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Arbeitszeitmanipulation – verhaltensbedingte Kündigung


Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Az: 4 Sa 43/14

Urteil vom 16.07.2014


Tenor

1. Die Berufung der Beklagten sowie der Auflösungsantrag werden auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer verhaltensbedingten fristgemäßen Kündigung. Dem liegt ausweislich des klagestattgebenden Urteils des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 27.01.2014 – 4 Ca 643/13 – folgender Sachverhalt zugrunde:

Der am … 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Monteur im Eigenbetrieb Abwasserbeseitigung tätig. Seit dem 23.09.1991 stand der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zu der N. W. AG. Dieses ist zum 01.01.1994 von der Stadtwerke P. GmbH übernommen worden und am 01.01.2011 auf die Beklagte übergegangen. Es findet der TVöD im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Anwendung. Das Bruttoeinkommen beträgt etwa 3.000,00 EUR.

Am Wochenende 16.03/17.03.2013 hatte der Kläger Bereitschaftsdienst. Während des Bereitschaftsdienstes sind vier Stunden Arbeit in dem Klärwerk zu verrichten. Daneben gab es die Festlegung, dass an jedem Tag dreimal Kontrollen bei dem defekten Schmutzwasserpumpwerk im G. Weg durchgeführt werden. Die konkreten Zeiten dafür waren nicht festgelegt.

Es war übliche Praxis, die täglichen Arbeitszeiten einschließlich des Bereitschaftsdienstes vom Arbeitnehmer in einem von ihm geführten Buch einzutragen. Die erfassten Zeiten pflegt der Meister Herr L. in das Computerprogramm zur Erfassung der Arbeitszeit ein. Durch den Meister erfolgt zuvor die Abzeichnung der handschriftlichen Aufzeichnungen. Wöchentlich wird ein Computerausdruck erstellt und vom Meister und vom Arbeitnehmer unterzeichnet. Hierbei handelt es sich um die betriebsübliche Arbeitszeit- und Überstundenerfassung im Tätigkeitsbereich. Zur Abrechnung der Zuschläge wird der Personalabteilung einmal monatlich ein Ausdruck der Arbeitszeiterfassung übermittelt.

Der Kläger trug in sein Aufzeichnungsbuch für den 16.03. 7:00 – 11:00 Uhr Anlagendienst und Kontrolle PW, mit einem Kreuz bei Bereitschaft und 5,0 bei Überstunden ein. Dabei ist erkennbar, dass die 5 eine überschriebene Zahl ist. Die Abkürzung PW steht für Pumpwerk. Das Aufzeichnungsbuch wurde als Anlage B2 zunächst in Auszügen in das Verfahren eingeführt und in der Kammerverhandlung am 27.01.2014 vorgelegt. Es war Gegenstand der Einsichtnahme und Erörterung der Kammer mit den Parteien.

Am 16.03.2013 um 19:35 Uhr wurden der Kläger und das von ihm gefahrene Betriebsfahrzeug auf dem Parkplatz der L.-Filiale in der L. Straße in P. durch Herrn S. gesehen. Dieser informierte darüber seinen Schwager Herrn L., den Vorgesetzten des Klägers. Am darauf folgenden Montag sprach Herr L. den Kläger an, ob er am Samstag mit dem Dienstfahrzeug und in Dienstkleidung bei L. gewesen sei. Der Kläger bestätigte seinen Aufenthalt auf dem Parkplatz. Etwa zwei Tage später fertigte der Kläger nach Aufforderung eine Aufstellung seiner Arbeitszeit am Bereitschaftswochenende 15.03. bis 18.03.2013, daraus wurde die Anlage B1 hergestellt und in das Verfahren eingeführt (Blatt 66 der Akten).

Über den Sachverhalt wurde die Personalleiterin Frau V. durch Herrn L. informiert; es erfolgte am 26.03.2013 die Anhörung des Klägers (Blatt 87 der Akten). Mit Schreiben vom 26.03.2013 wurde der Personalrate zu einer beabsichtigten fristlosen hilfsweise fristgemäßen Kündigung zum 31.10.2013 informiert und die Zustimmung beantragt Blatt 83 – 85 der Akten). Die Personalratsvorsitzende teilte dem Bürgermeister der Beklagten mit Schreiben vom 03.04.2013 mit, der Personalrat habe in seiner Sitzung am 03.04.2013 beraten und stimmt der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine fristlose und auch durch fristgemäße Kündigung nicht zu (Blatt 88, 89 der Akten).

Danach ist eine Einigungsstelle gebildet worden. Der Personalrat hat den Kläger am 08.04.2013 zur Erarbeitung seiner Stellungnahme an den Vorsitzenden der Einigungsstelle angehört (Blatt 68, 69 der Akten). Mit Beschluss vom 08.05.2013 ersetzte die Einigungsstelle die vom Personalrat verweigerte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers, im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 17.05.2013 ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.12.2013. Die Kündigung erhielt der Kläger am 24.05.2013.

Am 13.06.2013 ging die Klage beim Arbeitsgericht ein.

Zur Begründung trägt der Kläger vor, es fehle an einem Grund für die ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung. Am 16.03.2013 habe er die Kontrollen des Pumpwerkes, die etwa 15 Minuten in Anspruch nehmen, noch vor und unmittelbar nach Durchführung des Anlagendienstes vorgenommen. Hierfür habe er keine zusätzlichen Zeiten in dem Aufzeichnungsbuch vermerkt und zunächst lediglich die vier Stunden für die Durchführung des Anlagendienstes eingetragen. Am Abend gegen 18:30 Uhr hätte er sich von seinem Wohnort aus zum Pumpwerk begeben und die dritte Kontrolle an diesem Tag durchgeführt. Er habe wie üblich die elektronische Warnlampe eingeschaltet, der Anwohner Herr S. hätte ihn gesehen und sich erkundigt, ob mit dem Pumpwerk alles in Ordnung sei. Nach der Kontrolle wäre er gegen 19:30 Uhr zum Parkplatz der L.-Filiale gefahren. Entsprechend der Verabredung mit seiner Lebenspartnerin seien auf dem Parkplatz Gegenstände in sein Auto geladen worden. Aus hygienischen Gründen habe er in Arbeitskleidung den L.-Markt nicht betreten. Vor der Fahrt nach Hause hätte er überobligatorisch noch eine Kontrolle am Klärwerk durchgeführt.

In der Nacht zum 17.03.2013 habe es eine Alarmstörung im Klärwerk gegeben und er wäre nochmals hingefahren. Hierfür habe er in seinen Aufzeichnungen die Zeit von 0:30 Uhr bis 2:00 Uhr vermerkt und dabei festgestellt, dass er am 16.03. die Zeit von 18:30 Uhr bis 19:30 Uhr nicht eingetragen hätte und danach die Überstunden von 4,0 auf 5,0 überschrieben.

Soweit die Beklagte auf den mit der Anlage B1 abgereichten Arbeitszeitbogen verweise, handle es sich nicht um eine Zeiterfassung zum Zwecke der Abrechnung. Die Zeit werde tatsächlich in dem Buch von ihm vermerkt und durch den Meister L. nach Bestätigung mit Unterschrift in die Arbeitszeiterfassung des Arbeitgebers übertragen.

Nach dem Bereitschaftswochenende und nach Aufforderung durch Herrn L. hätte er aus dem Gedächtnis heraus die Arbeitszeiten notiert, Ergebnis dessen wäre die Anlage B1 geworden. Zuvor hätte er den Meister darauf hingewiesen, dass sein Aufzeichnungsbuch aus seinem Schrank entfernt worden sei. Dieser habe ihm bestätigt, im Besitz dessen zu sein und ihn gleichwohl gebeten, die Arbeitszeiten aus dem Kopf zu notieren. Hinsichtlich der Zeiten für den Anlagendienst wäre es zu einer Abweichung von 7:00 bis 11:00 Uhr auf 8:00 bis 12:00 Uhr gekommen, die Anzahl der geleisteten Stunden sei jedoch korrekt und ein Arbeitszeitbetrug bestehe nicht. In den Anhörungen hätte er darauf hingewiesen, in seiner Aufregung habe er sich möglicherweise nicht erschöpfend erklärt.

Soweit die Beklagte auf die drei Abmahnungen vom 04.190.2012 verweise, beziehe er sich auf seine Darstellung im Verfahren. Bei neutraler Betrachtung könne man sich nicht des Eindrucks erwehren, die Beklagte hätte diese nur ausgesprochen, um eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzubereiten und auf einen Anlass in irgendeiner Form zu warten.

Einen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug habe er nicht begangen, der Vortrag der Beklagten und die angebotenen Beweismittel würden diesen Vorwurf nicht belegen. Selbst wenn der von der Beklagten vorgebrachte Grund vorliege, würde dieser den Ausspruch einer Kündigung nach dem Ultima-Ratio-Prinzip und der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht rechtfertigen. Die Beklagte habe den Personalrat nur wegen des Vorwurfs des Arbeitszeitbetruges angehört. Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Stundenaufzeichnung und die maßgebliche Rolle seines Vorgesetzten wären dem Personalrat nicht mitgeteilt worden.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 17.05.2013, ihm persönlich übergeben am 24.05.2013, nicht beendet worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Monteur für Kanalnetze im Eigenbetrieb Abwasserbeseitigung P. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Dazu ist vorgetragen, sie wäre davon überzeugt, der Kläger habe am 16.03.2013 zwischen 18:30/19:00 Uhr und 20:00 Uhr nicht gearbeitet. Davon sei nach seinen Aufzeichnungen zur Arbeitszeit mit den Korrekturen, seinem Aufenthalt auf dem Parkplatz L. in der von ihm angegebenen Zeit, den widersprüchlichen Angaben bei den Anhörungen und nach der Auswertung des Stör- und Meldeberichts für die Kläranlage; Anlage B13, auszugehen. Für den Kläger hätte keine Veranlassung bestanden, zu der Zeit am 16.03.2013 an dem Klärwerk eine Kontrolle durchzuführen. Dazu wäre die Alarmanlage zu entsichern gewesen, eine Entsicherung habe nachweislich nicht stattgefunden. Ein Eintrag für eine nächtliche Störung finde sich lediglich vom 15.03. auf den 16.03.2013 um 0:38 Uhr (Anlage B4).

Vor diesem Hintergrund dürfte sich in der Aufstellung des Klägers zu dem Bereitschaftswochenende ein weiterer Fehler finden. Von dem Kläger frei erfunden sei deshalb seine Begründung, warum er aus der „4“ eine „5“ gemacht habe, das passe dann gar nicht mehr zum Sachverhalt. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass sich der Kläger am Abend des 16.03.2013 mit Herrn S. unterhalten habe, bei der Anhörung am 26.03.2013 durch Frau V. und Herrn L. hätte er angegeben, dass er den Vorgenannten nur durch ein Fenster gesehen und nicht mit ihm gesprochen habe.

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Unzutreffend wäre auch die Behauptung des Klägers, ihm hätte sein Aufzeichnungsbuch bei den Aufzeichnungen zum Bereitschaftswochenende – Anlage B1 – nicht zur Verfügung gestanden. Herr L. habe zu keinem Zeitpunkt dieses Buch an sich genommen. Der gesamte Vortrag des Klägers dazu wäre nicht gerade sehr logisch, um es vorsichtig auszudrücken.

Der Vorwurf gegenüber dem Kläger laute, dass er bei der Arbeitszeit betrogen habe. In dem Arbeitszeitbogen habe er angegeben, zwischen 19:00 und 20:00 Uhr gearbeitet zu haben, obwohl er bei L. gesehen worden sei. Es handle sich um einen besonders schweren Vertrauensbruch. Bei der Interessenabwägung seien neben dem Sachverhalt die lange Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Klägers berücksichtigt worden, aber auch die in das Verfahren eingeführten drei Abmahnungen vom 04.10.2012 und die zugrunde liegenden Sachverhalte.

Der Personalrat sei mit dem Schreiben vom 26.03.2013 vollständig informiert worden, der Inhalt des abgereichten Schreibens werde zum Inhalt des Vortrages gemacht. Nach Verweigerung der Zustimmung durch den Personalrat wäre die Einigungsstelle gebildet worden und habe in der Sitzung vom 08.05.2013 den Beschluss gefasst, der ordentlichen Kündigung zuzustimmen. Die Entscheidung der Einigungsstelle sei nicht gerichtlich angefochten worden.

In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, ein Arbeitszeitbetrug am 16.03.2013 sei nicht feststellbar. Maßgeblich seien die handschriftlichen Aufzeichnungen des Klägers in dem von ihm geführten Buch. Die Beklagte hätte vom Kläger nicht ohne Weiteres eine nachträgliche Aufzeichnung der Arbeitszeit für den fraglichen Tag verlangen dürfen, ohne ihm zumindest sein Arbeitszeitbuch zur Verfügung zu stellen. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger tatsächlich keine 3. Kontrolle an dem fraglichen Tag durchgeführt habe.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, die vom Kläger erstellte Aufzeichnung über die Arbeitszeiten am 16.03.2010 (Blatt 66 der Akten) sei Gegenstand der Arbeitszeiterfassung gewesen. Es sei unerheblich, dass sie vom Kläger nachträglich verlangt worden sei. Jedenfalls die Einlassung des Klägers, dass er in dem Zeitraum von 19:00 bis 20:00 Uhr gearbeitet habe, sei falsch. Auch sei zu beanstanden, dass er während seiner Arbeitszeit etwas Privates erledigt habe, obwohl er insoweit einschlägig abgemahnt worden sei. Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis gemäß den §§ 9, 10 KSchG aufzulösen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei nicht mehr zu erwarten. Der Kläger habe am 06.05.2014 sich eine halbe Stunde ohne dienstlichen Grund in der T.-Werkstatt aufgehalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 27.01.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die den Betrag von 10.000,00 EUR brutto nicht überschreiten sollte, aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung und den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Er tritt der angefochtenen Entscheidung bei. Ein vorsätzlicher Arbeitszeitbetrug sei nicht feststellbar. Am 06.05.2014 habe er sich im T.-Autohaus aufgehalten, um sich eine neue Sicherung für die Rundumleuchte an seinem Dienstfahrzeug zu besorgen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die angegriffene Kündigung ist unwirksam. Ein Arbeitszeitbetrug im Zusammenhang mit den Arbeitsaufzeichnungen zum Bereitschaft des Klägers am 16.03.2013 ist nicht feststellbar. Die Beklagte hat hierzu in der Klageerwiderung (Schriftsatz vom 05.09.2013) Folgendes vorgetragen:

Am 16.03.2013 (Samstag) hatte der Kläger Bereitschaftsdienst. Es war zwischen ihm und seinem Vorgesetzten Herrn L. abgesprochen, dass er an diesem Tag dreimal das defekte Schmutzwasser-Pumpwerk im G. Weg in P. kontrolliert. Das Pumpwerk verfügt über einen eigenen Parkplatz. Über eine konkrete Uhrzeit war nicht gesprochen worden. Der Kläger konnte also frei wählen, wann er die Aufgabe an dem Tag erledigt.

Der Kläger hat in seinem Arbeitszeitbuch, das grundsätzlich für die Berechnung seiner Vergütung entscheidend ist, für den 16.03. vermerkt, dass er insgesamt fünf Stunden gearbeitet hat. Dass diese Angaben falsch sind, hat die hierfür beweispflichtige Beklagte nicht dargelegt. Der Umstand, dass der Dienstwagen des Klägers um 19:35 Uhr vor der L.-Filiale gesehen worden ist, ist dabei unerheblich. Wie die Beklagte vorträgt, waren dem Kläger für den fraglichen Tag keine festen Arbeitszeiten vorgegeben. Eine kurze Unterbrechung der Arbeit an einem Ort, der unstreitig nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung zwischen den beiden Einsatzstellen des Klägers gelegen hat, ist daher unerheblich. Relevant wäre die Unterbrechung bei der Filiale nur, wenn die Beklagte darlegen könnte, dass in den angegebenen fünf Stunden auch die dort möglicherweise verbrachte Zeit enthalten gewesen wäre. Hierfür ist nichts dargetan.

Unerheblich ist auch, dass der Kläger in seinem Arbeitszeitbuch die Arbeitszeit am 16.03. nachträglich von vier auf fünf Stunden erhöht hat. Der Kläger hat hierzu auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 18.10.2013 eine Erklärung abgegeben, deren Richtigkeit die hierfür beweispflichtige Beklagte nicht widerlegt hat. Auch kann die Beklagte nicht widerlegen, dass der Kläger auch zu den von ihm angegebenen Zeiten das Klärwerk aufgesucht hat. Es mag sein, dass dies nicht vernünftig gewesen ist. Dies allein spricht jedoch noch nicht dagegen, dass der Kläger es tatsächlich getan hat. Unerheblich ist ferner, dass der Kläger seine Arbeiten nicht minutengenau dokumentiert hat. Eine Einsichtnahme in das Arbeitszeitbuch des Klägers ergibt, dass die Beklagte dieses Verhalten fortlaufend akzeptiert hat. Fast immer von geringfügigen Ausnahmen abgesehen, sind volle Stunden dokumentiert worden. Auf mögliche Ungenauigkeiten hinsichtlich der genauen Zeiten in der Arbeitszeitaufzeichnung Anlage B1 kann die Beklagte sich ohnehin nicht berufen, da diese unstreitig mehrere Tage nach dem fraglichen Zeitpunkt erstellt worden ist.

Der Auflösungsantrag ist unbegründet. Ein Fehlverhalten des Klägers am 05.05.2014 ist zwar denkbar, aber nicht bewiesen. Das Vorbringen der Beklagten ist von Vermutungen geprägt. Der Mitarbeiter des Autohauses, der dem Kläger die Sicherung gegeben haben soll, ist offensichtlich gar nicht befragt worden. Nach Auffassung der Kammer spricht alles dafür, dass der Kläger das Autohaus wegen der defekten Sicherung aufgesucht hat.

Im Übrigen sei wegen des nach Auffassung der Beklagten gestörten Vertrauensverhältnisses darauf hingewiesen, dass nach Durchsicht der Akten hierfür in erster Linie die Beklagte verantwortlich erscheint. Das Arbeitsverhältnis verlief lange Zeit ungestört und es bestand offenbar große Zufriedenheit mit den Leistungen des Klägers. Es kann dabei zunächst auf das für den Kläger betreffende Zeugnis (Anlage K8 zum Schriftsatz vom 18.10.2013) Bezug genommen werden. Die Abmahnungen vom 04.10.2012 sind daher von geringerem Gewicht. Ein verständiger Arbeitgeber hätte die Ausgangssituation hinsichtlich des Fahrzeugs vor der Filiale nicht zum Anlass für weitere Nachforschungen genommen. Die Kammer hat den Eindruck gewonnen, dass die Beklagte sich unter allen Umständen vom Kläger lösen will. Angesichts des langen und überwiegend ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses ist dies für das Gericht auf der Sachebene nicht nachvollziehbar.

Deshalb weist die Schilderung des Klägers hinsichtlich des Verhältnisses zu seinem Vorgesetzten Herrn L. (vgl. Anlage B3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 05.09.2013) eine hohe Plausibilität auf. Auch der Umstand, dass der Vorfall am 16.03. durch einen Schwager des Vorgesetzten L. angezeigt worden ist, zeigt eine hohe emotionale Belastung der Arbeitsverhältnisses. In einem „normalen“ Arbeitsumfeld sind derartige Beobachtungen unerheblich. Auch informieren Mitarbeiter eines Autohauses normalerweise nicht unaufgefordert den städtischen Arbeitgeber, weil ein dortiger Mitarbeiter sich 30 Minuten im Autohaus aufgehalten hat.

Diese Indizien sprechen alle dafür, dass die Beklagte nach besten Kräften versucht, sich vom Kläger nach einem über 20 Jahre nahezu unbeanstandet verlaufenen Arbeitsverhältnis auf jeden Fall trennen zu wollen und dabei auch eine Rufschädigung des Klägers in Kauf nimmt. Selbst wenn man ein Fehlverhalten des Klägers annehmen würde, müsste die Schaffung eines feindlichen Arbeitsumfeldes durch die Beklagte bei der Abwägung zugunsten des Klägers berücksichtigt werden. Ein derartiges Arbeitsumfeld schafft Unsicherheit und damit Fehlverhalten.

Auf der gleichen Linie liegt auch der mit Schriftsatz der Beklagten vom 29.6.2014 vorgetragene Sachverhalt. Der Kläger soll einen Auszubildenden während der Arbeitszeit an einer Werksatt abgesetzt haben, damit dieser dort sein privates Fahrzeug abholen konnte. Ob diese Aktion eine Verlängerung der Fahrtstrecke zur Folge gehabt hat, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Somit ist auch nicht dargetan, dass Arbeitszeit des Klägers verlorengegangen ist. Somit ist davon auszugehen, dass allenfalls wenige Minuten, die der Auszubildende mit der Abholung des Fahrzeugs verbracht hat, als Schaden angesehen werden können. Nach dem Zeugnis vom 19.08.2013, dessen Richtigkeit die Beklagte nicht bestritten hat, hat der Kläger über 16 Jahre auch an Feiertagen und Wochenenden, manchmal auch unter schwierigen Wetterbedingungen, seine Arbeit mit hohem persönlichen Einsatz erfüllt. Ein verständiger Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmern mit Wertschätzung begegnet, sieht über derartige Vorfälle hinweg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein Anlass.


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