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Ausbildungsvergütung – Streit um die Angemessenheit

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Az.: 5 Sa 159/06

Urteil vom 07.11.2006

Vorinstanz: Arbeitsgericht Kiel, Az.: 1 Ca 2271 c/05


In dem Rechtsstreit hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2006 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Kiel vom 16. Februar 2006, Aktenzeichen 1 Ca 2271 c/05, abgeändert und die Beklagte verurteilt, 3.055,02 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2005 an die Klägerin zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Angemessenheit der vereinbarten Ausbildungsvergütung für die Monate Oktober 2004 bis August 2005.

Die Parteien schlossen einen Ausbildungsvertrag über die Ausbildung der Klägerin in der Zeit vom 01.10.2004 bis 30.09.2007 zur Gesundheits- und Krankenpflegerin.

Alleiniger Gesellschafter der Beklagten ist die K… und K… R…-E… gGmbH (im Folgenden: K… gGmbH), deren Träger der Kreis R…-E… ist. Die K… gGmbH ist tarifgebunden, während für die Beklagte keine Tarifbindung besteht. Die K… gGmbH stellte in der Vergangenheit jährlich rund 60 Auszubildende zu tarifvertraglichen Bedingungen ein. Die als gemeinnützige GmbH geführte Beklagte wurde am 01.10.2004 als Ausbildungsträger gegründet. Zwischen der Beklagten und der K… gGmbH besteht ein Kooperationsvertrag. Danach stellt die K… gGmbH die nach den gesetzlichen Vorschriften geforderte theoretische und praktische Ausbildung der Auszubildenden

sicher. Sie wird auch an der Auswahl der Auszubildenden beteiligt und deren verantwortliche Abteilungsleiter sind gegenüber den Auszubildenden weisungsbefugt.

Die K… gGmbH zahlt der Beklagten für jeden Auszubildenden monatlich einen bestimmten Betrag.

In dem zwischen den Parteien geschlossenen Ausbildungsvertrag vom 29.09.2004 vereinbarten die Parteien – soweit hier von Belang – u. a. Folgendes:

„§ 3 Grundsätzliches über das Rechtsverhältnis

Das Ausbildungsverhältnis richtet sich, soweit dieser Ausbildungsvertrag keine speziellen Regelungen enthält, nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes ausgebildet werden, vom 28. Februar 1986 und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.

§ 6 Zahlung und Höhe der Ausbildungsvergütung

1. Die Auszubildende erhält die nachfolgende monatliche Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr 500,– Euro, im zweiten Ausbildungsjahr 550,– Euro, im dritten Ausbildungsjahr 600,– Euro.

2. Für Nachtdienste wird ein Zeitzuschlag in Höhe von 1,– Euro gezahlt. Was Nachtarbeit ist, ergibt sich aus den Bestimmungen, die für die Angestellten im Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin bei der K… und K… R…-E… gGmbH gelten.

3. Weitergehende Zahlungen erfolgen nicht. Zeitzuschläge für Dienste zu ungünstigen Zeiten und Schichtzulagen sind in dieser Ausbildungsvergütung pauschal enthalten.“

§ 10 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes oder der des Hebammengesetzes ausgebildet werden (im Folgenden: MTV-Schü) i. V. m. § 3 Abs. 1 des Ausbildungstarifvertrages Nr. 12 für Schülerinnen/Schüler, die nach Maßangabe des Krankenpflegegesetzes oder des Hebammengesetzes ausgebildet werden (im Folgenden: AusbVerg-TV) sieht demgegenüber monatliche Ausbildungsvergütungen in folgender Höhe vor:

– im ersten Ausbildungsjahr 729,06 €

– im zweiten Ausbildungsjahr 788,57 €

– im dritten Ausbildungsjahr 884,44 €

Zudem erhielten die Auszubildenden nach dem MTV-Schü i. V. m. dem AusbVerg-TV – bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum – für das Jahr 2004 eine Einmalzahlung in Höhe von 30,00 €, eine anteilige Zuwendung über 149,71 € sowie Urlaubsgeld in Höhe von 255,65 € und für 2005 eine Einmalzahlung in Höhe von 100,00 €. Hieran gemessen unterschritt das Gesamtvolumen der arbeitsvertraglich bestimmten Vergütung das Gesamtvolumen der tariflich vorgesehenen Vergütung um 35,65 %.

Am 28.09.2005 hat die Klägerin Klage erhoben und für den Zeitraum vom Oktober 2004 bis August 2005 Zahlung des Differenzbetrages zwischen der ihr gezahlten vertraglichen Vergütung und der tariflichen Ausbildungsvergütung nach dem MTV-Schü i. V. m. dem AusbVerg-TV beansprucht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage mit Urteil vom 16.02.2006 abgewiesen. Die Beklagte habe den der Klägerin nach § 6 des Arbeitsvertrages zustehenden Vergütungsanspruch erfüllt. Ein darüber hinausgehender Anspruch in Höhe der tariflichen Ausbildungsvergütung stehe der Klägerin nicht zu. Dies ergebe sich auch nicht aus einer unzulässigen Umgehung der Tarifbindung nach § 242 BGB. Die Gründung einer tarifgebundenen Ausbildungsgesellschaft zum Zwecke der Umgehung der Tarifbindung sei zulässig. Dies folge aus der negativen Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 GG. Dies gelte jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – die Ausbildungsgesellschaft (Beklagte) zusammen mit dem Ausbildungsbetrieb (K… gGmbH) erheblich über den Bedarf ausbilde. Ein Anspruch auf tarifliche Vergütung ergebe sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 9 Ziff. 2 AÜG i. V. m. § 10 Abs. 4 AÜG. Die vertragliche Vergütung sei auch gemäß § 12 Abs. 1 KrPflG angemessen. Das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit i. V. m. § 12 Abs. 1 KrPflG sei identisch mit demjenigen in § 10 BBiG. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sei davon auszugehen, dass eine Vergütung gemäß dem einschlägigen Tarifvertrag als angemessen zu verstehen sei. Es gelte der richterrechtlich geprägte Ansatzpunkt, wonach eine widerlegliche Vermutung für die Unangemessenheit spreche, wenn die tarifliche Ausbildungsvergütung in einer Gesamtbetrachtung um mehr als 20 % unterschritten werde. Dieser Grundsatz gelte indessen nicht ausnahmslos. Unter Abwägung der Interessenlage beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles im Krankenhausbereich sei vorliegend die Vermutung der Unangemessenheit widerlegt. Zwar könne ein tarifgebundener Ausbilder sich grundsätzlich seiner gesetzlichen Pflicht nicht dadurch entziehen, dass er seinen Ausbildungsbetrieb durch das Dazwischenschalten eines gemeinnützigen, nicht tarifgebundenen Bildungsträgers decke. Indessen sei vorliegend bedeutsam, dass die Ausbildung im Krankenhausbereich stattfinde, der von der begrenzten Zuweisung von Geldern der Sozialversicherungsträger geprägt sei. Diese vergüteten aufwandsbezogen.

Von dieser Vergütung sei grundsätzlich eine Ausbildung weit über dem eigenen Bedarf hinaus nicht gedeckt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass nicht nur die Beklagte, sondern auch die K… gGmbH gemeinnützig seien. Insofern diene die Ausbildung nicht der Gewinnerzielung. Die Beklagte und die K… gGmbH bildeten unstreitig weit über dem eigenen Bedarf aus. Dabei sei irrelevant, dass die K… gGmbH auch in der Vergangenheit stets entsprechend über Bedarf ausgebildet habe. Denn aufgrund der heutigen Situation mit den deutlich geringeren Ressourcen sei eine Ausbildung weit über Bedarf wirtschaftlich kaum tragbar. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte auch Krankenpflegeschüler für den allgemeinen Arbeitsmarkt ausbilde, sei ein Bedarf durch die Ausbildung von 20 Pflegeschülerinnen langfristig gedeckt. Die Beklagte und die K… gGmbH bildeten demgegenüber 2 1/2-mal so viele Schüler aus. Das hinter dieser Praxis stehende Ziel des öffentlich-rechtlichen Trägers der Krankenhäuser sei legitim und gesellschaftlich erwünscht. Über den Träger der K… gGmbH sowie über die Finanzierung der Krankenhäuser größtenteils durch öffentlich-rechtliche Sozialversicherung sei davon auszugehen, dass hier öffentliche Gelder für die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze verwandt würden.

Die Begrenztheit der öffentlichen Mittel und das vom Staat zu verfolgende gesamtwirtschaftliche Interesse, möglichst vielen arbeitslosen Jugendlichen die Möglichkeit einer qualifizierten Berufsausbildung zu verschaffen, rechtfertige vorliegend ein Unterschreiten der tariflichen Ausbildungssätze auch weit unter 20 %. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die absolute Höhe der von der Beklagten gezahlten Ausbildungsvergütung sich im Rahmen anderer Ausbildungsvergütungen wie beispielsweise der Ausbildungsverhältnisse von Arzthelferinnen bewege. Die vertragliche Nettoausbildungsvergütung liege auch oberhalb der Sätze, die ein Bezieher von Arbeitslosengeld II beziehe. Da die Beklagte und die K… gGmbH die Leistungen der Klägerin nicht kommerziell verwerteten und die Ausbildungen ihnen keinerlei finanzielle Vorteile bringe, trete der Gesichtpunkt, dass der Vergütung eine Mindestentlohnung für die Leistung der Auszubildenden darstellen müsse, zurück.

Gegen dieses ihr am 23.03.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin/ Beklagte am 19.04.2006 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 19.05.2006 begründet.

Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass im Krankenhausbereich die Kosten für die Ausbildung von Krankenpflegeschülerinnen über den eigenen Bedarf hinaus nicht durch entsprechende Zuweisung der Krankenkasse gedeckt seien. Dies sei indessen falsch. Die Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger sei kraft Gesetzes an das Krankenhaus gebunden, obgleich die Gesundheits- und Krankenpfleger auch in anderen Bereichen tätig würden, so z. B. in der ambulanten Pflege und in Altenheimen, Reha– und Kureinrichtungen. Jedes Ausbildungskrankenhaus komme mithin der gesetzlichen Verpflichtung nach, den gesamten gesellschaftlichen Bedarf an qualifiziertem Personal auszubilden. Nach der Änderung des Krankenpflegegesetzes erfolge die Refinanzierung der Ausbildungskosten außerhalb des üblichen nach Fallpauschalen vergüteten Leistungsbudgets in speziellen neu eingerichteten Ausbildungsbudgets. Den durch das Krankenpflegegesetz veränderten Ausbildungsstrukturen (höherer Theorieanteil, mehr krankenhausexterne Praxiseinsätze) sei durch eine Veränderung des Anrechnungsschlüssels auf voll ausgebildetes Pflegepersonal von 7 : 1 aus 9,5 : 1 zu Gunsten des ausbildenden Krankenhauses Rechnung getragen worden. Die Mehrkosten für die Ausbildungsvergütungen würden über das völlig selbstständige Ausbildungsbudget über die Krankenkassen refinanziert. Der über den Anrechnungsschlüssel hinausgehende Kostenanteil solle ab 2006 über Ausbildungsfonds refinanziert werden, in die auch nicht ausbildende Krankenhäuser einzahlen müssten. Solange es diese nicht gebe, würden die Mehrkosten über gesonderte Ausbildungsbudgets refinanziert. Das ausbildende Krankenhaus müsse mithin bei der Ausbildung nicht aus eigenen Mittel „zubuttern“. Eine wirtschaftliche Notwendigkeit die Ausbildungsvergütung zu senken habe mithin nicht bestanden.

Die Krankenkassen refinanzierten die tarifliche Vergütung in voller Höhe.

Der finanzielle Vorteil der Krankenkassen habe vor Änderung des Krankenpflegegesetzes darin bestanden, dass sie bei niedrigeren Ausbildungsvergütungen einen geringeren Beitrag aus dem Gesamtbudget in das interne Ausbildungsbudget ausgliedern mussten und so die bei der Ausbildung „gesparten“ Mittel für andere allgemeine Zwecke ausgeben konnten. Es habe mithin für die Beklagte keine Veranlassung bestanden, von der tariflich vereinbarten und damit angemessenen Ausbildungsvergütung abzuweichen. Des Weiteren habe das Arbeitsgericht ohne nähere Begründung unterstellt, dass durch öffentlich-rechtliche Gelder zusätzliche Arbeitsplätze im Gesundheitswesen, so auch der Arbeitsplatz der Klägerin, geschaffen worden seien.

Die Ausbildung der Klägerin werde indessen nicht durch öffentlich-rechtliche Gelder (Steuern), sondern durch die gesetzliche Krankenkasse finanziert. Die Krankenkassen finanzierten die Ausbildung aus den Beiträgen der Versicherten, Steuergelder der öffentlichen Hand würden hierfür nicht herangezogen. Nur wenn öffentliche Gelder zur vollständigen oder anteiligen Finanzierung von Ausbildungsplätzen eingesetzt und staatlich geförderte Ausbildungsprogramme mit Hilfe gemeinnütziger Bildungsträger umgesetzt würden, sei regelmäßig davon auszugehen, dass die hiermit geschaffenen Ausbildungsplätze in einem gemeinnützigen, öffentlichen Interesse

lägen. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Auch der Vergleich der Ausbildung der Klägerin zur Gesundheits- und Krankenpflegerin mit derjenigen einer Arzthelferin gehe fehl, da vorliegend unstreitig ein Tarifvertrag existiere. Die vertragliche Ausbildungsvergütung sei mithin unangemessen, da sie die entsprechende tarifliche Ausbildungsvergütung weit mehr als 20 % unterschreite.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 16.02.2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, 3.055,02 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2005 an die Klägerin zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Angemessenheit der Vergütung einer Auszubildenden müsse in einem angemessenen Verhältnis zu der Vergütung einer ausgebildeten Arbeitnehmerin stehen. Dabei sei jedoch nicht nur die tarifliche Vergütung, sondern auch die marktbestimmte außertarifliche Vergütung, wie sie von nicht tarifgebundenen Arbeitgebern gezahlt werde, zu berücksichtigen. Bezogen auf die Krankenpflege erhalte eine Auszubildende während des zweiten Ausbildungsjahres eine tarifliche Vergütung über 11,45 € pro Arbeitsstunde bei 900 Arbeitsstunden, demgegenüber übersteige der Stundenlohn einer ausgebildeten Gesundheits- und Krankenpflegerin bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber bei 1.600 Arbeitsstunden diesen nur um 0,20 €. Diesen Umstand berücksichtige die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht, sodass die Rechtsprechung grundsätzlich zu korrigieren sei. Ungeachtet dessen hätten sich durch die zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Änderungen des KrPflG die effektiven Arbeitszeiten der Auszubildenden durch die Erhöhung der theoretischen Unterrichtsstunden von 1.600 auf 2.100 Stunden um 31 % verringert. Diese Verringerung werde auch nicht kompensiert durch die Anhebung des Anrechnungsschlüssels auf ausgebildetes Pflegepersonal von 7:1 auf 9,5:1. Das neue Krankenpflegegesetz sei zum 01.01.2004 in Kraft getreten, dagegen greife die Änderung des Anrechnungsschlüssels nach § 17 a Krankenhausfinanzierungsgesetzes erst zum 01.01.2005. Die Klägerin könne sich mithin wegen der Gehalts- und Sondernachzahlungen für das Jahr 2004 hierauf nicht berufen. Ferner wirke sich das neue Krankenpflegegesetz zudem finanziell nachteilig für die Ausbildungsträger aus, weil die praktische Ausbildung nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in ambulanten und anderen stationären Einrichtungen stattfinde. Zudem führe der höhere Theorieanteil der Ausbildung dazu, dass die Anzahl der Lehrpersonen habe erhöht werden müssen. Selbst wenn der Gesetzgeber vorgesehen habe, dass die gesamten Mehrkosten durch die Krankenkassen gedeckt würden, sei die praktische Umsetzung nicht erfolgt. Die von den Selbstverwaltungspartnern geführten Verhandlungen über Richtwerte der durchschnittlichen Ausbildungskosten seien im Herbst 2005 gescheitert.

Daher sei gerade nicht sichergestellt, dass die Krankenkassen die Ausbildungskosten in vollem Umfang refinanzieren. Die Beklagte bietet Sachverständigenbeweis dafür an, dass die vereinbarte Ausbildungsvergütung aufgrund der unzureichenden Finanzierung durch die Krankenkassen erfolgt sei. Selbst wenn bis zur Einführung eines Ausbildungsfonds die erhöhten Ausbildungskosten durch ein gesondertes Ausbildungsbudget refinanziert würden, sei nicht nachzuvollziehen, warum ein solches Budget durch die Erhöhung einer Ausbildungsvergütung in erheblicher Weise belastet werden sollte. Zudem könne ein durch die nicht ausbildenden Krankenhäuser finanzierter Fonds die Gewährung einer höheren Ausbildungsvergütung nicht auf Dauer sichern. Die nicht ausbildenden Krankenkassen würden eine Art „Strafe“ zahlen müssen. Selbst wenn die Krankenkassen die Ausbildungskosten in vollem Umfang übernehmen würden, müsse bei der Anzahl der Auszubildenden immer noch bedacht werden, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu dem ausgebildeten Personal stünden. Auch habe das Arbeitsgericht richtigerweise darauf abgestellt, dass die Krankenhausträger ein legitimes und gesellschaftlich erwünschtes Ziel verfolgten, wenn sie sich darum bemühten, möglichst vielen Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen. Auch diesbezüglich beruft sich die Beklagte auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Unter Berücksichtigung dessen sowie eines Vergleichs mit der Ausbildungsvergütung einer Arzthelferin sei das vereinbarte vertragliche Ausbildungsentgelt angemessen, zumal den bedürftigen Auszubildenden die Möglichkeit zustehe, Berufsausbildungsbeihilfe in Anspruch zu nehmen (Beweis: Sachverständigengutachten).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 07.11.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

Auch in der Sache selbst ist die Berufung begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten für die Monate Oktober 2004 bis einschließlich August 2005 Anspruch auf restliche Ausbildungsvergütung inklusive sonstiger Vergütungsbestandteile in unstreitiger Höhe von 3.055,02 € brutto.

Dieser Anspruch folgt aus §§ 17 Abs. 1; 12 Abs. 1 KrPflG. Die vertraglich vereinbarte Vergütung ist nach § 17 Abs. 1 KrPflG unwirksam und damit nichtig, weil sie der Höhe nach nicht angemessen ist i. S. v. § 12 Abs. 1 KrPflG (I.). Die Nichtigkeit der vertraglichen Vergütungsabrede führt dazu, dass die Klägerin Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung in Höhe der entsprechenden tariflichen Ausbildungsvergütung nach dem MTV-Schü i. V. m. dem AusbVergTV hat (II.).

I.

Die zwischen den Parteien vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütung verstößt gegen die Vorgaben des § 12 Abs. 1 KrPflG. Nach dieser Vorschrift hat die Krankenpflegeschülerin gegenüber dem Träger der Ausbildung Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung. Dieser Anspruch ist nach § 17 Abs. 1 KrPflG unabdingbar. Da der Wortlaut „angemessene Vergütung“ in § 12 Abs. 1 KrPflG demjenigen in § 17 Abs. 1 BBiG (i.d.F. vom 23.03.2005; wortgleich mit: § 10 Abs. 1 BBiG a.F.) entspricht, kann zur Bestimmung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung im vorliegenden Fall ebenfalls auf die zu § 10 Abs.1 BBiG a.F. ergangene

Rechtsprechung zurückgegriffen werden.

1.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie der Instanzgerichte hat die Ausbildungsvergütung regelmäßig drei Funktionen.

a) Eine angemessene Ausbildungsvergütung soll zum einen dem Auszubildenden bzw. dessen Eltern zur Durchführung der Berufsausbildung eine finanzielle Hilfe sein, zum anderen die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und schließlich eine Entlohnung darstellen (BAG, Urt. v. 15.12.2005 – 6 AZR 224/05 -, zit. n. Juris, m.w.N.; Sächsisches LAG, Urt. v. 30.09.2005 – 3 Sa 542/04 -, zit. n. Juris). Danach ist eine Vergütung angemessen, wenn sie hilft, die Lebenshaltungskosten zu bestreiten, und zugleich eine Mindestentlohnung für die Leistungen des Auszubildenden darstellt. Es ist zunächst Sache der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung festzulegen, sofern nicht bei der Tarifgebundenheit beider Parteien oder bei Allgemeinverbindlichkeit die tariflichen Sätze maßgeblich sind, was vorliegend nicht der Fall ist. Das Gesetz billigt den Parteien einen Beurteilungsspielraum, welche Vergütung im Einzelfall als angemessen anzusehen ist. Daraus folgt, dass sich die gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit nur darauf erstreckt, ob die im Einzelfall vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist (BAG, Urt. v. 25.07.2002 – 6 AZR 311/00 -, AP Nr. 11 zu § 10 BBiG).

b) Die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung wird unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles festgestellt (BAG, Urt. v. 15.11.2000 – 5 AZR 296/99 -, BAGE 96, 237, 246). Hierbei ist auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Wichtigster Anhaltspunkt dafür sind die einschlägigen Tarifverträge, da sie von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt sind und anzunehmen ist, dass in ihnen die beiderseitigen Interessen hinreichend berücksichtigt sind. Eine einzelvertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütung, die der Höhe nach einer entsprechenden tariflichen Ausbildungsvergütung entspricht, ist stets als angemessen anzusehen (std. BAG Rspr., siehe nur: BAG, Urt. v. 15.12.2005 – 6 AZR 224/05 -, a.a.O., m.w.N.). Nur wenn eine tarifliche Regelung fehlt, kann auf die branchenüblichen Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Industriezweigs entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden. Sofern mithin eine tarifliche Vergütung für den konkreten Ausbildungsberuf existiert, aber mangels Tarifbindung der Parteien bzw. mangels Allgemeinverbindlichkeit keine Anwendung findet, ist diese tarifliche Vergütung als Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Angemessenheit der vertraglichen Vergütung heranzuziehen.

Vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütungen sind dann nicht mehr angemessen i. S. v. §§ 12 Abs. 1 KrPflG, 17 Abs. 1 BBiG, wenn sie die in einem Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreiten (BAG, Urt. v. 25.07.2002 – 6 AZR 311/00 -, AP Nr. 11 zu § 10 BBiG; BAG, Urt. v. 08.05.2003 – 6 AZR 191/02 -, § 10 Nr. 14 zu § 10 BBiG). Sofern die vertraglich vereinbarte Vergütung nicht zumindest 80 % der entsprechenden tariflichen Vergütung entspricht, wird die Unangemessenheit der Vergütung i. S. v. §§ 12 Abs. 1 KrPflG, 10 Abs. 1 BBiG vermutet.

c) Der Auszubildende trägt bei einer Klage auf angemessene Vergütung i. S. v. §§ 12 Abs. 1 KrPflG, 17 Abs. 1 BBiG die Darlegungs- und Beweislast für die Unangemessenheit der ihm gezahlten bzw. vertraglich vereinbarten Ausbildungsvergütung.

Indessen sind an die Darlegungslast keine strengen Anforderungen zu stellen.

Er genügt seiner Darlegungslast in aller Regel, wenn er vorträgt und beweist, dass seine vertragliche Vergütung die einschlägige tarifliche Vergütung mehr als 20 % unterschreitet.

Der Arbeitgeber kann die durch die Rechtsprechung aufgestellte Vermutungswirkung indessen widerlegen, warum im konkreten Einzelfall ein von den geschilderten Grundsätzen abweichender Maßstab gelten soll (BAG, Urt. v. 25.07.2002 – 6 AZR 311/00 -, a.a.O.).

d) Allein der Umstand, dass es sich bei dem Ausbildungsträger um eine gemeinnützige juristische Person handelt, rechtfertigt es nicht, bei der Prüfung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung von der Orientierung an den einschlägigen Tarifverträgen abzusehen. Die tarifliche Vergütung bleibt nicht nur dann ein geeigneter Maßstab, wenn ein nicht tarifgebundener Ausbilder die im eigenen Interesse liegende Ausbildung überbetrieblich organisiert, sondern auch, wenn durch das Dazwischenschalten eines gemeinnützigen, nicht tarifgebundenen Bildungsträgers ein tarifgebundener Ausbilder sich seinen tarifvertraglichen Pflichten entziehen will (BAG, Urt. v. 24.10.2002 – 6 AZR 626/00 -, AP Nr. 12 zu § 10 BBiG). Ein als gemeinnützige GmbH betriebenes Unternehmen ist ein ganz normaler privatrechtlich organisierter Wirtschaftsbetrieb, der auf dem allgemeinen Markt mit den übrigen Personen- und Kapitalgesellschaften in Wettbewerb tritt. Da die gGmbH indessen die erzielten Gewinne nicht ausschüttet, sondern in das Unternehmen steckt, wird sie steuerrechtlich begünstigt. Allein dieser Umstand rechtfertigt es nicht, von den von der Rechtsprechung zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung i. S. v. § 17 Abs. 1 BBiG aufgestellten Grundsätzen zulasten der Auszubildenden abzuweichen.

2.

Hieran gemessen ist die in § 6 des Ausbildungsvertrages vereinbarte Ausbildungsvergütung nicht angemessen. Vorliegend unterschreitet die vertraglich vereinbarte Vergütung unstreitig die tarifliche Vergütung um 35,65 % nach dem MTV-Schü. Damit tritt die von der Rechtsprechung entwickelte Vermutungswirkung ein, dass die Ausbildungsvergütung nicht angemessen i. S. v. §§ 12 Abs. 1 KrPflG, 17 Abs. 1 BBiG und damit nichtig ist, §§ 17 Abs. 1 KrPflG, 25 BBiG (= § 18 BBiG a.F.). Die Vermutungswirkung ist vorliegend auch nicht dadurch widerlegt, dass die Ausbildung der Klägerin durch öffentliche Gelder oder Spenden zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert wird (a). Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass ein Unterschreiten der tariflichen Ausbildungsvergütung von über 35 % gleichwohl der Interessenlage beider Parteien entsprach (b). Für ein Abweichen von den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung besteht kein Anlass (c).

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten finanziert sie die Ausbildung der Klägerin gerade nicht aus öffentlichen (Förder-)Mitteln und/oder Spendengeldern zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze, um arbeitslosen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu verschaffen. Die vorliegende Fallkonstellation ist mit denjenigen, die den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 24.10.2002 – 6 AZR 626/00 – und vom 08.05.2003 – 6 AZR 191 – zugrunde lagen, nicht vergleichbar. In diesen vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen wurde die Ausbildung jeweils zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze durch öffentliche Fördermittel und Spendengelder finanziert. Ein von Wirtschaftsverbänden initiierter und durch Spendengelder der Mitgliedsfirmen sowie Fördermittel der öffentlichen Hand finanzierter Ausbildungspakt sollte in den dortigen Fällen die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze garantieren. Werden öffentliche Gelder zur vollständigen oder anteiligen Finanzierung von Ausbildungsplätzen eingesetzt und staatlich geförderte Ausbildungsprogramme mit Hilfe gemeinnütziger Bildungsträger umgesetzt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die hiermit geschaffenen Ausbildungsplätze in einem gemeinnützigen, öffentlichen Interesse liegen (BAG, Urt. v. 24.10.2002 – 6 AZR 626/00 -, a.a.O.) Diese Voraussetzungen, die eine Unterschreitung der tariflichen Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % rechtfertigen, liegen hier indessen unstreitig nicht vor.

aa) Bei der Beklagten handelt es sich gerade nicht um eine derartige gemeinnützige Initiative zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze. Sie selbst finanziert die Ausbildung weder aus Spendengeldern noch aus Fördermitteln der öffentlichen Hand. Dies behauptet die Klägerin nicht einmal. Vielmehr trägt sie selbst vor, dass sie sowohl ihre laufenden Kosten als auch die Ausbildungsvergütungen aus dem Pauschalbetrag, der ihr aufgrund des mit der K… gGmbH geschlossenen Kooperationsvertrages von der K… gGmbH gezahlt werde, finanziere.

Aber auch die dem Ausbildungsbetrieb zur Verfügung stehende Muttergesellschaft der Beklagten, die K… gGmbH, erhält zur Finanzierung des mit der Beklagten geschlossenen Kooperationsvertrages keine öffentlichen Fördermittel. Weder der Bund noch das Land Schleswig-Holstein stellen vorliegend öffentliche Fördermittel zur Finanzierung der klägerischen Ausbildung zur Verfügung. Zutreffend weist insoweit die Klägerin darauf hin, dass die Ausbildung der Klägerin letztlich allein durch die gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird. Diese finanzieren die Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflegerinnen als solidarische Gemeinschaftsaufgabe ihrer versicherten Mitglieder und der Arbeitgeber durch deren Beiträge.

bb) Des Weiteren verkennt die Beklagte auch, dass sie nicht zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen hat, um arbeitslosen Jugendlichen eine Zukunftsperspektive zu bieten. Vielmehr bildet sie als jetziger Ausbildungsträger in gleichem Umfang Auszubildende aus wie es zuvor die Muttergesellschaft getan hat. Die Anzahl der Ausbildungsplätze ist mit ihrer Gründung unstreitig nicht erhöht worden.

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte über dem eigentlichen Bedarf ihrer Muttergesellschaft, der K… gGmbH, ausbildet. Dieser Umstand trägt der Gesetzeslage Rechnung, dass die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin nach dem KrPflG nur in Krankenhäusern stattfinden kann. Da aber nicht alle Krankenhäuser Ausbildungsbetriebe sind und zudem unstreitig ein Bedarf an der Beschäftigung ausgebildeter Gesundheits- und Krankenpflegerinnen in der ambulanten Krankenpflege sowie in Kureinrichtungen und Altenheimen besteht, bilden die Ausbildungs- Krankenhäuser stets über ihren tatsächlichen Bedarf aus. Die Refinanzierung der Ausbildungskosten erfolgt nach der Intention des § 17 a KHG in vollem Umfang, auch wenn die ausbildenden Krankenhäuser über ihren tatsächlichen Bedarf hinaus ausbilden. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass sie gemessen an dem gesellschaftlichen Gesamtbedarf an Krankenschwestern weit über Bedarf ausbilde, um Jugendlichen gleichwohl einen Ausbildungsplatz anzubieten. Soweit das Arbeitsgericht hier davon ausgegangen ist, dass vorliegend der Gesamtbedarf durch die Ausbildung von 20 Pflegeschülerinnen gedeckt sein dürfte, scheint diese Anzahl willkürlich gegriffen zu sein, zumindest ist sie durch keinen entsprechenden Sachvortrag der Parteien belegt. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat mithin nicht dargelegt, dass sie zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen habe.

b) Die Beklagte kann sich zur Widerlegung der Vermutungswirkung der Unangemessenheit der Ausbildungsvergütung auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich die Gesetzeslage in Bezug auf die Ausbildung nach dem KrPflG geändert habe, ohne dass der AusbVergTV dementsprechend geändert worden sei. Die verringerte tatsächlich von den Auszubildenden zu leistende Arbeit zugunsten der Erhöhung des theoretischen Unterrichts wird durch die Anhebung des Anrechnungsschlüssels auf ausgebildetes Personal kompensiert. Sie rechtfertigt zumindest nicht ein Unterschreiten der tariflichen und damit angemessenen Ausbildungsvergütung um mehr als 35 %. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Anrechnungsschlüssel erst mit Wirkung ab dem 01.01.2005 angehoben wurde. Der Ausbildungsvertrag der Klägerin begann am 01.10.2004, sodass allenfalls drei Monate noch der alte Anrechnungsschlüssel bei bereits verringerter tatsächlicher Arbeitsleistung galt. Die Beklagte hat auch nicht im Ansatz schlüssig dargelegt, dass eine Ausbildungsvergütung der Klägerin in Höhe von nicht einmal 65 % der tariflichen Ausbildungsvergütung wegen einer nur dreimonatigen „Arbeitszeitverringerung“ noch angemessen i. S. v. §§ 12 Abs. 1 KrPflG, 17 Abs. 1 BBiG ist.

c) Es ist vorliegend nicht geboten, von den vom Bundesarbeitsgericht zu § 17 Abs. 1 BBiG (= § 10 Abs. 1 BBiG a.F.) entwickelten Grundsätzen zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung abzuweichen. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Vermutungswirkung, dass eine die tarifliche Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % unterschreitende einzelvertragliche Ausbildungsvergütung unangemessen ist. Dabei ist die Kammer der Auffassung, dass die Ausbildungsvergütung regelmäßig deutlich geringer sein sollte als die Vergütung für entsprechend ausgebildetes Personal, weil sie gerade keinen reinen Entgeltcharakter besitzt. Indessen verkennt die Beklagte – ihren Vortrag als wahr unterstellt – bei ihrem Vergleich zwischen der tariflichen Ausbildungsvergütung pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde und dem Stundenlohn einer ausgebildeten, aber nicht tarifgebundenen Krankenschwester zweierlei: Neben einer Entlohnung geleisteter Arbeit soll die Ausbildungsvergütung einen Beitrag zu den Lebenshaltungskosten darstellen und einen qualifizierten Nachwuchs gewährleisten. Die Ausbildungsvergütung besitzt dementsprechend gerade nicht ausschließlich Entgeltcharakter, sodass es unzulässig ist, die Stundenvergütung allein auf der Grundlage der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zu errechnen.

Ferner übersieht die Beklagte, dass §§ 12 Abs. 1 KrPflG, 17 Abs. 1 BBiG die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung ausdrücklich vorschreiben, während § 611 Abs. 1 BGB ein entsprechendes Tatbestandsmerkmal nicht aufweist. Der ausgebildete Arbeitnehmer, der mangels beiderseitiger Tarifbindung oder Allgemeinverbindlichkeit keinen tariflichen Vergütungsanspruch hat, hat grundsätzlich „nur“ Anspruch auf die mit dem Arbeitgeber vereinbarte Vergütung. Dies gilt auch dann, wenn die einzelvertraglich vereinbarte Vergütung sehr viel geringer ist als die entsprechende tarifliche Vergütung. Die Vergütung muss nach § 611 Abs. 1 Hbs. 2 BGB gerade nicht „angemessen“ sein. Nur dann, wenn die Vertragsparteien die Höhe der Vergütung vertraglich nicht festgelegt haben, ist in Ermangelung einer Taxe die von der

Beklagten als Vergleichsmaßstab herangezogene (markt-)„übliche“ Vergütung zu zahlen, § 612 Abs. 2 BGB. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mithin nur Anspruch auf den einzelvertraglichen Lohn, es sei denn, es liegt ein Fall des Lohnwuchers i. S. v. § 138 Abs. 2 BGB vor. Die Voraussetzungen des Lohnwuchers sind indessen nicht mit der Voraussetzung einer nicht mehr angemessenen Vergütung i. S. d. §§ 12 Abs. 1 KrPflG, 17 Abs. 1 BBiG vergleichbar. Von Lohnwucher ist erst dann auszugehen, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht. Obgleich das Bundesarbeitsgericht bislang noch keine Richtwerte zur Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses entwickelt hat, erfüllt eine einzelvertraglich vereinbarte Vergütung, die 21 % geringer ist als der entsprechende Tariflohn, unbestritten noch nicht den Tatbestand des Lohnwuchers (vgl. BAG, Urt. v. 24.03.2004 – 5 AZR 303/03 -, AP Nr. 59 zu § 138 BGB), während eine Ausbildungsvergütung über 89 % des Tariflohns für Auszubildende unangemessen und damit nichtig ist. Insofern kann unterstellt werden, dass teilweise die nicht tarifgebundenen Krankenschwestern ein die tarifliche Ausbildungsvergütung nur gering überschreitendes Gehalt beziehen, ohne dass dies bereits den Tatbestand des Lohnwuchers erfüllt. Dies ist letztlich Ausfluss der Vertragsfreiheit (BAG, Urt. v.

27.01.1999 – 4 AZR 52/98 -, zit. n. Juris; LAG Hamm, Urt. v. 10.04.2002 – 18 Sa 1870/01 -, zit. n. Juris). Der Gesetzgeber geht an dieser Stelle davon aus, dass der mündige Bürger seine (Vergütungs-)Interessen im Rahmen der Vertragsverhandlungen selbst wahren kann. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer keine Veranlassung, von den zu § 17 Abs. 1 BBiG entwickelten Grundsätzen und Richtwerten zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung abzuweichen.

3.

Nach alledem ist die nach § 6 des Ausbildungsvertrages vereinbarte Ausbildungsvergütung unangemessen i. V. m. § 12 Abs. 1 KrPflG und damit nach § 17 Abs. 1 KrPflG nichtig.

II.

Die Nichtigkeit der Vergütungsabrede hat zur Folge, dass die Klägerin anstelle der unwirksamen vertraglichen Regelung Anspruch auf die nach § 12 Abs. 1 KrPflG zu bemessende angemessene Vergütung hat. Die tarifliche Ausbildungsvergütung ist stets als angemessen anzusehen. Zwar steht den Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen und Vereinbarung der angemessenen Ausbildungsvergütung ein Spielraum zu, indessen ist es dem Gericht verwehrt, diesen Spielraum anstelle der Parteien durch Urteil auszuschöpfen. Vielmehr kann als angemessen dann nur die sich aus dem Tarifvertrag ergebende Vergütung in voller Höhe herangezogen werden (Sächsisches LAG, Urt. v. 30.09.2005 – 3 Sa 542/04 -, zit. n. Juris). Eine geltungserhaltende Anhebung der nichtigen vertraglichen Ausbildungsvergütung auf 80 % des Tarifniveaus analog § 140 BGB kommt mangels konkreter Anhaltspunkte nicht in Betracht. Die Klägerin hat mithin für den streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2004 bis August 2005 Anspruch auf die Ausbildungsvergütung nach dem MTV-Schü i. V. m. dem AusbVerg-TV in unstreitiger Höhe von 3.055,02 brutto.

III.

Die geltend gemachte Zinsforderung ergibt sich aus § 291 i. V. m. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, BGB.

IV.

Nach alledem war die Berufung begründet und der Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Rechtssache hat über den vorliegenden Einzelfall hinaus rechtsgrundsätzliche Bedeutung, sodass die Revision zuzulassen war, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

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