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Aufhebung von Förderungen bei Corona-Soforthilfe II und Rückforderungen

Rückforderungen bei Corona-Soforthilfe 2: Ein Streitfall entschieden.

Stellen Sie sich eine kleines Unternehmen vor, das in den Schatten der Corona-Krise ums Überleben kämpft. Es handelt sich um einen Solo-Selbständigen, der sich im Gastgewerbe einen Namen gemacht hat und plötzlich mit einer existenzbedrohenden Wirtschaftslage konfrontiert ist. Genau in solchen Situationen sollte das Programm Corona-Soforthilfe II eingreifen. Es bot Zuschüsse, um finanzielle Engpässe zu überwinden, die durch den Ausbruch von COVID-19 entstanden sind. Doch in diesem Fall ist eine entscheidende Komponente problematisch: Die Liquiditätsprobleme des Unternehmens bestanden bereits vor dem 11. März 2020, dem Stichtag des Programms. Ist das Unternehmen somit förderfähig oder nicht?

Direkt zum Urteil Az: 26 K 88/22 springen.

Das Unternehmen im Blickpunkt

Die Klägerin, die ein Einzelunternehmen im Gastgewerbe betreibt, beantragte einen Zuschuss. Sie gab an, dass der Zuschuss für die Sicherung ihrer betrieblichen Existenz in der Corona-Krise notwendig sei und dass ihre existenzbedrohende Wirtschaftslage eine Folge des Ausbruchs von COVID-19 sei. Die Klägerin erklärte, dass sie für die nächsten drei Monate einen Liquiditätsbedarf von 5.000 Euro hat und zusätzliche Unterstützung für laufende betriebliche Sach- und Finanzkosten benötigt.

Antragsberechtigung und Klärungsbedarf

Das Hauptaugenmerk in diesem Fall liegt auf der Antragsberechtigung. Die Richtlinien des Corona-Soforthilfe II Programms sind klar: Die Liquiditätsengpässe dürfen nicht vor dem 11. März 2020 aufgetreten sein. In diesem Fall wurde die Klägerin bereits im März 2020 von der Beklagten aufgefordert, ausstehende Zahlungen zu leisten, was darauf hindeutet, dass sie möglicherweise nicht förderfähig ist.

Urteil und Konsequenzen

Das Urteil ist klar: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin muss die Kosten des Verfahrens tragen und die Rückforderung der Zuschüsse akzeptieren. In diesem speziellen Fall wurde die Klägerin aufgefordert, eine Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags zu leisten, um eine Vollstreckung abzuwenden. Das bedeutet, dass sie nun mit erheblichen finanziellen Belastungen konfrontiert ist.

Dieses Urteil hat nicht nur direkte Konsequenzen für die Klägerin, sondern setzt auch ein klares Zeichen für andere Unternehmen, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Es ist ein deutliches Signal, dass die Richtlinien und Bedingungen für Corona-Hilfsprogramme streng einzuhalten sind.


Das vorliegende Urteil

VG Berlin – Az.: 26 K 88/22 – Urteil vom 10.05.2023

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die (teilweise) Aufhebung von Förderungen im Rahmen des Programms Corona-Soforthilfe II und die entsprechenden Rückforderungen.

In dem Programm gewährte die damit beauftragte Beklagte (aus Bundes- und Landesmitteln) Zuschüsse zur Überwindung der existenzbedrohlichen Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses, der im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 entstanden ist. Antragsberechtigt waren Solo-Selbständige und Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten. Unternehmen, bei denen die Liquiditätsengpässe vor dem 11. März 2020 entstanden waren, wie z. B. Unternehmen in Schwierigkeiten, waren nicht förderfähig.

A.

Aufhebung von Förderungen bei Corona-Soforthilfe II und Rückforderungen
(Symbolfoto: bartusp/123RF.COM)

1. Die Klägerin, die in anderem Zusammenhang von der Beklagten im März 2020 gemahnt wurde, rückständige Zahlungen zu leisten, beantragte zum Kennzeichen CGZN-628F einen Zuschuss. Sie versicherte, dass der Zuschuss für die Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz in der Corona-Krise erforderlich ist und die existenzbedrohliche Wirtschaftslage eine Folgewirkung des Ausbruchs von COVID-19 vom Frühjahr 2020 sei. Die Anzahl der Beschäftigten gab sie mit drei an. Sie erklärte, dass ihr Liquiditätsbedarf für die nächsten drei Monate 5.000 Euro beträgt und sie zusätzliche Unterstützung für fortlaufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwand für drei aufeinanderfolgende Monate benötigt. Die Rechtsform ihres Unternehmens bezeichnete sie als Einzelunternehmen ohne Handelsregisteranmeldung unter dem Namen „Frau“, das am 7… (Geburtstag der Klägerin) gegründet worden und im Gastgewerbe tätig sei. Sie verneinte, bereits Kleinbeihilfen erhalten bzw. beantragt zu haben. Sie stimmte einer Überprüfung durch Einrichtungen des Landes Berlin zu und bestätigte, dass sie ihnen auf Verlangen die zur Aufklärung des Sachverhalts sowie für den Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung des Zuschusses erforderlichen Unterlagen und Informationen unverzüglich zur Verfügung stellen werde.

Die Beklagte zahlte am 31. März 2020 14.000 Euro an die Klägerin.

2. Die Klägerin beantragte auch zum Kennzeichen C58M-J667 einen Zuschuss. Die Anzahl der Beschäftigten gab sie mit drei an. Sie erklärte, dass ihr Liquiditätsbedarf für die nächsten drei Monate 5.000 Euro beträgt und sie zusätzliche Unterstützung für fortlaufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwand für drei aufeinanderfolgende Monate benötigt. Die Rechtsform ihres Unternehmens bezeichnete sie als Einzelunternehmen ohne Handelsregisteranmeldung unter dem Namen „P…“, gegründet am 1. September 2017 und im Gastgewerbe tätig. Sie versicherte, die Soforthilfe nicht mehrfach beantragt zu haben und dies auch zukünftig nicht zu tun.

Die Beklagte zahlte am 1. April 2020 weitere 14.000 Euro an die Klägerin.

B.

1. Im Juli 2020 gab die Beklagte der Klägerin auf, näher bezeichnete Unterlagen einzureichen. Darauf reichte sie eine Gewerbeanmeldung zum 14. August 2017 betreffend „P…“ (erlaubnisfreier Gaststättenbetrieb, Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Geschenkartikeln, Eventcatering) und eine zum 1. Februar 2014 betreffend „Marketing- und PR-Management, Künstler-, Projekt-, Event-, Labelmanagement“ ein. Das letztgenannte Gewerbe betreibt sie unter der Firma „Y…“. Zudem übermittelte sie betriebswirtschaftliche Unterlagen.

Mit Bescheid vom 17. März 2021, zugestellt am 20. März 2021, widerrief die Beklagte die Förderung vom 30. März 2020 (erster Antrag) in Höhe von 9.689,73 Euro und forderte die Klägerin zur Rückzahlung dieses Betrags auf, weil die vorgelegten Daten nur einen Ausgabenüberschuss von 4.310,27 Euro belegten.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2021, gegen einen am 1. März 2021 bei der Beklagten eingegangenen Rückschein mit Empfangsbekenntnis der Klägerin zugestellt, nahm die Beklagte die Förderung vom 1. April 2020 (zweiter Antrag) zurück und forderte die Klägerin zur Rückzahlung von 14.000 Euro auf, weil die vorgelegten Daten keinen Ausgabenüberschuss belegten.

2. Am 17. Mai 2021 erhob die Klägerin gegen die Bescheide Widerspruch mit der Behauptung, sie nicht erhalten zu haben. Das seinerzeit beratende Steuerberatungsunternehmen habe versehentlich diverse Positionen unberücksichtigt gelassen. Sie mache überdies aus beiden Unternehmungen je 2.000 Euro netto Lebenshaltungskosten/Lohn geltend.

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe hob den Bescheid vom 17. März 2021 (erster Antrag) mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2022, zugestellt am 11. April 2022, „insoweit auf, als darin nun ein Betrag von 9.000 € gefordert wird“ und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Der Widerspruch sei zulässig. Der fristgerecht erhobene Widerspruch sei unbegründet, soweit er sich auf die Bundesmittel beziehe. Mangels eines Liquiditätsengpasses seien die 9.000 Euro der Klägerin zu Unrecht gewährt worden und zurückzufordern. 5.000 Euro aus Landesmitteln stünden ihr aber wegen einer diesen Betrag übersteigenden Summe aus Liquiditätsengpass und entgangenem Unternehmerlohn zu. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Widerspruchsbescheids wird auf die von der Klägerin zur Akte gereichte Ablichtung davon (Bl. 19 bis 27 d. A.) verwiesen.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 5. April 2022, zugestellt am 11. April 2022, wies die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe den Widerspruch in Bezug auf den Bescheid vom 23. Februar 2021 (zweiter Antrag) als zulässig, insbesondere fristgerecht, aber unbegründet zurück, weil einzeln antragsberechtigt nur diejenigen Unternehmen seien, welche über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügten. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Widerspruchsbescheids wird auf die von der Klägerin zur Akte gereichte Ablichtung davon (Bl. 7 bis 13 d. A.) verwiesen.

C.

Die Klägerin hat am 10. Mai 2022 Klage erhoben. Sie macht geltend: Ihre Gewerbe seien als selbständige Einheit mit eigener Rechtspersönlichkeit anzusehen, weil sie in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen tätig seien. Zudem sei sie anhand der Antworten der Beklagten auf häufig gestellte Fragen von einer Antragsberechtigung für beide Gewerbe ausgegangen, weil sie beide als Hauptgewerbe betreibe. Ihre korrigierten Wirtschaftsdaten, in denen ihre privaten Lebenshaltungskosten noch nicht einmal enthalten seien, ergäben einen die streitigen Zuschüsse übersteigenden Liquiditätsengpass. Es habe berücksichtigt werden müssen, dass ihr Bankkonto auch nach einer Einlage ihres Lebenspartners noch negativ gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Klageschrift (Bl. 2 bis 6 d. A.) und den Schriftsatz vom 19. April 2023 (Bl. 137 bis 139 d. A.) Bezug genommen.

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Die Klägerin beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 23. Februar und vom 17. März 2021 in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheids der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe vom 5. April 2022 und der in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2023 erklärten Umdeutung aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend: Die Gewerbe der Klägerin seien nicht getrennt zu betrachten. Ihrer Praxis entsprechend sei für jeden Antragsteller nur eine Einmalzahlung möglich. Die nachträgliche Änderung der Wirtschaftsdaten sei unerklärt. Die Klägerin genieße kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Förderungen, weil sie unrichtig angegeben habe, antragsberechtigt zu sein und den Zuschuss für die Sicherung ihrer beruflichen bzw. betrieblichen Existenz in der Corona-Krise zu benötigen. Zudem müsse ihr klar gewesen sein, dass sie ihre Antragsberechtigung nicht werde nachweisen können. Sie deute den Bescheid vom 17. März 2021 in einen Widerruf wegen Zweckverfehlung um. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 14. September 2022 (Bl. 89 bis 105b d. A.) verwiesen.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 15. März 2023 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Beteiligten haben sich nach Gewährung einer Schriftsatzfrist für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2023 mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung nach dem 5. Mai 2023 einverstanden erklärt.

Der Verwaltungsvorgang der Beklagten und der Widerspruchsvorgang haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 28. April 2023 gewesen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage hat infolge des Beschlusses der Kammer vom 15. März 2023 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Einzelrichter zu entscheiden. Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten hat das ohne weitere mündliche Verhandlung geschehen können (§ 101 Abs. 2 VwGO), zumal da sich die Klägerin innerhalb der Schriftsatzfrist nicht mehr geäußert hat.

Die Klage ist zulässig, obgleich die Klägerin die Widerspruchsfrist des § 70 VwGO versäumte, ohne dass ihr nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Die Frist war nicht durch § 58 Abs. 2 VwGO verlängert. Die Rechtsbehelfsbelehrung war trotz des Fehlens eines Hinweises auf die Möglichkeit der elektronischen Erhebung des Widerspruchs nicht unrichtig (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Januar 2021 – BVerwG 9 C 8.19 –). Ein Grund dafür, dass die Widerspruchsbehörde die Widersprüche jeweils insbesondere als rechtzeitig ansah, ist den Widerspruchsbescheiden nicht zu entnehmen. Indes ist anerkannt, dass es im Ermessen der Behörde steht, bei einseitig belastenden Verwaltungsakten durch eine Sachentscheidung den Rechtsweg neu zu eröffnen. Das ist hier geschehen.

Die Klage ist aber unbegründet, weil die angegriffenen Bescheide nach der Umdeutung des Bescheids vom 17. März 2021 in der mündlichen Verhandlung rechtmäßig sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die hier streitige Aufhebung eines unanfechtbaren begünstigenden Bescheids (vom 31. März 2020) ist durch die Verweisung des § 1 Abs. 1 VwVfG Bln auf das Verwaltungsverfahrensgesetz an den §§ 48, 49 VwVfG zu messen. Der Streitstand gibt keinen Anlass zu näheren Ausführungen dazu, dass der Klägerin mit der Zahlung vom 31. März 2020 ein begünstigender Verwaltungsakt nach Maßgabe der Bestimmungen aus dem Antragsformular bekannt gemacht wurde. Mangels spezialgesetzlicher Vorgaben für das hier angewendete Programm Corona-Soforthilfe II ist die Verwaltungspraxis vermittelt über den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Förderung. Entscheidend für die Zuordnung des aufzuhebenden Bescheids zu § 48 oder § 49 VwVfG ist, ob er der bei seinem Erlass geübten Praxis entsprach (dann rechtmäßig/§ 49) oder nicht entsprach (dann rechtswidrig/§ 48). Entgegen der Auffassung der Beklagten (etwa Bl. 104 d. A.) war die Klägerin antragsberechtigt. Denn sie war Kleinstunternehmerin mit bis zu zehn Beschäftigten. Selbst wenn man das Ausmaß der existenzbedrohlichen Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses zur Antragsberechtigung zählen und diese damit graduell abstufen wollte (z. B. antragsberechtigt bis 5.000 Euro), könnte es bei Erlass des Förderbescheids (am 31. März 2020) nur dann – teilweise – an der Antragsberechtigung gefehlt haben, wenn bereits an diesem Tag für die Klägerin erkennbar das Ausmaß des Liquiditätsengpasses festgestanden hätte. Das ist nicht feststellbar. Nichts deutet darauf, dass die Klägerin am 31. März 2020 wusste, wieviel Geld sie benötigen werde, um in den folgenden drei Monaten fortlaufenden Sach- und Finanzaufwand trotz pandemiebedingter Einnahmeausfälle decken zu können. Eine nachträglich festgestellte Liquidität infolge besserer Entwicklung seit dem 31. März 2020 als erwartet/befürchtet wirkt sich auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Förderung vom 31. März 2020 nicht aus.

Nach diesen Erwägungen ist der Rücknahmebescheid vom 17. März 2021 rechtswidrig, weil der zurückgenommene Bescheid vom 31. März 2020 rechtmäßig war, mithin eine Voraussetzung für die Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG nicht erfüllt ist.

Allerdings hat die Beklagte die Rücknahme zulässigerweise und ihrer gerichtsbekannten Praxis seit dem Urteil der Kammer vom 25. November 2022 – VG 26 K 59/22 – entsprechend in einen Widerruf gestützt auf § 47 VwVfG umgedeutet.

§ 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG sieht den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakt vor, der eine einmalige Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt, teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit vor, wenn die Leistung nicht für den im Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird. Die hier streitigen 9.000 Euro waren für fortlaufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwand für drei (auf den Antrag) aufeinanderfolgende Monate zu verwenden, sofern die betrieblichen Einnahmen pandemiebedingt dafür nicht reichten. Für die dafür nötige Gegenüberstellung aller Erträge und Aufwendungen der Klägerin in beiden Gewerben im Zeitraum April bis Juni 2020 griff die Beklagte auf die von der Klägerin eingereichten Monatswerte zurück und setzte sie in ihre beiden Kalkulationsblätter ein. Führt man die Werte dieser beiden Blätter zusammen und setzt bei „Y…“ für April 2020 statt 420 Euro nur den Rohertrag von 141,60 Euro an, dann ergibt sich ein Überschuss vom 1.441,91 Euro. Das erklärt zwar nicht die Berechnung im Widerspruchsbescheid, der bei (gesamten) Einnahmen von 20.325 Euro und (gesamten) Ausgaben von 18.760 Euro einen Überschuss von 1.565 Euro errechnete. Doch ist dem nicht nachzugehen, weil beide Rechnungen einen Überschuss ergeben und damit eine zweckgemäße Verwendung des Zuschusses in Höhe von 9.000 Euro ausschließen.

Die unerklärt geänderten Daten, die die Klägerin im Widerspruchsverfahren vorlegte, kommen – wie der Steuerberater der Klägerin unter dem 3. Mai 2022 (Bl. 63 d. A.) einräumt – einschließlich der bei den 9.000 Euro nicht zu berücksichtigenden Gehälter für Beschäftigte nur zu um 283 Euro höhere Ausgaben, womit sich am Bestehen eines – wie auch immer genau zu beziffernden – Überschusses nichts ändert.

Auf die sonstigen Positionen, die der Steuerberater ansetzt, ist nicht einzugehen, weil sie nicht vom Zweck des gewährten Zuschusses, der Deckung des fortlaufenden Sach- und Finanzaufwands, erfasst sind.

Inwieweit private Lebens(er)haltungskosten noch zu berücksichtigen waren, ist unerheblich, weil sich die hier streitigen Bundesmittel nicht auf diese bezogen. Bei den der Klägerin belassenen Landesmitteln fanden sie Berücksichtigung.

Unter diesen Umständen ist der Widerruf nicht zu beanstanden, weil die Zweckverfehlung den Widerruf ohne weiteres nahelegt und lediglich bei besonderen, hier nicht gegebenen, insbesondere von der Klägerin auch nach der erklärten Umdeutung im Rahmen der ermöglichten Anhörung (§§ 47 Abs. 4, 28 VwVfG) nicht vorgebrachten Umständen weitere Erwägungen anzustellen wären.

2. Es ist rechtmäßig, die Förderung vom 1. April 2020 (zweiter Antrag) mit dem Bescheid vom 23. Februar 2021 ganz mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Denn der mit der Zahlung der Klägerin bekannt gemachte Verwaltungsakt war nach dem vorstehend bezeichneten Maßstab der Verwaltungsübung rechtswidrig. Es ist gerichtsbekannt, dass die Beklagte bei Mehrfachanträgen den Antragsteller für alle weiteren Anträge nicht als antragsberechtigt ansieht, weil sie jeder Rechtsperson nur einmalig eine Förderung hat zukommen lassen wollen. Das zeigt sich auch an der im Antragsformular vorgesehenen, von der Klägerin abgegebenen Erklärung, die Soforthilfe nicht mehrfach beantragt zu haben und dies auch zukünftig nicht zu tun. Die nicht mit einer Begründung unterlegte Auffassung der Klägerin, wegen wirtschaftlich unabhängig voneinander betriebener Gewerbe seien diese unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten, teilt das Gericht nicht. Das Recht unterscheidet zwischen natürlichen und juristischen Personen (§§ 1, 14, 21, 22, 80 BGB). Die Entstehung einer juristischen Person steht hier nicht ernstlich in Rede, ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass Sachgesamtheiten in unterschiedlichen Märkten genutzt werden. Die von den Beteiligten erörterte Klassifikation der Wirtschaftszweige begründet keine Rechtspersönlichkeiten. Mag die Klägerin verschiedene Gewerbe betreiben, was durch § 3 Satz 1 GewO ausdrücklich gestattet ist, oder unter unterschiedlichen Firmen handeln, was einem Einzelkaufmann möglich ist (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, § 17 Rn. 8), so ändert das nichts daran, dass es einzig die Klägerin ist, die mit (natürlicher) Rechtspersönlichkeit gewerblich tätig ist. Die von der Klägerin angeführten Antworten der Beklagten auf häufig gestellte Fragen zum Zusammentreffen von nichtselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit geben für eine andere Betrachtung und für die Annahme, es sei möglich, für zwei Hauptgewerbe Anträge zu stellen, nichts her.

Allerdings darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der – wie hier die Förderung – eine einmalige Geldleistung gewährt, nur unter den Beschränkungen des § 48 Abs. 2 VwVfG zurückgenommen werden. Die stehen aber der Rücknahme hier nicht entgegen. Denn die Klägerin kann sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Sie erwirkte den Verwaltungsakt durch die unrichtige Angabe, die Soforthilfe nicht mehrfach beantragt zu haben (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG). Im Wissen um die mehrfache Beantragung hätte die Beklagte die Förderung nicht gewährt. Wegen ihrer wahrheitswidrigen Angabe, die Soforthilfe nicht mehrfach beantragt zu haben, kannte sie die Rechtswidrigkeit der gleichwohl erlangten Förderung auch (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG). Jedenfalls aber muss sie sich aufdrängenden Zweifeln an ihrer nicht ernstlich vertretbaren Auffassung, ihre beiden Gewerbe hätten unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten, hartnäckig und ergebnisorientiert verschlossen haben.

In Fällen des § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG). Für eine Ausnahme spricht hier nichts.

Auch sonst sind die Erwägungen der Behörde ermessensfehlerfrei (§ 114 VwGO).

3. Die Rückforderung gründet auf § 49a Abs. 1 VwVfG und ist auch in ihrer Höhe nicht zu beanstanden, zumal der Klägerin die Umstände bekannt waren, die zur (teilweisen) Aufhebung der Bescheide führten (§ 49a Abs. 2 Satz 2 VwVfG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 23.000,00 Euro festgesetzt.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  • 1. Verwaltungsrecht: Das Verwaltungsrecht ist der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen Verwaltungsbehörden (in diesem Fall die Beklagte) handeln. Im Zentrum dieses Falles stehen die Corona-Soforthilfen II, die von einer Verwaltungsbehörde gewährt und später zurückgefordert wurden. Die Entscheidungen, die zu diesen Handlungen geführt haben, sind Verwaltungsakte, die durch das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geregelt sind. Dabei ist vor allem §48 VwVfG relevant, der den Widerruf von rechtswidrigen Verwaltungsakten regelt, was hier der Fall sein könnte, falls die Soforthilfen rechtswidrig gewährt wurden.
  • 2. Subventionsrecht: Das Subventionsrecht befasst sich mit der Gewährung, Verwaltung, Nutzung und Rückforderung von staatlichen Beihilfen. In diesem Fall wurden Corona-Soforthilfen von einer staatlichen Stelle gewährt, was eine Form der Subvention darstellt. Das Subventionsgesetz (SubvG), insbesondere §2 SubvG, der die Bedingungen für die Gewährung von Subventionen definiert, ist daher relevant.
  • 3. Sozialrecht: Das Sozialrecht könnte ebenfalls relevant sein, da es Regelungen für finanzielle Unterstützungsmaßnahmen beinhaltet. Die Corona-Soforthilfen könnten in diesem Kontext als eine Form von Sozialleistungen betrachtet werden. Insbesondere das Sozialgesetzbuch (SGB) könnte hier einschlägig sein, insbesondere SGB XII, das Hilfe in anderen Lebenslagen betrifft.
  • 4. Insolvenzrecht: Je nach den konkreten Umständen des Falles könnte das Insolvenzrecht relevant sein, insbesondere, wenn die Klägerin insolvent ist oder die Gefahr einer Insolvenz besteht. Die Corona-Soforthilfen zielen darauf ab, Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten zu unterstützen. Die Regeln zur Insolvenzantragspflicht könnten hier ebenfalls relevant sein, um zu beurteilen, ob die Klägerin berechtigt war, die Soforthilfen zu beantragen.
  • 5. Strafrecht: Sollte es Beweise für falsche Angaben oder Betrug in Bezug auf den Antrag auf Corona-Soforthilfen geben, könnte das Strafrecht relevant werden. Insbesondere die §§ 263 (Betrug), 264 (Subventionsbetrug) und 370 (Steuerhinterziehung) des Strafgesetzbuches (StGB) könnten dann anwendbar sein.

Häufig gestellte Fragen

1. Kann ich Corona-Soforthilfen beantragen, wenn ich vorher schon in finanziellen Schwierigkeiten war?

Laut den allgemeinen Regelungen dürfen Unternehmen, die bereits vor dem 11. März 2020 in Schwierigkeiten waren, nicht förderfähig sein. Es ist daher wichtig, dass der finanzielle Engpass oder die existenzbedrohliche Situation auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist.

2. Was passiert, wenn ich die Corona-Soforthilfe zurückzahlen muss, es aber nicht kann?

Falls Sie die Corona-Soforthilfe zurückzahlen müssen, aber nicht dazu in der Lage sind, sollten Sie einen Anwalt konsultieren. Es ist möglich, dass Sie im Falle einer Insolvenz nicht zur Rückzahlung verpflichtet sind. Es könnte jedoch auch strafrechtliche Konsequenzen haben, wenn der Antrag auf Soforthilfe auf falschen Angaben beruht.

3. Wie kann ich mich gegen einen Bescheid wehren, der die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe fordert?

Wenn Sie mit einem Bescheid nicht einverstanden sind, in dem die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe gefordert wird, können Sie Widerspruch einlegen. Dies sollte innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids geschehen. Es ist ratsam, sich dabei von einem Anwalt unterstützen zu lassen.

4. Was passiert, wenn ich falsche Angaben bei der Beantragung der Corona-Soforthilfe gemacht habe?

Falsche Angaben können zu einer Rückforderung der gewährten Hilfe führen. Zudem können sie strafrechtliche Konsequenzen haben, insbesondere wenn sie dazu geführt haben, dass Sie unrechtmäßig Soforthilfe erhalten haben. In solchen Fällen können die Straftatbestände des Betrugs oder Subventionsbetrugs relevant sein.

5. Was kann ich tun, wenn ich die Corona-Soforthilfe versehentlich doppelt beantragt habe?

Falls Sie versehentlich einen doppelten Antrag gestellt haben und beide Anträge bewilligt wurden, sollten Sie dies umgehend der zuständigen Stelle melden und die überzahlten Beträge zurückzahlen. Sollten Sie dies nicht tun, kann dies als Betrug ausgelegt werden.

6. Kann ich die Corona-Soforthilfe behalten, wenn mein Unternehmen doch nicht so stark betroffen war, wie zunächst angenommen?

Die Corona-Soforthilfen sind dazu gedacht, Unternehmen zu unterstützen, die aufgrund der Pandemie in existenzbedrohende finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass Ihr Unternehmen doch nicht so stark betroffen war, kann die Behörde die Soforthilfen zurückfordern.

7. Wie kann ich nachweisen, dass die Corona-Soforthilfen korrekt verwendet wurden?

Sie sollten alle Rechnungen und Zahlungsbelege aufbewahren, die zeigen, dass die Corona-Soforthilfen für die Aufrechterhaltung Ihres Unternehmens verwendet wurden. Es ist möglich, dass die Behörde diese Unterlagen überprüft, um sicherzustellen, dass die Soforthilfen zweckentsprechend verwendet wurden.

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