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Aufklärungspflicht: Arzt muss Eltern auf eine Behinderung des Kindes hinweisen

 BGH

Az.: VI ZR 136/01

Urteil vom 18.06.2002


Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich!):

Ein Arzt hat die Pflicht, eine Schwangere auch über erkennbare Gefahren für die Gesundheit des ungeborenen Kindes aufzuklären.


Sachverhalt:

Die Medizinerin hatte in den pränatalen Untersuchungen fahrlässig Fehlbildungen des Embryos übersehen. Das Kind war mit zwei Armstummeln und verkümmerten Beinen auf die Welt gekommen. Die Eltern führten an, der 1996 geborene Junge brauche rund um die Uhr Betreuung und sei bereits mehrmals operiert worden. Die Eltern hatten geltend gemacht, sie hätten sich bei Kenntnis von den Schädigungen für eine Abtreibung entschieden. Die beklagte Ärztin hatte zudem geltend gemacht, ein Embryo könne ab der 22. Woche auch außerhalb des Mutterleibs überlebensfähig sein und äußerte Bedenken, ob zu diesem Zeitpunkt eine Abtreibung noch verfassungsgemäß sein könnte. Im vorliegenden Fall hätten die Fehlbildungen erst vier Monate vor der Geburt entdeckt werden können.

Entscheidungsgründe:

Die Richter gaben der Klage eines Ehepaars gegen eine Frauenärztin auf Ersatz des Unterhalts für ihr behindertes Kind sowie auf Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 DM (10.226,00 €) für die Mutter statt. Die Richter stellten zum einen fest, dass die Beklagte durch den Beratungsvertrag auch verpflichtet gewesen wäre, die Eltern über mögliche Fehlbildungen des Embryos aufzuklären. Diese Pflicht habe sie verletzt. Fraglich war ferner, ob der Behandlungsvertrag zwischen der Mutter und der Ärztin lediglich den Schutz der Mutter bezweckt oder auch die Aufklärung über erkennbare Gefahren für den Nasciturus umfasst. Eine Abtreibung, so der VI. Zivilsenat, wäre im vorliegenden Falle nach der medizinischen Indikation des § 218 a Abs. 2 StGB rechtmäßig gewesen. In Anbetracht der schweren Behinderungen des Kindes seien sowohl ein Suizidversuch als auch schwerwiegende psychische Beeinträchtigungen der Mutter zu befürchten gewesen. Die tatsächlich eingetretenen Depressionen hätten eindeutig Krankheitswert erlangt. Der Rechtsprechung des BVerfG sind auch keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Verfassung eine Befristung der embryopathischen Indikation verlange. Bei einer Abtreibung ist im Zweifelsfalle eine Güter- und Interessenabwägung zwischen Mutter und Kind durchzuführen. Die Mutter muss nicht um des Schutzes des ungeborenen Lebens Willen selbst schwerwiegende Gefahren für ihr Leben oder ihre Gesundheit tragen, wenn diese nicht anders abzuwenden sind. In die Abwägung kann zwar auch die Dauer der Schwangerschaft einfließen, doch geht es hier vom Sachverhalt her nicht um eine Spätabtreibung in den letzten Wochen.

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