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Asylbewerber – Vermietungsverbot?


Wohnungsübergabe

Zusammenfassung:

Kann eine Wohnungseigentümergemeinschaft wirksam beschließen, dass eine Vermietung einzelner Wohnungen an Asylbewerber nicht erfolgen darf? Sind die entsprechenden Beschlüsse gültig? Welche Vorgehensweisen gegen die, die jeweiligen Asylbewerber benachteiligenden Regelungen sind denkbar? Mit diesen Fragen setzte sich das Amtsgericht Laufen im anliegenden Urteil auseinander.


Amtsgericht Laufen

Az: 2 C 565/15

Urteil vom 04.02.2016


Tenor

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 13.07.2015 zu TOP 3 wird für ungültig erklärt.

2. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 13.07.2015 zu TOP 4 wird für ungültig erklärt.

3. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

5. Der Streitwert wird auf 31.900,– EUR festgesetzt.


Tatbestand

Die Parteien streiten über die Ungültigkeitserklärung von Beschlüssen der Eigentümerversammlung.

Die Kläger bilden mit den Beklagten die Wohnungseigentümergemeinschaft … und … in Bad Reichenhall. Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft ist Frau …… Die Kläger sind Eigentümer der Wohnung Nr. 27 und des Teileigentums Nr. 104 der Wohnungseigentumsanlage. Die Einheit Nr. 27 weist eine Fläche von ca. 92 qm auf. Laut Teilungserklärung dient diese Einheit zu Wohnzwecken. Die Einheit Nr. 104 wird in der Teilungserklärung bzw. in der Gemeinschaftsordnung als Kellereinheit bezeichnet, wobei deren Nutzungsmöglichkeit als Hobbyraum und Gemeinschaftsraum festgelegt wurde. Diese weist eine Fläche von ca. 80 qm auf. Sowohl die Einheit Nr. 27 als auch die Nr. 104 haben die Kläger an den Freistaat Bayern vermietet, wobei der Freistaat Bayern diese zur Unterbringung von Asylbewerbern nutzt. Auf der Eigentümerversammlung vom 13.07.2015 haben die Wohnungseigentümer mehrheitlich unter TOP 3 beschlossen, dem Eigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 27 und der Teileigentumseinheit Nr. 54 die Nutzung zur Unterbringung von Asylbewerbern zu untersagen und ebenfalls zu untersagen, andere Wohnungen zur Nutzung für Asylbewerber zu vermieten. Unter TOP 4 wurde weiter mehrheitlich beschlossen, dass bei Gericht Klage für den Fall eingereicht wird, dass sich der Kläger zu 1) weigern sollte, der Aufforderung zu TOP 3 nachzukommen.

Die Kläger sind der Ansicht, dass die so gefassten Beschlüssen ungültig, hilfsweise nichtig sind. Zum einen sind die Kläger der Ansicht, dass die Unterbringung von Asylbewerbern eine zulässig Wohnraumnutzung darstelle und daher die Untersagung der Nutzung zur Unterbringung von Asylanten durch die Wohnungseigentümergemeinschaft wie auch die Untersagung zur Vermietung anderer Wohneinheiten der Kläger rechtswidrig sei. Ferner behaupten die Kläger, dass diese keine Absicht hätten, weitere Wohnungen zur Unterbringung von Asylbewerbern zu vermieten. Die Kläger sind weiters der Ansicht, dass eine Vermietung nur hinsichtlich der Wohneinheit Nr. 27 zu Wohnzwecken erfolgt sei, die Teileigentumseinheit Nr. 104 dagegen gerade nicht zu Wohnzwecken vermietet worden wäre. Eine Überbelegung liege ferner nicht vor.

Die Kläger beantragten zuletzt:

1.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 13.07.2015 zu TOP 3 wird für ungültig erklärt, hilfsweise, es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 13.07.2015 zu TOP 3 nichtig ist.

2.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 13.07.2015 zu TOP 4 wird für ungültig erklärt, hilfsweise, es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 13.07.2015 zu TOP 4 nichtig ist.

Die Beklagten beantragten

K l a g e a b w e i s u n g.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Vermietung an Asylbewerber keine ordnungsgemäße Nutzung der im Eigentum der Kläger stehenden Wohn- und Teileigentumseinheiten darstelle. Insbesondere sei die Nutzung zur Unterbringung von Asylbewerbern keine zu Wohnzwecken dienende Nutzung, da aufgrund der Umstände, dass mehrere erwachsene Personen und nicht Familien untergebracht werden, die Bewohner ständig wechseln würden und dementsprechend mehr Besuche empfangen, eine über die normale Wohnnutzung hinausgehende Belastung und Beeinträchtigung gegeben sei. Darüber hinaus tragen die Beklagten vor, dass eine erhebliche Beeinträchtigung durch die Asylbewerber bzw. durch deren Besucher stattgefunden habe. So gehe von den Asylbewerbern eine erhebliche Lärmbelästigung aus und es werde insbesondere dem Sicherheitsbedürfnis der anderen Bewohner nicht ausreichend Rechnung getragen, da schon mehrfach die Polizei habe erscheinen müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 06.10.2015 (Bl. 13/19 d. Akte) und vom 15.12.2015 (Bl. 36/41 d. Akte) vollinhaltlich Bezug genommen. Ferner sind die Beklagten der Ansicht, dass im Rahmen der Vermietung eine einheitliche Vermietung beider Einheiten vorliege und letztlich daher beide Einheiten insgesamt zu Wohnzwecken genutzt werden würden.

Das Gericht hat Beweis erhoben zur Frage der Belegung und Nutzung der Wohnung Nr. 27 und des Kellerbereichs Nr. 104 durch Einvernahme der Zeugen… und …… Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.12.2015 vollinhaltlich Bezug genommen. Ferner wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sonstigen Aktenteilen.


Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und vollumfassend begründet. Die angefochtenen Beschlüsse zu TOP 3 und zu 4 waren für ungültig zu erklären.

1. Ungültigkeitserklärung zu TOP 3

Der angegriffene Tagesordnungspunkt 3 war für ungültig zu erklären, da zur Überzeugung des Gerichts die Nutzung der Einheit Nr. 27 zur Unterbringung von Asylbewerbern eine zulässige Wohnnutzung darstellt und die Teileigentumseinheit Nr. 104 nicht zu Wohnzwecken genutzt wird.

a) Das Gericht ist der Ansicht, dass die Unterbringung von Asylbewerbern eine zulässige Wohnnutzung darstellt. Wie der BGH in seinem Urteil vom 15.01.2010 ausgeführt hat (BGH ZWE 2010, 130), ist maßgeblich für die Frage, was eine zulässige Wohnnutzung darstellt, § 1 WEG in Verbindung mit der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung heranzuziehen. Nach § 1 Abs. 2 WEG kann Wohnungseigentum nur an einer Wohnung begründet werden, so dass das Sondereigentum zum Wohnen geeignet und das Wohnungseigentum zum Wohnen auch bestimmt sein muss und sich seine ordnungsgemäße Nutzung nach diesem Zweck richtet. Der BGH führt insoweit aus (BGH ZWE 2010, 130, 131): „Zu dieser ordnungsgemäßen Nutzung gehört sicher in erster Linie die Nutzung der Wohnung als Lebensmittelpunkt . Darauf beschränkt sich der Wohnzweck (…) nicht. Ähnlich wie der Begriff der Wohnung in Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (…) ist auch der hier in der Teilungserklärung verwendete Begriff der Wohnung in § 1 Abs. 2 WEG weit auszulegen und am Ziel der Vorschrift auszurichten. Ziel der Vorschrift ist es zwar auch, die Wohnungsnutzung von der sonstigen Nutzung abzugrenzen, für die mit § 1 Abs. 3 WEG das Teileigentum vorgesehen ist. Entscheidend ist aber, dass dem Wohnungseigentümer Eigentum zugewiesen wird, das vollen Eigentumsschutz genießt (…). Der Wohnungseigentümer ist auch nicht darauf beschränkt, seine Wohnung ausschließlich zu Wohnzwecken zu nutzen.“

b) In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Zulässigkeit der Unterbringung von Feriengästen. Dies erachtete der BGH unter Berücksichtigung obiger Ausführungen für zulässig, insbesondere spreche gegen eine zulässige Nutzung auch nicht die nur verhältnismäßig kurze Dauer des Aufenthalts, der häufige Wechsel der Bewohner und damit einhergehend ein gegebenenfalls gesteigerte Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der übrigen Bewohner. Der BGH hat insoweit ausgeführt, dass der häufige Wechsel des Mieters als solcher nicht zu Beeinträchtigungen führt, die sich signifikant von den anderen Formen der Wohnnutzung abheben. Soweit darüber hinaus noch in dem vom BGH entschiedenen Fall damit argumentiert wurde, dass durch die Vermietung an Feriengäste das Gemeinschaftseigentum einer Wohnungseigentumsanlage stärker beansprucht oder gar in Mitleidenschaft gezogen werde als bei einer Nutzung durch die Eigentümer selbst oder durch Dauermieter kam der BGH zu dem Ergebnis, dass dieses Argument zwar im Einzelfall zutreffen kann, aber eine Regel hieraus nicht abgeleitet werden könne. Vielmehr sei die entscheidende Frage, ob ein solches Fehlverhalten bei Feriengästen typischerweise eher erwartet werden könne als bei Dauerbewohnern. Gerade insoweit fehle es aber an jedweden Anhaltspunkt. Auch der Charakter der Wohnanlage werde schließlich durch die Vermietung von Feriengästen nicht nachteilig verändert. Letztlich kam damit der BGH zu dem Ergebnis, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Beschlusskompetenz nach § 15 WEG oder nach § 1004 BGB nicht zustehe.

c) Die Wertungen die der BGH für Feriengäste aufgestellt hat, sind nach Ansicht des Gerichts auch auf die Unterbringung von Asylbewerbern zu übertragen. Auch bei Asylbewerbern lässt sich aus etwaigen Einzelfällen keine allgemeine Regelung dahingehend ableiten, dass die Nutzung zur Unterbringung von Asylbewerbern eine erheblich größere Belastung und Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums darstellt, als die Vermietung an andere Personengruppen. Zwar mögen sich im Einzelfall durchaus Beeinträchtigungen ergeben, solche Beeinträchtigungen können sich aber auch bei der Vermietung an andere Personengruppen ergeben. Eine spezifisch höhere Beeinträchtigung oder Belastung durch die Unterbringung von Asylbewerbern vermag das Gericht nicht zu erkennen. Dementsprechend ist auch die Untersagung der Nutzung zur Überlassung zur Unterbringung von Asylbewerbern als generelle Beschlussfassung unzulässig.

d) Etwas anderes lässt sich zur Überzeugung des Gerichts auch nicht aus der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLGZ 1991, 409) ableiten, da darin das Bayerische Oberste Landesgericht ausgesprochen hat, dass die Regelung in einer Gemeinschaftsordnung, wonach die Eigentümer einer Wohnanlage verpflichtet sind, die Eigenart des Bauwerks als gutes Wohnhaus zu wahren und zu schützen, es nicht schlechthin ausschließt, eine Wohnung in dieser Anlage zum dauernden Bewohnen durch eine von der Verwaltungsbehörde eingewiesene asylberechtigte Familie zu überlassen. Soweit das BayObLG darin weiter noch darauf abstellen wollte, ob im Einzelfall Beeinträchtigungen vorliegen oder aufgrund bestimmter Tatsachen für die Zukunft zu befürchten sind, die mehr stören als bei einer normalen Vermietung oder die mit dem Charakter eines Haus als gutes Wohnhaus nicht vereinbar erscheinen lassen, ist gerade eine solche Einzelbetrachtung durch den hier angefochtenen Beschluss nicht vorgenommen worden. Im hier angefochtenen Beschluss werden generell alle Vermietungen zur Unterbringung an Asylbewerbern ohne konkreten Bezug zu einem Einzelfall ausgeschlossen.

e) Eine Überbelegung der Wohneinheit Nr. 27 ergab sich zudem aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der einvernommenen Zeugen zur Überzeugung des Gerichts nicht. Eine Belegung mit max. 8 erwachsenen Personen bei 92 qm stellt noch keine Überbelegung und damit eine Überbeanspruchung des Gemeinschaftseigentums und damit eine Beeinträchtigung nach § 14 WEG nicht dar:

Soweit die Teileigentumseinheit Nr. 104 betroffen ist, ergab die durchgeführte Beweisaufnahme gerade nicht, dass hier Asylbewerber untergebracht werden. Aufgrund des vorgelegten Mietvertrages mit dem Freistaat Bayern und der Aussage des zuständigen Sachbearbeiters vom Landratsamt steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass nur die Wohneinheit Nr. 27 zu Wohnzwecken vermietet wurde, nicht aber die Teileinheit Nr. 104. Soweit nun die Beklagten vortragen lassen, dass zum Teil und unregelmäßig diese Teileinheit von den Bewohnern der Wohneinheit Nr. 27 auch dazu genutzt wird, dass sie sich dort aufhalten, duschen und vereinzelt auch dort unten übernachtet, so stellt dies allein für sich betrachtet noch keine unzulässige Wohnnutzung dar. Diese Kellereinheit ist als Hobby – und Aufenthaltsraum konzipiert, in dem sich, wie auch die einvernommenen Zeugen bestätigt haben, auch Fitnessgeräte befinden. Insoweit stellt daher auch die von den Beklagten behauptete Nutzung der Kellereinheit noch keine unzulässige Wohnnutzung dar.

f) Soweit darüber hinaus noch konkrete Beeinträchtigungen von den Beklagten vorgebracht werden, so kommt es hierauf zur Überzeugung des Gerichts zur Beurteilung der hier streitigen Frage, ob der gefasste Beschluss ungültig ist oder nicht, nicht an. Die von den Beklagten behaupteten Beeinträchtigungen können von den einzelnen Wohnungseigentümern nach § 15 Abs. 3 WEG als Unterlassungsansprüche in Verbindung mit § 1004 BGB geltend gemacht werden. Eine Beschlusskompetenz dahingehend, dass die Vermietung und Unterbringung von Asylbewerbern aber untersagt wird, kann hieraus zur Überzeugung des Gerichts nicht abgeleitet werden. Hinzu kommt, dass wie bereits oben ausgeführt, ein kausaler Zusammenhang von den geschilderten Beeinträchtigungen und der Tatsache, dass es sich um Asylbewerber handelt, zur Überzeugung des Gerichts nicht gemacht werden kann. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, weshalb gerade diese spezifische Personengruppe eine spezifisch höhere Belastung und Beeinträchtigung darstellen würde als eine andere Personengruppe. Auch bei anderen Mietern kann es zu Lärmbeeinträchtigungen durch spätes Kochen, Unterhaltungen und Streitigkeiten bis hin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen. Insoweit besteht für eine Differenzierung zwischen der Vermietung an Asylbewerbern einerseits und der Vermietung an andere Personen andererseits kein zwingender Grund.

Von daher war der angefochtene Beschluss für ungültig zu erklären.

2. Anfechtung von TOP 4

Als Folgeentscheidung zur Ungültigkeitserklärung zu TOP 3 war dementsprechend auch der angefochtene TOP 4, der Klageandrohung, für ungültig zu erklären.

Insgesamt war daher der Klage vollumfassend stattzugeben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3, 5 ZPO und orientierte sich an dem wirtschaftlichen Interesse, wie vom Klägervertreter mit Klageschriftsatz vorgetragen. Danach war zum einen die für die Vermietung getätigten Investition von 4.000,– EUR und dem bis zum Ablauf der fest vereinbarten Mietzeit noch zu erwartenden Miete in Höhe von 27.900,– EUR, Gesamtsumme von 31.900,– EUR, zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich der festzusetzende Streitwert.


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