabsicht erfolgt sind, wird durch folgende Umstände ausgelöst:

aaa) Um die manuellen Änderungen durchführen zu können, war die Eingabe von zwei Benutzernamen sowie von zwei geheimen, persönlichen Benutzer-Passwörtern in das EDV-System der Beklagten erforderlich, wobei die Passwörter alle 90 Tage vom Benutzer zu ändern waren. Bei dem Eingabevorgang mussten Benutzername und Passwort in ihrer Kombination zutreffend angegeben werden; ansonsten war der Zugang zu dem Zeiterfassungssystem nicht eröffnet. Die persönlichen Benutzer-Passwörter waren der Klägerin bekannt, sodass – bei regelgerechtem Verhalten – nur sie Veränderungen in der Zeiterfassung unter ihrem Benutzernamen „TRFE 39“ durchführen konnte.

Nachdem ihr dies während der mündlichen Berufungsverhandlung der erkennenden Kammer vorgehalten worden war, gab sie an, die Passwörter auf Zettel aufgeschrieben und diese unter einer Schreibunterlage auf ihrem Tisch am Arbeitsplatz aufbewahrt zu haben. Hierdurch wollte sie deutlich machen, dass weitere Personen Kenntnis von ihren Passwörtern haben konnten.

Diese spontan und erstmals während der Berufungsverhandlung vorgebrachte Rechtfertigung vermag die Klägerin aus mehreren Gründen aber nicht zu entlasten. Zum einen ist diese Rechtfertigung von der insoweit darlegungsbelasteten Klägerin nicht hinreichend substantiiert erfolgt. Es bleibt nämlich unklar, welche konkreten Passwörter während welcher Zeiträume von der Klägerin auf die von ihr beschriebene, pflichtwidrige Weise aufbewahrt wurden. Des Weiteren ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, wer sonst – ohne dass dies für die Klägerin als für ihr eigenes Zeitguthaben zuständige Zeiterfassungsbearbeiterin hätte unbemerkt bleiben können – deren Zeitdaten während der Zeit vom Januar 2007 bis Juli 2008 unter Einsatz des Benutzernamens der Klägerin und deren persönlicher Passwörter verändert haben soll. Dies gilt umso mehr, als nur wenige Mitarbeiter der Beklagten über das Fachwissen verfügen, um Änderungen in der SAP-Zeiterfassungssoftware durchführen zu können. Zudem hat die Klägerin auch bezogen auf die insgesamt 88 unter ihrem Benutzernamen durchgeführten Veränderungen, nicht dargelegt, wer überhaupt die Möglichkeit gehabt haben könnte, Zugang zu den von ihr pflichtwidrig aufbewahrten Passwörtern zu haben.

bbb) Die streitgegenständliche Änderung der Zeiterfassungsdaten erfolgte rückwirkend mit einem Zeitabstand von fast durchgehend mehreren Wochen, teilweise sogar von vier Monaten. Wäre den Änderungen tatsächlich – wie dies von der Klägerin behauptetet wird – ein unrichtig dokumentierter Arbeitsbeginn oder ein unrichtig dokumentiertes Arbeitszeitende zugrunde gelegen, wäre normalerweise die Korrektur spätestens ein oder zwei Arbeitstage danach erfolgt, auf keinen Fall aber erst nach mehreren Wochen. Dieser zeitliche Abstand deutet vielmehr auf eine manipulative, nicht mehr am tatsächlichen Zeitgeschehen orientierte Vorgehensweise hin, wobei allein die Klägerin ein Interesse an diesen lange rückwirkenden Veränderungen hatte.

Erst Recht gilt dies für die vier sogenannten „Gleitzeittage“, an denen die Klägerin unstreitig nicht gearbeitet hat, aber des Weiteren unstreitig später manuell und rückwirkend Arbeitszeiten eingegeben wurden. Dieser Vorgang kann von vorneherein nicht mit einem ursprünglich fehlerhaft eingetragenen Arbeitsbeginn oder -ende gerechtfertigt werden, da es weder das eine noch das andere an jenen Tagen tatsächlich gegeben hat.

ccc) Ein weiteres gegen die Klägerin gerichtetes Verdachtsmoment resultiert daraus, dass sie während des Gesprächs vom 19.08.2008, nachdem ihr der Verdacht der Arbeitszeitmanipulation vorgehalten worden war, antwortete: „Ja, aber nur ein bisschen.“ Diese erste, spontane Antwort auf den Betrugsvorwurf ist ein deutlicher Hinweis auf eine Täterschaft der Klägerin.

Soweit sie hierzu ausführte, diese Antwort sei so zu verstehen, dass sie ihre Arbeitszeitdokumentation aus begründetem Anlass – früherer Arbeitsbeginn Weiterarbeiten nach Eingabe des Arbeitsendes wegen Wartens auf einen Arbeitskollegen – ein bisschen verändert habe, ist dies mit dem vorausgegangenen Vorhalt eines manipulativen Vorgehens nicht zu vereinbaren. Dass die Klägerin diesen Vorhalt, mangels deutsche Sprachkenntnisse, wie von ihr während der Berufungsverhandlung angedeutet, nicht verstanden haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Klägerin arbeitete seit über 30 Jahren in Deutschland und verfügt allein schon von daher über die notwendigen Sprachkenntnisse, um einen Manipulationsvorwurf zu verstehen. Denselben Eindruck gewann die erkennende Kammer auch während der Kommunikation mit der Klägerin anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung.

ddd) Hätte eine andere Person als die Klägerin ihre Arbeitszeitdaten verändert, so hätte dies der Klägerin als Verwalterin der eigenen Daten auffallen müssen. Denn allein die nachträgliche viermalige Veränderung von gänzlich arbeitsfreien „Gleitzeittagen“ in Arbeitstage, führte zu einem Anwachsen des Zeitguthabens, das auffiel. Dies gilt erst Recht, wenn eine Zeitsachbearbeiterin mit der Verwaltung dieser Vorgänge befasst ist.

Ob die Klägerin, wie von ihr behauptet, keinen der nachträglich bei monatsübergreifend rückwirkenden Zeiterfassungsveränderungen üblichen Zeiterfassungsbelege von der Beklagten erhalten hat, kann daher dahinstehen.

eee) Soweit die Klägerin die rückwirkende Änderung der Arbeitszeitdokumentation zu rechtfertigen versucht oder darzulegen versucht, die pflichtwidrigen Eingaben in das Zeiterfassungssystem seien von einem Dritten erfolgt, vermögen diese Ausführungen nebst entsprechenden Beweisangeboten den dringenden Tatverdacht nicht zu beseitigen.

Wenn die Klägerin zunächst einmal behauptet, der weitere Mitarbeiter der Zeitwirtschaft bei der Beklagten Herr R, habe Änderungen in der Zeiterfassung der Klägerin vorgenommen, so ist dies letztlich unstreitig. Denn Herr R hat unter Verwendung seines eigenen Benutzernamens („TRCO 43“) z. B. am 05.01.2007, 30.03.2007, 11.05.2007, 17.07.2007, 22.08.2007 und 28.03.2008 Arbeitszeitdaten der Klägerin einen oder spätestens zwei Tage nach der unrichtigen Zeiterfassung geändert. Hieraus kann aber keineswegs geschlossen werden, dass Herr R auch unter Verwendung des Benutzernamens der Klägerin deren Zeitdaten nachträglich manuell verändert hat. Dies war allein schon deshalb grundsätzlich ausgeschlossen, weil Herrn R normalerweise die beiden persönlichen Passwörter der Klägerin nicht bekannt sein konnten. Soweit die Klägerin pauschal während der Berufungsverhandlung geltend gemacht hat, diese hätten sich unter einer Schreibunterlage auf ihrem Tisch befunden, ist nicht nachvollziehbar, inwiefern während der von der Beklagten konkret angegebenen 88 Änderungszeitpunkten Herr R Zugang zu diesen Passwörtern gehabt haben soll. Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen. Entsprechendes gilt für die weitere Mitarbeiterin der Zeitwirtschaft der Beklagten Frau K, hinsichtlich deren die Klägerin behauptet, diese habe im April 2008 Zeitdaten der Klägerin verändert. Auch hier hat die Klägerin keinerlei konkrete Angaben gemacht, um welche Zeitdaten es sich konkret handelt und inwiefern Frau K an dem jeweiligen Tag Zugang zu den beiden Passwörtern der Klägerin haben konnte.

Soweit bei den nachträglichen manuellen Veränderungen durch Herrn R neben dessen Benutzernamen „TRCO 43“ auch die Nutzung des Computerterminals „RH 89“, normalerweise der Arbeitsplatz der Klägerin, dokumentiert ist, beruht dies darauf, dass bei nachträglichen manuellen Änderungen die Bezeichnung des Computerterminals, auf dem die zu ändernden Zeitdaten verwaltet werden, angegeben werden kann oder auch nicht. Mithin ist die Tatsache, dass Herr R mit seinem eigenen Benutzernamen Änderungen unter Hinweis auf den Computerterminal der Klägerin durchgeführt hat, kein Anzeichen dafür, dass er in pflichtwidriger Weise die Zeitdaten der Klägerin verändert haben könnte.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Arbeitsgericht Mainz zu Recht kein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob auch von außen, also ohne direkten Zugriff auf den Rechner der Klägerin, in das Zeiterfassungssystem der Beklagten eingegriffen und Zeitdaten verändert werden konnten. Denn selbst wenn diese theoretische Möglichkeit bestünde, würde dies die Klägerin nicht entscheidend entlasten. Es wäre nicht erklärbar, aus welchem Grund ein Dritter von außen zu Gunsten der Klägerin, also in deren alleinigem Interesse, Anlass hatte, deren Zeitdaten zu verändern. Ein dahingehendes Interesse ist ausschließlich bei der Klägerin feststellbar. Es ist daher, selbst wenn die theoretische Möglichkeit eines Eingriffs eines Dritten von außen bestand, in hohem Maße unwahrscheinlich, dass ein Dritter diese Manipulationen tatsächlich durchgeführt hat.

2.

Im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse der Klägerin an dessen Fortsetzung zumindest bis zum Ablauf der siebenmonatigen Kündigungsfrist. Zu Gunsten des Fortsetzungsinteresses der Klägerin war zu berücksichtigen, dass diese als 52jährige Frau es nach Verlust des Arbeitsplatzes schwer haben wird, wieder Arbeit zu finden. Des Weiteren war zu beachten, dass sie bereits seit dem 08.08.1975 mithin über 30 Jahre bei der Beklagten beschäftigt ist und es bis auf den streitgegenständlichen Kündigungsgrund nicht zu Beanstandungen der Beklagten kam. Demgegenüber war das Beendigungsinteresse der Beklagten durch folgendes gekennzeichnet: Es bestand der dringende Verdacht der Arbeitszeitmanipulation in 88 Fällen während der letzten zwei Jahre. Dabei wurden nicht nur Arbeitsbeginn und Arbeitsende durch manuelle Eingabe rückwirkend in dem Zeiterfassungssystem verschoben, sondern es kam auch dazu, dass für vier Tage, während deren die Klägerin überhaupt nicht gearbeitet hatte, nachträglich Arbeitszeiten eingetragen wurden. Entscheidend dafür, dass der Beklagten eine weitere Zusammenarbeit, und sei es auch nur für die Dauer der siebenmonatigen Kündigungsfrist, nicht mehr zugemutet werden kann, ist aber, dass deren Vertrauen in die Integrität der Klägerin zerstört ist. Von diesem Vertrauen war das Arbeitsverhältnis in besonderem Maße abhängig, da die Klägerin als Zeitsachbearbeiterin eingesetzt war und diese Aufgabe nur im Falle eines genauen und korrekten Arbeitsverhaltens erledigt werden kann. Unabhängig hiervon wurde aber durch die aufgetretenen Unregelmäßigkeiten das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien generell so gestört, dass die Klägerin auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden konnte. Dies war der Beklagten, angesichts der hohen Anzahl von Arbeitszeitmanipulationen während eines relativ kurzen Zeitraumes nicht zumutbar.

II.

Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist aus § 622 Abs. 2 BGB eingehalten. Sie war nicht verpflichtet, nach dem Hinweis vom 05.08.2008 während der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, (05.08. bis 15.08.2008) diese zu Hause aufzusuchen und ein Aufklärungsgespräch zu führen. Der Beklagten war die Krankheitsursache, welche zu der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin führte, nicht bekannt, sodass sie auch nicht einschätzen konnte, inwiefern die Klägerin in der Lage war, an dem notwendigen Aufklärungsgespräch teilzunehmen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass dieses Gespräch erst nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin von der Personalabteilung der Beklagten unter Hinzuziehung von Betriebsratsmitgliedern geführt worden ist. Da dieses Gespräch am 19.08.2008, nachdem am 18.08.2008 weitere Manipulationen durchgeführt worden waren, frühstmöglich erfolgen konnte, lag für die Beklagte auch erst zu diesem Zeitpunkt die notwendige Kenntnis von dem wichtigen Kündigungsgrund vor. Die am 22.08.2008 der Klägerin zugegangene außerordentliche Kündigung erfolgte mithin innerhalb der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist.

III.

Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam, da die Anhörung des Betriebsrates vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß erfolgt ist. Soweit die Klägerin insoweit rechtliche Rügen erhoben hat, ist auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes in seinen Entscheidungsgründen unter Ziffer 1. (= Bl. 115 f. d. A.) zu verweisen. Hieraus ergibt sich, dass vor Ausspruch der Kündigung die Anhörung gesetzesgemäß erfolgte. Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin insoweit keine neuen Einwände vorgetragen.

B.

Soweit die Klägerin mit der Berufung die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis auch durch ihre außerordentliche Eigenkündigung vom 19.08.2008 zum 30.08.2008 und durch die Kündigung der Beklagten vom 22.08.2008 zum 31.03.2008 nicht beendet worden sei und des Weiteren ein Weiterbeschäftigungsanspruch gegeben sei, bleibt das Rechtsmittel erfolglos. Diese Anträge sind unbegründet, da zum einen durch die fristlose Kündigung der Beklagten das Beschäftigungsverhältnis zum 22.08.2008 beendet worden, sodass kein Anlass mehr für eine rechtliche Überprüfung der anderen Beendigungstatbestände, die ausschließlich zeitlich nachfolgend zu einer Beendigung hätten geführt haben können, mehr bestand. Zum anderen kann auch der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin für die Dauer des Rechtsstreits keinen Erfolg haben, zumal – wie ausgeführt – festzustellen war, dass das Arbeitsverhältnis zum 22.08.2008 beendet ist.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

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