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Au-Pair-Tätigkeit des Kindes – Steuerliche Berücksichtigung

BUNDESFINANZHOF

Az.: VIII R 74/01

Urteil vom 22. Mai 2002

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg – Az.: 6 K 1806/99 KG – Urteil vom 07.03.2001


Leitsätze:

1. Leistungen der Gasteltern für eine Au-pair-Tätigkeit des Kindes sind Bezüge i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Soweit diese in freier Unterkunft und Verpflegung bestehen, sind sie nach der Sachbezugsverordnung zu bewerten.

2. Anforderungen für erhöhten Lebensbedarf wegen einer auswärtigen Unterbringung (Miete und Verpflegungsmehraufwendungen) des ledigen Auszubildenden können nicht entsprechend R 43 Abs. 5 LStR 1999 unter dem Gesichtspunkt einer zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung als ausbildungsbedingter Mehrbedarf abgezogen werden.


Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter der im März 1979 geborenen Tochter S, die bis Anfang Januar 1999 arbeitslos war und sich in der Zeit vom 4. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 1999 im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses in den USA (New York) aufhielt. Dort besuchte sie an drei Tagen in der Woche einen Sprachkurs. Der Sprachunterricht umfasste mindestens zehn Wochenstunden.

Während ihres Au-pair-Aufenthaltes erhielt S freie Kost und Unterkunft sowie ein Taschengeld in Höhe von 139 Dollar pro Woche.

Der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) hob mit Bescheid vom 28. Januar 1999 die Festsetzung des Kindergeldes für die Zeit ab Februar 1999 auf. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Klägerin bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge der Tochter Werbungskosten für eine zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung geltend machte, statt (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2001, 1059).

Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung materiellen Rechts (§ 32 Abs. 4 Sätze 2, 3, 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes –EStG– in der im Streitjahr 1999 gültigen Fassung).

Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Der Klägerin stand für die Zeit von Februar bis einschließlich Dezember 1999 kein Kindergeld zu.

a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, dann berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Auch ein Sprachunterricht während eines Au-pair-Aufenthalts kann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Unterricht hinreichend gründliche Sprachkenntnisse vermittelt und grundsätzlich wöchentlich mindestens zehn Unterrichtsstunden umfasst (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701, und vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, zur Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2002, 979). Es ist unter den Beteiligten nicht mehr streitig, dass diese Anforderungen im Streitfall erfüllt sind.

b) Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG setzt der Kindergeldanspruch jedoch zusätzlich voraus, dass die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, den Jahresgrenzbetrag von 13 020 DM im Jahr 1999 nicht überschreiten (§ 52 Abs. 22 a Satz 2 Buchst. b EStG 1997). Dieser Betrag ermäßigt sich nach § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG für jeden Kalendermonat um 1/12, in dem die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nicht vorliegen (Kürzungsmonate). Bei der Prüfung, ob der sich danach ergebende anteilige Jahresgrenzbetrag überschritten ist, bleiben nach § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG diejenigen Einkünfte und Bezüge des Kindes außer Ansatz, die auf die Kürzungsmonate entfallen.

Der Januar 1999 ist wegen der dem Ausbildungsverhältnis vorausgehenden Arbeitslosigkeit der S kein Kürzungsmonat (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG); die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind damit teils wegen der Arbeitslosigkeit, teils wegen der Berufsausbildung der S während des ganzen Jahres 1999 erfüllt.

c) Die Bezüge der S im Jahr 1999 überschreiten jedoch den Jahresgrenzbetrag.

aa) Leistungen der Gasteltern für eine Au-pair-Tätigkeit sind Bezüge des Kindes i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Das gilt sowohl für die Sachleistungen als auch für die Geldleistungen, soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind (vgl. u.a. Greite in Korn, Einkommensteuergesetz, § 32 Rz. 68; Heuermann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 32 EStG Rz. 116, 117; Jachmann in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 32 Rz. 17; Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes –DA-FamEStG– Tz. 63.4.2.3 Abs. 2 Nr. 9 und Tz. 63.4.2.7, BStBl I 2000, 639, 676, 681). Soweit es sich um die Kosten für Unterkunft und Verpflegung handelt, sind sie nach der auf § 17 Abs. 1 Nr. 3 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) beruhenden Verordnung zur Bewertung der Sachbezüge (Sachbezugsverordnung –SachBezV–) zu ermitteln, die zwar nach § 8 Abs. 2 Sätze 6 und 7 EStG unmittelbar nur für Einnahmen von Arbeitnehmern gilt, die aber auch für die im Rahmen anderer Ausbildungsverhältnisse gewährten Sachleistungen eine hinreichende Schätzungsgrundlage darstellt, soweit sie nicht offensichtlich zu unzutreffenden Ergebnissen führt (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II. 2. c der Gründe). Die amtlichen Werte werden jährlich angepasst; sie betragen 1999 für Unterkunft monatlich (70 v.H. von 352 DM =) 246,40 DM und für Verpflegung monatlich 361 DM (BGBl I 1998, 3822, BStBl I 1998, 1629 i.V.m. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 SachBezV, BStBl I 1995, 42). Das ergibt für das Jahr 1999 Sachbezüge in Höhe von insgesamt 7 248,30 DM (bei Ansatz von jeweils 28/30 für den Monat Januar, § 1 Abs. 3 und § 3 Abs. 3 SachBezV).

Hinsichtlich des von S bezogenen Taschengeldes in Höhe von wöchentlich 139 Dollar ist davon auszugehen, dass es zur Bestreitung der Bedürfnisse des Alltags in den USA ausgegeben wurde. Es ist also auf die Kaufkraft dieser Bezüge in den USA abzustellen. Der Senat lässt offen, ob das Taschengeld unter diesem Gesichtspunkt nicht ebenso wie die im Ausland gewährten Sachbezüge für Unterkunft und Verpflegung, die stets nach der SachBezV zu bewerten sind (vgl. DA-FamEStG, Tz. 63.4.2.7. und Tz. 63.4.2.10, BStBl I 2000, 639, 681, 686), im Verhältnis 1:1 oder entsprechend der in § 32 Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG getroffenen Regelung nach dem Devisenmittelkurs oder Wechselkurs umzurechnen ist.

Auch bei einer Umrechnung im Verhältnis 1:1 übersteigt der Gesamtbetrag der Bezüge von 14 476,30 DM (Sachbezüge 7 248,30; Taschengeld 52 x 139 = 7 228 DM) abzüglich der Kostenpauschale von 360 DM den Jahresgrenzbetrag von 13 020 DM um 1 096,30 DM.

bb) Die Bezüge sind nicht um ausbildungsbedingte Mehraufwendungen zu kürzen.

aaa) Bei der Ermittlung der Bezüge bleiben gemäß § 32 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 EStG solche Bezüge außer Ansatz, die „für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind“. Das gilt auch für nicht zweckgebundene Bezüge, wenn sie tatsächlich für Ausbildungszwecke verwendet werden (BFH-Urteil vom 14. November 2000 VI R 62/97, BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491, unter 2. b, cc der Gründe).

Kosten für Unterkunft und Verpflegung sind keine Aufwendungen für solche besonderen Ausbildungszwecke (BFH-Urteil vom 14. November 2000 VI R 128/00, BFHE 193, 457, BStBl II 2001, 495, unter 2. b der Gründe). Vielmehr wird die Tatsache, dass eine beträchtliche Anzahl der in Ausbildung befindlichen Kinder auswärts untergebracht ist und es deshalb an einer gemeinsamen Wirtschaftsführung mit den Eltern fehlt, in der Ausgestaltung des Jahresgrenzbetrages hinreichend berücksichtigt (BFH-Urteile vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566, unter II. 2. e der Gründe; in BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491, unter 2. a der Gründe). Das gilt auch für Kinder, die ihre Ausbildung im Ausland erhalten, jedenfalls dann, wenn ihnen Unterkunft und Verpflegung gestellt wird und diese Bezüge nach der SachBezV bewertet werden.

Wie die Unterkunft und Verpflegung gehört auch die Verwendung des von S bezogenen Taschengeldes nicht zu den ausbildungsbedingten Mehraufwendungen, soweit es nicht nachweislich für besondere Ausbildungszwecke verwendet wurde. Dafür ist hier nichts vorgetragen.

bbb) Die Klägerin kann auch keine Aufwendungen für erhöhten Lebensbedarf (Miete und Verpflegung) als ausbildungsbedingten Mehrbedarf abziehen, wie dies R 43 Abs. 5 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1999 bei auswärtig beschäftigten ledigen Arbeitnehmern zulässt.

Der VI. Senat des BFH hat zwar in seinem Urteil in BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491 (dort unter 2. c der Gründe) entschieden, dass die Abgrenzung aller ausbildungsbedingten Mehraufwendungen von den Lebensführungskosten in der Weise vorgenommen werden könne, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der Lebensführung und den Werbungskosten geschieht. Das gelte aus Gründen der Gleichbehandlung und zur leichteren Handhabung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Das würde grundsätzlich den Abzug von Mehraufwendungen wegen einer zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung nach den dafür vorgesehenen (Auslands-)Pauschbeträgen einschließen (zu diesen BFH-Urteile vom 6. Oktober 1994 VI R 39/93, BFHE 176, 32, BStBl II 1995, 186; R 43 Abs. 5 LStR 1999; offen gelassen im Urteil vom 13. März 1996 VI R 103/95, BFHE 180, 139, BStBl II 1996, 375). Der VI. Senat hat aber für einen ledigen und auswärts untergebrachten Auszubildenden auch entschieden, dass dieser keine Unterbringungs- und Verpflegungsmehraufwendungen abziehen dürfe, weil diese Aufwendungen typischerweise bereits mit dem Jahresgrenzbetrag abgegolten seien, soweit der Auszubildende nicht ausnahmsweise einen doppelten Haushalt i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG führe (BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 78/00, BFH/NV 2001, 1558, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst –DStRE– 2001, 1333). Er hat damit auch entschieden, dass Aufwendungen für eine zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung bei Ledigen im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG nicht zu berücksichtigen sind (MIT in DStRE 2001, 1334). Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung an.

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