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Aufziehen bestellter Kfz-Kompletträder auf Felgen – Ausschluss Widerrufsrecht

AG Marienberg – Az.: 1 C 419/13-  Urteil vom 06.06.2014

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

825,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2013 zu zahlen,

Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache – 4 Pkw-Kompletträder, bestehend aus vier Reifen KONTINENTAL 205/60 R 16 XL 96 H Winter CONTACT TS 815 SEAL und vier Felgen ENZO B 6,5 x 16 Et33 5 x 112 SILVER.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Rücknahme der unter Nr. 1 dargestellten Kaufsache im Annahmeverzug befindet.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die drohende Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.400,00 Euro abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger in derselben Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Aufziehen bestellter Kfz-Kompletträder auf Felgen - Ausschluss Widerrufsrecht
Symbolfoto: Von Aleksandr Kondratov /Shutterstock.com

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Rückabwicklung eines Vertrages über den Erwerb von Kompletträdern.

Der Beklagte ist Unternehmer und vertreibt unter der Firmenbezeichnung „Reifen-…“ Kfz.-Reifen. Von ihm erwarb der Kläger am 26.09.2013 über die Internetseite

„www…..de“

4 Kompletträder, bestehend aus Winterreifen der Bezeichnung „CONTINENTAL 205/60 R 16 XL 96H WINTER CONTACT TS 815“

nebst Felgen der Bezeichnung „ENZO B 6,5×16 Et33 5×112 SILVER“,

indem der Fahrzeugtyp angegeben und die auf der Seite dargestellten Vorschläge durch die Auswahl technischer Kriterien wie Felgengröße und Reifendurchmesser eingegrenzt wurden, bis dann am Ende dieser Eingrenzungen der Kläger von den verbliebenen Vorschlägen für Kompletträder die hier streitbefangenen Reifen und Felgen auswählte. Der Gesamtpreis von 785,92 Euro gem. Anlage 1 (Bl. 5 d.A.) wurde noch am selben Tag beglichen und die Ware am 07.10.2013 geliefert. Dann stellte der Kläger fest, dass er die falschen Reifen ausgewählt hatte, und erklärte noch am selben Tag in Textform per E-Mail gem. Anlage 2 (Bl. 7 d.A.) den Widerruf des Vertrages und sandte die Ware am 13.10.2013 an den Geschäftssitz des Beklagten zurück, wo jedoch die Annahme am 18.10.2013 verweigert wurde (Anlage 3, Bl. 8 – 11 d.A.). Für den Versand fielen jeweils 9,90 Euro pro Rad an (Anlage 5, Bl. 13 d.A.). Da der Beklagte ein Widerrufsrecht des Klägers in Abrede stellte (Anlage 2, Bl. 6 d.A.), setzte der Kläger mit Schreiben vom 12.10.2013 (Anlage 4, Bl. 12 d.A.) bis zum 28.10.2013 die Frist zur Bezahlung der 785,92 Euro zuzüglich der Kosten für den Rückversand von 4 x 9,90 Euro.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein Widerrufsrecht zustehe, insbesondere dieses nicht nach § 312 d Abs. 4 Ziff. 1 BGB ausgeschlossen sei, weil es sich bei den Kompletträdern nicht um nach Kundenspezifikation angefertigte Ware handele, Reifen und Felge mit einem durchaus zumutbaren Aufwand wieder voneinander getrennt und ohne Preisnachlass anderweitig veräußert werden könnten. Der Beklagte habe keine ausreichenden Bemühungen entfaltet, die Veräußerung zu betreiben. Die Reifen und die Felgen seien absolut handelsüblich. Es handele sich um eine Standard-Bestellung, die auf einer Offerte beruhe, die der Beklagte über die Auswahl-Maske auf seiner Internetseite abgegeben habe, wobei die konkrete Zusammenstellung aus Felge und Reifen dem Kläger als mögliche Kombination vorgeschlagen worden sei. Die Rückabwicklung auf Grund des Widerrufs schließe die Rückübertragung des Eigentums ein, so dass dem Beklagten mit der anderweitigen Veräußerung nicht abverlangt werde, fremdes Eigentum zum Kauf anzubieten. Die mit der Verbindung bzw. Trennung und der “Werkstattumgebung“ einhergehende Belastung sei nur sehr gering, nicht substanzeingreifend und nicht annähernd so intensiv wie beim normalen Fährbetrieb sowie bei sachgerechtem Vorgehen und Nutzung von dem Stand der Technik entsprechenden Montagegeräten ohne Substanzverlust und ohne Schädigung von Reifen und Felgen zu bewerkstelligen. Die Rücknahme der Räder sei dem Beklagten daher zumutbar. Dem Kläger stehe somit ein Widerrufsrecht zu, das nicht einseitig durch allgemeine Geschäftsbedingungen des Beklagten abgeändert oder beschränkt werden könne.

Der Kläger beantragt daher,

a) die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 825,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2013 Zug um Zug gegen Rückgabe der 4 Pkw-Kompletträder – wie oben beschrieben – und

b) die Feststellung, dass der Beklagte sich mit der Rücknahme der gelieferten Kaufsache im Annahmeverzug befinde.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hält die Kompletträder für kundenspezifisch gefertigte Ware, welche nicht handelsüblich sei und nicht dem Widerrufsrecht unterfalle, worauf in den allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen werde. Hierzu bezieht er sich auf die Formulierung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Online-Shops (Anlage B 1, Bl. 32 d.A.), die auszugsweise lauten:

㤠11 Widerrufsrecht

… Das Widerrufsrecht besteht entsprechend § 312 d Abs. 4 BGB unter anderem nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt, zusammengebaut, angepasst bzw. produziert werden. Dies gilt insbesondere für Kompletträder (Felgen mit fertig montierten und gewuchteten Reifen) sowie für speziell angefertigte Felgen mit Wunschfarben oder Formen. …“

Mit der Rücknahme seien für den Beklagten unzumutbare Kosten verbunden, eine Weiterveräußerung der montierten Kompletträder sei auf Grund der Rarität der Räder nicht zu erwarten, weil eine Nachfrage diesbezüglich nicht bestehe und der Beklagte während seiner Geschäftstätigkeit bisher einen solchen Satz nicht verkauft habe. Ein Verkauf der Einzelkomponenten würde dazu führen, dass die Felgen und Reifen als gebraucht gelten würden und nur mit erheblichen Abschlägen verkauft werden könnten. Eine Rückgabe an den Lieferanten sei ausgeschlossen bzw. nur mit sehr hohen Preisabschlägen von etwa 50 % des ursprünglichen Verkaufspreises möglich. Der Beklagte habe den Gesamtauftragswert auf 660,44 Euro netto kalkuliert, Selbstkosten in Höhe von netto 594,10 Euro zur Beschaffung der Reifen und Felgen nebst Montage und Versand aufgewendet und würde bei einer Rücknahme seinerseits und Kulanzrücknahme durch den Reifenhändler Verluste in Höhe von 324,06 Euro bis 398,76 Euro erleiden. Bezüglich der Abschläge im Falle der Rücknahme wird auf die Anlagen B 2 und B 3 (Bl. 34 u. 35 d.A.), bezüglich der Anschaffungskosten auf die Anlage B 4 (Bl. 36 und 37 d.A.) Bezug genommen.

Im Übrigen und bezüglich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.)

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist das Amtsgericht Marienberg nach § 23 Nr. 1 GVG und nach den §§ 12, 13, 21 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig, weil der Streitwert nicht über 5.000,00 Euro liegt und der Beklagte seinen Geschäftssitz im hiesigen Gerichts Sprengel hat.

2.)

Die Klage ist auch begründet,

a)

Der Anspruch des Klägers besteht nach den §§ 346 Abs. 1, 357 Abs. 1 S. 1, 355 Abs. 1 S. 1 und 312 d Abs. 1 BGB.

Zwischen den Parteien kam ein Fernabsatzvertrag über den Kauf von 4 Kompletträder, bestehend aus 4 Reifen der Marke CONTINENTAL und 4 Felgen der Marke ENZO – jeweils wie oben beschrieben – zustande. Nach § 312 b Abs. 1 liegt ein solcher nämlich vor, wenn ein Vertrag über die Lieferung von Waren zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird. Fernkommunikationsmittel sind nach Abs. 2 dieser Vorschrift Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung und zum Abschluss eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können.

Die Bestellung durch den Kläger über die Homepage des Beklagten beschreibt den Abschluss eines Vertrages über Fernkommunikationsmittel. Der Vertragsabschluss ist zudem nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Damit sind die Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen (§ 312 d BGB) auf den vorliegenden Kaufvertrag anwendbar, weil ein Ausnahmetatbestand nach § 312b Abs. 3 BGB nicht eingreift.

Der Kläger hat das Geschäft widerrufen, und zwar einerseits durch E-Mail vom 07.10.2013 (Anlage 2, Bl. 7 d.A.) und andererseits durch Rücksendung der Ware am 17.10.2013 (Anlage 3, Bl. 8 – 11 d.A.). Damit ist die Erklärungsform nach § 355 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB eingehalten.

Der Widerruf ist auch innerhalb der Frist des § 355 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB gesetzten Frist erfolgt, und zwar einerseits durch die Übermittlung der E-Mail am 07.10.2013, dem Tag des Erhalts der Ware durch den Kläger, als auch durch die unter dem 17.10.2013 erfolgte Rücksendung.

b)

Entgegen der Auffassung des Beklagten war das Widerrufsrecht nicht nach § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift besteht ein Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nicht, wenn diese die Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt wurden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind, zum Gegenstand haben. Diese Voraussetzung ist allerdings bei den vorliegend streitbefangenen Kompletträdern nicht erfüllt.

Nach „Kundenspezifikation“ angefertigt oder „eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse“ des Verbrauchers zugeschnitten, ist die Sache, wenn sie wegen der Berücksichtigung der Wünsche des Verbrauches anderweitig nicht oder nur mit einem unzumutbaren Preisnachlass abgesetzt werden kann. § 312 d Abs. 4 Nr. 1 ist dabei nicht anwendbar, wenn die zu liefernde Sache auf Bestellung des Verbrauchers aus vorgefertigten Serienbauteilen zusammengefügt wird, die ohne Beeinträchtigung der Substanz mit geringem Aufwand wieder getrennt werden können (Grüneberg bei Palandt BGB, Rn 9 zu § 312 d in der 66. Auflage).

Ziel des Fernabsatzgesetzes ist der Schutz des Verbrauchers vor den Gefahren eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems, denn Fernabsatzgeschäfte sind dadurch gekennzeichnet, dass Anbieter und Verbraucher sich nicht physisch begegnen und der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung in der Regel nicht vor Vertragsschluss in Augenschein nehmen kann. Um der daraus erwachsenden Gefahr von Fehlentscheidungen des Verbrauchers zu begegnen, haben Art. 6 der Fernabsatzrichtlinie und § 3 FernAbsG dem Verbraucher ein Widerrufsrecht in die Hand gegeben. Ausgeschlossen sein soll dieses Widerrufsrecht jedoch dann, wenn die Ware nach Benutzung oder ansonsten wertlos geworden ist und deshalb ein Widerrufsrecht für den Unternehmer nicht zumutbar ist. Bereits aus der Regelungssystematik sowohl des Art. 6 der Fernabsatzrichtlinie als auch von § 3 FernAbsG ist zu ersehen, dass der europäische und der deutsche Gesetzgeber das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen grundsätzlich als für den Unternehmer zumutbar ansehen, obwohl eine Rücknahme der Ware für den Unternehmer in der Regel mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist. Nur in den in der Richtlinie und im Fernabsatzgesetz umschriebenen Ausnahmefällen soll das Widerrufsrecht ausgeschlossen sein. Daraus folgt für die Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 FernAbsG, dass es für eine Anfertigung nach Kundenspezifikation, die das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausschließt, nicht ausreicht, wenn der Verbraucher durch seine Bestellung die Herstellung der Ware veranlasst und dafür notwendigerweise genauere Angaben über deren Beschaffenheit macht. Anderenfalls wäre das Widerrufsrecht allein davon abhängig, ob (ein- und dieselbe) Ware vorrätig gehalten oder erst auf Bestellung – nach Bedarf – produziert wird. Es läge dann in der Hand des Unternehmers, ein Widerrufsrecht des Verbrauchers dadurch auszuschließen, dass auch standardisierte Ware nicht vorrätig gehalten, sondern erst auf Bestellung produziert wird. Wäre diese Möglichkeit durch eine zu weite Auslegung des Ausschlusstatbestandes eröffnet, dann würde das Widerrufsrecht des Verbrauchers in weiten Branchen des Fernabsatzgeschäfts leerlaufen, in denen es technisch möglich und betriebswirtschaftlich wegen der Verringerung der Lagerhaltungskosten und des Absatzrisikos auch vorteilhaft ist, standardisierte Massenware erst auf Bestellung zu produzieren. Dies liefe dem Ausnahmecharakter der gesetzlichen Regelung zuwider. Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist deshalb nur dann wegen Anfertigung der Ware „nach Kundenspezifikation“ ausgeschlossen, wenn der Unternehmer durch die Rücknahme auf Bestellung angefertigter Ware erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet, die spezifisch damit Zusammenhängen und dadurch entstehen, dass die Ware erst auf Bestellung des Kunden nach dessen besonderen Wünschen angefertigt wurde. Nicht ausreichend dafür sind dagegen die Nachteile, die mit der Rücknahme bereits produzierter Ware stets verbunden sind. Diese hat der Unternehmer nach dem Gesetz hinzunehmen. Nur wenn der Unternehmer darüber hinausgehende besondere Nachteile erleidet, die gerade durch die Anfertigung nach Kundenspezifikation bedingt sind, kann dem Unternehmer ein Widerrufsrecht des Verbrauchers und die damit verbundene Pflicht zur Rücknahme der Ware – ausnahmsweise – nicht zugemutet werden.

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Lässt sich dagegen die Ware ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile mit verhältnismäßig geringem Aufwand wieder in den Zustand vor der Anfertigung versetzen, liegt schon aus diesem Grund eine das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausschließende Anfertigung nach Kundenspezifikation nicht vor. In diesem Fall ist dem Unternehmer die Rücknahme der Ware zumutbar, weil er deren Anfertigung mit wirtschaftlich tragbarem Aufwand rückgängig machen kann und dadurch die Bestandteile wiedererlangt, die er vor der Anfertigung besaß. In einem solchen Fall erleidet der Unternehmer durch die Rücknahme auf Bestellung angefertigter Ware keinen unzumutbaren Nachteil im Vergleich zu einem Fernabsatzvertrag über die Lieferung der Bestandteile selbst, bei dem ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Anfertigung der Ware nach Kundenspezifikation von vornherein nicht in Betracht käme. Darüberhinaus müssen die Angaben des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Sache so individualisieren, dass diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme deshalb (wirtschaftlich) wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlassten besonderen Gestalt anderweit nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen absetzen kann.

Nach diesen in der Entscheidung des BGH vom 19.03.2003 zum Aktenzeichen VIII Z R 295/01 dargestellten Grundsätzen und Begründungen liegt ein Fall der Anfertigung der Ware nach Kundenspezifikation hier nicht vor.

Bereits die Durchführung der Auswahl zeigt, dass es sich um handelsübliche Waren handelt, die auf der Homepage des Beklagten angeboten werden und zusammengestellt werden können. Die vom Kläger ausgewählten und vom Beklagten gelieferten Räder passen nicht nur auf das Fahrzeug des Klägers, sondern allgemein auf den Seat Alhambra und den VW Sharan.

Die Trennung des Reifens von der Felge geht auch nicht mit derartigen Belastungen einher, dass die Ware Substanzverlust erleiden oder mangelhaft werden würde. Zutreffend trägt der Kläger vor, dass der Reifen im drucklosen Zustand mit der hierfür vorgesehenen Aufziehvorrichtung leicht von der Felge entfernt werden kann. Diese Maßnahme ist nicht substanzeingreifend, da der Reifen aus elastischem Material besteht, das extrem ermüdungsarm ist. Zudem trifft es zu, dass die Trennung des Reifens von der Felge keine auch nur annähernd so intensive Belastung darstellt, wie sie beim normalen Fährbetrieb auf den Reifen einwirkt. Dies ergibt sich im Übrigen nach der allgemeinen Lebenserfahrung bereits daraus, dass man Sommer- wie Winterreifen über gut 2 Jahre hinweg im Wechsel auf die Fahrzeugfelgen aufziehen lassen kann, ohne dass der Reifen, die Felge oder das Rad insgesamt Schaden nehmen würde, der die weitere Benutzung verhindert oder einschränkt. So werden Reifen nach der Lebenserfahrung unter jeweiligem Wechsel von Sommer auf Winter und Winter auf Sommer über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren gefahren. Daraus ergibt sich – ohne dass es der Einholung eines Gutachtens bedarf -, dass die Trennung des Reifens von der Felge die Zumutbarkeit der Rücknahme für den Unternehmer nicht ausschließt.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Argumentation des Beklagten hinsichtlich der wirtschaftlichen Seite. Der Vortrag des Beklagten krankt nämlich daran, dass er sich an seine Lieferanten gewendet hat, um die Bedingungen für die Rücknahme von Reifen und Felge zu erfragen. Dabei handelt es sich aber dann nicht um eine Weiterveräußerung. Insoweit ist dem Kläger Recht zu geben, dass der Beklagte sich mit der Frage der Weiterveräußerung nicht ausreichend auseinandergesetzt hat.

So führte auch das Landgericht Hannover in der Entscheidung vom 20.03.2009 zum Aktenzeichen 13 S 36708 aus:

„… Beklagte muss darlegen und ggf. beweisen, dass die Rücknahme von Reifen, Felgen … bei ihr zu einer „quasi unzumutbaren Beeinträchtigung“ führen würde. Hier müsste sie ggf. darlegen, dass die Reifen bzw. Felgen z.B. nur unter Gewährung eines erheblichen – unzumutbaren – Preisnachlasses weiter veräußert werden könnten. Diesen Voraussetzungen genügt der Vortrag der Beklagten jedoch nicht. Vor dem Hintergrund der geschilderten Erfordernisse reicht es nicht aus vorzutragen, dass die Felgen bei der Demontage eine Substanzveränderung erleiden und nicht mehr als neuwertig verwendet werden können. Auch reichte es nicht aus vorzutragen, dass die Hersteller bzw. Lieferanten die Felgen nicht – ohne Weiteres – zurücknehmen. Hier hätte die Beklagte ggf. konkret vortragen müssen, mit weichen Nachlässen die Reifen / Felgen hätten anderweitig veräußert werden können und dass diese andere Verwertung für sie unzumutbar war. …“

In der Tat hätte daher nach Auffassung des Amtsgerichts Marienberg der Beklagte sich nicht mit den Anfragen an die „Reifen Krieg GmbH“ (Anlage B 2, Bl. 34 d.A.) und die „Euro-Tyre BV (Anlage B 3, Bl. 35 d.A.) begnügen dürfen, sondern die Räder bzw. Reifen und Felgen anderweitig zum Verkauf anbieten müssen, um einen günstigeren Preis als bei den von ihm getätigten Nachfragen zu erhalten.

Damit wird in der Tat dem Beklagten nicht abverlangt, fremdes Eigentum zum Kauf anzubieten. Immerhin hatte doch der Kläger mit seinem Widerruf seine Erklärung zur Vornahme der Rückabwicklung nach § 346 Abs. 1 BGB abgegeben, mit der dann selbstverständlich auch das Angebot auf Rückübereignung der Räder verbunden war.

Vor diesem Hintergrund ist ein Verlust in Höhe von 324,06 Euro bzw. 398,76 Euro, wie ihn der Beklagte kalkuliert, nicht als Ergebnis ausreichender Weiterveräußerungsbemühungen anzuerkennen. Dies ergibt sich nach Auffassung des Amtsgerichts Marienberg bereits aus der Kalkulation des Beklagten selbst. Die Anlagen B2 und B3 (Bl. 34 und 35 d A) geben nämlich vom Wortlaut her nicht die Variante eines Weiterveräußerungspreises von 75 % des Anschaffungspreises wider. Die Reifen Krieg GmbH würde nur 50 % des ursprünglichen Verkaufspreises erstatten, die Euro-Tyer BV würden einen Abzug von 10 % des Warenwertes und weiteren 20,00 Euro für 4 Reifen vornehmen. Dann würden sich aber nicht 224,10 Euro ergeben, sondern

298,80 Euro – 29,88 Euro – 20,00 Euro = 248,92 Euro.

Aus der Einlassung des Beklagten, nicht fremdes Angebot zum Verkauf anzubieten, ist allerdings abzuleiten, dass er weitere Veräußerungsbemühungen außer den beiden genannten Nachfragen nicht vorgenommen hat. Insofern bedarf es auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens, denn dem Kläger ist zuzugeben, dass der einzige Weg, seriös zu den Absatzmöglichkeiten der Reifen und Felgen zu recherchieren, gewesen wäre, die Ware zum Verkauf anzubieten und ggf. zu bewerben. Damit ist der Vortrag des Beklagten, eine weitere Veräußerung der montierten Kompletträder sei nicht zu erwarten, weil eine Nachfrage diesbezüglich nicht bestehe, und der Verkauf in demontiertem Zustand sei nur mit erheblichen Abschlägen möglich, so dass für ihn mit der Rücknahme unzumutbarer Kosten entstehen würden, nicht ausreichend substantiiert geführt und damit unerheblich.

c)

Dem Kläger stand damit das Widerrufsrecht mit den Folgen nach § 357 i.V.m. § 346 BGB zu.

Der Ausschlusstatbestand nach § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB ist hier nicht einschlägig.

Soweit § 11 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten gleichwohl den Widerruf unter Bezugnahme auf § 312 d Abs. 4 BGB ausschließen will, bewirkt er eine unangemessene Benachteiligung des Klägers nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB, die zur Unwirksamkeit der Sätze 3 und 4 in § 11 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten führt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Der Kläger hat sich auf einen Verstoß der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Regeln zu § 11 auch berufen, indem er in der Replik vom 06.02.2014 (Bl. 41 d.A.) entäußerte, dass das gesetzliche Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht durch AGB einseitig abgeändert oder beschränkt werden könne und die AGB des Beklagten dem Widerruf daher nicht entgegenstehen würden.

§ 11 Satz 3 und 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthält nicht auch etwa eine zwischen den Parteien getroffene Definition über den Begriff „Kundenspezifikation“. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Beklagte aufgrund des Auswahlmodus auf seiner Homepage von einer Kundenspezifikation ausgeht, während der Kläger diese unter Bezugnahme auf die Serienmäßigkeit der eingesetzten Bestandteile verneint. Insofern gehen dann Zweifel bei der Auslegung, ob mit den Sätzen 3 und 4 in § 11 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten tatsächlich Kompletträder, wie sie nach dem Modus der Homepage des Beklagten ausgewählt werden können, Kundenspezifikation darstellen oder nicht, zu Lasten des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also des Beklagten (§ 305 c Abs. 2 BGB) und führen wegen fehlender Klarheit über § 307 Abs. 1 Sätze 2 und 1 BGB ebenfalls zur Unwirksamkeit einer möglichen fingierten Definition von Kundenspezifikation.

Vielmehr bleibt es dabei, dass jeweils zu prüfen ist, ob die angefertigten Räder Kundenspezifikation darstellen oder nicht. Da im vorliegenden Fall der Vortrag des Beklagten für die Annahme von Kundenspezifikation nicht ausreicht, ist der Widerruf für den Kläger nicht ausgeschlossen gewesen. Dies ist – insoweit ist mit dem Bundesgerichtshof (s.o.) auf das Ziel des Fernabsatzgesetzes zurückzukommen – der Tribut des Unternehmers dafür, dass Anbieter und Verbraucher sich nicht physisch begegnen und der Verbraucher die Ware in der Regel nicht vor Vertragsschluss in Augenschein nehmen kann, woraus eine erheblich wachsende Gefahr von Fehlentscheidungen des Verbrauchers droht, denn im persönlichen Verkaufsgespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten wäre der Irrtum des Klägers sicherlich zutage gefördert und stattdessen die richtige Wahl durch den Kläger getroffen worden, so dass es einer Rückabwicklung des fehlerhaften Kaufentschlusses dann nicht mehr bedurft hätte,

d)

Der Kläger kann daher den Kaufpreis vom Beklagten erstattet verlangen (§ 346 Abs. 1 GBG). Zudem hat der Beklagte die Kosten der Rücksendung zu tragen (§ 357 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Diese Beträge von

785,92 Euro (Anlage 1, Bl. 5 d.A) und 39,60 Euro (Anlage 5, Bl. 13 d,A) addieren zu dem ausgeurteilten Betrag von 825,52 Euro.

Im Gegenzug besteht die Pflicht des Klägers zur Rückgabe der 4 Kompletträder (§ 348 Satz 1 BGB).

e)

Der Anspruch auf die Verzugszinsen besteht nach den §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Mit der Fristsetzung in Anlage 4 (Bl. 12 d.A) setzte der Kläger den Beklagten für den Fall der Nichtzahlung mit Wirkung ab dem 29.10.2013 in Verzug.

Der Zinssatz ist gesetzlich.

f)

Zudem ist nach § 256 Abs. 1 ZPO festzustellen, dass der Beklagte sich in Verzug der Annahme hinsichtlich der zurückzugebenden 4 Kompletträder befindet.

Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus den Vollstreckungserleichterungen gem. den §§ 756 Abs. 1 und 765 Nr. 1 ZPO.

Der Annahmeverzug bestand, sobald der Beklagte die Annahme der Ware am 18.10.2013 verweigerte. Der Kläger hatte nämlich durch die Rücksendung der Kompletträder seine aus § 346 Abs. 1 i.V.m. den §§ 357 Abs. 1, 355 Abs. 1 und 312 d Abs. 1 bestehende Pflicht zur Rückgabe erfüllen wollen und dem Beklagten im Rahmen des anzubahnenden Rückabwicklungsverhältnisses ein tatsächliches Angebot nach § 294 BGB unterbreitet, das dieser ausschlug und damit in Annahmeverzug geriet (§ 293 BGB).

3.

Die Kostenentscheidung geht nach § 91 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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