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Arbeitslosengeldsperre bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages?


LSG Baden-Württemberg

Az: L 3 AL 712/09

Urteil vom 16.02.2011


Leitsatz:

Schließt ein Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber aufgrund des Wegfalls seines Arbeitsplatzes einen Aufhebungsvertrag und werden im geschlossenen Aufhebungsvertrag die Regelungen des § 1a Kündigungsschutzgesetz zur Abfindungshöhe beachtet, darf von der Agentur für Arbeit keine Sperrzeit von 12 Wochen verhängt werden. Der Arbeitnehmer führt in diesen Fällen auch keine vorsätzliche oder grob fahrlässige Arbeitslosigkeit herbei, wenn keine Anzeichen dafür gegeben sind, dass der Aufhebungsvertrag bewußt zu Lasten der Agentur für Arbeit geschlossen wurde.


Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass auch der „Änderungsbescheid“ der Beklagten vom 16. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 abgeändert und die Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin bereits ab dem 01. Dezember 2005 Arbeitslosengeld mit ungekürzter Anspruchsdauer zu bewilligen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 01.12.2005 bis 22.02.2006 wegen des Eintritts einer Sperrzeit ruht.

Bei der am … 1947 geborenen ledigen Klägerin besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 50. Sie war vom 01.04.1966 bis 30.11.2005 bei der I… Verpackungstechnik GmbH (I… GmbH), A., als Sachbearbeiterin/Sekretärin versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 01.11.2004 bis 31.10.2005 bezog sie ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 47.552,05 €, wobei auf den Oktober 2005 ein Betrag von 3.699,86 € entfiel, in dem beitragspflichtige Einmalzahlungen i.H.v. 132,77 € enthalten waren. Am 10.05.2004 schlossen die I… GmbH und die Klägerin einen Aufhebungsvertrag, nach dem das bestehende Arbeitsverhältnis „auf Veranlassung des Unternehmens zur Vermeidung einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung unter Einhaltung der tariflichen bzw. einzelvertraglichen Kündigungsfristen zum 30.11.2005 beendet“ wurde. Der Arbeitsplatz sei infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen ersatzlos weggefallen, ein anderer Arbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung, da die Einsatzmöglichkeiten der Klägerin aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen begrenzt seien. Zum Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes gewährte die I… GmbH der Klägerin eine Abfindung i.H.v. 47.000,- €.

Am 05.10.2005 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten, nach dem sie sich zuvor am 17.05.2005 arbeitssuchend gemeldet hat, arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im Rahmen der von der I… GmbH vorgelegten Arbeitsbescheinigung wurde durch diese mitgeteilt, dass eine Kündigungsfrist von 18 Monaten gegolten habe. Die Klägerin legte mit ihrer Arbeitslosmeldung eine Bescheinigung der I… GmbH vom 16.11.2004 vor, in welcher der Klägerin bestätigt wird, dass sie entsprechend der Sozialauswahl gekündigt worden wäre, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben hätte. Eine Sozialauswahl sei entsprechend § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) durchgeführt worden. Die Klägerin gab im Rahmen des Fragebogens zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses an, das bestehende Arbeitsverhältnis sei auf Veranlassung des Unternehmens zur Vermeidung einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung unter Einhaltung der Fristen beendet worden, da der Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen sei.

Mit Bescheid vom 11.11.2005 stellte die Beklagte fest, dass vom 01.12.2005 bis 22.02.2006 eine Sperrzeit eingetreten sei und der Anspruch auf Arbeitslosengeld während dieser Zeit ruhe. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der .. GmbH durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Dabei sei unerheblich, ob die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages von der Klägerin oder dem ehemaligen Arbeitgeber ausgegangen sei. Die Klägerin habe voraussehen müssen, dass sie arbeitslos werden würde. Einen wichtigen Grund habe die Klägerin nicht mitgeteilt. Die Sperrzeit dauere 12 Wochen. Sie mindere den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld um 240 Tage, ein Viertel der Anspruchsdauer.

Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie habe mehrmals bei der Agentur für Arbeit Karlsruhe vorgesprochen, wobei ihr mitgeteilt worden sei, dass bei dem geschlossenen Aufhebungsvertrag sämtliche Fristen eingehalten seien und der Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 01.12.2005 nichts im Wege stehe. Die ihr sodann telefonisch erteilte Auskunft, sie habe den Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben dürfen, weil sie wegen ihres Alters und der langjährigen Betriebszugehörigkeit unkündbar gewesen sei, sei faktisch nicht zutreffend. Ihr sei vom zuständigen Personalleiter unmissverständlich klargemacht worden, dass eine Kündigung erfolgen werde. Den Umstrukturierungsmaßnahmen der I… GmbH sei nicht nur sie zum Opfer gefallen, es seien vielmehr noch andere langjährige Mitarbeiter betroffen. Sie habe den Aufhebungsvertrag deswegen geschlossen, weil ihr Arbeitsplatz ersatzlos gestrichen worden sei und ihr wegen ihrer Schwerbehinderung und der hierdurch bedingten begrenzten Einsetzbarkeit kein Ersatzarbeitsplatz angeboten worden sei. Ihr sei durch die I… GmbH mitgeteilt worden, dass sie ungeachtet ihres unkündbaren Status gekündigt worden wäre.

Die Beklagte erkundigte sich sodann zu den maßgeblichen Kündigungsfristen und brachte in Erfahrung, dass der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Anwendung finde, nach dessen Regelungen die Klägerin nicht mehr ordentlich kündbar sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie an, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der ….. GmbH durch ihre Zustimmung zum Aufhebungsvertrag gelöst. Sie habe keine konkrete Aussicht auf ein unmittelbar anschließendes Dauerarbeitsverhältnis gehabt. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Es sei ihr zumutbar gewesen, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Im Besonderen sei es ihr zumutbar gewesen, eine eventuelle Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber abzuwarten. Ob eine solche erfolgt wäre, sei mehr als fraglich, da die Klägerin aufgrund tarifvertraglicher Regelungen unkündbar gewesen sei und aufgrund ihrer Schwerbehinderteneigenschaft ein besonderer Kündigungsschutz bestanden habe.

Mit Bescheid vom 04.01.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 23.02.2006 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 49,46 € für die Dauer von 720 Kalendertagen. Auf den Widerspruch der Klägerin, den diese im Hinblick auf die Höhe des zu Grunde gelegten Bemessungsentgeltes einlegte, hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid mit Bescheid vom 16.03.2006 auf und bewilligte mit Änderungsbescheid vom 16.03.2006 Arbeitslosengeld ab dem 23.02.2006 für 714 Tage in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 50,90 €. Sie legte hierbei ein tägliches Bemessungsentgelt von 130,58 € und den allgemeinen Leistungssatz zu Grunde. Den Widerspruch der Klägerin wies sie sodann mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2006 als unzulässig zurück.

Am 28.12.2005 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, dass im Aufhebungsvertrag seitens der I… GmbH ausgeführt sei, dass diese gezwungen gewesen sei, die Anzahl der Mitarbeiter den betrieblichen Erfordernissen anzupassen und dass ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat verhandelt und abgeschlossen worden sei. Ausdrücklich sei ferner darauf hingewiesen worden, dass das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Unternehmens zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung unter Einhaltung der tariflichen bzw. einzelvertraglichen Kündigungsfristen zum 30.11.2005 beendet worden wäre, da der Arbeitsplatz in Folge von Umstrukturierungsmaßnahmen ersatzlos weggefallen sei. Ihr ehemaliger Arbeitgeber habe einen gravierenden Auftragsrückgang mit damit einhergehenden Umsatz- und Gewinneinbrüchen zu verzeichnen gehabt, weswegen zahlreiche Arbeitnehmer freigesetzt worden seien. Dem Aufhebungsvertrag sei eine Kündigungsfrist von 18 Monaten zu Grunde gelegt worden. Sie könne sich auf einen wichtigen Grund berufen, da der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis hätte kündigen können und die Kündigungsfrist gewahrt sei. Unter besonderen Umständen sei ein Arbeitnehmer berechtigt, einer drohenden Kündigung durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zuvor zu kommen, wenn es ihm nicht zuzumuten sei, die Kündigung abzuwarten, eine Kündigung zum selben Beendigungszeitpunkt ausgesprochen worden wäre und eine solche arbeitsrechtlich zulässig gewesen wäre. Sie hat ferner vorgetragen, dass bei Abschluss der Aufhebungsverträge weder der Betriebsrat angehört, noch das Integrationsamt beteiligt worden sei . Auf Anfrage des SG hat die Klägerin das Protokoll über die Besprechung zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung der I… GmbH wegen eines Interessenausgleichs vom 23.04.2004 vorgelegt , in dem zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung der I… GmbH vereinbart wurde, zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen u.a. Aufhebungsverträge zu schließen. Seit dem 01.05.2007 bezieht die Klägerin eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Am 02.10.2006 hat die Klägerin die Klage um eine solche gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.08.2006 erweitert.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat hierzu vorgetragen, dass allein darin, dass dem Arbeitnehmer eine arbeitgeberseitige Kündigung angedroht worden sei, kein wichtiger Grund für eine Arbeitsaufgabe erblickt werden könne. Der Klägerin sei es grundsätzlich zuzumuten gewesen, eine Kündigung abzuwarten. Eine Ausnahme sei nur dann zu machen, wenn die in Bestimmtheit in Aussicht gestellte Kündigung arbeitsrechtlich zulässig gewesen und zum gleichen Zeitpunkt wie die aufhebungsvertraglich vereinbarte Beendigung eingetreten wäre. Sie hat hierzu vorgebracht, die soziale Rechtfertigung einer möglichen Kündigung sei sowohl im Hinblick auf das Alter der Klägerin, deren Schwerbehinderteneigenschaft sowie der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu bezweifeln.

Mit Urteil vom 18.12.2008 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2005 – kostenpflichtig – verurteilt, der Klägerin bereits ab dem 01.12.2005 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG angeführt, dass die Klägerin zwar durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit ihrem früheren Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis, ohne konkrete Aussichten auf ein Anschlussarbeitsverhältnis zu haben, gelöst habe. Die Klägerin könne sich jedoch auf einen wichtigen Grund berufen, da ihr eine objektiv rechtmäßige Kündigung gedroht habe und ihr die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten gewesen sei. Zwar erscheine die Rechtmäßigkeit einer Kündigung zweifelhaft, da bei der Klägerin ein GdB von 50 festgestellt sei und sie auf eine 39-jährige Betriebszugehörigkeit zurückblicken könne, dies könne jedoch dahinstehen, da der Gesetzgeber durch die Einführung des § 1a KSchG eine Regelung geschaffen habe, aus welcher Folgerungen im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs des wichtigen Grundes zu ziehen seien. Mit der Schaffung dieser Regelung habe der Gesetzgeber den Arbeitsvertragsparteien im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine einfache, effiziente und kostengünstige vorgerichtliche Klärung der Voraussetzungen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses anbieten wollen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 12.07.2006 entschieden, von einem wichtigen Grund bereits dann auszugehen, wenn die in einem Aufhebungsvertrag vorgesehene Abfindung die in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehene Höhe nicht überschreite. Die Klägerin habe zuletzt ein reguläres Arbeitsentgelt i.H.v. 3699,86 € brutto bezogen. In Ansehung der Betriebszugehörigkeit von 39 Jahren, errechne sich eine Abfindungssumme nach § 1a Abs. 2 KSchG von 72.147,27 €. Da die der Klägerin gewährte Abfindung von 47.000,- € unterhalb dieses Betrages liege, könne von der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung abgesehen werden. Im Übrigen spreche das Interesse des Arbeitnehmers, sich zumindest die vom Arbeitgeber angebotene Abfindung zu sichern, gleichfalls für einen wichtigen Grund.

Gegen das ihr am 13.01.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.02.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Beklagte vor, die Klägerin könne sich nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn eine objektiv rechtmäßige Kündigung gedroht habe. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 57 Jahre alt und schwerbehindert gewesen. Sie sei 39 Jahre im Betrieb der …. GmbH beschäftigt gewesen. Nach den Regelungen des anzuwendenden Manteltarifvertrages der Metallindustrie sei sie nicht mehr ordentlich kündbar gewesen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung genüge es für die Bejahung eines wichtigen Grundes nicht, dass der Arbeitslose annehme, er habe im Hinblick auf eine ansonsten drohende rechtmäßige Arbeitgeberkündigung einen wichtigen Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages. Vielmehr müsse der wichtige Grund objektiv vorgelegen haben. Eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage ergebe sich schließlich auch nicht im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 12.07.2006. Nach den Ausführungen des dortigen Urteils setze der Verzicht auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Arbeitgeberkündigung voraus, dass eine Abfindung zwingend in der gesetzlichen Höhe des § 1a Abs. 2 KSchG im Umfang von 0,5 Monatsentgelten pro Beschäftigungsjahr bezahlt werde. Die der Klägerin gewährte Abfindung entspreche dieser Höhe nicht. Die gewährte Abfindungssumme liege vielmehr deutlich unter dem gesetzlichen Betrag von 0,5 Monatsentgelten pro Beschäftigungsjahr. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts komme eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nur dann in Betracht, wenn ein wichtiger Grund zur Kündigung gerade darin zu sehen sei, dass wegen des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung der Arbeitgeber den Arbeitnehmer notfalls bis zum Erreichen der Pensionsgrenze weiter beschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar sei. Eine solche außerordentliche Kündigung komme nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Dies sei etwa dann der Fall, wenn die Fortführung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürde. Hierbei sei ein strenger Maßstab anzulegen. Dem Arbeitgeber sei es im Besonderen zumutbar, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Der I… GmbH habe es oblegen, eine Weiterbeschäftigung der Klägerin zu gewährleisten. Es sei weder einleuchtend noch plausibel, dass der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz als Sekretärin oder Bürokraft hätte zugewiesen werden können. Im Hinblick auf die von der Klägerin beschriebenen Aufgabengebiete bringt die Beklagte ferner vor, diese entsprächen im Wesentlichen denen einer Sekretärin. Auch die Erfüllung von Aufgaben, die überwiegend einer Sachbearbeiterin oblägen, würde nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Dem Arbeitgeber habe der Umstand, dass die Klägerin eine selbständige und eigenverantwortliche Arbeit ausgeübt habe, ein breites Einsatzspektrum eröffnet, welches darauf schließen lasse, dass die Klägerin auch in anderen Unternehmensbereichen einsetzbar gewesen sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages trägt die Klägerin vor, das SG habe seiner Entscheidung zutreffend die Entscheidung des BSG vom 12.07.2006 zugrunde gelegt. Im Hinblick auf die Regelung des § 1a KSchG habe das BSG ausgeführt, dass diese Regelung Veranlassung geben könnte, künftig einen wichtigen Grund bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages ohne die ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung anzuerkennen. Dies werde vom BSG für Lösungssachverhalte ab dem 01.01.2004 erwogen, wenn die Abfindungshöhe die in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehene Höhe nicht überschreite. Ergänzend bringt die Klägerin vor, sie sei als Sekretärin mit der selbständigen Anfrage bei Unterlieferanten, der eigenständigen Angebotserstellung, der Auftragskorrespondenz, der Klärung offener Fragen mit Technik, Kunden etc., der Bestellung von Mustermaterial, der Erstellung von Herstellungsdokumentationen, der Bearbeitung von Anfragen und Besprechungen, der Fertigung von Protokollen, der Teilnahme an technischen Besprechungen sowie der Feststellung des Entwicklungsstandes in Zusammenarbeit mit der Technik zuständig gewesen.

Der Senat hat sodann bei der … GmbH zur Möglichkeit, der Klägerin einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, schriftlich angefragt, woraufhin durch den Geschäftsführer Hr. …. und die Personalleiterin … unter dem 05.05.2009 mitgeteilt wurde, dass der Klägerin zur Beendigungszeit kein anderer Arbeitsplatz hätte zugewiesen werden können, da ansonsten ein Aufhebungsvertrag mutmaßlich nicht abgeschlossen worden wäre. Auf eine ergänzende Anfrage des Senats wurde unter dem 26.08.2009 mitgeteilt, dass die Klägerin vor ihrem Ausscheiden als Sekretärin im damaligen Bereich Vertriebstechnik beschäftigt gewesen sei. Nach den damaligen weitreichenden Umstrukturierungen sei die damalige Organisationseinheit einschließlich des Sekretariats nicht mehr existent gewesen. Unter dem 03.11.2009 wurde seitens der I… GmbH schließlich mitgeteilt, dass die aktuelle Anschrift des damaligen Geschäftsführers nicht bekannt sei, der ehemalige Personalleiter sei verstorben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die bei der Beklagten für die Klägerin geführte Leistungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2011 verwiesen.

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Entscheidungsgründe

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe vom 01.12.2005 bis 22.02.2006 zu gewähren.

Streitgegenständlich ist neben dem Sperrzeitbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2005 auch der „Änderungsbescheid“ vom 16.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2006, mit dem die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld beginnend ab dem 23.02.2006 bewilligt hat. Dieser Bescheid korrespondiert hinsichtlich der Ablehnung von Arbeitslosengeld für den streitigen Zeitraum vom 01.12.2005 bis 22.02.2006 mit dem Sperrzeitbescheid und bildet insoweit mit diesem eine einheitliche Regelung (vgl. BSG, Urteil vom 09.02.2006 – B 7a/7 AL 48/04 R -; Urteil vom 08.07.2009 – B 11 AL 17/08 R – jeweils veröffentlicht in juris).

Der Bescheid vom 11.11.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2005, mit dem die Beklagte wegen des Eintritts einer Sperrzeit das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vom 01.12.2005 – 22.02.2006 festgestellt hat ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Gleiches gilt für den „Änderungsbescheid“ vom 16.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2006 soweit mit diesem Arbeitslosengeld erst ab dem 23.02.2006 und nicht bereits ab dem 01.12.2005 bewilligt wurde.

Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.12.2005 bis 22.02.2006 dem Grund nach gemäß § 117 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, da sie arbeitslos war, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat (vgl. § 118 Abs. 1 SGB III).

Der Arbeitslosengeldanspruch der Klägerin ruhte in der streitbefangenen Zeit auch nicht wegen des Eintritts einer Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Eine solche tritt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III ein, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe).

Das Beschäftigungsverhältnis löst nicht nur der Arbeitnehmer, der selbst eine Kündigung ausspricht, eine Lösung ist vielmehr auch darin zu erblicken, dass der Arbeitnehmer einen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führenden Vertrag schließt (BSG, Urteil vom 09.11.1995 – 11 RAr 27/95 –; Urteil vom 17.10.2007 – B 11 a AL 51/06 R – jeweils veröffentlicht in juris), wobei unerheblich ist, von welcher Vertragspartei die Initiative für den Vertragsabschluss ausgegangen ist. Die Klägerin hat vorliegend durch ihre Einverständniserklärung zum Aufhebungsvertrag vom 10.05.2004 ihr Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III gelöst. Nachdem sie auch keine konkrete Aussicht auf eine anschließende Beschäftigung hatte, hat sie hierdurch jedenfalls grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit verursacht.

Trotz dieses versicherungswidrigen Verhaltens tritt eine Sperrzeit aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin bei der I… GmbH nicht ein, da sich die Klägerin zur Überzeugung des Senats auf einen wichtigen Grund berufen kann. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung, der Möglichkeit der Versichertengemeinschaft, sich gegen Risikofälle wehren zu können, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft, tritt eine Sperrzeit nur dann ein, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden konnte (st. Rspr. des BSG, u.a. Urteil vom 26.03.1998 – B 11 AL 49/97 R -; Urteil vom 03.05.2001 – B 11 AL 80/00 R – jeweils veröffentlicht in juris). Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, sondern ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss objektiv gegeben sein. Im gegebenen Kontext des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages hat das BSG einen wichtigen Grund angenommen, wenn dem Arbeitnehmer zum gleichen Beendigungszeitpunkt eine rechtmäßige Kündigung aus einem nicht von seinem Verhalten abhängigen Grund gedroht hat (BSG, Urteil vom 25.04.2002 – B 11 AL 89/01 R – veröffentlicht in juris). Dabei steht der Umstand, dass die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Zahlung einer Abfindung verknüpft worden ist, der Annahme, es liege ein wichtiger Grund vor, nicht bereits grundsätzlich entgegen. Das BSG hat für – bei drohender Kündigung – geschlossene Aufhebungsverträge ferner entschieden, dass zwar das Interesse am Erhalt der Abfindung für sich allein einen wichtigen Grund nicht begründen kann, umgekehrt jedoch eine Abfindung diesen nicht zwangsläufig ausschließt. Vielmehr kann auch das Interesse schützenswert sein, sich bei ohnehin nicht zu vermeidender Beschäftigungslosigkeit wenigstens eine Abfindung zu sichern (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.10.2007, a.a.O.).

Mit der durch das Gesetz zur Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I 3002) eingeführten Regelung des § 1a KSchG wurde eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess (vgl. BT-Drucks 15/1204, S.12) geschaffen. Nach dieser Vorschrift hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung i.H.v. 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG kündigt, der Arbeitgeber in der schriftlichen Kündigungserklärung darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer beim Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann, und der Arbeitnehmer die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG tatsächlich hat verstreichen lassen. Dies führt – arbeitsrechtlich – dazu, dass die Kündigung des Arbeitgebers nicht auf ihre materielle Rechtmäßigkeit hin (insbesondere in Bezug auf das Merkmal „wegen dringender betrieblicher Erfordernisse“) zu überprüfen ist und die fehlende Zustimmung des Betriebsrates oder des Integrationsamtes ohne Bedeutung ist (Henke in Eicher/ Schlegel, SGB III, Stand Juni 2007, § 144, Rn. 134). Zwar hat § 1a KSchG unmittelbar nur das Kündigungsrecht verändert, er hat jedoch auch Auswirkungen im Arbeitsförderungsrecht. Dies wurde bereits während des Gesetzgebungsverfahrens erkannt, der Gesetzgeber hat jedoch eine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG, wonach die bloße Hinnahme einer Arbeitgeberkündigung keine Sperrzeit auslöst, für entbehrlich gehalten (BT-Drucks. 15/1587 S.27; vgl. auch Voelzke, Aktuelle Entwicklungen im Sperrzeitrecht, NZS 2005 281, 287). Im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung ist § 1a KSchG auch im Sperrzeitrecht zu berücksichtigen, wobei die Regelung vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) über ihren Wortlaut hinaus auch auf Konstellationen zu übertragen ist, in denen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses in den Grenzen des § 1a KSchG verständigen (vgl. Winkler in Gagel, SGB III, Stand Juli 2009, § 144, Rn. 56; Coseriu in Eicher/ Schlegel, SGB III, Stand Juni 2010, § 144, Rn. 141 m.w.N.; Voelzke, a.a.O). Auch der 11a. Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 12.07.2006 – B 11a AL 47/05 – (veröffentlicht in juris) – dort nicht entscheidungstragend – ausgeführt, dass er erwäge, für Streitfälle ab dem 01.01.2004 unter Heranziehung der Grundsätze des § 1a KSchG auf eine ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der Arbeitgeberkündigung zu verzichten, wenn die Abfindungshöhe die in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehene nicht überschreite. Der erkennende Senat hat, gestützt hierauf, keine Bedenken, das Modell des § 1a KSchG auf Fallgestaltungen, in denen sich die Arbeitsvertragsparteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt haben und in denen die gewährte Abfindung die finanziellen Grenzen des § 1a Abs. 2 KSchG nicht überschreitet, zu übertragen und in Anlehnung an die Ausführungen des 11a Senats des BSG von einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung abzusehen. Vor dem oben angeführten Zweck der Sperrzeitregelung kann dies zur Überzeugung des Senats jedoch nicht zu einer grundsätzlichen Sperrzeitunschädlichkeit eines Aufhebungsvertrages mit Abfindungsregelung in den Grenzen des § 1a Abs. 2 KSchG führen. Vielmehr kann dies dort nicht gelten, wo Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mit dem abgeschlossenen Vertrag zu Lasten der Versichertengemeinschaft manipuliert werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007, a.a.O.). Eine solche Manipulation kann bspw. dann angenommen werden, wenn die Arbeitsvertragsparteien den Weg über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages nur deswegen gehen, um den Eintritt einer Sperrzeit zu vermeiden, die ansonsten bspw. wegen einer offenkundig rechtswidrigen Kündigung oder einer vom Arbeitnehmer initiierten Kündigung eintreten würde (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007, a.a.O.).

In Anlegung dieser Maßstäbe kann sich die Klägerin im Hinblick auf die Lösung ihres Beschäftigungsverhältnisses bei der I… GmbH auf einen wichtigen Grund berufen. Die Höhe der erhaltenen Abfindung von 47.000,- € übersteigt den nach § 1a Abs. 2 KSchG zu gewährenden Betrag nicht. Als Monatsverdienst gilt hierbei nach §§ 1a Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 KSchG, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2 KSchG), an Geld und Sachbezügen zusteht. Wie aus der von der I… GmbH vorgelegten Arbeitsbescheinigung ersichtlich, hatte die Klägerin im Oktober 2005 einen Entgeltanspruch i.H.v. 3.699,86 €. 50 v.H. aus der Summe errechnen einen Betrag von 1.849,93 €. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden (§ 1a Abs. 2 Satz 3 KSchG), weswegen sich bei einem Beginn der Beschäftigung der Klägerin bei der I… GmbH am 01.04.1966 und einem Beendigungszeitpunkt am 30.11.2005 eine 40 jährige Betriebszugehörigkeit errechnet, die einen nach § 1a Abs. 2 KSchG zu gewährenden Abfindungsbetrag von 73.997,20 € ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages zu Lasten der Versichertengemeinschaft manipulativ vorgegangen wurde, bestehen für den Senat nicht. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Klägerin in Ansehung ihres Lebensalters, der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit und ihrer Schwerbehinderung nicht ohne Weiteres betriebsbedingt entlassen werden konnte. Jedoch kann eine außerordentliche Kündigung gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen ausnahmsweise unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zulässig sein, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbaren Mittel, ggf. durch Umorganisation seines Betriebes, nicht weiterbeschäftigen kann. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kann dem Arbeitgeber insbesondere dann unzumutbar sein, wenn eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist und der Arbeitgeber deshalb dem Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg sein Gehalt weiterzahlen müsste, obwohl er z.B. wegen einer Betriebsstilllegung für dessen Arbeitskraft keine Verwendung mehr hat (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.02.1998 – 2 AZR 227/97 – veröffentlicht in juris). Selbst unter Anlegung dieses strengen Prüfungsmaßstabes war eine außerordentliche Kündigung der Klägerin – auch im Fall eines Ausschlusses der ordentlichen Kündigung – nicht ausgeschlossen, so dass selbst unter Heranziehung der von der Beklagten angeführten Sozialauswahlkriterien jedenfalls nicht mit einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung gedroht wurde. Auch wird durch das Erfordernis, im Falle der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen, eine vorherige Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen (§§ 85, 91 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch [SGB IX]), kein absolutes Kündigungsverbot, sondern ein solches mit Erlaubnisvorbehalt begründet (Kreitner in jurisPK SGB IX, Stand 19.10.2010, § 85 SGB IX, Rn. 6). Das Integrationsamt soll die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht (§ 91 Abs. 4 SGB IX). Nachdem die – hypothetische – Kündigung der Klägerin nicht in Zusammenhang mit ihrer Schwerbehinderung stand, war eine – gleichfalls hypothetische – Zustimmung des Integrationsamtes nicht ausgeschlossen. Die in Aussicht gestellte Kündigung der Klägerin durch die I… GmbH war hiernach auch in Ansehung der Schwerbehinderung der Klägerin nicht offensichtlich rechtswidrig.

Nachdem sich für den Senat auch aus der Höhe der Abfindung keine Anhaltspunkte für eine Manipulation zu Lasten der Versichertengemeinschaft ergeben, kann sich die Klägerin zur Überzeugung des Senats für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bei der I… GmbH auf einen wichtigen Grund i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III berufen. Eine Sperrzeit ist hiernach nicht eingetreten.

Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld vom 01.12.2005 bis 22.02.2006 ruht mithin nicht wegen des Eintritts einer Sperrzeit.

Da eine Sperrzeit kraft Gesetz eintritt (vgl. BSG, Urteil vom 09.09.1999 – B 11 AL 17/99 R – veröffentlicht in juris), die Sperrzeitentscheidung mithin nicht den Verfügungssatz, sondern ein begründendes Element für eintretende leistungsrechtliche Folgen – das Ruhen des Leistungsanspruchs – bildet, sind bei einem Höhenstreit Grund und Höhe des Anspruchs in vollem Umfang zu überprüfen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Wortlaut des Bescheides auf die Feststellung einer Sperrzeit beschränkt (vgl. Karmanski in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 144, Rn. 181). Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ruht jedoch vorliegend auch nicht aus einem anderen Grund, namentlich dem Erhalt einer Entlassungsentschädigung. Nach § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet wurde. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt gemäß § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III bei einem zeitlich unbegrenzten Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten. Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin, wie von der I… GmbH im Rahmen der Arbeitsbescheinigung mit einer Frist von 18 Monaten gekündigt werden konnte, oder, wie von der Beklagten angenommen, ordentlich nicht mehr kündbar gewesen ist, haben die Arbeitsvertragsparteien im Rahmen des Aufhebungsvertrages mit der dortigen Frist von 18 Monaten jedenfalls die maximal zu berücksichtigende Frist gewahrt, so dass ein Ruhen des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld nach § 143a SGB III nicht eingetreten ist.

Die Höhe des der Klägerin bewilligten Arbeitslosengeldes von 50,90 € täglich unterliegt keinen Bedenken.

Der Sperrzeitbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2005 ist mithin rechtswidrig. Das SG hat ihn zu Recht aufgehoben, die Berufung ist zurückzuweisen. In Ansehung des Umstandes, dass der Sperrzeitbescheid eine Einheit mit dem Bewilligungsbescheid vom 16.03.2006 (Widerspruchsbescheides vom 29.08.2006) bildet, hat die Zurückweisung mit der Maßgabe zu erfolgen, dass auch der „Änderungsbescheid“ vom 16.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2006 insoweit abzuändern ist, als er Arbeitslosengeld nicht bereits ab dem 01.12.2005 bewilligt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat lässt die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.

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