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Auffahrunfall im Zusammenhang mit Fahrstreifenwechsel auf Autobahn

Dramatischer Unfall auf der Autobahn infolge eines riskanten Spurwechsels: Ein Autofahrer hat nach Ansicht des Gerichts durch grobe Fahrlässigkeit einen Zusammenstoß provoziert. Die Sicht war frei, der Fahrer hätte den nachfolgenden Verkehr erkennen müssen. Nun muss er die Zeche allein zahlen.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 3/08 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Der Kläger forderte Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall auf der Autobahn A2.
  • Der Kläger wechselte die Spur und kollidierte mit dem Fahrzeug des Beklagten.
  • Das Gericht entschied, dass der Kläger die alleinige Schuld am Unfall trägt.
  • Der Kläger hat beim Fahrstreifenwechsel nicht die notwendige Sorgfalt walten lassen.
  • Der Kläger hat die linke Fahrspur zu langsam befahren und den rückwärtigen Verkehr nicht ausreichend beachtet.
  • Der Anscheinsbeweis spricht dafür, dass der Kläger den Unfall durch seine Sorgfaltspflichtverletzung verursachte.
  • Der Kläger konnte die Sicht auf die linke Spur nicht durch Kuppe oder Kurve eingeschränkt beweisen.
  • Der Beklagte konnte kein unfallursächliches Fehlverhalten nachgewiesen werden.
  • Das Gericht hat daher die Klage des Klägers abgewiesen.
  • Der Kläger muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Alleinschuldig nach riskanter Spurwechsel-Aktion auf Autobahn

Autofahren auf Autobahnen bringt für alle Verkehrsteilnehmer besondere Herausforderungen mit sich. Insbesondere der Fahrstreifenwechsel stellt eine heikle Situation dar, die häufig zu Unfällen führt. Das Recht sieht dafür klare Regeln vor, um die Sicherheit zu gewährleisten. Doch nicht immer lassen sich Kollisionen vermeiden, wenn ein Fahrzeug plötzlich den Fahrstreifen wechselt. In solchen Fällen stellt sich oft die Frage nach der Schuldfrage und den rechtlichen Konsequenzen. Um ein besseres Verständnis für diese komplexen Zusammenhänge zu bekommen, lohnt es sich, die rechtlichen Grundlagen näher zu betrachten. Im Folgenden werden wir uns daher ein konkretes Gerichtsurteil zu einem solchen Auffahrunfall im Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel ansehen und analysieren.

Ihre Rechte nach einem Unfall beim Fahrstreifenwechsel

Ein Unfall beim Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn kann komplexe rechtliche Herausforderungen mit sich bringen und erhebliche emotionale Belastungen verursachen. Vertrauen Sie auf unsere Expertise im Verkehrsrecht, um Klarheit über Ihre Rechte und Pflichten zu erhalten. Fordern Sie jetzt eine unverbindliche Ersteinschätzung an, damit Sie eine fundierte Entscheidung treffen und Ihre rechtlichen Herausforderungen effektiv bewältigen können.

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✔ Der Fall vor dem LG Bielefeld


Unfall beim Fahrstreifenwechsel auf Autobahn

Der Kläger ist für den Unfall alleinschuldend verantwortlich und hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten. Das Gericht begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

  • Der Unfall steht in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel des Klägers auf die linke Fahrspur. Damit spricht zunächst der Anscheinsbeweis dafür, dass der Kläger den Unfall durch Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten beim Spurwechsel (§7 V StVO) verursacht hat.
  • Entgegen der Angaben des Klägers war die Strecke nicht unübersichtlich, sondern die Sicht nach hinten war über mindestens 1 km frei. Der Kläger hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit den Beklagten auf der linken Spur rechtzeitig erkennen können und müssen.
  • Ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten, insbesondere überhöhte Geschwindigkeit oder Unaufmerksamkeit, lässt sich nicht feststellen. Die Zeugenaussagen sind dafür nicht ausreichend belastbar.
  • Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist dem groben Sorgfaltsverstoß des Klägers, eine Gefährdung anderer auszuschließen, das entscheidende Gewicht beizumessen. Er hat den Unfall alleinschuldend verursacht.

Das Gericht weist daher die Klage auf Schadensersatz gegen die Beklagten vollumfänglich ab. Der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Der vorliegende Fall verdeutlicht die strikte Sorgfaltspflicht beim Fahrstreifenwechsel gemäß § 7 V StVO. Bei freier Sicht muss der Spurwechselnde den rückwärtigen Verkehr aufmerksam beobachten, um jegliche Gefährdung auszuschließen. Ein grober Verstoß hiergegen führt zur Alleinschuld, selbst wenn kein Fehlverhalten des Auffahrenden feststellbar ist. Die Rechtsprechung gewichtet diesen Sorgfaltsverstoß höher als mögliche Mitverursachungsanteile.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Unfall beim Fahrstreifenwechsel wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Welche Pflichten habe ich beim Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn?

Beim Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn sind mehrere Pflichten zu beachten, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Zunächst muss der Wechsel rechtzeitig vorbereitet werden. Dies bedeutet, dass der Verkehr durch die Innen- und Außenspiegel beobachtet werden muss, um eine geeignete Gelegenheit für den Spurwechsel zu erkennen. Sobald die Möglichkeit besteht, muss der Blinker gesetzt werden, um die Absicht des Spurwechsels anzuzeigen. Ein Blick in die Spiegel und der Schulterblick sind notwendig, um sicherzustellen, dass niemand gefährdet wird. Erst wenn die Fahrbahn frei ist, darf der Spurwechsel vollzogen werden.

Es ist wichtig, ruckartige Fahrmanöver zu vermeiden, da diese bei hohen Geschwindigkeiten leicht zur Kontrolle über das Fahrzeugverlust und schweren Unfällen führen können. Kommt es zu einem Auffahrunfall während des Spurwechsels, haftet in der Regel derjenige, der die Spur gewechselt hat. Eine Teilschuld des anderen Verkehrsteilnehmers kann jedoch vorliegen, wenn dieser beispielsweise plötzlich beschleunigt hat.

Ein doppelter Spurwechsel ist grundsätzlich nicht verboten, jedoch muss die Verkehrssituation genau überblickt werden und niemand darf gefährdet werden. Beim Einfädeln auf die Autobahn gilt, dass der fließende Verkehr Vorfahrt hat und kein Reißverschlussverfahren angewendet wird. Der Auffahrende muss die gesamte Länge des Beschleunigungsstreifens nutzen und sich zügig in den Verkehr einordnen.

Ein Spurwechsel ist nur zulässig, wenn eine Gefährdung anderer ausgeschlossen werden kann und der Wechsel rechtzeitig per Blinker angekündigt wird. Wer diese Regeln missachtet, riskiert Bußgelder und Punkte in Flensburg.


Was bedeutet der Anscheinsbeweis bei einem Unfall auf der Autobahn?

Der Anscheinsbeweis, auch Beweis des ersten Anscheins genannt, ist eine Methode der mittelbaren Beweisführung, die auf Erfahrungssätzen beruht. Er wird häufig in Verkehrsunfallprozessen angewendet, um typische Geschehensabläufe zu bewerten. Bei einem Unfall auf der Autobahn kann der Anscheinsbeweis eine wichtige Rolle spielen, insbesondere bei Auffahrunfällen.

Auffahrunfälle gelten nach der allgemeinen Lebenserfahrung als typische Fälle, bei denen der Auffahrende in der Regel die Schuld trägt. Dies liegt daran, dass der Auffahrende verpflichtet ist, einen ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten und seine Fahrweise so anzupassen, dass er jederzeit rechtzeitig anhalten kann. Wenn es zu einem Auffahrunfall kommt, spricht der Anscheinsbeweis daher zunächst dafür, dass der Auffahrende unaufmerksam war oder den erforderlichen Abstand nicht eingehalten hat.

Spurwechsel auf der Autobahn können den Anscheinsbeweis jedoch erschüttern. Wenn vor dem Auffahrunfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, ist der Anscheinsbeweis nicht ohne Weiteres anwendbar. In solchen Fällen muss geprüft werden, ob der Spurwechsel korrekt und ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durchgeführt wurde. Ist der genaue Ablauf des Spurwechsels nicht aufklärbar, kann der Anscheinsbeweis nicht greifen, und es kommt häufig zu einer hälftigen Schadensteilung.

Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Fahrzeug wechselt auf der Autobahn die Spur und wird kurz darauf von einem anderen Fahrzeug gerammt. Der Auffahrende könnte argumentieren, dass der Spurwechsel abrupt und ohne ausreichende Ankündigung erfolgte, was den Anscheinsbeweis erschüttern würde. In diesem Fall müsste der vorausfahrende Fahrer nachweisen, dass der Spurwechsel ordnungsgemäß und ohne Gefährdung durchgeführt wurde.

Widerlegung des Anscheinsbeweises ist möglich, indem Tatsachen vorgetragen und bewiesen werden, die die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs begründen. Es reicht aus, ernsthafte Zweifel an der typischen Ursache des Unfalls zu wecken, ohne den genauen Hergang vollständig beweisen zu müssen.

Der Anscheinsbeweis erleichtert somit die Beweisführung in typischen Verkehrsunfällen, kann aber durch konkrete Umstände im Einzelfall widerlegt werden.


Wer trägt die Schuld, wenn es bei einem Spurwechsel zu einem Auffahrunfall kommt?

Der Anscheinsbeweis ist ein juristisches Instrument, das bei Verkehrsunfällen häufig zur Anwendung kommt, um die Schuldfrage zu klären. Er basiert auf typischen Erfahrungssätzen und erleichtert die Beweisführung, indem er eine Vermutung über den Unfallhergang aufstellt.

Beim Spurwechsel auf der Autobahn gilt grundsätzlich, dass derjenige, der die Spur wechselt, eine erhöhte Sorgfaltspflicht hat. Diese Pflicht ergibt sich aus § 7 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO), der besagt, dass ein Fahrstreifenwechsel nur dann durchgeführt werden darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Kommt es zu einem Auffahrunfall im Zusammenhang mit einem Spurwechsel, spricht der Anscheinsbeweis zunächst gegen den Spurwechsler. Dies bedeutet, dass vermutet wird, dass der Spurwechsler den Unfall verursacht hat, weil er seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Der Spurwechsler muss dann beweisen, dass er den Spurwechsel ordnungsgemäß und ohne Gefährdung durchgeführt hat, um diese Vermutung zu widerlegen.

Ein Beispiel: Ein Fahrzeug wechselt auf der Autobahn die Spur und wird kurz darauf von einem anderen Fahrzeug gerammt. Der Anscheinsbeweis spricht zunächst dafür, dass der Spurwechsler den Unfall verursacht hat, weil er möglicherweise den nachfolgenden Verkehr nicht ausreichend beachtet hat. Der Spurwechsler müsste nun nachweisen, dass der Unfall auch ohne seinen Spurwechsel passiert wäre, etwa weil der Auffahrende unaufmerksam war oder den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat.

Der Anscheinsbeweis kann jedoch erschüttert werden, wenn der Auffahrende nachweisen kann, dass der Spurwechsel abrupt und ohne ausreichende Ankündigung erfolgte. In diesem Fall könnte die Schuld teilweise oder vollständig auf den Auffahrenden übergehen, insbesondere wenn dieser plötzlich beschleunigt hat oder unaufmerksam war.

Ein Sonderfall ist das Reißverschlussverfahren, das greift, wenn ein Fahrstreifen endet oder nicht mehr durchgehend befahren werden kann. Hier sind die anderen Verkehrsteilnehmer verpflichtet, den Spurwechsel zu ermöglichen. Kommt es in dieser Situation zu einem Unfall, kann die Haftung anders beurteilt werden, da der Spurwechsler ein Recht auf Einfädeln hat.

Bei einem Auffahrunfall im Zusammenhang mit einem Spurwechsel spricht der Anscheinsbeweis zunächst gegen den Spurwechsler. Dieser muss beweisen, dass er den Spurwechsel ordnungsgemäß durchgeführt hat, um die Vermutung zu widerlegen. Gelingt dies nicht, haftet er in der Regel für den Unfall.


Welche Rolle spielt die Sichtverhältnisse bei der Bewertung eines Unfalls?

Sichtverhältnisse spielen eine zentrale Rolle bei der Bewertung eines Unfalls im Straßenverkehr. Sie beeinflussen maßgeblich die Beurteilung der Schuldfrage und die Haftungsverteilung zwischen den Unfallbeteiligten.

  • Anpassung der Geschwindigkeit: Gemäß § 3 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) müssen Fahrzeugführer ihre Geschwindigkeit den Sicht-, Straßen- und Wetterverhältnissen anpassen. Dies bedeutet, dass bei schlechten Sichtverhältnissen wie Nebel, Regen oder Dunkelheit die Geschwindigkeit so reduziert werden muss, dass das Fahrzeug innerhalb der einsehbaren Strecke sicher zum Stehen gebracht werden kann. Ein Verstoß gegen diese Regel kann als fahrlässiges Verhalten gewertet werden und zu einer Mitschuld oder alleinigen Haftung führen.
  • Beispielhafte Urteile: In einem Fall, der vor dem Amtsgericht Rinteln verhandelt wurde, verursachte ein Fahrer einen Unfall aufgrund starker Sonnenblendung. Das Gericht stellte fest, dass der Fahrer seine Geschwindigkeit nicht ausreichend reduziert hatte, um den eingeschränkten Sichtverhältnissen gerecht zu werden. Er wurde zu einer Geldbuße verurteilt, da er gegen das Sichtfahrgebot verstoßen hatte.
  • Mitverschulden bei Fußgängern: Auch Fußgänger müssen bei schlechten Sichtverhältnissen besondere Sorgfalt walten lassen. In einem Fall, der vor dem Landgericht verhandelt wurde, wurde einem Fußgänger ein erhebliches Mitverschulden angelastet, weil er bei Dunkelheit und Starkregen eine Straße ohne Fußgängerüberweg überquerte. Das Gericht entschied, dass der Fußgänger die Straße unter diesen Bedingungen entweder gar nicht oder nur mit äußerster Vorsicht hätte betreten dürfen.
  • Sichtbarkeit von Verkehrsteilnehmern: Die Sichtbarkeit von Fußgängern und Radfahrern spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Helle Kleidung und reflektierende Materialien können die Sichtbarkeit erheblich verbessern und somit Unfälle vermeiden helfen. Reflektierende Materialien sind bis zu 150 Meter sichtbar, während dunkle Kleidung nur eine Sichtweite von etwa 25 Metern ermöglicht. Dies kann entscheidend sein, um rechtzeitig bremsen zu können.
  • Konkrete Auswirkungen: Wenn ein Unfall bei schlechten Sichtverhältnissen passiert, wird geprüft, ob die beteiligten Fahrer ihre Geschwindigkeit angemessen reduziert haben. Ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot kann zu einer Minderung der Schadensersatzansprüche oder zu einer vollständigen Haftung führen. Auch die Wahl der Kleidung und die Nutzung von Reflektoren durch Fußgänger und Radfahrer können in die Bewertung einfließen.

Die Sichtverhältnisse sind ein wesentlicher Faktor bei der Bewertung eines Unfalls. Fahrer müssen ihre Geschwindigkeit stets so anpassen, dass sie innerhalb der einsehbaren Strecke sicher anhalten können. Verstöße gegen das Sichtfahrgebot können zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen führen. Auch Fußgänger und Radfahrer müssen ihre Sichtbarkeit erhöhen, um Unfälle zu vermeiden.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 7 Abs. 1 StVG: Dieser Paragraph beschreibt die allgemeine Haftung des Fahrzeughalters bei Unfällen im Straßenverkehr. Im vorliegenden Fall geht es um die Haftung für den Unfall auf der Autobahn, der beim Fahrstreifenwechsel des Klägers geschah.
  • § 7 Abs. 2 StVG: Hier wird festgelegt, dass die Haftung ausgeschlossen ist, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde. Im Fall wurde dies nicht anerkannt.
  • § 7 Abs. 5 StVO: Dieser Paragraph regelt die Sorgfaltspflichten beim Fahrstreifenwechsel. Der Kläger hat gegen diese Vorschrift verstoßen, da er beim Spurwechsel nicht ausreichend auf den nachfolgenden Verkehr geachtet hat.
  • § 17 StVG: Diese Vorschrift befasst sich mit der Abwägung der Verursachungsbeiträge bei einem Unfall. Das Gericht hat festgestellt, dass der Kläger den Unfall hauptsächlich verursacht hat.
  • Anscheinsbeweis: Im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen bedeutet dies, dass bei einem typischen Geschehensablauf der Anschein spricht, dass der Kläger den Unfall durch unsachgemäßen Fahrstreifenwechsel verursacht hat.
  • Betriebsgefahr: Die Betriebsgefahr bezieht sich auf die allgemeine Gefahr, die vom Betrieb eines Fahrzeugs ausgeht. Der Kläger muss neben seinem Fahrfehler auch diese Gefahr berücksichtigen.
  • Zeugenvernehmung: Die Aussagen der Zeugen und die Beweisaufnahme haben die Darstellung des Klägers nicht ausreichend bestätigt. Dies ist entscheidend für die gerichtliche Entscheidung.
  • Sachverständigengutachten: Das Gutachten hat ergeben, dass die Sichtverhältnisse gut waren und der Kläger den nachfolgenden Verkehr hätte beachten müssen, was seine Schuld am Unfall bestätigt.


⇓ Das vorliegende Urteil vom LG Bielefeld

LG Bielefeld – Az.: 2 O 3/08 – Urteil vom 15.05.2008

Die Klage wird abgewiesen

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckendenBetrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall auf der Bundesautobahn A 2 geltend.

Am 09.02.2007 gegen 18:40 Uhr befuhr der Kläger mit dem Fahrzeug Audi A 6 Avant, amtliches Kennzeichen xxx, hinter der Anschlussstelle P., die vorgenannte Autobahn in Fahrtrichtung Dortmund, mit einer Geschwindigkeit von ca. 150 km/h auf der mittleren der drei Fahrspuren. Auf der rechten und der mittleren Fahrspur bemerkte er sodann vor sich Warn- und Bremslichter, die auf einen Unfall hindeuteten. Da vor ihm scharf abgebremst wurde, bremste der Kläger ebenfalls sein Fahrzeug scharf ab und wechselte sodann auf die linke Fahrspur, wo er mit einer Geschwindigkeit von circa 80 km/h weiterfuhr. Dort kam es zum Unfall mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) vom Typ Porsche Cayenne, amtliches Kennzeichen xxx, der auf der linken Fahrspur unterwegs war.

Dabei wurden beide Fahrzeuge erheblich beschädigt.

Der Beklagte zu 1) hielt sein Fahrzeug anschließend an der rechten Mittelleitplanke an, während der Kläger sein Fahrzeug aufgrund des Ausfalls der Elektronik erst weit dahinter hinter einer Rechtskurve zum Halten bringen konnte.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger, der hinsichtlich des Fahrzeugschadens seine Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen hat, seinen restlichen Schaden gemäß der Darstellung in der Klageschrift (Blatt 5,6 der Akte) sowie des Schriftsatzes vom 10.4.2008 (Blatt 110 der Akte – Mietwagenkosten) zu 100% geltend.

Er behauptet, er habe sich vor dem Fahrstreifenwechsel ordnungsgemäß (Außenspiegel, Rückspiegel, Schulterblick) davon überzeugt, dass die linke Fahrspur frei gewesen sei und habe auch vor dem Spurwechsel den linken Fahrtrichtungsanzeiger getätigt. Er sei auch bereits mindestens 200 m auf der linken Fahrspur gefahren, bevor der Beklagte zu 1) aufgefahren sei. Der Unfall sei deshalb allein vom Beklagten zu 1) verschuldet worden, der offensichtlich vollkommen unaufmerksam unterwegs gewesen sei, während er, der Kläger, den Beklagten zu 1) nicht habe sehen können, da dieser sich noch hinter der vom Kläger passierten Bergkuppe und der sich anschließenden Rechtskurve befunden habe und damit für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

1) die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 7.924,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 27.10.2007 zu zahlen,

2) die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an das Sachverständigenbüro T. Sachverständigengebühren in Höhe von 1595,00 € aus der Gebührenrechnung vom 14.3.2007 zu zahlen,

3) festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger den aufgrund der Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung bezüglich der unfallbedingten Schäden bei der F. Versicherung, Versicherungsnummer xxx, künftig entstehenden Prämienschaden zu ersetzen.

4) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger als Nebenforderung für vorprozessuale anwaltliche Tätigkeit einen Betrag in Höhe von 775,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie machen geltend, dass der Unfall allein vom Kläger zu verantworten sei. Der Kläger habe offenbar zu spät den vor ihm sich bildenden Stau auf der mittleren Fahrspur bemerkt und sei dann, um nicht aufzufahren, plötzlich und unvermittelt ohne Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers vor dem Beklagten zu 1) auf dessen Fahrspur gewechselt. Der Beklagte zu 1) habe noch versucht, den Zusammenstoß durch eine Vollbremsung und Ausweichen nach links zu verhindern, was jedoch nicht mehr gelungen sei.

Der Kläger habe den Beklagten zu 1) schlichtweg übersehen, da es dort weder eine Kuppe noch einer Rechtskurve gebe.

Die Beklagten bestreiten darüber hinaus die Aktivlegitimation des Klägers und mit näheren Ausführungen auch die Höhe des geltend gemachten Schadens.

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen C., U. und O. sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen S.. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 10.04.2008 einschließlich der vom Sachverständigen überreichten Unterlagen (Blatt 86 ff der Akten) Bezug genommen.

Die Ermittlungsakte 34 Js 1760/07 der Staatsanwaltschaft Bielefeld lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten zu.

Der Unfall ist bei dem Betrieb der beiden beteiligten Fahrzeuge im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG entstanden. Keiner der Beteiligten kann für sich in Anspruch nehmen, dass der Unfall durch höhere Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG verursacht worden ist oder ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG darstellt.

Die Haftung der Beteiligten hängt daher von der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile gemäß § 17 StVG ab. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist insoweit auf Seiten des Klägers neben der Betriebsgefahr des beteiligten Fahrzeuges auch ein unfallursächlich schuldhaftes Verhalten einzustellen, was zu einer Alleinhaftung des Klägers führt.

Dem Kläger fällt ein Verstoß gegen § 7 V StVO zur Last.

Nach § 7 V StVO verlangt jeder Fahrstreifenwechsel die Einhaltung äußerster Sorgfalt, so dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist. Er setzt ausreichende Rückschau voraus und ist rechtzeitig und deutlich durch Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen. Ereignet sich die Kollision zweier Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dieser den Unfall unter Verstoß gegen die vorgenannten Pflichten verursacht und verschuldet hat (vergleiche Kammergericht VRS 106, 23 ff mit weiteren Nachweisen).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Kollision steht noch in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel des Klägers. Dies gilt auch, wenn man mit dem Klägervortrag davon ausgeht, dass er vor dem Zusammenstoß bereits rund 200 m auf der linken Fahrspur gefahren sein sollte. Dabei hinaus hatte der Kläger sich nach dem Fahrstreifenwechsel unstreitig noch nicht den auf der linken Fahrspur zu erwartenden höheren Geschwindigkeiten angepasst, da er die linke Fahrspur nach dem Wechsel nur mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h befuhr. Zudem spricht die ganze – auch von den Zeugen geschilderte – Unfallsituation (starkes Abbremsen der Vorderleute, starkes Abbremsen des Klägers mit ansprechendem ABS, fast Auffahren auf den Vordermann) für einen solchen Zusammenhang der Kollision mit dem Fahrstreifenwechsel.

Dieser Anscheinsbeweis ist auch durch die Beweisaufnahme nicht entkräftet worden, vielmehr ist auch danach von einem schuldhaften Verhalten des Klägers auszugehen, indem er den rückwärtigen Verkehr auf der linken Fahrspur nicht ausreichend beachtet und deshalb eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs – wie es geboten war – nicht ausgeschlossen hat.

Denn entgegen der Darstellung des Klägers war die Strecke nicht unübersichtlich und dadurch die Sicht nach hinten eingeschränkt (Kuppe, Rechtskurve), vielmehr war die Sicht entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen S. und den von ihm überreichten Fotos (wie auch die Beklagten dargestellt haben) über eine Strecke von mindestens einem Kilometer für den Kläger ohne Einschränkung gegeben, so dass er den Beklagten zu 1) bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen können und müssen.

Soweit auch der Zeuge O. angegeben hat, dass er ebenfalls den Beklagten zu 1) nicht wahrgenommen habe, belegt dies nur, dass der Zeuge O. in diesem Punkte – Blick in den Rückspiegel – möglicherweise nicht die Wahrheit gesagt hat (gegenüber der Polizei vor Ort und in seiner schriftlichen Erklärung in der Ermittlungsakte hatte er dieses auch nach eigenen Angaben nicht erwähnt; bei seiner Vernehmung musste er seine Aussage hinsichtlich des Blinkers korrigieren) oder ebenfalls nicht aufmerksam genug den rückwärtigen Verkehr beobachtet hat.

Auf der anderen Seite lässt sich ein unfallursächliches schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1) nicht feststellen, insbesondere nicht, dass der Beklagte zu 1) aus Unaufmerksamkeit auf das Fahrzeug des Klägers aufgefahren wäre.

Der Sachverständige S. hat insoweit – mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen – keine Zeit-Weg-Berechnung anstellen können. Die Angaben der Zeugen U. und O. stellen insoweit nur Schätzungen dar, die nicht zuverlässig genug erscheinen, um darauf eine verlässliche Überzeugung des Gerichtes stützen zu können; unabhängig davon, dass Angaben von Beifahrern in der Regel mit Vorsicht zu begegnen ist, da sie die Fahrsituation oft ähnlich wie der Fahrer selbst beurteilen und vorliegend ohnehin hinsichtlich der Angaben des Zeugen O. (siehe oben) Bedenken gegenüberstehen.

Die Angaben des Beklagten zu 1) selbst ergeben kein unfallursächliches Mitverschulden, da danach die linke Fahrspur zuvor völlig frei war (mindestens 400 m bis 500 m voraus) und der Kläger danach plötzlich unvermittelt und ohne Blinker auf die linke Fahrspur direkt vor ihm gewechselt ist. Eine verspätete Reaktion oder ein sonstiges Fehlverhalten des Klägers, das unfallursächlich geworden wäre, ist danach nicht zu erkennen.

Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile erscheint es angemessen, mit Blick auf die besondere Sorgfaltsverletzung des Klägers, der die Gefährdung Anderer auszuschließen hatte, ihn für die Unfallschäden allein haften zu lassen (vgl. auch Kammergericht a.a.O.).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91,709 ZPO.

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