Oberlandesgericht Hamm
Az: 10 WF 87/08
Beschluss vom 16.07.2008
1.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund vom 04.06.2008 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 500 Euro festgesetzt (§ 24 S. 1 RVG).
2.
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die gemäß §§ 620 c S. 1, 621 g, 621 I 1 Nr. 1 ZPO zulässige Beschwerde des Antragstellers (Vater) ist in der Sache nicht begründet.
Aus zutreffenden Erwägungen hat das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame minderjährige Tochter der Parteien, B, geb. 13.06.1997, im Wege der einstweiligen Anordnung ab Beginn der Sommerferien bis zur Entscheidung über die Hauptsache auf die Antragsgegnerin (Mutter) übertragen. Das Beschwerdevorbringen nötigt zu keiner abweichenden Entscheidung.
1.
Für die einstweilige Anordnung zur vorläufigen Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts besteht ein Regelungsbedürfnis, weil sich die Parteien nicht darüber verständigen können, bei welchem der beiden Elternteile B leben soll, in der Sache selbst aber noch nicht endgültig entschieden werden kann, weil das Familiengericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens veranlasst hat.
Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ist einem Elternteil auf seinen Antrag hin ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung des in Frage stehenden Teils der elterlichen Sorge und deren Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am Besten entspricht. Insoweit unterliegt die Regelung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge den gleichen Voraussetzungen wie die Regelung der elterlichen Sorge insgesamt. Mit dem Familiengericht ist der Senat der Auffassung, dass das Aufenthaltsbestimmungsrechts einstweilen, d.h. ab Beginn der Sommerferien, auf die Mutter zu übertragen ist.
2.
Für diese Auffassung sind bei der im Rahmen der einstweiligen Anordnung gebotenen summarischen Betrachtung der Verhältnisse letztlich zwei Gesichtspunkte entscheidend:
a.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass vollzogene familiengerichtliche Eilentscheidungen zur elterlichen Sorge, die – wie vorliegend – nach Anhörung aller Verfahrensbeteiligten, einschl. Jugendamt und Verfahrenspflegerin, ergangen sind, im Beschwerdeverfahren nur dann abgeändert werden dürfen, wenn die Beschwerde Umstände aufzeigt und glaubhaft macht, aus denen sich für den verbleibenden Zeitraum bis zur abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren eine Gefährdung des Wohls des Kindes oder die Gefahr sonstiger schwerwiegender Unzulänglichkeiten für dessen Versorgung ableiten lassen (so auch OLG Brandenburg FamRZ 2004, 210; OLG Dresden FamRZ 2003, 1306; OLG Köln FamRZ 1999, 181). Denn die Abänderung einer einstweiligen Anordnung zur Regelung des Aufenthalts im Beschwerdeverfahren entspricht in der Regel nicht dem Wohl des betroffenen Kindes: Diesem ist ein mehrfacher Wechsel zwischen den Eltern nicht zuzumuten. Dies gilt gerade im hier zu entscheidenden Fall, in dem B bis zum 30.03.2008 bei der Mutter in T gelebt hat, dann zum Vater nach E gewechselt ist (ob als vorübergehende oder dauerhafte Lösung ist zwischen den Parteien streitig), am 18.05.2008 zur Mutter, am 23.05.2008 aus schulischen Gründen wieder zum Vater und mit Beginn der Sommerferien erneut zur Mutter zurückgekehrt ist. Der Umstand, dass der Vater mit seiner zweiten Ehefrau und deren Kindern nunmehr ab dem 01.07.2008 von E nach H verzogen ist und B demzufolge auch bei einem Aufenthalt beim Vater wie geplant die Realschule in H besuchen könnte, würde an der Fortsetzung des ständigen Hin und Her nichts ändern.
Schwerwiegende Gründe, die bei einem Verbleib Bs bei der Mutter eine Gefährdung des Kindeswohls befürchten lassen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Ob – wie der Vater behauptet – B bei der Mutter tatsächlich nicht die erforderliche Unterstützung im schulischen Bereich erfährt, ist auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse für den Senat derzeit nicht überschaubar. Zwar hat B von der Schule in E ein besseres Zeugnis erhalten als zuvor von der Schule in T; worauf die Verbesserung der schulischen Leistungen letztendlich zurückzuführen ist (bessere Förderung durch den Vater, wohlwollendere Benotung) ist derzeit ebenfalls nicht überschaubar.
Auch aus den vom Senat im Beschwerdeverfahren eingeholten Stellungnahmen des Jugendamtes und der Verfahrenspflegerin ergibt sich kein Bild, das die Prognose rechtfertigt, bei einem Nichteingreifen des Gerichts wäre das Wohl von B beeinträchtigt. Zwar tendiert das Jugendamt eher dazu, dass der Vater mehr Gewähr für die Förderung der schulischen Leistungen bietet, während die Verfahrenspflegerin auch der Mutter eine angemessene Förderung zutraut und eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht für notwendig erachtet. Wie dem auch sei: Für den verbleibenden Zeitraum bis zur abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren ist auf dieser Grundlage nicht ersichtlich, dass die Aufhebung der getroffenen Entscheidung aus Gründen der Gefährdung des Wohls des Kindes erforderlich ist.
b.
Zu Recht hat das Amtsgericht auch den ausdrücklich geäußerten Wunsch des Kindes, bei der Mutter bleiben zu wollen, mitentscheidend berücksichtigt. Schon das Persönlichkeitsrecht des Kindes erfordert es, dass sein Wille im Rahmen seines wohlverstandenen Interesses Gehör findet, wobei die Entwicklung seiner Persönlichkeit und die Gründe, die das Kind zu seiner Haltung veranlassen, zu prüfen sind. B ist 11 Jahre alt, sodass ihr Wille – mag er in der Vergangenheit auch zeitweise schwankend gewesen sein – durchaus ernst zu nehmen ist. Jedenfalls zur Zeit kann nicht festgestellt werden, dass der geäußerte Wille des Kindes sich nicht mit dem Kindeswohl vereinbaren lässt. Falls sich die negativen Befürchtungen des Vaters, z.B. die schulischen Leistungen des Kindes betreffend (was allerdings für das endgültige Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht allein ausschlaggebend sein dürfte), bestätigen sollten, wird sich dies bald zeigen und kann bei der bevorstehenden Begutachtung und der Entscheidung in der Hauptsache berücksichtigt werden.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a I 2 FGG.
II.
Aus den vorgenannten Gründen ist dem Antragsteller auch die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) zu versagen.