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Ausbildungsverhältnis -Bestand bis zum Bestehen der mündlichen Prüfung?

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Freiburg –

Az.: 10 Sa 51/05 1

Teilurteil vom 14.12.2005

Vorinstanz: Arbeitsgericht Freiburg, Az.: 9 Ca 456/04


In dem Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Freiburg – 10. Kammer – auf die mündliche Verhandlung vom 14.12.2005 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 29.04.2005 (Az. 9 Ca 456/04) abgeändert:

Die Klage wird im Hauptantrag abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt mit ihrem Hauptantrag die Feststellung des Bestehens eines Ausbildungsverhältnisses bis zum Bestehen der mündlichen Prüfung.

Die am 0.0.1984 geborene Klägerin hat mit der Beklagten einen Berufsausbildungsvertrag als Restaurant-Fachfrau geschlossen. Dieser ist für die Zeit vom 15.10.2001 bis 14.10.2004 befristet geschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausbildungsvertrag (Bl. 5 d. erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen. Der Ausbildungsvertrag wurde unter dem Aktenzeichen 00 am 18.01.2002 in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse durch die zuständige IHK H. eingetragen. Als voraussichtlicher Prüfungstermin für die Abschlussprüfung ist der Winter 2004 vorgesehen.

Mit Schreiben vom 13.10.2004 der IHK, gerichtet an beide Parteien, wurde die Klägerin zur Abschlussprüfung Winter 2004 zugelassen und eingeladen. Im November 2004 hat die Klägerin die schriftliche Ausbildungsprüfung und am 29.01.2005 die mündliche Prüfung abgelegt und auch bestanden.

Die Beklagte hat die Klägerin über den 14.10.2004 hinaus nicht weiter ausgebildet und beim Sozialversicherungsträger abgemeldet.

Ein Teil der Ausbildung findet in Blockunterricht an der Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe statt. Im dritten Schuljahr hat die Klägerin an den Blockunterrichtszeiten vom 28.06.2004 bis 30.07.2004, vom 13.09.2004 bis 01.10.2004 und vom 25.10.2004 bis 05.11.2004 teilgenommen. Während des letzten Blockunterrichtes hat die Klägerin die Mitteilung der B. Ersatzkasse vom 02.11.2004 erhalten, indem die Klägerin auf das Ende der Beschäftigung und die Möglichkeit der Weiterversicherung hingewiesen wurde.

Mit am 10.11.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin u. a. den Fortbestand des Ausbildungsverhältnisses geltend gemacht.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass im Hinblick auf ein fachgleiches Ausbildungsverhältnis vom 01.08.2001 bis 22.09.2001 der Geschäftsführer der Beklagten eine Anrechnung der Ausbildungszeit zugesagt habe. Im Gegensatz zu zwei Arbeitskolleginnen sei sie im Zeitraum Februar 2003 bis Juni 2004 zu keinerlei Blockunterricht eingeteilt worden. Sie habe sich auch über ihre Eltern an Ausbilder, Berufsschule und IHK gewandt.

Am 05.04.2004 habe ein Gespräch zwischen ihrem Vater und Frau K. von der Geschäftsleitung der Beklagten stattgefunden. In diesem sei erklärt worden, dass man vergessen habe, sie bei der Berufsschule anzumelden, zur Sommerprüfung könne sie nicht mehr angemeldet werden. Dabei sei eine Verlängerung des Ausbildungsvertrages zugesagt worden. Erst in einem Gespräch mit dem Geschäftsführer am 17.09.2004 sei ihr dann gesagt worden, das Ausbildungsverhältnis ende mit Ablauf der Befristung.

Weiter hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass, sollte das Ausbildungsverhältnis nicht bis zur mündlichen Prüfung fortbestanden haben, die Beklagte zumindest zum Schadenersatz wegen der nicht bis zur Prüfung durchgeführten Ausbildung verpflichtet sei.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass bis zum 29.01.2005 ein Berufsausbildungsverhältnis bestanden hat.

Als Hilfsantrag:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum 15.10.2004 bis 29.01.2005 Schadenersatz zu leisten hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Ausbildungsverhältnis habe mit Ende der Ausbildungszeit am 14.10.2004 geendet. Der Klägerin sei von vorneherein klar gewesen, dass diese erst im Winterhalbjahr 2004 die Prüfung ablegen könne. Die Anrechnung von Vorausbildungszeiten sei nicht zugesagt worden, auch nicht die Fortsetzung der Ausbildung bis zur Ablegung der Prüfung.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichtes verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat den Zeugen J., Ausbildungsberater der IHK vernommen zum Beweisthema:

„Regelungen über Anmeldung zum Blockunterricht bzw. Anmeldung zur Prüfung für Sommer- oder Winterprüfungstermin“.

Das Arbeitsgericht hat anschließend der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Ausbildungsverhältnis habe nicht mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Befristung geendet, vielmehr in Auslegung nach Sinn und Zweck der Vereinbarung mit Ablegung der Prüfung am 29.01.2005. Der Ausbildungsvertrag enthalte eine Regelungslücke. Vorliegend sei das Auseinanderklaffen von Ausbildungszweck bis zum Ende der Prüfung und Befristungszeitraum offensichtlich. Auch der Gesetzgeber gehe in § 14 Abs. 3 BBiG davon aus, dass das Ausbildungsverhältnis bis zum Abschluss der Prüfung bestehe, weil nur in diesem Fall für den Fall des Nichtbestehens eine Verlängerung möglich sei.

Gegen das der Beklagten am 23.05.2005 zugestellte Urteil hat diese am 01.06.2005 Berufung eingelegt und diese am 09.06.2005 begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die von dem Arbeitsgericht angenommene Regelungslücke nicht bestehe. Konsequenz der Befristung der Ausbildungsverhältnisse sei regelmäßig, dass diese Ausbildungsverhältnisse schon vor Abschluss der Prüfung enden könnten. So seien der Klägerin von Anfang an die Prüfungstermine mitgeteilt worden, die nach Fristablauf liegen würden. Es sei weder erkennbar, dass die Befristung unwirksam sei, noch sei die Verlängerung für die Zeit bis zur Prüfung erforderlich.

Es sei weiterhin davon auszugehen, dass die Klage von vorneherein nicht zulässig sei, weil die Klägerin das vorgesehene Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt habe.

Die Beklagte hat beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg Az. 9 Ca 456/04 vom 29.04.2005 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht sei mit völlig zutreffenden Gründen davon ausgegangen, dass das Ausbildungsverhältnis bis zur mündlichen Prüfung fortbestanden habe. Es bestehe eine Regelungslücke, da die Parteien sich keinerlei Gedanken darüber gemacht hätten, was gelte, wenn der Ausbildungsvertrag ende, ohne dass die Auszubildende die Möglichkeit gehabt habe, eine entsprechende Abschlussprüfung abzulegen. Da eine Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses für den Fall gegeben sei, dass eine Auszubildende die Abschlussprüfung nicht bestehe, müsse dies erst recht für den Fall gelten, dass der Vertrag vor der Abschlussprüfung ende. Die von der Beklagten für richtig gehaltene Befristung mache auch keinen Sinn.

Es wurde Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, in dem Gespräch am 05.04.2004 sei der Klägerin zugesagt worden, dass der Vertrag bis zur Prüfung verlängert werde durch uneidliche Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen S. und der von der Beklagten benannten Zeugin K.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 55 – 61 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist, soweit durch das Teilurteil über den Hauptantrag entschieden wurde, begründet. Das Ausbildungsverhältnis hat mit Fristablauf am 14.10.2004 geendet.

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. den §§ 517, 519 Abs. 1, 2 ZPO fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist begründet, soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass zwischen den Parteien bis zum 29.01.2005 ein Berufsausbildungsverhältnis bestanden hat.

1.

Die Klage ist zulässig. Die Nichtanrufung des Schlichtungsausschusses steht dem arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht (mehr) entgegen, da inzwischen nach übereinstimmender Auffassung das Berufsausbildungsverhältnis beendet ist. Der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht innerhalb von 3 Wochen nach dem streitigen Fristablauf Klage erhoben hat. Ob nach § 5 Abs. 2 B BiG a.F. § 17 TzBfG zur Anwendung kommt, kann dahingestellt bleiben, da die Parteien nicht über die Wirksamkeit des vereinbarten Vertragsendes streiten, vielmehr über die Frage, ob sich aus dem Gesetz oder dem Vertrag die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses ergibt.

2.

Das Ausbildungsverhältnis hat mit der wirksamen Befristung am 14.10.2005 geendet und ist nicht in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 2, 3 B BiG a.F. bis zum erfolgreichen Ablegen der Prüfung verlängert worden. Dies ergibt sich weder aus dem Gesetz selbst noch ist Raum für eine ergänzende Auslegung des Ausbildungsvertrages.

a) Die Klage ist nicht nach § 17 B BiG a.F. begründet. § 17 BBiG a.F. kommt bereits deswegen nicht zur Anwendung, weil die Klägerin nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach dem 14.10.2004 geltend macht, vielmehr die Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses bis zur Abschlussprüfung. Im Übrigen dürften die Voraussetzungen des § 17 BBiG a.F. nicht vorliegen, da die Klägerin von der Beklagten bereits vor Fristablauf auf das Ende der Ausbildungszeit hingewiesen wurde und die Klägerin selbst nicht behauptet, dass sie im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis tatsächlich weiterbeschäftigt worden ist. Der Besuch der Landesberufsschule genügt nicht.

b) Das Ausbildungsverhältnis hat sich nicht entsprechend dem § 14 Abs. 2, 3 B BiG a.F. auf den Antrag der Klägerin bis zum Prüfungszeitpunkt verlängert.

Das Berufsausbildungsverhältnis ist ein befristetes Rechtsverhältnis, dessen Beginn und Dauer nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 B BiG a.F. in der Vertragsniederschrift aufzunehmen sind. Grundsätzlich endet dabei das Berufsausbildungsverhältnis gemäß § 14 Abs. 1 BBiG a.F. Ausgangspunkt für die Dauer des Berufsausbildungsverhältnisses ist damit die Ausbildungszeit.

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Diese bestimmt sich nach der jeweils zugrunde liegenden Ausbildungsordnung. Nach § 25 BBiG a.F. soll die Ausbildungsdauer nicht mehr als 3 und nicht weniger als 2 Jahre betragen. In anerkannten Ausbildungsberufen bestimmt sich dies dabei nach der in der jeweiligen Ausbildungsverordnung vorgesehenen Ausbildungszeit. Nach § 2, 1 Nr. 2 der Verordnung über die Berufsbildung im Gastgewerbe vom 25.04.1980 (BGBl. I, 1980, Seite 468) beträgt die Berufsausbildung im Ausbildungsberuf der Restaurantfachfrau 3 Jahre.

Abweichend von dieser Grundregel sieht § 14 Abs. 2 B BiG a.F. eine vorzeitige Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses bei Bestehen der Prüfung vor. § 14 Abs. 3 B BiG a.F. regelt die Verlängerung auf Fortsetzungsverlangen bei Nichtbestehen der Prüfung. Aus § 14 B BiG a.F. ergibt sich damit im Zusammenhang, dass zunächst mit Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag vorgesehenen Zeit das Berufsausbildungsverhältnis automatisch endet, und zwar auch dann, wenn der Auszubildende seine Abschlussprüfung noch nicht abgelegt hat (vergl. so z.B. ausdrücklich APS/Bibl, 2. Auflage, § 14 BBiG Rz. 4; MünchArbR/Natzel, § 171 Rz. 240; Wohlgemuth, BBiG, 2. Auflage, § 14 Rz. 2).

Eine Regelungslücke für den Fall, dass die Abschlussprüfung erst auf einen Zeitpunkt nach Ende der Ausbildungszeit anberaumt wurde, besteht nicht. Das Ende des Ausbildungsverhältnisses steht einer später abzulegenden Prüfung grundsätzlich nicht entgegen (Leinemann, BBiG, § 14 Rz. 7).

Zuzugeben ist der Klägerin, dass dabei der Gesetzgeber und auch die zugrunde liegende Ausbildungsordnung davon ausgeht, dass innerhalb der Ausbildungszeit der Ausbildungsinhalt tatsächlich vermittelt wird. Die Handhabung der zuständigen IHK, die bei einem Abschluss des Ausbildungsverhältnisses nach dem 01.10. die Prüfungen in dem Winterhalbjahr vorsieht, führt nicht nur dazu, dass es nur zu geringfügigen Überschreitungen der Ausbildungszeit kommt, vielmehr weitergehend dazu, dass Ausbildungsinhalte der Berufsschule wie hier im Rahmen des Blockunterrichtes noch nach Ende der Ausbildungszeit vermittelt werden. Die letzte Blockunterrichtszeit mit 2 Wochen lag nach der auch gesetzlich vorgegebenen Ausbildungszeit von 3 Jahren. Gleichwohl kann nicht von einer planwidrigen Gesetzeslücke ausgegangen werden, die dazu führt, dass entsprechend § 14 Abs. 3 B BiG a.F. auf Verlangen automatisch das Ausbildungsverhältnis bis zur Abschlussprüfung verlängert wird. § 14 Abs. 3 B BiG a.F. regelt den Fall des Nichtbestehens der Prüfung.

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.09.1998 (5 AZR 58/98, AP Nr. 9 zu § 14 BBiG) liegt eine planwidrige Gesetzeslücke für den Fall vor, dass wegen Fehlens einer Krankheit ein Auszubildender an der Prüfung nicht teilgenommen hat. In diesem Fall führt die Anwendung von § 14 Abs. 3 B BiG a.F. dazu, dass kraft Gesetz auf Antrag des Auszubildenden ohne jede Willenserklärung des Ausbildenden das Vertragsverhältnis verlängert wird (BAG, Urt. v. 23.09.2004, 6 AZR 519/03, AP Nr. 11 zu § 14 BBiG).

Diese Sonderregelung, die anknüpft an eine Verlängerung über den Zeitpunkt der Abschlussprüfung hinaus, kann nicht entsprechend angewandt werden auf Fallgestaltungen, in denen die vorgesehene Abschlussprüfung nach Ablauf der Ausbildungszeit liegt. Dies kann insbesondere nicht der Tatsache entnommen werden, dass § 14 Abs. 3 B BiG a.F. von einer Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses redet. Richtig ist, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers typischerweise zum Zeitpunkt der Abschlussprüfung noch nicht beendet ist und damit auf Verlangen unschwer verlängert werden kann (vergl. BAG v. 23.09.2004, 6 AZR 519/03, a.a.O.). Es bedarf nicht der Verlängerung kraft Gesetz aufgrund einseitiger Erklärung bis zur Abschlussprüfung um die Schwierigkeiten zu lösen, die entstehen können, wenn die Abschlussprüfung zeitlich nach dem Ende der Ausbildungszeit liegt. Für diese Sondersituation werden in der Literatur verschiedene Lösungen aufgezeigt und die Auffassung vertreten, dass, wenn das Ausbildungsverhältnis wegen Ablaufs der Frist nach § 14 Abs. 1 B BiG a.F. bereits beendet wurde, durch das Fortsetzungsverlangen das Ausbildungsverhältnis erneut begründet wird (so z.B. KDZ/Däubler, 6. Auflage, § 14 BBiG, Rz. 21; KR/Weigand, 7. Auflage, § 14, 15 BBiG Rz. 28; Wohlgemuth, BBiG, 2. Auflage, § 14 Rz. 15; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Auflage, § 174 Rz. 85). Weitergehend wird die Auffassung vertreten, das es in diesem Fall zu einer rückwirkenden Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses kommt (Krobe, BB 1988 Seite 2243). Es ist daher nicht erforderlich, § 14 Abs. 3 B BiG a.F. entsprechend anzuwenden, um die Fallgestaltungen zu lösen, in denen ein Auszubildender die nach Beendigung der vereinbarten Ausbildungszeit liegende Abschlussprüfung nicht bestanden hat. Im Übrigen würde eine entsprechende Anwendung das Problem nur für den Fall lösen, dass ein Auszubildender das Verlangen gestellt hätte.

Wird § 14 Abs. 3 B BiG a.F. nicht entsprechend angewendet, so führt es nicht dazu, dass eine Verlängerung der Ausbildungszeit bis zur Abschlussprüfung ausgeschlossen ist.

So zeigt gerade das von der Klägerin vorgelegte Muster eines Ausbildungsvertrages der Anwaltskammer F. einen Weg auf. Dieser Mustervertrag knüpft an an § 29 Abs. 3 B BiG a.F.. Nach dieser Bestimmung kann in Ausnahmefällen die zuständige Stelle auf Antrag des Auszubildenden die Ausbildungszeit verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen.

In diesem Zusammenhang ist streitig, ob eine von der zuständigen Stelle auf Antrag der Auszubildende angeordnete Verlängerung unmittelbare Wirkung auf das Ausbildungsverhältnis hat. Dies wird teilweise mit der Begründung bejaht, die Entscheidung der zuständigen Stelle sei ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, der eine unmittelbare Änderung des Ausbildungsverhältnisses zur Folge habe (so z.B. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20.06.1997, 10 Sa 981/96, LAGE, § 29 BBiG Nr. 1; Leinemann, BBiG, § 29 Rz. 37; Hurlebaus, DB 1981, S. 2125). Nach anderer Meinung bedarf die behördliche Entscheidung zusätzlich einer privatrechtlichen Umsetzung durch die Parteien des Ausbildungsvertrages (so insbesondere Natzel, DB 1981 Seite 1407 ff). Der vorgelegte Mustervertrag löst dies dergestalt, dass neben der erforderlichen Genehmigung nach § 29 Abs. 3 B BiG a.F. die Parteien privatrechtlich für den Fall, dass die Abschlussprüfung erst nach der vorgesehenen Ausbildungszeit liegt, verlängern (Schaub, a.a.O., § 174 Rz. 81).

Die Verlängerung nach § 29 Abs. 3 BBiG a.F. scheidet im vorliegenden Fall bereits deswegen aus, weil die Klägerin bei der entsprechenden Stelle einen Antrag nicht gestellt hat, sodass es auf die Frage, ob es daneben noch einer privatrechtlichen Vereinbarung bedurft hatte, nicht ankommt.

Bei § 29 Abs. 3 B BiG a.F. handelt sich jedoch um eine eng gefasste Sonderregelung für Ausnahmefälle (vergl. BAG, Urt. v. 30.09.1998, 5 AZR 58/98, AP Nr. 9 zu § 14 BBiG). So sieht der Beschluss des Bundesausschuss für Berufsbildung vom 25.10.1964 betreffend Kriterien zur Abkürzung und Verlängerung der Ausbildungszeit in Ziffer 3 als Ausnahmegründe beispielhaft an: Erkennbare schwere Mängel in der Ausbildung, längere, vom Auszubildenden nicht zu vertretende Ausfallzeiten sowie körperliche, geistige oder seelische Behinderung der Ausbildenden (zitiert von Wohlgemuth, BBiG, 2. Auflage, § 29 Rz. 9). Allein die Tatsache, dass die Abschlussprüfung nach der Ausbildungszeit liegt, wird daher zur Verlängerung nach § 29 Abs. 3 BBiG a.F. nicht genügen.

c) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht auch nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Parteien durch eine einzelvertragliche Vereinbarung die Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses über die Ausbildungszeit hinaus bis zur Abschlussprüfung vereinbart haben.

Es ist angesichts der klaren Regelung des § 14 Abs. 1 BBiG a.F. und den Verlängerungsmöglichkeiten in § 14 Abs. 3 BBiG a.F. einerseits und § 29 Abs. 3 BBiG a.F. andererseits strittig, ob eine solche Vereinbarung zulässig ist. So geht Schaub (Arbeitsrechtshandbuch, 10. Auflage, § 174 Rz. 81) davon aus, dass Verlängerungen, die erfolgen, weil die Prüfung noch nicht abgelegt ist, nach § 134 BGB unwirksam sind. Dafür spricht, dass die Länge der Ausbildungszeit als Höchstdauer auch zum Ziel hat, dass ausbildende Betriebe nicht über diesen Zeitpunkt hinaus Auszubildende mit Ausbildungsvergütung beschäftigen. Demgemäß wird auch die Auffassung vertreten, dass dann, wenn nach Ablauf des Berufsausbildungsverhältnisses die Tätigkeit fortgesetzt wird bis zur Ablegung der Abschlussprüfung, in der dazwischen liegenden Zeit ein Arbeitsverhältnis liegt mit Anspruch auf Arbeitsvergütung (vergl. z.B. Wohlgemuth, BBiG, 2. Auflage, § 14). Die gleiche Auffassung vertritt auch Leinemann (BBiG, § 14 Rz. 11), jedoch mit der Einschränkung, dass dies nicht gilt, wenn die Parteien eine Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses vereinbart haben, was wiederum bedeutet, dass Leinemann von der Zulässigkeit einer Vereinbarung der Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses ausgeht. Sieht man § 29 Abs. 3 B BiG a.F. als enge Ausnahmevorschrift an, die als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt nur unter den engen Voraussetzungen in das grundgesetzlich gesicherte Recht auf Vertragsfreiheit eingreifen kann, steht die Sonderregelung der Möglichkeit der einvernehmlichen Verlängerung eines Ausbildungsverhältnisses bei sachlichen Gründen nicht entgegen. So wird auch die Auffassung vertreten, dass dann, wenn die Ausbildung über die Ausbildungszeit einvernehmlich fortgesetzt wird bis zur Abschlussprüfung, darin eine stillschweigende Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses liege (vergl. z.B. ErfK/Schlachter, 5. Auflage, § 14 BBiG Rz. 2, APS/Biebl, 2. Auflage, § 14 BBiG Rz. 8; KR/Weigand, § 14, 15 BBiG Rn. 19). Ob ein Auszubildender unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine entsprechende Verlängerung hat und ein solcher Sachverhalt vorliegend gegeben ist, kann dahingestellt bleiben, da eine unberechtigte Weigerung nur zu Schadenersatzansprüchen führen kann, die nicht Streitgegenstand des Hauptantrages sind.

Darlegungs- und beweispflichtig für den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung ist die Klägerin.

Dieser Beweis ist der Klägerin nicht gelungen, wenn auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme einiges für die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin sprechen mag.

Nach § 286 ZPO unterliegt die Beweisaufnahme der freien Beweiswürdigung des Gerichts. Zur Beweiserbringung muss das Gericht von der Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung überzeugt sein. Diese Überzeugung muss zwar nicht alle Zweifel an sich ausschließen, aber ihnen Einhalt gebieten. Es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (grundlegend BGH v. 17.02.1970, BGHZ 53 Seite 246 ff, 256).

Die Beklagte hat in der Stellungnahme zur Beweisaufnahme zu Recht darauf hingewiesen, dass fraglich erscheine, ob bereits der Aussage von Herrn S. die Vereinbarung einer Verlängerung des Ausbildungsvertrages entnommen werden kann. Nach der Aussage des Zeugen S. war entscheidender Streitpunkt des Gespräches die Frage des Schulunterrichtes und die weitere Frage der Konsequenz der (streitigen) Versäumung, die Klägerin zum Blockunterricht zu senden. Wenn in diesem Zusammenhang der Zeuge aussagt, Frau K. habe erklärt, der Ausbildungsvertrag würde, wenn die Prüfung im November sei, selbstverständlich stillschweigend verlängert, besagt dies nicht, dass in dem Gespräch eine (nicht stillschweigende) Einigung getroffen wurde. Vielmehr deutet dies darauf hin, dass auch als Frage der streitigen Kompetenzen und Befugnisse der Zeugin K. diese dem Vater mitgeteilt hat, dass sie davon ausgehe, dass es zu einer Verlängerung kommen werde. Zwar ist die Aussage der Zeugin, sie habe nicht erklärt, dass das Ausbildungsverhältnis entsprechend verlängert werde, weil sie hierzu nicht befugt sei und dies mit Herrn S2 abspreche, durchaus problematisch. Der Hinweis auf Kompetenzen kann sowohl die Erklärung darin haben, dass die Erklärung erfolgt, um Kompetenzüberschreitungen abzuwehren. Andererseits deutet, wie ausgeführt, die Aussage des Zeugen S. in die gleiche Richtung. Die Kammer geht zwar entgegen der Aussage der Zeugin K. davon aus, dass sehr viel dafür spricht, dass ein persönliches Gespräch zwischen beiden stattgefunden hat und in diesem Gespräch die Frage des Blockunterrichtes und der Anmeldung zu Schulzeiten genauso eine Rolle gespielt hat wie die Beendigung. Hat in diesem Fall Frau K. erklärt, der Ausbildungsvertrag würde stillschweigend verlängert, deutet gerade das Wort „stillschweigend“ darauf hin, dass gerade keine Vereinbarung in dem Gespräch getroffen werden sollte und getroffen wurde. Möglicherweise ging Frau K. insoweit irrig davon aus, dass die Fortsetzung bis zur Abschlussprüfung selbstverständlich ist und als stillschweigende Vertragsverlängerung behandelt wird. Die Kammer verhehlt auch nicht, dass auch im Hinblick auf ihre Kompetenzen und möglicherweise aus Furcht, von Herrn S2 zur Rede gestellt zu werden, sie bei ihrer Aussage gehemmt war und insbesondere die Erklärungen zur Anmeldung zum Schulunterricht und Blockunterricht nicht stimmig waren. Hieraus kann jedoch weder geschlossen werden, dass die Zeugin insgesamt die Unwahrheit gesagt hat, noch, dass entsprechend der Behauptung der Klägerin in dem Gespräch eine Vereinbarung über die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses getroffen wurde. Weiterer Ausführungen zu der Aussage der Zeugin K. zu den Anmeldungen zum Blockunterricht und zum Ablauf der Anmeldung bedarf es daher in diesem Zusammenhang nicht.

III.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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