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Beleidigung des Vorgesetzten als Arschloch (in der Probezeit), ein fristloser Kündigungsgrund nach § 626 BGB?

LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

Az.: 9 Sa 967/00

Verkündet am: 08.11.2000

Vorinstanz: Arbeitsgericht Mainz – Az.: 2 Ca 1027/0 MZ


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz hat auf die mündliche Verhandlung vom 08.11.2000 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.05.2000, Az.: 2 Ca 1027/00, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Hinsichtlich des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die zusammenfassende Darstellung im Urteil des Arbeitsgerichtes Mainz vom 28.06.2000 (dort S. 3 bis 5 – B1. 37 bis 39 d.A.) gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 10.03.2000 unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Urteil vom 28.06.2000 (B1. 35 ff. d.A.) die Klage abgewiesen und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, die fristlose Kündigung vom 10.03.2000 sei rechtswirksam erfolgt, insbesondere liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor, der auch nach Durchführung einer Interessenabwägung der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar gemacht habe. Die Beleidigung eines Vorgesetzten mit den Worten: „Du bist ein Arschloch“ stelle regelmäßig einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Auch unter Berücksichtigung der Situation sowie der Begleitumstände, unter welchen die Beleidigung erfolgt sei, sowie unter Berücksichtigung des Berufsund Bildungsstandes des Beleidigenden und etwaiger Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sei vorliegend die fristlose Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich nämlich zum Zeitpunkt der ausgesprochenen Beleidigung noch in der Probezeit befunden und das Vertrauensverhältnis zu ihrem Vorgesetzten in schwerwiegender Weise gestört. Soweit sie ausgeführt habe, der Vorgesetzte habe ihr ständig auf die Brust gestiert und desweiteren ständig – wenn auch vergeblich – um sie geworben, so sei diese Behauptung ohne weitergehenden Tatsachenvortrag in den Raum gestellt worden; es fehle im Übrigen auch an einem entsprechenden Beweisantritt. Im Rahmen einer Interessenabwägung überwiege das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da eine Weiterbeschäftigung in Anbetracht der schwerwiegenden Beleidigung, welche innerhalb der Probezeit von der Klägerin erklärt worden sei, der Beklagten nicht zumutbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 5 ff. des Urteiles vom 28.06.2000 (B1. 39 ff. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Mainz, welche ihr am 02.08.2000 zugestellt worden ist, am 10.08.2000 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz unter gleichzeitiger Begründung ihres Rechtsmittels eingelegt.

Die Klägerin macht geltend, das Arbeitsgericht habe im Rahmen der Interessenabwägung verschiedene Umstände, welche für die Klägerin sprechen würden, nicht hinreichend berücksichtigt. Zweck der Vereinbarung eines Probearbeitsverhältnisses sei, dass man sich aufgrund einer ordentlichen Kündigung, angesichts des Nichteingreifens von Kündigungsschutz, ohne weiteres trennen könne und eine fristlose Kündigung dementsprechend ausgeschlossen sei. Während des Gespräches zwischen der Klägerin und dem Vorgesetzten seien keine Dritten zugegen gewesen, denen die von der Klägerin unstreitig ausgesprochene Beleidigung hätte zu Ohren kommen können. Die Vorgesetztenfunktion des Herrn X sei nicht untergraben worden, zumal sich die Klägerin bei ihm sofort für ihr Verhalten entschuldigt habe; das Betriebsklima sei durch die beleidigende Erklärung der Klägerin nicht beeinträchtigt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 09.08.2000 (B1. 52 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.06.2000 festzustellen, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 10.03.2000 unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte führt aus, die Klägerin habe am 09.03.2000 gegen 10.20 Uhr gegenüber dem Vorgesetzten erklärt: „Du bist ein Arschloch, du bist ein Arschloch“. Erschwerend komme zu dieser Formalbeleidigung hinzu, dass die Klägerin die beleidigende Äußerung gegenüber der Vorgesetzten des Herrn X, nämlich gegenüber Frau Y abgestritten und erst gegenüber dem dann hinzugezogenen Heimleiter, nämlich gegenüber Herrn C zugegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 23.08.2000 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 511 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht Mainz hat in seinem Urteil vom 28.06.2000 zu Recht festgestellt, dass die fristlose Kündigung vom 10.03.2000 rechtswirksam erfolgt ist. Auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Arbeitsgerichtes in den Entscheidungsgründen wird – soweit nachfolgend keine abweichende rechtliche Auffassung vertreten wird – gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen. Die von der Klägerin hiergegen mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen sind nicht gerechtfertigt. Sie wendet sich hiermit nicht gegen den letztlich unstreitigen Umstand, dass die Klägerin am 10.03.2000 ihren Vorgesetzten, Herrn X mit den Worten: „Du bist ein Arschloch“ beleidigt hat. Sie vertritt aber im zweiten Rechtszug die Auffassung, die Begleitumstände dieser Beleidigung könnten eine Interessenabwägung, welche eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ergebnis hat, nicht rechtfertigen. Dem ist jedoch nicht zu folgen.

1.

Soweit die Klägerin auf den Umstand hinweist, dass während eines Probearbeitsverhältnisses nur fristgerecht gekündigt werden könne, übersieht sie zunächst, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit begründet worden war. Der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei befristeten Arbeitsverhältnissen grundsätzlich gegebene Ausschluss der fristgerechten Kündigung wird von der Klägerin offenbar dahingehend mißverstanden, dass während eines Probearbeitsverhältnisses nur fristgerecht gekündigt werden könne. Einen solchen Rechtssatz gibt es jedoch nicht.

Der Umstand, dass die Klägerin während der Probezeit die Formalbeleidigung gegenüber einem Vorgesetzten aussprach, spricht im Rahmen der Interessenabwägung vielmehr für eine sofortige Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Denn in der Regel geben sich Arbeitnehmer während der Probezeit, nicht zuletzt wegen des regelmäßig fehlenden Kündigungsschutzes, Mühe, den gestellten Anforderungen in besonderem Maße gerecht zu werden. Angesichts dieses normalerweise gegebenen Verhaltens ist es umso unverständlicher, dass die Klägerin während der Probezeit einen Vorgesetzten grob beleidigt hat.

2.

Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass während des Gespräches zwischen ihr und ihrem Vorgesetzten vom 10.03.2000 kein Dritter zugegen war und sie weist, ohne dass dem die Gegenseite widersprochen hätte, auch darauf hin, dass sie sich für ihr Verhalten entschuldigt habe. Aus diesen isoliert vorgetragenen Gesichtspunkten kann aber nicht der Rückschluss gezogen werden, dass durch das Verhalten der Klägerin das Betriebsklima nicht belastet worden sei. Zum einen gehört zu dem Betriebsklima auch, dass zwischen der Klägerin und dem Vorgesetzten zumindest ein normaler Umgang gepflegt wurde. Dem entsprach das Verhalten der Klägerin jedoch nicht. Nachdem sich der Vorgesetzte was aufgrund der groben Weise der Beleidigung durchaus verständlich ist, an seine Vorgesetzte gewandt hatte, stritt die Klägerin dieser gegenüber eine Beleidigung ab. Hierdurch verursachte sie letztlich die Einschaltung des Heimleiters C, so dass ihr Fehlverhalten, nicht zuletzt durch ihr Leugnen gegenüber Frau Y im Betrieb eine immer größere Bedeutung gewann und das Betriebsklima erheblich belastete.

3.

Soweit die Klägerin durch ihren Hinweis auf erstinstanzlichen Vortrag noch einmal die Umstände der Beleidigung aus ihrer Sichtdarstellen wollte, ist vorweg klarzustellen, dass nach Auffassung der Berufungskammer Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe von demjenigen, der sich auf sie beruft, zunächst substantiiert dar zulegen sind. Bestreitet der Kündigende diese Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe in ebenso konkreter Weise, so trägt er die Beweislast für das Nichtvorliegen der Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe (vgl. hierzu KR/ Fischermeier, 12. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 380 ff. m.w.N.). Selbst wenn im vorliegenden Fall sämtliche Tatsachen, welche die Klägerin zur Rechtfertigung ihres

beleidigenden Verhaltens angeführt hat, als gegeben unterstellt werden, können diese Umstände nach Überzeugung der Berufungskammer die ausgesprochene Formalbeleidigung nicht rechtfertigen oder in einem Licht erscheinen lassen, welches die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist zumutbar gemacht hätte. Die Klägerin führt insoweit an, ihr Vorgesetzter, also Herr X habe am 29.02.2000 während eines Betriebsausfluges den von ihr zuvor aus dem Polnischen ins Deutsche übersetzten Satz: „Ich hab dich lieb“ wiederholt und sie dabei seltsam angeschaut. Am 03.03.2000 habe er sie gefragt, ob sie mit ihm ausgehe; als sie dies unter Hinweis auf einen Frühdienst am nächsten Morgen abgelehnt habe, habe er erwidert, dass er sie nicht nach ihrem Dienst gefragt habe. Desweiteren habe er während eines Gespräches im Monat März 2000 erklärt, die Klägerin sei zwar pädagogisch sehr gut, aber als Polin sei sie in Polen erzogen und er käme mit ihrer Mentalität nicht zurecht.

Desweiteren habe Herr X während der geführten Gespräche, also auch während jenes vom 09.03.2000 der Klägerin immer wieder auf die Brust gestiert. Wenn man unterstellt, diese Sachdarstellung der Klägerin träfe zu, so wäre sie gehalten gewesen, eine Beschwerde über das aufdringliche Verhalten ihres Vorgesetzten bei dessen Vorgesetzten vorzutragen. Der Ausspruch einer Formalbeleidigung war hingegen weder notwendig noch

gerechtfertigt. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin das Gespräch, während dessen die Beleidigung ausgesprochen wurde, selbst initiierte. Die Formalbeleidigung erfolgte also nicht in unmittelbarem Zusammenhang zu etwaigen sexistischen Äußerungen des Vorgesetzten, zumal diese von der Klägerin behaupteten Äußerungen nach ihrer Darstellung bereits mehrere Tage zuvor erfolgt waren. Falls Herr nach dem

Eindruck der Klägerin während des Gespräches vom 09.03.2000 dieser auf die Brust gestiert hat, hätte dies Anlass für die Klägerin sein müssen, das Gespräch abzubrechen und übergeordnete Vorgesetzte hinzuzuziehen. Die ausgesprochene Formalbeleidigung war hingegen keine angemessene Reaktion.

Angesichts des nicht nur bei Herrn X, sondern insbesondere auch bei den übergeordneten Vorgesetzten eingetretenen Vertrauensverlustes, der kurzen Beschäftigungszeit der Klägerin, der Tatsache, dass sie sich noch in der Probezeit befand und durch ihr Verhalten ein Bekanntwerden der Vorgänge im Betrieb mitverursachte, war der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende nicht mehr zumutbar.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand unter Beachtung von § 72 Abs. 2 ArbGG kein gesetzlich begründeter Anlass.

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