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Arzt im Praktikum – nach Ausbildungsabschnittes Anspruch auf höhere Vergütung

BUNDESARBEITSGERICHT

Az.: 4 AZR 624/05

Urteil vom 08.11.2006


1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 27. Juli 2005 - 10 Sa 798/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Vergütung des Klägers.

Der Kläger ist Mitglied des Marburger Bundes. Er war auf Grund des Ausbildungsvertrages vom 5. Dezember 2003 seit dem 1. Februar 2004 im Krankenhaus F der Beklagten, die Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Berlin ist, als Arzt im Praktikum (AiP) beschäftigt. Nach § 1 des Vertrages war das Vertragsverhältnis bis zum 31. Juli 2005 befristet. Nach § 2 des Vertrages bestimmte sich das Ausbildungsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Ärztinnen und Ärzte im Praktikum vom 5. März 1991 (Mantel-TV-AiP-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung mit Ausnahme der gekündigten Tarifverträge über die Zuwendung und das Urlaubsgeld.

Durch das Gesetz zur Änderung der Bundesärzteordnung (BÄO) und anderer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1776, im Folgenden: ÄnderungsG) ist die Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) dahingehend geändert worden, dass der Ausbildungsabschnitt als AiP entfallen ist (Art. 3 Nr. 9 ÄnderungsG). In der Bundesärzteordnung (BÄO) wurde geregelt, dass die Approbation bereits nach dem Bestehen der ärztlichen Prüfung, also ohne Absolvierung der AiP-Ausbildung erteilt werden kann (Art. 1 Nr. 2a ccc ÄnderungsG). Nach der Übergangsregelung in Art. 10 Abs. 1 ÄnderungsG haben Studierende der Humanmedizin, die vor dem 1. Oktober 2004 ihr Medizinstudium mit Bestehen des Dritten Abschnitts der ärztlichen Prüfung absolviert haben, ab dem 1. Oktober 2004 keine Tätigkeit als AiP mehr abzuleisten.

Wegen des bevorstehenden Wegfalls der AiP-Phase zum 1. Oktober 2004 wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 8. September 2004 an ihre Ärztinnen und Ärzte im Praktikum. Darin heißt es ua.:

„Die dem Studium nachgelagerte 18-monatige AiP-Phase wurde zum 01.10.2004 abgeschafft. Dies bezieht sich auch auf Studierende der Humanmedizin, die ihr Studium vor dem 01.10.2004 mit dem Bestehen des dritten Abschnitts der ärztlichen Prüfung abgeschlossen haben. Das bedeutet, dass Sie mit Wirkung vom 01.10.2004 keine Tätigkeit als Arzt im Praktikum mehr abzuleisten brauchen.

Mit unserer Zusage, bei allen freien Stellen, die im Rahmen der Personalplanung zu besetzen sind, ab 01.10.2004 bei uns beschäftigte AiP’s zu berücksichtigen, sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Es werden voraussichtlich bis zum Jahresende 2004 die Mehrzahl unserer AiP’s Assistenzarztstellen erhalten können.

Gleichwohl müssen wir Regelungen für Sie, der/die ab 01.10.2004 noch keinen Assistenzarztvertrag in Aussicht haben, finden. Wir halten den mit Ihnen geschlossenen Vertrag ein. Sie werden daher ab 01.10.2004 entsprechend den vereinbarten Konditionen weiter beschäftigt. Das heißt, dass Sie auch nach dem 30.09.2004 die Vergütung in unveränderter Höhe weiter gezahlt bekommen und das Vertragsverhältnis fristgemäß enden wird.

Das für die Erteilung einer Approbation für die in Berlin abgelegten ärztlichen Prüfungen zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales hat mitgeteilt, dass die bisherige Erlaubnis mit Ablauf des 30.09.2004 automatisch endet. Deshalb ist ab 01.10.2004 die Approbation für die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten zwingend erforderlich. Wir bitten Sie daher – soweit nicht schon geschehen - unbedingt ihre Approbation zu beantragen. Sobald Sie im Besitz der Approbation sind, legen Sie diese über Ihre/n Klinikdirektor/in der Abt. Personalbetreuung unverzüglich vor. Sollten Sie ihre Approbation nicht nachweisen, dürfen Sie ab 01.10.2004 nicht tätig werden.“

Dem Kläger wurde am 1. Oktober 2004 die Approbation als Arzt erteilt. Er legte der Beklagten die Approbationsurkunde vor und wurde daraufhin weiter beschäftigt. Eine Vergütung seiner Tätigkeit nach VergGr. IIa BAT-O, die der Kläger gefordert hatte, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 8. Oktober 2004 ab.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm auf Grund seiner Weiterbeschäftigung mit ärztlichen Tätigkeiten Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O zustehe. Nach der Approbation unterliege das Arbeitsverhältnis dem BAT-O. Er erfülle die Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmals „Ärzte“ (VergGr. IIa Fallgr. 4 der Anl. 1a zum BAT-O).

Der Kläger hat beantragt

1.  festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, auf das die Bestimmungen des Tarifvertrages zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden;

2.  festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 1. Oktober 2004 eine Vergütung entsprechend der VergGr. IIa der Anl. 1a des BAT-O in der Fassung vom 10. Dezember 1990 unter Berücksichtigung späterer Änderungen und Ergänzungen sowie unter Berücksichtigung des Einkommensangleichungsgesetzes zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Bestimmungen des Mantel-TV-AiP-O seien weiterhin für das Rechtsverhältnis maßgeblich. Durch den Wegfall der Regelungen über die Ausbildung als AiP sei eine Tariflücke entstanden, die von den Arbeitsgerichten nicht durch die Anwendung des BAT-O geschlossen werden könne. Durch diese Änderung sei ein zusätzlicher Medizinertyp entstanden, nämlich der des voll approbierten, aber als AiP eingestellten Mediziners. Die für die AiP geltenden Tarifverträge wirkten analog § 4 Abs. 5 TVG nach und würden nicht durch den BAT-O verdrängt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben.

I.

Die Klage ist zulässig. Für den Feststellungsantrag zu 1. besteht das erforderliche besondere Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Durch ihn wird die Anwendbarkeit des BAT-O auf das Vertragsverhältnis der Parteien und damit die rechtliche Grundlage für eine Vielzahl von einzelnen Ansprüchen geklärt (BAG 28. Mai 1997 - 4 AZR 663/95 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 6 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 8). Auch gegen den Antrag zu 2. als Eingruppierungsfeststellungsantrag bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken (zB 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 35 = EzA ZPO § 554 Nr. 6). Die Frage der zutreffenden Eingruppierung ist durch den Feststellungsantrag zu 1. noch nicht geklärt. Die Beklagte bestreitet unverändert, dass der Kläger die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. IIa BAT-O erfüllt.

II.

Die Klage ist auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass für das Vertragsverhältnis der Parteien der BAT-O gilt und dass dem Kläger ab dem 1. Oktober 2004 Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O zusteht.

Seit diesem Zeitpunkt gelten für das Vertragsverhältnis der tarifgebundenen Parteien nicht mehr die speziellen AiP-Tarifverträge, weil der AiP-Ausbildungsabschnitt durch das ÄnderungsG abgeschafft worden ist, ohne dass dem durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstünden. Das Vertragsverhältnis der Parteien ist über den 1. Oktober 2004 als Arbeitsverhältnis fortgesetzt worden, auf das auf Grund der beiderseitigen Tarifgebundenheit der BAT-O Anwendung findet. Dem Kläger steht danach die Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O zu, weil er die Voraussetzungen der Fallgr. 4 von VergGr. IIa der Anl. 1a zum BAT-O erfüllt.

1.

Für das Vertragsverhältnis der Parteien gilt ab dem 1. Oktober 2004 nicht mehr der Mantel-TV-AiP-O sowie die sonstigen einschlägigen AiP-Tarifverträge.

a) Ursprünglich galten diese Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit. Für den Kläger als Mitglied des Marburger Bundes und die Beklagte, die dem Kommunalen Arbeitgeberverband Berlin angehört, ist der Tarifvertrag über die Fortgeltung des TdL-Tarifrechts für die Angestellten und angestellten rentenversicherungspflichtigen Auszubildenden der NET-GE-Kliniken für Berlin maßgeblich. Dieser Tarifvertrag verweist auf die einschlägigen Tarifverträge der TdL. Das AiP-Ausbildungsverhältnis der Parteien richtete sich deshalb nach den zwischen TdL und - ua. - dem Marburger Bund abgeschlossenen speziellen AiP-Tarifverträgen. Der BAT-O und seine Anlage 1a fanden nach § 3f BAT-O keine Anwendung; nach dieser Bestimmung gilt der BAT-O nicht für Personen, die für einen fest begrenzten Zeitraum ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke ihrer Vor- oder Ausbildung beschäftigt werden. Im Übrigen ist in § 2 des Ausbildungsvertrages auf den Mantel-TV-AiP-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung Bezug genommen, so dass der Mantel-TV-AiP-O und die sonstigen AiP-Tarifverträge auch kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung fanden.

b) Die Grundlage für die tarifrechtliche Geltung der AiP-Tarifverträge ist aber durch das ÄnderungsG ab 1. Oktober 2004 entfallen. Das Vertragsverhältnis der Parteien unterfällt seither nicht mehr diesen Tarifverträgen.

aa) In Art. 10 Abs. 1 ÄnderungsG, das den Ausbildungsabschnitt als AiP abgeschafft hat und die Erteilung der Approbation ohne diese AiP-Ausbildung vorsieht, ist als Übergangsregelung bestimmt, dass Studierende der Humanmedizin, die vor dem 1. Oktober 2004 ihr Medizinstudium mit Bestehen des Dritten Abschnitts der ärztlichen Prüfung absolviert haben, ab dem 1. Oktober 2004 keine Tätigkeit als AiP mehr abzuleisten haben.

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bb) Auf Grund dieser gesetzlichen Regelung ist das Vertragsverhältnis der Parteien ab dem 1. Oktober 2004 kein AiP-Ausbildungsverhältnis im tariflichen Sinne mehr und unterfällt deshalb auch nicht mehr dem Mantel-TV-AiP-O, der nur für AiP-Ausbildungsverhältnisse gilt. Dieser Tarifvertrag schaffte kein eigenständiges tarifvertragliches Ausbildungsverhältnis, sondern knüpfte an das deutsche Medizinalrecht an, das die Einzelheiten des AiP-Ausbildungsverhältnisses bis zum 30. September 2004 in den §§ 34 bis 38 ÄAppO geregelt hatte. Nach § 35 ÄAppO hatte der AiP die ärztlichen Tätigkeiten auf Grund einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes nach § 10 Abs. 1 BÄO unter Aufsicht auszuüben, um seine Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten zu vertiefen. Ihm sollte Gelegenheit gegeben werden, ärztliche Tätigkeiten auszuüben und allgemeine ärztliche Erfahrungen zu sammeln. Die ihm zugewiesenen ärztlichen Tätigkeiten sollten mit einem dem wachsenden Stand seiner Kenntnisse und Fähigkeiten entsprechenden Maß an Verantwortlichkeit verrichtet werden, wobei Art und Umfang der Aufsicht dem entsprechen sollten. Nach § 36 ÄAppO hatte der AiP an Ausbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Von den Stellen, an denen er tätig gewesen war, waren ihm Bescheinigungen über die Ableistung des Praktikums zu erteilen (§ 37 ÄAppO). Die Ausbildung als AiP sollte den jungen Arzt zur eigenverantwortlichen und selbständigen ärztlichen Berufsausübung, zur Weiterbildung und zur ständigen Fortbildung in die Lage versetzen.

Diese besonderen Merkmale für ein AiP-Ausbildungsverhältnis sind durch das ÄnderungsG ab dem 1. Oktober 2004 entfallen. Die Beschäftigungsverhältnisse, deren Begründung und Durchführung die AiP-Tarifverträge regeln, existieren seither nicht mehr, weil ihre von den Tarifvertragsparteien zugrunde gelegte medizinalrechtliche Grundlage entfallen ist.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen gegen die gesetzliche Abschaffung des Ausbildungsabschnitts auch für bestehende AiP-Ausbildungsverhältnisse keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

aa) Die Beklagte sieht in der Abschaffung des AiP-Status in erster Linie einen Verstoß gegen die Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG), weil sie zur Auswechslung des anwendbaren Tarifvertrages führe. Mit der Erteilung der Approbation würde statt des Mantel-TV-AiP-O der BAT-O gelten und damit der Wille des Gesetzgebers an die Stelle der Regelungsautonomie der Tarifvertragsparteien gesetzt werden.

Dabei verkennt die Beklagte, dass die Tarifvertragsparteien mit ihren tariflichen Regelungen zu den AiP und Ärzten an das einschlägige Medizinalrecht angeknüpft und es zugrunde gelegt haben. Sie haben weder die Regelungskompetenz des staatlichen Gesetzgebers für das Medizinalrecht eingeschränkt noch durch Tarifvertrag eine bestimmte Form der medizinischen Ausbildung geschaffen. Wenn sich infolge der Änderung des Medizinalrechts die Eingruppierung eines angestellten Mediziners ändert, beruht dies nicht auf einem gesetzgeberischen Eingriff in die Tarifautonomie: Die tarifvertraglichen Regelungen bleiben dadurch unberührt. Die Änderungen für die Eingruppierung ergeben sich vielmehr gerade als Folge des unverändert gebliebenen Regelungswillens der Tarifvertragsparteien, die sich auf das staatliche Medizinalrecht in seiner jeweiligen Fassung beziehen und im Rahmen des Möglichen für die gesetzlich geregelten Beschäftigungsverhältnisse Regelungen zum Entgelt und sonstigen Arbeitsbedingungen vorhalten. Das gilt auch für den vorliegenden Fall, in dem die Tarifvertragsparteien Tarifverträge für die gesetzlich eingeführte AiP-Ausbildung geschaffen haben. Dadurch, dass der Gesetzgeber diesen Ausbildungsabschnitt abgeschafft hat, hat er nicht tarifliche Folgen dieser von ihm beschlossenen Änderung der Ärzteausbildung geregelt. Hierzu fehlt ihm jede Kompetenz. Das ist allein Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Das von ihnen geschaffene Regelwerk ist daraufhin zu untersuchen, ob es für die nun entstandenen Beschäftigungsverhältnisse verbindliche Bestimmungen enthält.

bb) Auch der von der Beklagten geltend gemachte verfassungswidrige Eingriff in die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten ermöglicht der Gesetzgeber durch die Abschaffung der AiP-Ausbildung dem AiP nicht, dem Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis als Assistenzarzt aufzuzwingen. Das AiP-Verhältnis wird weder automatisch in ein Arbeitsverhältnis als Assistenzarzt umgewandelt noch ist der AiP von Rechts wegen ohne Mitwirkung des Arbeitgebers in der Lage, sein AiP-Ausbildungsverhältnis als Arbeitsverhältnis als Arzt weiterzuführen. Nach überwiegender Auffassung endeten die AiP-Ausbildungsverhältnisse auf Grund des ÄnderungsG mit dem 30. September 2004 automatisch, wenn keine andere Abmachung getroffen wurde (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand August 2006 Teil V 3 und 3.2; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT VergO BL Stand April 2006 Teil I – Allg. Teil Erl. 36.2; Steinherr/Sponer/Schwimmbeck BAT-O Stand August 2005 Teil VIII 2.2.4; so auch Hessisches LAG 20. Februar 2006 - 10 Sa 653/05 -). Aber auch wenn man annähme, durch den Wegfall der AiP-Ausbildung sei die Geschäftsgrundlage für das bisherige Vertragsverhältnis gestört, weshalb eine Anpassung des Vertragsverhältnisses an die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgen müsse, würde dies nicht die Annahme eines verfassungswidrigen Eingriffs in die Vertragsautonomie rechtfertigen. Auch bei einer solchen Annahme ginge es darum, der Vertragsautonomie unter veränderten Bedingungen zur Weitergeltung zu verhelfen, indem der in einer solchen Situation zu vermutende Wille der Vertragsparteien zur Geltung gebracht wird.

Da somit der Beklagten durch das ÄnderungsG weder unmittelbar noch mittelbar ein - höher dotierter - Assistenzarztvertrag aufgezwungen wird, liegt auch der von ihr behauptete Eingriff in die Unternehmerfreiheit (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 12 GG) nicht vor.

cc) Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass es keine ausreichende Kompensation für die durch die Gesetzesänderung entstehenden höheren Kosten für zusätzliche Assistenzärzte gegeben habe. Ebenso wenig wie der Gesetzgeber die tariflichen Konsequenzen der Gesetzesänderung regeln konnte, hat er die Kompetenz, die Ergebnisse der Verhandlungen der Krankenhausträger mit den Krankenkassen über den Ausgleich der dort anfallenden Kosten, also auch etwaiger Mehrkosten durch die Weiterbeschäftigung von AiP als Ärzten, vorzugeben.

2.

Seit dem 1. Oktober 2004 unterfiel das als Arbeitsverhältnis fortgesetzte Vertragsverhältnis der Parteien dem BAT-O.

a) Das Landesarbeitsgericht ist - ohne dies weiter zu begründen - zu Recht davon ausgegangen, dass das bis zum 30. September 2004 bestehende AiP-Ausbildungsverhältnis ab dem 1. Oktober 2004 konkludent als Arbeitsverhältnis weitergeführt worden ist. Dies ergibt sich aus dem Verhalten der Parteien vor dem Hintergrund des Schreibens der Beklagten vom 8. September 2004.

In diesem Schreiben wird die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses über den 30. September 2004 hinaus grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Allerdings wird in Abs. 4 des Schreibens ausdrücklich betont, dass kein Assistenzarztvertrag in Aussicht stehe und dass der geschlossene Vertrag und die darin vereinbarten Konditionen eingehalten werden sollen. Dabei werden ausdrücklich die Vergütung und die Befristung des Vertrages angesprochen. Andererseits wird im letzten Absatz des Schreibens darauf hingewiesen, dass die bisherige Erlaubnis, dh. die vorläufige Approbation für die ärztliche Tätigkeit als AiP, mit dem 30. September 2004 erlösche und für die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten ab 1. Oktober 2004 die Approbation zwingend erforderlich sei. Deshalb wird der Kläger aufgefordert, die Approbation zu beantragen und der Beklagten vorzulegen. Anderenfalls dürfe der Kläger ab dem 1. Oktober 2004 nicht mehr tätig werden.

Wenn der Kläger dann nach Vorlage der Approbation ab dem 1. Oktober 2004 mit Einverständnis der Beklagten ärztliche Tätigkeiten ausgeübt hat, ist das Vertragsverhältnis der Parteien konkludent als Arbeitsverhältnis weitergeführt worden. Dem steht die Berufung der Beklagten auf den bisherigen Vertrag und die darin vereinbarten Konditionen nicht entgegen. Denn die Besonderheiten, die das Vertragsverhältnis bis zum 30. September 2004 zu einem Ausbildungsverhältnis gemacht haben, dh. die in den früheren §§ 34 bis 38 ÄAppO enthaltenen Vorgaben hinsichtlich des Einsatzes des Klägers als AiP, der Zweckbestimmung der ärztlichen Tätigkeiten im Hinblick auf die Ausbildungsfunktion, der Aufsicht durch approbierte Ärzte, der Ausbildungsveranstaltungen und des Anspruchs auf die AiP-Bescheinigung, sind entfallen. Damit bleibt als Inhalt des fortgesetzten Vertragsverhältnisses nur die Verpflichtung, als angestellter approbierter Arzt ärztliche Tätigkeiten auszuüben. Es gibt auch aus dem Vortrag der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das Vertragsverhältnis nach dem Wegfall der AiP-Ausbildung als sonstiges Ausbildungsverhältnis mit eigenen, damit einhergehenden Ausbilderleistungen oder als Arbeitsverhältnis ohne ärztliche Tätigkeiten fortsetzen wollte.

b) Das über den 1. Oktober 2004 hinaus fortgesetzte Vertragsverhältnis der Parteien unterfiel damit seit diesem Zeitpunkt auf Grund der beiderseitigen Tarifgebundenheit der Parteien dem BAT-O.

3.

Der Kläger hat ab dem 1. Oktober 2004 Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O. Er erfüllt die Voraussetzung des Tätigkeitsmerkmals „Ärzte“ (VergGr. IIa Fallgr. 4 der Anl. 1a zum BAT-O).

a) Im Rahmen der Vergütungsordnungen zum Bundes-Angestelltentarifvertrag verwenden die Tarifvertragsparteien den Begriff des Arztes im Sinne des inländischen Medizinalrechts, das für den ärztlichen Bereich in der BÄO geregelt ist (Senat 5. November 2003 - 4 AZR 632/02 - BAGE 108, 224 mwN). Danach ist die Ausübung des ärztlichen Berufes die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung Arzt bzw. Ärztin (§ 2 Abs. 5 BÄO). Diese Berufsbezeichnung darf führen, wer als Arzt nach inländischem Recht approbiert oder nach § 2 Abs. 2, 3 oder 4 BÄO zur Ausübung des ärztlichen Berufes befugt ist (§ 2a BÄO). Diese subjektive Voraussetzung erfüllt der Kläger, dem am 1. Oktober 2004 die Approbation erteilt worden ist.

b) Der Kläger hatte auch ab dem 1. Oktober 2004 ärztliche Tätigkeiten auszuüben. Das hat das Landesarbeitsgericht für das Revisionsgericht bindend festgestellt. Die Beklagte hat insoweit keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Sie hat lediglich geltend gemacht, sie habe in den Vorinstanzen dargestellt, dass dem Kläger nach dem 1. Oktober 2004 derselbe Aufgabenbereich zugewiesen geblieben sei. Es fehlt schon an der konkreten Angabe, in welchem Schriftsatz dieser Vortrag enthalten ist. Im Übrigen widerspricht diese Behauptung der Beklagten nicht der Annahme, dass der Kläger nach dem 1. Oktober 2004 ärztliche Tätigkeiten ausgeübt hat. Auch als AiP sind dem Kläger, der als AiP die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes nach § 10 Abs. 1 BÄO benötigte, ärztliche Tätigkeiten übertragen worden, allerdings mit den sich aus der ÄAppO für die AiP-Ausbildung ergebenden Vorgaben. Auch wenn sich also die Tätigkeit des Klägers ab dem 1. Oktober 2004 nicht geändert hätte, würde er - weiterhin - ärztliche Tätigkeiten ausgeübt haben. Weitergehende Anforderungen an die Art oder die Qualität der ärztlichen Tätigkeit sieht das Tätigkeitsmerkmal für eine Eingruppierung in VergGr. IIa nicht vor.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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