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Ausbildungsvergütung – Tarifvertragsunterschreitung

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Az: 2 Sa 301/08

Urteil vom 29.04.2009


I. Die Berufung der Beklagten wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Angemessenheit der vereinbarten Ausbildungsvergütung. Die Beklagte hat das Klinikum von öffentlich-rechtlicher Trägerschaft übernommen. Während der gesamten Zeit sowohl für Übernahme durch die Beklagte als auch bis zum heutigen Zeitpunkt werden mindestens 36 Ausbildungsplätze pro Jahr gehalten. In dem Zeitraum vom 01.09.1999 bis 31.08.2000 wurde eine öffentliche Förderung für zusätzliche Ausbildungsplätze gewährt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 20.09.1999 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 03.06.2008) Bezug genommen.

Die Parteien vereinbarten in dem Berufsausbildungsvertrag eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von 195,57 EUR für das erste Ausbildungsjahr, in Höhe von 305,00 EUR für das 2. Ausbildungsjahr und in Höhe von 433,43 EUR für das dritte Ausbildungsjahr.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Ausbildungsvergütung nach dem Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD besonderer Teil Pflege) wird auf die Einzelheiten des Tatbestandes des Urteils des Arbeitsgerichts Stralsund vom 03.09.2008 – 3 Ca 181/08 – Bezug genommen.

Mit der vorgenannten Entscheidung hat das Arbeitsgericht für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.429,63 EUR brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

auf 463,81 EUR seit dem 01.10.2005,

auf weitere 463,81 EUR seit dem 01.11.2005,

auf weitere 463,81 EUR seit dem 01.12.2005,

auf weitere 463,81 EUR seit dem 01.01.2006,

auf weitere 463,81 EUR seit dem 01.02.2006,

auf weitere 463,81 EUR seit dem 01.03.2006,

auf weitere 463,81 EUR seit dem 01.04.2006,

auf weitere 463,81 EUR seit dem 01.05.2006,

auf weitere 463,81 EUR seit dem 01.06.2006,

auf weitere 463,81 EUR seit dem 01.07.2006,

auf weitere 485,68 EUR seit dem 01.08.2006,

auf weitere 485,68 EUR seit dem 01.09.2006,

auf weitere 428,08 EUR seit dem 01.10.2006,

auf weitere 428,08 EUR seit dem 01.11.2006,

auf weitere 428,08 EUR seit dem 01.12.2006,

auf weitere 428,08 EUR seit dem 01.01.2007,

auf weitere 436,14 EUR seit dem 01.02.2007,

auf weitere 436,14 EUR seit dem 01.03.2007,

auf weitere 436,14 EUR seit dem 01.04.2007,

auf weitere 436,14 EUR seit dem 01.05.2007,

auf weitere 436,14 EUR seit dem 01.06.2007,

auf weitere 436,14 EUR seit dem 01.07.2007,

auf weitere 448,09 EUR seit dem 01.08.2007,

auf weitere 448,09 EUR seit dem 01.09.2007,

auf weitere 370,69 EUR seit dem 01.10.2007,

auf weitere 370,69 EUR seit dem 01.11.2007,

auf weitere 370,69 EUR seit dem 01.12.2007,

auf weitere 370,69 EUR seit dem 01.01.2008,

auf weitere 370,69 EUR seit dem 01.02.2008,

auf weitere 370,69 EUR seit dem 01.03.2008,

auf weitere 370,69 EUR seit dem 01.04.2008.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein monatliches Ausbildungsentgelt iHv. 869,12 EUR brutto ab Mai 2008 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 151,72 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 508,33 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 586,66 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

7. Der Streitwert wird auf 16.159,10 EUR festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die zwischen den Parteien vereinbarte Ausbildungsvergütung sei unangemessen. Der Arbeitgeber schulde nach § 12 Abs. 1 Krankenpflegegesetz (KrpflG) eine angemessene Ausbildungsvergütung. Da die vereinbarte Ausbildungsvergütung unangemessen niedrig sei, seien Ansprüche in angemessener und damit tariflicher Höhe entstanden. Eine Ausbildungsvergütung sei nicht mehr angemessen, wenn sie die entsprechende tarifliche Vergütungshöhe um mehr als 20 Prozent unterschreite. Hiervon sei im folgenden Fall auszugehen. Die Betriebsvereinbarungen, die die deutlich niedrigeren Ausbildungsvergütungen regelten, seien gem. § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam und verstießen zudem gegen höherrangiges Recht. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 11.10.2008 zugestellt worden. Sie hat dagegen Berufung eingelegt, die am 15.10.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist aufgrund eines fristgemäß eingegangen Antrages bis zum 12.01.2009 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung am 09.01.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst könnten im vorliegenden Fall kein Bezugsmaßstab sein. Es sei zudem regelmäßig „über Bedarf“ ausgebildet worden. Im Jahre 2004 seien 36 Auszubildende eingestellt worden, von denen lediglich vier im Jahre 2007 übernommen worden seien. Im Jahre 2005 seien 35 Auszubildende eingestellt worden, von denen im Jahre 2008 sechs Auszubildende übernommen worden sind. Für die davorliegenden Jahre verhalte sich der Sachverhalt nicht anders.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 03.09.2008 – 3 Ca 181/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der angefochtenen Entscheidung bei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Ein Schlichtungsausschuss gem. § 111 ArbGG besteht nicht.

Die von der Beklagten vereinbarte Ausbildungsvergütung ist unangemessen. Eine Ausbildungsvergütung ist unangemessen, wenn sie nicht mindestens 80 Prozent der in den einschlägigen Tarifverträgen geregelten Vergütung erreicht (vgl. zuletzt BAG – 9 AZR 1091/06 – vom 09.02.2008 m. w. N. unter Rn. 22 in JURIS).

Der vom Arbeitsgericht herangezogene Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes ist auch ein einschlägiger Tarifvertrag im Sinne des Bundesarbeitgerichts. Einschlägig kann nämlich nicht heißen, dass er für den betroffenen Betrieb unmittelbar Anwendung findet, da sich dann das Problem der angemessenen Ausbildungsvergütung wegen Abweichung vom Tarifvertrag überhaupt nicht stellen würde. „Einschlägig“ muss vielmehr heißen, dass dieser Tarifvertrag in der fraglichen Region für den fraglichen Personenkreis, hier Auszubildende zum Gesundheits- und Krankenpfleger in Anwendung kommt.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass Haustarifverträge privater Träger im Land Mecklenburg-Vorpommern, welche im Rahmen der Angemessenheitskontrolle als Vergleichsmaßstab herangezogen werden könnten, nicht bekannt sein. Hiergegen wendet sich die Berufung nicht.

Eine Unterschreitung des Tarifniveaus um mehr als 20 Prozent ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Ausbildende den Zweck verfolgen würde, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen und auch Jugendlichen eine qualifizierte Ausbildung zu vermitteln, die sie ohne diese Förderung nicht erlangen würden (vgl. BAG – 9 AZR 1091/06 – a. a. O. Rn. 39).

Eine derartige Zielsetzung wird von der Beklagten selbst überhaupt nicht behauptet. Bei den vorgehaltenen etwa 35 Ausbildungsplätzen handelt es sich offensichtlich nicht um zusätzliche Ausbildungsplätze, sondern um Stellen, die dem regulären Ausbildungsmarkt zuzurechnen sind. Die Unterschreitung rechtfertigt sich schließlich nicht daraus, dass die Beklagte über Bedarf ausbildet, da nicht jedes Krankenhaus über eine eigene Krankenpflegeschule verfügt oder an eine solche angeschlossen ist, bilden einige Ausbildungsbetriebe zwangsläufig über Bedarf aus. Dies ist bei der Angemessenheitskontrolle nicht zu berücksichtigen (vgl. BAG a. a. O. Rn. 47.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Zur Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein Anlass.

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