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Aufenthaltsbestimmungsrechtsübertragung – Beschwerde

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: XII ZB 101/07

Beschluss vom 15.08.2007

Vorinstanzen:

AG Obernburg, Az.: 2 F 957/06, Urteil vom 22.02.2007

OLG Bamberg, Az.: 2 UF 103/07, Urteil vom 23.05.2007


Leitsätze:

a) Vor der Verwerfung eines Rechtsmittels wegen Versäumung der Begründungsfrist ist dem Rechtsmittelführer rechtliches Gehör zu gewähren (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 13. Juli 2005 – XII ZB 80/05 – NJW-RR 2006, 142 und BGH Beschluss vom 29. Juni 1993 – X ZB 21/92 – NJW 1994, 392).

b) Hat das Gericht die befristete Beschwerde als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist begründet worden ist, steht dies einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist nicht entgegen, da dem Verwerfungsbeschluss bei Gewährung der Wiedereinsetzung die Grundlage entzogen würde (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 – XII ZB 225/04 – FamRZ 2005, 791). Ist über eine Wiedereinsetzung noch nicht entschieden, kann der Verwerfungsbeschluss auch isoliert im Verfahren der Rechtsbeschwerde aufgehoben werden.


In der Familiensache hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am 15. August 2007 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Vaters wird der Beschluss des 2. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Bamberg vom 23. Mai 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 3.000 €

Gründe:

I.

Die geschiedenen Verfahrensbeteiligten zu 1 und 2 streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr gemeinsames minderjähriges Kind. Das Amtsgericht hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter übertragen und es im Übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge belassen. Gegen den ihm am 12. März 2007 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts hat der Vater rechtzeitig befristete Beschwerde eingelegt. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass die Begründung der Beschwerde einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleibe.

Nach Ablauf der Begründungsfrist hat das Oberlandesgericht die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden sei. Der Beschluss wurde dem Vater am 4. Juni 2007 zugestellt. Am 14. Juni 2007 beantragte dieser Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist, begründete die Beschwerde und beantragte Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Nachdem das Beschwerdegericht ihm mitgeteilt hatte, dass über das Wiedereinsetzungsgesuch wegen der bereits verworfenen Berufung nicht mehr entschieden werde, erhob der Vater gegen den Verwerfungsbeschluss Rechtsbeschwerde.

II.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 621 e Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch zulässig, weil die angefochtene Entscheidung den Vater in seinen Verfahrensgrundrechten verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG), was eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass noch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aussteht.

Dem die Beschwerde verwerfenden Beschluss wird im Falle der Bewilligung der Wiedereinsetzung die Grundlage entzogen, damit wird er gegenstandslos (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2005 – XII ZB 225/04 – FamRZ 2005, 791, 792 und vom 10. Mai 2006 – XII ZB 42/05 – NJW 2006, 2269). Das Beschwerdegericht wäre deswegen – entgegen seiner Rechtsauffassung – nicht gehindert gewesen, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden.

Das steht einem Rechtsschutzbedürfnis des Vaters jedoch nicht entgegen, weil die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung unabhängig von der zu bewilligenden Wiedereinsetzung schon bei Verletzung der Verfahrensgrundrechte Erfolg hat und das Beschwerdegericht sogar ausdrücklich eine Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch abgelehnt hatte.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Zwar ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den das Rechtsmittel mangels rechtzeitig eingegangener Begründung verwerfenden Beschluss die Frage der Wiedereinsetzung nicht zu prüfen, so dass der Vater im vorliegenden Verfahren nicht geltend machen kann, die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist habe auf einem der Partei nicht zurechenbaren Verschulden beruht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Juli 2005 – XII ZB 80/05 – NJW-RR 2006, 142, 143 und vom 7. Oktober 1981 – IVb ZB 825/81 – FamRZ 1982, 163).

b) Die Rechtsbeschwerde ist aber schon deswegen begründet, weil das Beschwerdegericht den Vater vor seiner Entscheidung nicht angehört und damit dessen Verfahrensrecht auf rechtliches Gehör verletzt hat.

Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO) im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Fall einer Verwerfung eines unzulässigen Rechtsmittels eine Anhörung der Partei nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschlüsse vom 13. Juli 2005 – XII ZB 80/05 – NJW-RR 2006, 142 und vom 18. Juli 2007 – XII ZB 162/06 – zur Veröffentlichung bestimmt). Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens somit ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern.

Das Beschwerdegericht durfte – entgegen seiner Rechtsauffassung – auch nicht deswegen von einer vorherigen Anhörung des Vaters absehen, weil er sich die Beschwerdebegründung für einen gesonderten Schriftsatz innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist (§ 520 Abs. 2 i.V.m. § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO) vorbehalten hatte. Denn damit hatte der Antragsteller ausdrücklich deutlich gemacht, dass er beabsichtigte, die Beschwerde noch gesondert zu begründen.

Dies ließ die Notwendigkeit, den Prozessbevollmächtigten auf den fehlenden Eingang der Beschwerdebegründung hinzuweisen, nicht entfallen, sondern hätte allenfalls zusätzlichen Anlass für einen solchen Hinweis geben können.

c) Mit Rücksicht auf diesen – ausdrücklich gerügten – Verfahrensfehler des Beschwerdegerichts ist die Rechtsbeschwerde begründet: Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht, das zunächst über das Wiedereinsetzungsgesuch zu befinden haben wird.

3.

Vor einer Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag wird der Vater seinen Vortrag allerdings zu konkretisieren haben. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund sein Verfahrensbevollmächtigter die ordnungsgemäße Eintragung der Frist nicht erneut bei Vorlage der Handakten zur Fertigung der Beschwerdeschrift geprüft und die eingetragene falsche Frist zur Begründung der Beschwerde korrigiert hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. August 2007 – XII ZR 57/07 – zur Veröffentlichung bestimmt, vom 21. April 2004 – XII ZB 243/03 – FamRZ 2004, 1183 f. und vom 11. Februar 2004 – XII ZR 263/03 – FamRZ 2004, 696).

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