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Aufbewahrungspflicht von Post des Ex-Mieters durch den Vermieter


LG Darmstadt

Az: 25 T 138/13

Beschluss vom 30.12.2013


Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 08.11.2013 (313 C 286/13) wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.100 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin war bis zum 31.3.2013 gewerbliche Mieterin der der Antragsgegnerin gehörenden Geschäftsräume in […]. Sie betrieb dort eine Anwalts- und Notarkanzlei. Die Antragstellerin zog zum 28.3.2013 aus und übergab der Antragsgegnerin alle Schlüssel einschließlich der Briefkastenschlüssel. Das neue Büro der Antragstellerin befindet sich ebenfalls in […], rund 400 m von den ehemaligen Mieträumen entfernt.

Mit Mail vom Samstag, dem 21.9.2013 (19:22 Uhr) teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie anlässlich der Übergabe der Räume an die neuen Mieter Geschäftspost aus dem April 2013 für die Antragstellerin in dem Briefkasten der Gewerbeeinheit vorgefunden habe; eine Foto der vorgefundenen Post war der Mail beigefügt. Weiter schrieb sie: „Ich habe aus bekannten Gründen wahrlich keine Veranlassung mehr, Ihnen gegenüber in irgendeiner Weise hilfsbereit zu sein. Dennoch informiere ich Sie über meinen „Fund“.“

Am Vormittag des folgenden Dienstag, dem 24.9.2013, bemühten sich Mitarbeiter der Antragstellerin mehrfach vergeblich durch persönliche Vorsprache um Aushändigung der Post. Mit Schreiben vom 25.9.2013 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Herausgabe der Schriftstücke bis 18 Uhr am gleichen Tage auf, die Antragsgegnerin reagierte jedoch nur per Mail mit der Aufforderung an die Antragstellerin, sie nicht mehr zu belästigen.

Mit Schriftsatz vom 26.9.2013, am gleichen Tag beim Amtsgericht Darmstadt eingegangen, beantragte die Antragstellerin daher, der Antragsgegnerin im Wege der Einstweiligen Verfügung die Herausgabe der dort noch eingegangenen Postsendungen aufzugeben. Die Einstweilige Verfügung wurde antragsgemäß am gleichen Tage erlassen.

Die Antragsgegnerin erhob mit Schriftsatz vom 29.9.12013 Widerspruch und verwies darauf, dass sie nicht mehr im Besitz der von ihr vorgefundenen Sendungen sei, da sie diese schon am 23.9.2013 in einen „öffentlichen Briefkasten“ geworfen habe.

Die Antragstellerin nahm daraufhin den Antrag auf Erlass der Einstweiligen Verfügung zurück.

Mit Beschluss vom 8.11.2013 erlegte das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auf.

Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin am 13.11.2013 zugestellt. Mit einem am 25.11.2013 eingegangenen Schriftsatz erhob die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde und führt aus, es habe sowohl an einem Verfügungsanspruch als auch an einem Verfügungsgrund gefehlt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Der Antragsgegnerin sind zu Recht die Kosten des Verfahrens auferlegt worden.

1. Die Antragsgegnerin war verpflichtet, die von ihr vorgefundene Geschäftspost an die Antragstellerin auszuhändigen. Diese Pflicht ergibt sich gem. § 242 BGB nach Treu und Glauben als nachwirkende Pflicht aus dem beendeten Mietvertrag.

a) Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass den Vermieter als nachwirkende vertragliche Nebenpflichten Obhuts- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich von nicht offensichtlich wertlosen Gegenständen und Einrichtungen trifft, die der Mieter bei seinem Auszug zurücklässt (vgl. BGH, Urt. v. 27.4.1971, VI ZR 191, 69, juris; Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 546 Rn. 59; Bieber in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 546 Rn. 9). Das Ausmaß der Pflichten hängt dabei davon ab, ob der Mieter den Besitz der Mietsache freiwillig aufgegeben und dabei die Gegenstände zurückgelassen hat oder ob sich der Vermieter den Besitz an der Mietsache durch verbotene Eigenmacht bzw. im Wege der (vermeintlichen) Selbsthilfe wieder verschafft und dabei die Gegenstände vorgefunden hat.

b) Nichts anderes kann für Postsendungen gelten, die für den Mieter bestimmt sind und nach dessen Auszug in den Gewahrsam des Vermieters geraten. Auch hier ist er aufgrund der nachwirkenden vertraglichen Obhuts- und Aufbewahrungspflichten nicht berechtigt, sich dieser Sendungen einfach zu entledigen. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn es sich – wie hier – nicht nur um unwichtige Werbesendungen sondern ersichtlich um wichtige Geschäftspost für ein Anwalts- und Notarbüro handelt.

Offensichtlich war auch die Antragsgegnerin zunächst ebenfalls dieser Auffassung, hat sie doch am 21.9.2013 den Inhalt des Briefkastens an sich genommen und die gut 10, noch aus dem April 2013 stammenden Briefumschläge sogar für die Antragstellerin fotografiert, um diese per Mail über die Existenz dieser Schriftstücke zu informieren. Bis dahin hat sich die Antragsgegnerin völlig korrekt verhalten, wobei es hier aber – entgegen der Annahme der Antragsgegnerin – nicht nur um eine besondere Form der Hilfsbereitschaft der Antragsgegnerin ging sondern darum, dass sie damit ihre nachvertraglichen Pflichten erfüllte. Es lag jetzt an der Antragstellerin, diese Sendungen bei der Antragsgegnerin abzuholen. Darum hat sich die Antragstellerin auch alsbald pflichtgemäß bemüht. Dabei ist der Antragstellerin nicht vorzuwerfen, dass sie nicht sofort am Montag, dem 23.9.2013 tätig geworden ist. In einem größeren Anwaltsbüro bedarf es immer einiger Zeit, bis alle Mails gesichtet sind. Es ist daher noch als ausreichend anzusehen, dass Mitarbeiter der Antragstellerin gleich am Vormittag des Folgetages, dem 24.9.2013, bei der Antragsgegnerin vorstellig geworden sind, um dort die Post abzuholen. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vermieter möglicherweise verpflichtet ist, bei ihm noch eingegangene Mieterpost von sich aus an den ausgezogenen Mieter weiterzuleiten, kann daher hier dahingestellt bleiben.

Diese naheliegenden Bemühungen hat die Antragsgegnerin jedoch mutwillig vereitelt, indem sie – ihren Vortrag als richtig unterstellt – diese Sendungen am 23.9.2013 einfach in einen „öffentlichen Briefkasten“ (offensichtlich der Deutsche Post AG) geworfen hat. Damit hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt. Soweit es sich um Sendungen handelte, die von privaten Postdienstleistern befördert worden waren (wie üblicherweise Sendungen der Justiz an die Anwälte), war die Deutsche Post AG schon gar nicht dafür zuständig, diese Sendungen weiter zu befördern, da sie kein Entgelt dafür erhalten hatte. Zudem wäre das Einwerfen in einen öffentlichen Briefkasten allenfalls dann sachgemäß gewesen, wenn die Antragsgegnerin wenigstens die neue Adresse der Antragstellerin auf den Briefen vermerkt hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen, da nie einer dieser Briefe bei der Antragstellerin eingetroffen ist. Man kann daher allenfalls mutmaßen, dass diese Briefe – wenn die Deutsche Post AG sie überhaupt befördert hat – wieder an die Absender zurückgegangen sind, ohne dass für die Absender erkennbar wurde, wieso diese Briefe dort nach Monaten wieder eintrafen.

Die Antragsgegnerin hat durch dieses Verhalten gegen ihre Obhuts- und Aufbewahrungspflichten verstoßen. Dabei ist ohne Bedeutung, ob – wie es in der Mail vom 21.9.2013 anklingt – möglicherweise die Antragstellerin im Verlaufe des Mietverhältnisses irgendwelchen Anlass für eine Verärgerung der Antragsgegnerin gegeben hatte. Selbst wenn dies zutreffen sollte, berechtigte dies die Antragsgegnerin unter keinen denkbaren Umständen, so mit der für die Antragstellerin bestimmten Geschäftspost zu verfahren, wie es hier geschehen ist.

2. Zu Recht bemühte sich die Antragstellerin um Durchsetzung ihres Anspruchs im Wege der Einstweiligen Verfügung. Die Sache war erkennbar eilbedürftig. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung, dass jedes Anwalts- und Notarbüro dringendst darauf angewiesen ist, möglichst schnell in den Besitz der Geschäftspost zu gelangen, da diese jederzeit Ladungen oder Fristsetzungen enthalten kann, zu deren Beachtung Anwalt und Notar verpflichtet sind.

3. Da die Antragsgegnerin sich selbst die Erfüllung dieser Pflichten durch die Entsorgung der Briefe in einen öffentlichen Briefkasten am 23.9.2013 noch vor Einreichung der Antragsschrift beim Amtsgericht am 26.9.2013 unmöglich gemacht hat, hat sie nach billigem Ermessen die Kosten des Rechtsstreits gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO zu tragen. Dabei ist ohne Bedeutung, dass die Erledigung schon vor Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Amtsgericht eingetreten ist, da die Antragstellerin bei Einreichung ihres Antrags von der Entsorgung der Postsendungen durch die Antragsgegnerin nichts wusste (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Greger in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 269 Rn. 18c). Erstmals mit der eidesstattlichen Versicherung der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin vom 28.9.2013, dem Amtsgericht vorgelegt mit dem Widerspruch vom 29.9.2013 und der Antragstellerin durch das Amtsgericht übermittelt am 9.10.2013 wurde mitgeteilt, dass man die Postsendungen schon am 23.9.2013 in einen öffentlichen Briefkasten geworfen hatte.

4. Nachdem die Beschwerde somit keinen Erfolg hat, hat die Antragsgegnerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts trägt – ausgehend von dem vom Amtsgericht festgesetzten Gegenstandswert von 5.000,00 € – den in dem Verfahren entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten Rechnung.

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