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Auffahrunfall wegen Kleintierrettung

AG Ratzeburg – Az.: 17 C 247/16 – Urteil vom 23.12.2016

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin € 514,43 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.02.2016 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 159,56 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin einen weiteren Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 13.12.2015 mit einer Quote von 50% zu ersetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 50% und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 50%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.119,28 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall, der sich am 13.12.2015 gegen 15.00 Uhr auf der L200 ereignete.

Unfallbeteiligt waren das Kraftfahrzeug der Klägerin, ein Skoda Roomstar Kombi, das von dem Ehemann der Klägerin, dem Zeugen, gesteuert wurde und das von dem Beklagten zu 1. gesteuerte und bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug, einem Daimler Benz C 250.

Der Zeuge bog mit dem Fahrzeug der Klägerin von der K10 kommend nach rechts auf die L200 ab. Der Beklagte zu 1. befuhr die L200. Nachdem der Zeuge vor dem Beklagtenfahrzeug auf die L200 abgebogen war, überholte der Beklagte zu 1. den Zeugen. Es kam im weiteren Verlauf zu einem Abbremsen des Beklagten zu 1., infolgedessen der Zeuge auf das Fahrzeug des Beklagten zu 1. auffuhr. Die genauen Einzelheiten des Zusammenstoßes sind zwischen den Parteien streitig.

Aufgrund des Unfalls entstand an dem klägerischen Fahrzeug ein Schaden in Höhe von € 1.108,86.

Die Klägerin trägt vor, dass sich der Zeuge zunächst über genügend Abstand zu dem von links herannahenden Fahrzeug des Beklagten zu 1. versichert habe und daraufhin ordnungsgemäß auf die L200 abgebogen sei. Der Beklagte sei dem klägerischen Fahrzeug dann so dicht aufgefahren, dass der Zeuge nicht einmal mehr das Kennzeichen des Beklagtenfahrzeuges habe erkennen können. Der Zeuge habe durch zweimaliges Antippen der Bremse ein Aufleuchten der Bremsleuchten hervorgerufen, um auf den ungenügenden Abstand hinzuweisen. Eine Bremswirkung sei dabei nicht hervorgerufen worden. Der Beklagte zu 1. habe den Abstand nicht verringert und sei mit ungeminderter Geschwindigkeit weiter gefahren. Nachdem der Beklagte dann in der Folge überholt habe, habe er nach dem Einscheren einmal scharf abgebremst. Einen Zusammenstoß konnte der Zeuge vermeiden, indem er ebenfalls abgebremst habe. Kurz nach dem erneuten Anfahren, habe der Beklagte zu 1. ohne jeglichen Grund erneut scharf gebremst, woraufhin das klägerische Fahrzeug auf das Beklagtenfahrzeug aufgefahren sei.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin € 1.033,86 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.02.2016 zuzüglich der vorgerichtlichen Kosten in Höhe von € 215,98 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin auch den weiteren Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 13.12.2015 zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, dass es bereits beim Abbiegevorgang des klägerischen Fahrzeugs zu einer Vorfahrtsverletzung durch den Zeugen gekommen sei. Nach dem Überholvorgang des Beklagten zu 1. habe dieser sein Fahrzeug lediglich einmal abgebremst. Grund hierfür sei gewesen, dass sich eine Katze auf der Fahrbahn befunden habe. Ein Ausweichen auf die andere Fahrbahn sei aufgrund eines entgegenkommenden Fahrzeuges nicht möglich gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die prozessvorbereitend gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2016 Bezug (Bl. 88 ff. d.A.) genommen.

Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugen über den Unfallhergang Beweis erhoben. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2016 (Bl. 88 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Die Klägerin kann gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldnern gemäß §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG dem Grunde nach Ersatz der ihr entstanden Reparaturkosten verlangen. Ihr steht ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von € 514,43 zu. Ein darüber hinausgehender Schadensersatzanspruch besteht nicht.

Bei dem Betrieb des von dem Beklagten zu 1. geführten Kraftfahrzeug ist es zu einem Schaden an dem klägerischen Fahrzeug gekommen. Einen Anspruch auf vollen Schadensersatz steht der Klägerin allerdings nicht zu. Vielmehr muss sie gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG einen Teil ihres Schadens selber tragen. Danach hängt die Ersatzpflicht der Halter im Verhältnis zueinander von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Darüber hinaus ist im Rahmen der Abwägung auch die jeweilige Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Vorschrift ist geboten, da sich beide Parteien nicht entlasten können. Nach § 17 Abs. 3 StVG ist eine Haftung der Beteiligten gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG lediglich dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird. Dabei kommt es darauf an, ob für einen besonders sorgfältigen Kraftfahrer, den so genannten „Idealfahrer, bei der gegebenen Sachlage der Unfall unvermeidbar gewesen wäre. Hierfür sind vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Bei der Abwägung der Haftungsanteile nach § 17 Abs. 1 StVG sind nur unstreitige, zugestandene und erwiesene Tatsachen zu berücksichtigen; Vermutungen haben außer Betracht zu bleiben. Heranzuziehen sind die beiderseitigen objektiven Unfallursachen, das Verschulden der Fahrer sowie die Betriebsgefahr der beteiligten Kraftfahrzeuge. Die Abwägung der Verursachungsbeiträge führt zu einer Schadensverteilung im Verhältnis 50% zu 50%.

Eine Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises kommt vorliegend nicht in Betracht. Voraussetzung für die Anwendung des Erfahrungssatzes, dass das Auffahren im gleichgerichteten Verkehr regelmäßig auf mangelnde Aufmerksamkeit, überhöhte Geschwindigkeit oder einen ungenügenden Sicherheitsabstand des Auffahrenden zurückzuführen ist, ist das Vorliegen einer Standardsituation, in der eine allenfalls denkbare andere Ursache so unrealistisch erscheint, dass sie außer Betracht bleiben kann. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn unstreitig ist, dass ein atypischer Umstand vorliegt, der dazu führt, dass als Ursache auch ein gefährliches Fahrmanöver des Vordermannes in Betracht kommt. In diesem Fall fehlt es an der Typizität der Unfallkonstellation, die für die Anwendung des Anscheinsbeweises Voraussetzung ist. (Vgl. Insoweit auch OLG Frankfurt a.M. NJW 2007, 87).

Die o.g. Voraussetzungen für die Anwendung des Anscheinsbeweises liegen nicht vor. Das Beklagtenfahrzeug hat jedenfalls ohne einen verkehrsimmanenten Grund abgebremst. Dies gilt sowohl dann, wenn das Beklagtenfahrzeug wie von der Klägerin behauptete grundlos abgebremst wurde, als auch dann, wenn das Beklagtenfahrzeug wie von den Beklagten behauptet aufgrund einer Katze abgebremst hat. Von einem Kraftfahrer wird verlangt, dass er auch im Bestreben, ein auf der Fahrbahn befindliches kleines Tier zu retten, keine Ausweich- oder Bremsmanöver durchführen darf, durch Gefahren für Menschen oder Sachwerte heraufbeschwören (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 1286).

Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist das Gericht weder von dem Vortrag der Klägerin, noch von dem Vortrag der Beklagten überzeugt. Nach der dem Gericht nach § 286 Abs. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung, ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass sich das Unfallgeschehen so zugetragen hat, wie die Klägerin dies behauptet. Danach ist ein Beweis erst dann erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist und alle vernünftigen Zweifel ausgeräumt sind. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

Der Zeuge hat den Vortrag der Kläger bestätigt. Demgegenüber hat die Zeugin den Vortrag der Beklagten bestätigt. Das Gericht vermochte nicht zu entscheiden, welche der beiden sich widersprechenden Aussagen zutrifft. Beide sind gleichermaßen lebensnah. Objektive Kriterien, an denen der Wahrheitsgehalt der Aussagen gemessen werden könnte, bestehen nicht. Der Verkehrsunfall kann sich ebenso gut so oder so zugetragen haben. Bei dem Zeugen handelt es sich um den Fahrer und den Ehemann der Klägerin, während die Zeugin Beifahrerin im Beklagtenfahrzeug war und die Ehefrau des Beklagten zu 1. Ist. Damit stehen beide Zeugen der jeweiligen Partei nahe. Ein vollkommen unbeteiligter Zeuge steht nicht zur Verfügung.

Es verbleibt auf beiden Seiten die jeweilige Betriebsgefahr der Fahrzeuge, die jeweils gleich hoch ist. Eine erhöhte Betriebsgefahr auf der einen oder anderen Seite kommt nicht in Betracht.

Hinsichtlich der Schadenshöhe sind die Reparaturkosten in Höhe von € 1.108,86 unstreitig.

Hinsichtlich der Unkostenpauschale hält das Gericht € 20,00 für angemessen, aber auch ausreichend.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 159,56 ergibt sich aus §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG, § 249 BGB. Die Klägerin kann Rechtsanwaltskosten zu einem Streitwert in Höhe von bis zu € 1.000,00 geltend machen und zwar eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nebst Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG und Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG und Kopierkosten in Höhe von € 12,00.

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Der Feststellungsantrag der Klägerin ist begründet. Eine Reparatur ist noch nicht erfolgt, so dass Folgekosten wie zum Beispiel die dann anfallende Mehrwertsteuer oder die Wertminderung entstehen können, die von den Beklagten ebenfalls mit einer Quote von 50% auszugleichen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert setzt sich zusammen aus € 1.033,86 hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsantrages und € 85,42 hinsichtlich des geltend gemachten Feststellungsanspruches. Hinsichtlich der Feststellungsklage hat das Gericht lediglich die bereits bezifferten Position (Umsatzsteuer in Höhe von € 191,68 und Wertminderung in Höhe von € 150,00) in Ansatz gebracht und hiervon 1/4 in Ansatz gebracht.

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